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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2020, RV/4100382/2012

Erfolgt eine bescheidmäßige Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers nach § 82 EStG 1988 in Form der Anwendung einer pauschalen Lohnsteuernachforderung gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988, jedoch ohne eine taugliche Begründung nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a BAO, so muss diese mangels Nachvollziehbar- bzw. Kontrollierbarkeit aufgehoben werden

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/4100382/2012-RS1
In der Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a BAO) eines Haftungsbescheides iSd § 82 EStG 1988 sind ua die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nachvollziehbar darzulegen. Dies erfordert (im Fall der sinngemäßen Anwendung des § 201 Abs 2 Z 3 BAO) beim Neuerungstatbestand die Darlegung, welche Tatsachen oder Beweismittel für die Abgabenbehörde neu hervorgekommen sind (vgl. Ritz, BAO6, § 202 Tz 6).
RV/4100382/2012-RS2
Gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 kann die Nachforderung auf Grund einer Außenprüfung in einem Pauschbetrag erfolgen, wenn sich bei dieser Außenprüfung ergibt, dass die genaue Ermittlung der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Bestimmung eröffnet keine Möglichkeit, von der Ermittlung des steuererheblichen Sachverhaltes abzusehen und der Nachforderung etwa einen bloß vermuteten Sachverhalt zugrundezulegen. Es ist also bei einer Nachforderung gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 grundsätzlich festzustellen, welche Arbeitnehmer welche unrichtig versteuerten Vorteile aus dem Dienstverhältnis bezogen haben. Lediglich bei der Berechnung der Lohnsteuer, die auf diese Vorteile entfällt, kann pauschal vorgegangen werden, indem anhand der Merkmale des § 86 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1988 eine Durchschnittsbelastung ermittelt wird, die auf die Vorteile der "durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer" entfällt. Auch im Falle der pauschalen Nachforderung muss aber grundsätzlich für den Arbeitgeber ermittelbar sein, was auf den einzelnen Arbeitnehmer entfällt (vgl. und die darin zitierte Vorjudikatur).
Folgerechtssätze
RV/4100382/2012-RS1
wie RV/6100866/2014-RS1
Der Gesetzgeber bezweckte mit der Neufassung des § 201 BAO durch das AbgRmRefG eine Harmonisierung der Rechtswirkungen von Selbstberechnungen und von Veranlagungsbescheiden. Wie in Ritz, BAO5, § 201 Tz 3, dargestellt, entspricht die erstmalige Festsetzung des § 201 Abs 2 Z 3 BAO bei Veranlagungsbescheiden der Wiederaufnahme nach § 303 BAO. Die angestrebte Harmonisierung ist jedoch nur dann in vollem Umfang zu erreichen, wenn nicht nur § 303 BAO an sich, sondern auch die dazu ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung auf § 201 Abs 2 Z 3 BAO uneingeschränkt angewendet wird. Somit ist auch im Anwendungsbereich des § 201 Abs 2 Z 3 BAO die Nichtdarlegung der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel in der Bescheidbegründung im Rechtsmittelverfahren nicht mehr sanierbar.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in den Beschwerdesachen Bf, Adresse, vertreten durch WP.Stb.GmbH, Anschrift, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt WR vom , betreffend Haftung des Arbeitgebers für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer gemäß § 82 EStG 1988 je für die Jahre 2009 und 2010 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

  • Der angefochtene Haftungsbescheid gemäß § 82 EStG 1988 für das Jahr 2009 wird abgeändert.
    Die Beschwerdeführerin wird für das Jahr 2009 als Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer in Höhe von € 463,62 (= LSt-Abfuhrdifferenz für den Monat 12/2009) gemäß § 82 EStG 1988 in Anspruch genommen.
     

  • Der angefochtene Haftungsbescheid gemäß § 82 EStG 1988 für das Jahr 2010 wird aufgehoben.
     

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit zwei Haftungsbescheiden gemäß § 82 EStG 1988, je vom , schrieb das Finanzamt WR der Beschwerdeführerin (Bf.), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreffend die Einbehaltung und Abfuhr von Lohnsteuer für das Jahr 2009 den Betrag iHv € 16.043,62 und für das Jahr 2010 den Betrag iHv € 15.580,00 zur Entrichtung vor und verwies zur Begründung jeweils auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom selben Tag.

In diesem "vier Seiten" umfassenden GPLA-Prüfbericht (ABNr. 123) vom ist neben der Anführung der eingesehenen Unterlagen (Lohnkonten, Bilanzen) folgender rechtlicher Hinweis für die Haftungsinanspruchnahme der Bf angeführt:
"Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 82 Einkommensteuergesetz (EStG) iVm § 202 Abs. 1 und § 224 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) wurde im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände getroffen. Dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ ist dabei die Bedeutung „berechtigte Interessen der Partei“, dem Gesetzesbegriff „Zweckmäßigkeit“ ist insbesondere die Bedeutung „öffentliches Anliegen an der Einhebung der Abgaben“ beizumessen. Im Hinblick darauf, dass die Arbeitgeberhaftung eine für den praktischen Vollzug des Lohnsteuerverfahrens unerlässliches Element darstellt und die im vorliegenden Fall festgestellten Fehlberechnungen und Einbehaltungsdifferenzen nicht bloß von geringem Ausmaß sind, waren bei der Ermessensübung dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Abgabenerhebung der Vorzug zu geben und die gegenständliche Haftungsheranziehung bescheidmäßig auszusprechen."

Des Weiteren wurde vom Prüfungsorgan in diesem Bericht zur Dokumentation des Prüfungsergebnisses "Abgabenart (AA) - Lohnsteuer (L)" Nachfolgendes (wörtlich) festgehalten:
"Sachverhaltsdarstellung:
Diäten werden tws. nicht KV-konform behandelt.
Pauschale Nachrechnung Finanz:
AA: L, Zeitraum: - , BMG alt: 0,00, Hinzurechnung: € 41.000,00, BMG neu: € 41.000,00, Nachforderung: € 15.580,00.
Sachverhaltsdarstellung:
Diäten werden tws. nicht KV-konform behandelt.
Pauschale Nachrechnung Finanz:
AA: L, Zeitraum: - , BMG alt: 0,00, Hinzurechnung: € 41.000,00, BMG neu: € 41.000,00, Nachforderung: € 15.580,00.
Abfuhrdifferenz:
Sachverhaltsdarstellung:
Jahr: 2009, Monat: 12, Differenz: € 463,62, AA: L."

Auch wurde sodann im Bericht in zwei daran anschließenden Tabellen unter den Titeln „Ergebnisübersicht für das Jahr 2009“ ein Lohnsteuernachforderungsbetrag iHv € 16.043,62 sowie „Ergebnisübersicht für das Jahr 2010“ ein Lohnsteuernachforderungsbetrag iHv € 15.580,00 ausgewiesen.

Mit Eingabe vom wurde von der steuerlichen Vertretung der Bf gegen die Lohnsteuerhaftungsbescheide der Jahre 2009 und 2010 innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist form- und fristgerecht eine Beschwerde (vormals Berufung) beim zuständigen Finanzamt eingebracht und im Wesentlichen Folgendes ins Treffen geführt:
" (…)
Im Zuge der anberaumten GPLA-Prüfung wurden seitens des Prüfungsorgans pauschale Nachrechnungen für steuerpflichtige Diäten und Zulagen angesetzt.

Die Berufung richtet sich nicht gegen diesen Ansatz der pauschalen Nachverrechnung, sondern gegen den Ansatz des pauschalen Einkommensteuersatzes im Ausmaß von 38 % für die Nachbemessung der einzelnen Jahre.

Weder im Zuge der Schlussbesprechung, noch im Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung wurde ausgeführt, warum für die Nachverrechnung der Grenzsteuersatz von 38 % anstelle des sich im Unternehmen (innerer Betriebsvergleich) aufgrund der tatsächlich anfallenden Lohnsumme ergebenden durchschnittlichen Lohnsteuer-Prozentsatz herangezogen wurde.

Um die Lohnsteuer, die auf alle im Unternehmen beschäftigten Leiharbeiter entfällt, zu ermitteln, haben wir von den in der Lohnverrechnung erfassten Brutto-Löhnen der Leiharbeiter die steuerfreien Bezüge in Abzug gebracht.

Die sich daraus ergebende Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer haben wir der gesamten Lohnsteuer, die auf die Löhne - ohne Sonderzahlungen - entfällt, gegenübergestellt und so die durchschnittliche jährliche Lohnsteuerbelastung in % errechnet.

Aus den beigelegten Tabellen ist ersichtlich, dass die Lohnsteuer (ohne Sonderzahlungen) im Jahresdurchschnitt im Jahre 2009 rund 12,2 % und im Jahre 2010 rund 11,4 % betragen hat.

Laut Judikatur und Rechtsprechung kann für die Besteuerung von pauschalen Nachzahlungen nur ein begründeter Durchschnittssteuersatz, der sich aus den tatsächlichen Gegebenheiten im Betrieb ergibt, herangezogen werden.

Den Steuersatz von 38 % für pauschale Hinzurechnungen, welche aufgrund mangelnder Möglichkeit einer Rückforderung im Zuge einer Arbeitnehmerveranlagung, zur endgültigen Belastung des Unternehmens führt, heranzuziehen, entbehrt jeder Grundlage.

Im gegenständlichen Fall ist daher auf den durchschnittlichen jährlichen Lohnsteuersatz zurückzugreifen, da sich auch mit der - im Verhältnis zur jährlichen Lohnsumme geringen pauschalen Hinzuschätzung keine gravierende Erhöhung des jährlichen Lohnsteuer-Durchschnittssteuersatzes ergeben hat.

Daher ergibt sich in diesem Fall eine Nachzahlung an Lohnsteuer für das Jahr 2009 (€ 15.580,00 x 12,2 %) iHv € 1.900,76 zuzüglich der Abfuhrdifferenzen lt. Bericht iHv € 463,62 somit insgesamt € 2.364,38 und Lohnsteuer für das Jahr 2010 (€ 15.800,00 x 1,4 %) iHv € 1.776,12.

Wir ersuchen um Herausgabe der in diesem Sinne berichtigten Bescheide.(…)"

Mit dem Ersuchen um Abgabe einer Stellungnahme teilte die belangte Behörde der Bf mit Bedenkenvorhalt vom unter Bezugnahme auf das Berufungsvorbringen Folgendes mit:
"Ergibt sich bei einer Außenprüfung, dass die genaue Ermittlung der auf die einzelnen Arbeitnehmer infolge einer Nachforderung entfallenden Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist, so kann die Nachforderung in einem Pauschbetrag erfolgen.
Bei der Festsetzung dieses Pauschbetrages ist auf die Anzahl der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer, auf die Steuerabsetzbeträge sowie auf die durchschnittliche Höhe des Arbeitslohnes der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer Bedacht zu nehmen. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass der nachzuversteuernde Bezugsteil auf die bereits versteuerten Bezüge aufzustocken ist, wodurch sich auch bei geringfügigen Hinzurechnungen eine relativ hohe pauschale Lohnsteuerbelastung ergibt.
Die Steuersätze sind im § 33 Abs 1 EStG geregelt. Ab 2010 fällt eine Steuer erst ab einem Einkommen von 11.000 Euro an und beträgt der Grenzsteuersatz 36,5 % (2009: 38,33%).
Dieser beträgt 43,214286 % bei Einkommen von 25.000 bis 60.000 und ab diesem Betrag 50%.
Das Finanzamt hat für 2009 und 2010 Löhne von Arbeitnehmern wahllos für die Berechnung des Grenzsteuersatzes herangezogen. Die Umrechnung auf einen Jahresbetrag ergibt eine Steuer-Bemessungsgrundlage für die der Grenzsteuersatz von 36,5 % anzuwenden ist (siehe beiliegende Aufstellung)."

Aus dem Inhalt der in Tabellenform dargestellten Berechnungsbeilage des Finanzamtes, geht getrennt für die Streitjahre 2009 und 2010, jeweils unter Anführung der SVNr. von 10 betroffenen Arbeitnehmern deren individuell auf ein Jahr umgerechnete LStBMG hervor.

Mit Schreiben vom beantwortete die steuerliche Vertretung diesen Ergänzungsvorhalt wie folgt:
"… lm Zuge der Außenprüfung wurden die Beitragsvorschreibungen für die Sozialversicherung jedem Dienstnehmer einzeln zugerechnet. Lediglich für die Ermittlung der Lohnsteuer bzw. Lohnabgaben wurde eine pauschale Ermittlung der personenbezogenen Zurechnung vorgezogen.
In der Beilage haben wir für das Jahr 2010 für alle Dienstnehmer, die in diesem Kalenderjahr beschäftigt waren, die durchschnittliche Lohnsteuerbelastung - jeweils berechnet auf ein volles Beschäftigungsjahr - ermittelt. Dabei wurde eine Ganzjahres-Beschäftigung unterstellt, die sicherlich nicht auf alle im Jahre 2010 beschäftigten Dienstnehmer definitiv zugetroffen hat.
Weiters wurden seitens der Finanzbehörde lediglich 10 Lohnzettel von insgesamt 591 im Jahre 2010 Beschäftigten (= Grundmenge) als Bemessungsgrundlage herangezogen.
Die sich aus der gesamten Grundmenge ergebende, durchschnittliche Steuerbelastung beläuft sich auf rund 10,11 %.
Das Einkommensteuergesetz sieht zwar im § 33 Abs. 1 EStG die Grenzsteuersätze vor; im gleichen Paragrafen ist auch der Abzug von Absetzbeträgen geregelt.
Dieser Paragraf enthält jedoch keine Regelung betreffend den Ansatz des Grenzsteuersatzes für die pauschale Hinzurechnung anlässlich einer GPLA-Prüfung.
Aufgrund der pauschalen Hinzurechnung kann sich der einzelne Steuerpflichtige im Zuge einer Arbeitnehmerveranlagung jedoch die für ihn abgeführte Lohnsteuer nicht erstatten lassen, sodass dies zu einer unverhältnismäßig "ewigen" Einkommensteuerbelastung führen würde.
§ 184 BAO sieht weiters vor, dass die Abgabenbehörde, "alle Umstände zu berücksichtigen hat, die für die Schätzung von Bedeutung sind".
Der Ansatz des Grenzsteuersatzes für eine pauschale Besteuerung, die nicht im Zuge einer einzelnen Arbeitnehmerveranlagung erstattet werden kann, entspricht nicht den Prinzipien der Steuergerechtigkeit und wäre daher verfassungsrechtlich bedenklich.
Sollte daher seitens der Behörde nicht der Durchschnittssteuersatz (Iaut Lohnsteuertabelle 2010) in Höhe von 20,44 % für die pauschale Hinzurechnung herangezogen werden, beantragen wir - im Auftrag und in Vollmacht unserer Klientin - den Pauschalbetrag aliquot auf alle Dienstnehmer aufzuteilen, sodass diese in die Lage versetzt werden, die zu viel einbehaltene Lohnsteuer im Zuge einer Arbeitnehmerveranlagung sich wieder erstatten zu lassen. …"

Von Seiten der steuerlichen Vertretung der Bf wurden dieser Vorhaltsbeantwortung als Beilagen eine tabellarische Auflistung mit „Berechnung des Durchschnittssteuersatzes aller Mitarbeiter des Jahres 2010“ sowie eine Kopie der Lohnsteuertabelle 2010 (Darstellung: Durchschnittssteuersatz und Grenzsteuersatz je nach Einkommenshöhe) angefügt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt den Berufungen der angefochtenen Lohnsteuerhaftungsbescheide der Jahre 2009 und 2010 – mit folgender Begründung - teilweise statt.
"… Bei der Bw hat für den Zeitraum 2009 - 2010 eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) stattgefunden. Dabei hat der Prüfer festgestellt, dass Diäten steuerfrei ausbezahlt wurden, obwohl sie nicht zur Gänze entsprechend einer lohngestaltenden Vorschrift gewährt worden sind.
Die Nachversteuerung erfolgte gem. § 86 Abs 2 EStG in einem Pauschbetrag, wobei ein Einkommensteuersatz im Ausmaß von 38 % zur Anwendung gelangte.
In der dagegen eingebrachten Berufung wird ausgeführt, die durchschnittliche jährliche Steuerbelastung betrage im Jahr 2009 rund 12,2 % und im Jahr 2010 rund 11,4 %. Bei dieser Berechnung habe man von den Brutto-Löhnen zunächst die steuerfreien Bezüge in Abzug gebracht. Die sich daraus ergebende Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer sei der gesamten Lohnsteuer - ohne Sonderzahlungen - gegenübergestellt und so die durchschnittliche jährliche Lohnsteuerbelastung in % errechnet worden.
Die Berufung richtet sich nicht gegen den Ansatz der pauschalen Nachverrechnung.

Dazu wird festgestellt:
§ 86 Abs. 2 EStG 1988 sieht vor, dass die Nachforderung in einem Pauschbetrag erfolgen kann, wenn sich bei einer Lohnsteuerprüfung ergibt, dass die genaue Ermittlung der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Hiebei ist auf die Anzahl der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer, auf Steuerabsetzbeträge, auf die durchschnittliche Höhe des Arbeitslohnes der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer Bedacht zu nehmen. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass der nachzuversteuernde Bezugsteil auf bereits versteuerte Bezüge aufzustocken ist, wodurch sich auch bei geringfügigen Hinzurechnungen eine relativ hohe pauschale Lohnsteuerbelastung ergeben kann.
Grundsätzlich sind Lohnsteuererhebungen der Lohnsteuerbemessungsgrundlagen im Rahmen von GPLA Prüfungen bei den jeweils betroffenen Arbeitnehmern individuell zuzurechnen.
Im gegenständlichen Fall liegen die Voraussetzungen des § 86 Abs 2 vor, somit ist die Lohnsteuerbemessungsgrundlage der jeweils betroffenen Arbeitnehmer zu ermitteln. In der Folge ist die pauschale Lohnsteuernachforderung mit dem sich auf Grund der durchschnittlichen jährlichen Lohnsteuerbemessungsgrundlage ergebenden Grenzsteuersatz vorzunehmen.

Aufgrund der vorgelegten Arbeitnehmerliste 2010 ergibt sich, dass die Lohnsteuerbemessungsgrundlage von 47 Arbeitnehmern unter 11.000 €, bei 17 Arbeitnehmern über 25.000 € liegt. Bei 527 Arbeitnehmern ist die Bemessungsgrundlage zwischen 11.000 € und 25.000 €. Die Berechnung des darauf entfallenden (gewichteten) Steuerbetrages ist in der Beilage dargestellt.

Wenn in der Vorhaltsbeantwortung ausgeführt wird, der Arbeitnehmer kann die für ihn abgeführte Lohnsteuer nicht erstatten lassen, wird auf § 46 Abs 1 EStG verwiesen. Gem. der zitierten Gesetzesstelle ist eine Lohnsteuer, die im Haftungsweg (§ 82 EStG) beim Arbeitgeber nachgefordert wurde, nur insoweit auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers anzurechnen, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde. Eine im Haftungsweg dem Arbeitgeber vorgeschriebene Lohnsteuer ist daher nicht in den Lohnzettel aufzunehmen. Regressiert sich der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer hinsichtlich dieser Lohnsteuer, muss der Arbeitgeber nachträglich einen korrigierten Lohnzettel übermitteln."

In der erwähnten Beilage zur gegenständlichen Berufungsvorentscheidung wurde von Seiten des Finanzamtes (erstmals) die Berechnungsmethode des in Streit stehenden "Durchschnittssteuersatzes" (Anmerkung: laut BVE für beide Streitjahre abgeändert auf einen gewogenen Steuersatz von 33,79 %) für die pauschal erfolgte Lohnsteuernachforderung nach der Kannbestimmung des § 86 Abs. 2 EStG 1988 dargestellt.

Mit Vorlageantragsschriftsatz vom stellte die steuerliche Vertretung der Bf den Antrag auf Entscheidung über die Berufungen vom durch die Abgabenbehörde II. Instanz (Unabhängiger Finanzsenat) und beantragte darin ua. auch die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung durch den gesamten Berufungssenat.
Darin wurde vorgebracht (auszugsweise wiedergegeben):
"(…) Zu den in der Begründung der Berufungsvorentscheidung enthaltenen Feststellungen der Abgabenbehörde wird, wie folgt, Stellung bezogen:
In der Niederschrift über die Schlussbesprechung zur GPLA-Prüfung vom wurden nachstehende Bemessungsgrundlagen besprochen und anerkannt: „für den Bereich SV: ca. € 90.000,00 p.a. und für den Bereich FA u K: ca. € 41.000,00 p.a.“. Weder in der Schlussbesprechung noch in der Niederschrift ist auf den anzuwendenden Lohnsteuersatz eingegangen worden. Der Prüfer hat es verabsäumt eine Begründung für seine Wahl des Grenzsteuersatzes anzuführen.
Die steuerfrei ausbezahlten Diäten wurden pauschal in steuerpflichtige Diäten umgewandelt. Die Nachforderungen an ASVG-Beiträgen wurden jedoch einzeln den Dienstnehmern zugeordnet.
Es ist nicht nachvollziehbar, wie eine personenbezogene Zuordnung von SV-Beiträgen möglich ist, eine personenbezogene Zuordnung - trotz vorangegangener Prüfung, die ja Grundlage der pauschalen Hinzuschätzung sein sollte – der Diäten nicht möglich bzw. unzumutbar sein soll.
Unsere Klientin wurde zur Haftung von Lohnsteuer ihrer Dienstnehmer herangezogen.
Da unsere Klientin nicht für die Einkommensteuer ihrer Mitarbeiter aufkommen möchte, ihnen aber die Gelegenheit zum Beitritt zur Berufung ermöglichen will und muss, ist eine Zuordnung zu den einzelnen - wenn auch die Ermittlung der Lohnsteuer im Pauschalwege für die einzelnen Steuerpflichtigen erfolgte - lohnsteuerpflichtigen Dienstnehmern unerlässlich.
Ohne personenbezogene Zurechnung zu einzelnen Steuerpflichtigen wird auch nicht dem Prinzip der Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit und auch dem Prinzip der persönlichen Universalität nicht entsprochen.
Denn im Endeffekt sollte der Steuerpflichtige, der über seine Einkünfte verfügen kann, die Einkommensteuer für sein zugeflossenes Einkommen selbst tragen und entrichten.
Dem einzelnen Dienstnehmer kann auch nicht das Recht genommen werden, im Zuge einer Arbeitnehmerveranlagung die tatsächlichen Diäten geltend zu machen um zu viel bezahlte Lohnsteuer wieder zurückfordern zu können.
Bei dem Ansatz des Grenzsteuersatzes ohne personenbezogene Hinzurechnung bleibt die personenbezogene Berücksichtigung des Durchschnittseinkommensteuersatzes gänzlich außer Ansatz.
Durch die pauschale Hinzurechnung mit einem pauschalen Ansatz eines Einkommensteuer-Grenzsteuersatzes - ohne Zuordnung zu bestimmten Dienstnehmern - wird außerdem gegen das Prinzip der persönlichen Leistungsfähigkeit verstoßen.
Diese pauschale Hinzurechnung und der Ansatz des Grenzsteuersatzes führt in der Realität zu einem tatsächlichen Kostenfaktor des Unternehmens, da die Lohnsteuer de facto vom Dienstgeber getragen werden muss, ohne dass sie auf den Dienstnehmer überwälzt werden kann.
Bei einer namentlichen Zuordnung kann nämlich jeder Dienstnehmer im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung seine Werbungskosten geltend machen; sein Einkommen wird gemäß seiner Höhe nach besteuert. Ein Zuviel an einbehaltener Lohnsteuer kann der Dienstnehmer zurückfordern.
Im Zuge der Prüfung wurde festgestellt, dass Diäten für Dienstnehmer - wie dargestellt - nicht unversteuert hätten ausbezahlt werden sollen. Diese Feststellung konnte der Prüfer ohne direkte Prüfung einzelner Lohnkonten nicht feststellen. Warum im Zuge des Verfahrens dann diese Mitarbeiter nicht namentlich aufgezählt wurden, kann daher nicht nachvollzogen werden.
Wir stimmen der Finanzbehörde zu, dass die Bemessungsgrundlage für die einzelnen Dienstnehmer pauschal erfolgen hätte können; eine Zuordnung der pauschal ermittelten steuerpflichtigen Diäten zu den einzeln namentlich anzuführenden Dienstnehmern bleibt jedoch unerlässlich. Nur so ist eine „steuergerechte“ Einkommensbesteuerung der einzelnen Dienstnehmer als Steuerpflichtige möglich.
Weder im Zuge der Schlussbesprechung noch in der Niederschrift wurde auf den Ansatz des Grenzsteuersatzes eingegangen.
Dadurch wurden die Parteien des Verwaltungsverfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte gehindert. …"

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor. Unter Hinweis auf die Berufungsvorentscheidung vom beantragte das Finanzamt die gänzliche Abweisung der Berufung.
Zur Abweisungserwägung führte die belangte Behörde im Vorlagebericht folgende Ergänzung ins Treffen:
"Gem. § 184 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln od. berechnen kann. Der geprüfte Betrieb beschäftigte im Jahre 2009 468 und im Jahre 2010 602 Arbeitnehmer. Auf Grund der großen Anzahl von Arbeitnehmern war es dem Prüfer im Rahmen der GPLA faktisch unmöglich die Gesamtanzahl der Lohnkonten auf die Richtigkeit der Reisekostenberechnung hin zu überprüfen und die vom Unternehmen unrichtigerweise steuerfrei ausbezahlten Diäten als Bemessungsgrundlage für die Nachforderungen an Lohnabgaben zu ermitteln. Die Schätzung der - im Übrigen von der Bw. nicht bestrittenen Bemessungsgrundlage - erfolgte daher zu Recht.
Dem von der Berufungswerberin vorgebrachten Einwand, wonach im Gegensatz zum Abgabenverfahren im SV-Verfahren eine Zuordnung zu den einzelnen Arbeitnehmern möglich gewesen sei, ist zu entgegnen, dass es sich auch im Bereich der Sozialversicherung um keine Zuordnung von exakt ermittelten Beträgen auf die einzelnen Arbeitnehmer, sondern um eine mittels EDV-Programm durchgeführte Umrechnung der pauschal ermittelten Bemessungsgrundlage auf die einzelnen Arbeitnehmer handelt. Die mittels EDV auf die einzelnen Arbeitnehmer verteilten Beträge stellen daher nur weitere Schätzungen dar.
§ 86 Abs. 2 EStG regelt die Möglichkeit, die Lohnsteuer im Zuge einer Lohnsteuerprüfung in einem Pauschbetrag nachzufordern, wenn sich ergibt, dass die genaue Ermittlung der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallende Nachforderung (wie im gegenständlichen Fall) mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist.
Die Bestimmung sieht vor, dass bei der Festsetzung des pauschal ermittelten Nachforderungsbetrages auf die Anzahl der Arbeitnehmer, die Steuerabsetzbeträge sowie auf den durchschnittlichen Arbeitslohn der betroffenen Arbeitnehmer Bedacht zu nehmen ist. Diesem Erfordernis wurde in der Berufungsvorentscheidung vom Rechnung getragen."

Im Ergänzungsschriftsatz zur Beschwerde vom , unter Verweis auf das BFG-Erkenntnis RV/710292/2017 vom , wies die steuerliche Vertretung wiederholt darauf hin, dass auch im Falle einer pauschalen Nachforderung für den Arbeitgeber ermittelbar sein müsse, welche Nachforderung auf den einzelnen erfassten Arbeitnehmer entfällt. Im letzten Absatz diese Schreibens wurde sodann sinngemäß eingewandt, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Ermittlung der strittigen Lohnsteuernachforderung mit einem Pauschbetrag nach § 86 Abs. 2 EStG 1988 nicht vorgelegen seien.

Über erfolgte Kontaktaufnahme durch den Richter teilte die steuerliche Vertretung der Bf, mit Eingabe vom zur gegenständlichen Beschwerdesache mit, dass im Auftrag und in Vollmacht der Mandantin der Antrag auf mündliche Senatsverhandlung zurückgezogen werde.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

I. Feststellungen:

Das Bundesfinanzgericht legt seinem Erkenntnis folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde, die aus den Inhalten der vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten hervorgehen:

1. Die Begründung zur Erlassung der gegenständlich angefochtenen LSt-Haftungsbescheide nach § 82 EStG 1988 iVm § 202 Abs. 1 BAO erschöpft sich - wie bereits der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens entnommen werden kann - nach dem Inhalt des verwiesenen vierseitigen GPLA-Berichtes (ABNr. 123) vom auf den bloßen Beweismittelhinweis: "Diäten werden tws. nicht KV-konform behandelt".

2. Des Weiteren geht aus dem Inhalt dieses Berichtes nicht einmal ansatzweise hervor auf welche lohnabgabenrechtlichen Feststellungen das Prüfungsorgan "die pauschal festgesetzten Lohnsteuerhaftungsbeträge je Streitjahr iHv € 15.580,00 unter Anwendung der Bestimmung nach § 86 Abs. 2 EStG 1988" begründend gestützt hat.

II. Beweiswürdigung:

1. Fest steht, dass im verwiesenen GPLA-Bericht kein als erwiesen festgestellter "neu hervorgekommener Tatsachenkomplex iSd § 201 Abs. 2 Z 3 BAO" angeführt worden war, wonach die Bf als Arbeitgeberin im Rahmen ihrer laufenden Lohnabrechnung iSd § 78 EStG 1988 in den Streitjahren 2009 und 2010 einen "schlüssig bzw. ziffernmäßig konkretisierten Diätengeldbetrag", etwa dem Grunde oder der Höhe nach zu Unrecht steuerfrei an einen betroffenen Arbeitnehmer als Arbeitslohn ausbezahlt hat und insoweit dadurch eine Verkürzung der abzuführenden Lohnsteuer iSd § 79 EStG 1988 (= Selbstberechnungsabgabe) für diesen Arbeitnehmer (= Steuerschuldner) bewirkt hat.

2. Evident ist, dass im bezugshabenden GPLA-Bericht auch keinerlei Tatsachenfeststellungen bzw. Ermittlungsergebnisse dargelegt worden sind, die als geeignete Gründe dafür bestimmend waren, wonach vom Prüfungsorgan die amtswegige Festsetzung der strittigen Lohnsteuerfehlberechnung gegenüber der Bf als haftende Arbeitgeberin für die beiden Streitjahre - ohne Erschwernisse (zB. mangels Offenlegung von Grundlagen für die Berechnung von Lohnsteuer von betroffenen Arbeitnehmern) - also folglich nur auf Basis einer "im Schätzungswege ermittelten Lohnsteuerbemessungsgrundlage“ sowie einer "pauschalen Lohnsteuernachforderungsberechnung iSd § 86 Abs. 2 EStG 1988" möglich gewesen wäre.

3. Aktenkundig ist, dass im bezugshabenden GPLA-Bericht vom Prüfungsorgan keine konkreten Sachverhaltsumstände für eine Schätzungsberechtigung dargelegt wurden. Auch mangelt es gänzlich an der Dokumentation der für die erfolgte Schätzung der Lohnsteuerbemessungsgrundlage zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und ebenso an schlüssigen Feststellungen über die Art und Weise der Berechnung des Pauschbetrages iSd § 86 Abs. 2 EStG 1988.

4. Fakt ist, dass im bezugshabenden GPLA-Bericht auch keinerlei überprüfbare Feststellungsangaben darüber getroffen worden waren, welche betroffenen Arbeitnehmer welche unrichtig versteuerten Vorteile (zB. Diätenbeträge) aus dem Dienstverhältnis im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum bezogen haben. Daher ist auch nicht überprüf- bzw. ermittelbar welcher Lohnsteuerhaftungsbetrag in Folge der pauschal erfolgten Nachforderung iSd § 86 Abs. 2 EStG 1988 (sog. Durchschnittsbelastung) auf den einzelnen (betroffenen) Arbeitnehmer als Steuerschuldner konkret entfallen sei. Im Übrigen wurden vom Prüfungsorgan auch keinerlei Überlegungen und Gründe zur Ermessensübung für die Anwendung der erfolgten pauschalen Lohnsteuernachforderung gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988, bezogen auf die davon (etwa) betroffenen einzelnen Arbeitnehmer, angeführt.

III. Rechtliche Würdigung des Sachverhaltes:

Gemäß § 83 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner. Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten (§ 78 Abs. 1 EStG 1988) und die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen (§ 79 Abs 1 EStG 1988).

Nach § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Die Haftung wird durch einen Haftungsbescheid iSd § 224 Abs. 1 BAO geltend gemacht, wodurch Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Gesamtschuldnern werden, wobei es für die Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers allerdings auch die Verfahrensgrundsätze gemäß § 202 Abs. 1 BAO iVm § 201 BAO zu beachten gilt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei Lohnsteuerhaftungsbescheiden, die über mehrere Arbeitnehmer bzw. mehrere Lohnzahlungszeiträume (Monate) absprechen, um Sammelbescheide (). Bei einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung ausgesprochen wird, wird die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend ist (vgl. ; , 2009/15/0182, VwSlg. 8725/F; , 2004/13/0126, VwSlg. 8004/F; , 94/15/0218). Folglich ist auch bei einer Nachforderung gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 grundsätzlich festzustellen, welche Arbeitnehmer welche unrichtig versteuerten Vorteile aus dem Dienstverhältnis bezogen haben. Lediglich bei der Berechnung der Lohnsteuer, die auf diese Vorteile entfällt, kann pauschal vorgegangen werden, indem anhand der Merkmale des § 86 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1988 eine Durchschnittsbelastung ermittelt wird, die auf die Vorteile der "durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer" entfällt. Auch im Falle der pauschalen Nachforderung muss aber grundsätzlich für den Arbeitgeber ermittelbar sein, was auf den einzelnen Arbeitnehmer entfällt ().

Für die nach § 93 Abs 3 lit. a BAO gebotene Begründung eines Abgabenbescheides hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Begründung erkennen lassen muss, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung eines Abgabenbescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist ().

Von zentraler Bedeutung für die Tragfähigkeit der Begründung eines Bescheides im Sinne ihrer Eignung, dem Verwaltungsgerichtshof die ihm aufgetragene Gesetzmäßigkeitskontrolle zu ermöglichen, ist die zusammenhängende Darstellung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes. Mit dieser ist nicht etwa die Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens einschließlich des Vorbringens des Abgabepflichtigen und der Bekundungen von Prüfungsorganen gemeint. Ebensowenig ist damit die Wiedergabe des Inhaltes von Aussagen, Urkunden oder gegebenenfalls Sachverständigengutachten gemeint. Gemeint ist mit der zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung als dem zentralen Begründungselement eines Bescheides die Anführung jenes Sachverhaltes, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt.

Das der zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung methodisch folgende Begründungselement eines Bescheides hat in der Darstellung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung zu bestehen. In den zu diesem Punkt der Bescheidbegründung zu treffenden Ausführungen sind, auf das Vorbringen eines Abgabepflichtigen im Verwaltungsverfahren beider Instanzen sachverhaltsbezogen im Einzelnen eingehend, jene Erwägungen der Behörde darzustellen, welche sie bewogen, einen anderen als den vom Abgabepflichtigen behaupteten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen, und aus welchen Gründen sich die Behörde im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung dazu veranlasst sah, im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse gerade den von ihr angenommenen und nicht einen durch Beweisergebnisse auch als denkmöglich erscheinenden Sachverhalt als erwiesen anzunehmen. Das dritte tragende Element der Bescheidbegründung schließlich hat in der Darstellung der rechtlichen Beurteilung der Behörde zu bestehen, nach welcher sie die Verwirklichung abgabenrechtlicher Tatbestände durch den im ersten tragenden Begründungselement angeführten festgestellten Sachverhalt als gegeben erachtet. Da die Anwendung der Gesetze in der Subsumtion von Sachverhalten unter gesetzliche Tatbestände besteht, wird sich die Behörde auf die Feststellung nur desjenigen Sachverhaltes beschränken können, der dazu ausreicht, die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes zu beurteilen ().

In der Begründung (§ 93 Abs 3 lit a BAO) des Haftungsbescheides sind ua die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme darzulegen. Dies erfordert (im Fall der sinngemäßen Anwendung des § 201 Abs 2 Z 3 BAO) beim Neuerungstatbestand die Darlegung, welche Tatsachen oder Beweismittel für die Abgabenbehörde neu hervorgekommen sind (vgl. Ritz, BAO6 , § 202 Tz 6).

Unter Beachtung der vorstehend angeführten VwGH-Rechtsprechung zeigt sich, dass die Begründungserfordernisse der angefochtenen Lohnsteuerhaftungsbescheide im Streitpunkt „Pauschale Nachrechnung Finanz“, wie vorstehend unter Punkt II (Beweiswürdigung) bereits ausführlich dargelegt wurde, in keinster Weise vom Finanzamt erfüllt worden sind.

Dies nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes bereits vorrangig deshalb nicht, da ein bloßer Hinweis darauf, dass Diäten teilweise nicht kollektivvertragskonform behandelt wurden, für sich betrachtet keine nachvollziehbare Darstellung der Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes für die Haftungsinanspruchnahme der Bf als Arbeitgeberin - in rechtskonformer Anwendung des § 201 BAO - aufzeigt.

Nachdem das Finanzamt die strittige pauschale Lohnsteuernachforderung (§ 86 Abs. 2 EStG 1988) – siehe verwiesener Prüfbericht und dazu erfolgte Beweiswürdigung – auf keinerlei schlüssig erwiesene neu hervorgekommene Tatsachenkomplexe (sog. Wiederaufnahmsgründe) gestützt hat, muss das Bundesfinanzgericht die diesbezüglich angefochtene Haftungsinanspruchnahme der Bf insoweit sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach (LSt-Nachforderungsbetrag je Streitjahr € 15.580,00) ersatzlos beheben.

Mit einer nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zutreffenden Argumentationslinie im Vorlageantrag und im Ergänzungsschriftsatz vom , welche im Sachvorbringen beider Verfahrensparteien seine glaubhafte Bestätigung findet, wendet sich die steuerliche Vertretung der Bf auch gegen die vom Prüfungsorgan vorgenommene und vom Finanzamt bestätigte „Schätzung“ der Bemessungsgrundlage (je Kalenderjahr iHv. € 41.000,00) welche sodann auch der in Streit gezogenen pauschalen LSt-Nachforderungsberechnung iSd § 86 Abs. 2 EStG 1988 zu Grunde gelegt worden war.

Gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 kann die Nachforderung auf Grund einer Außenprüfung in einem Pauschbetrag erfolgen, wenn sich bei dieser Außenprüfung ergibt, dass die genaue Ermittlung der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Bestimmung eröffnet keine Möglichkeit, von der Ermittlung des steuererheblichen Sachverhaltes abzusehen und der Nachforderung etwa einen bloß vermuteten Sachverhalt zugrundezulegen. Es ist also bei einer Nachforderung gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 grundsätzlich festzustellen, welche Arbeitnehmer welche unrichtig versteuerten Vorteile aus dem Dienstverhältnis bezogen. Lediglich bei der Berechnung der Lohnsteuer, die auf diese Vorteile entfällt, kann pauschal vorgegangen werden, indem anhand der Merkmale des § 86 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1988 eine Durchschnittsbelastung ermittelt wird, die auf die Vorteile der "durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer" entfällt. Auch im Falle der pauschalen Nachforderung muss aber grundsätzlich für den Arbeitgeber ermittelbar sein, was auf den einzelnen Arbeitnehmer entfällt (vgl. und die darin zitierte Vorjudikatur).

Nach der Verfahrensbestimmung des § 184 Abs. 3 BAO hat die Abgabenbehörde die Besteuerungsgrundlagen u.a. dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt, oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formellen Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde im Vorlagebericht vom vermag das Bundesfinanzgericht in Anbetracht der aktenkundigen Sach- und Aktenlage allerdings auch nicht zu erkennen, dass für das Finanzamt objektiv taugliche Umstände für eine Schätzungsberechtigung der "Lohnsteuerbemessungsgrundlagen" bestanden haben.

Im Schätzungsverfahren von Lohnsteuerbemessungsgrundlagen gilt es auch das Parteiengehör zu wahren. Von der steuerlichen Vertretung der Bf wurde dazu im Vorlageantrag vom nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes durchaus glaubhaft und berechtigt eingewandt, dass die pauschal ermittelten Diäten (= geschätzte Bemessungsgrundlage) ohne eine „personenbezogene Zuordnung“ von betroffenen Dienstnehmern erfolgt sei und die Bf dadurch an der Verfolgung ihrer Rechte als Arbeitgeberin (zB. LSt.-Regressverfolgung gegenüber Arbeitnehmern) gehindert sei.

Im Übrigen unterliegen auch Schätzungsergebnisse der Pflicht zur Begründung. Die Begründung hat die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände iSd § 184 BAO, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse schlüssig und folgerichtig darzulegen.

Im verwiesenen GPLA-Bericht wurde vom Prüfungsorgan dieser Begründungspflicht nicht entsprochen, da erstens keine Tatumstände (wie zB. konkrete Lohnkontoaufzeichnungsmängel) für eine Schätzungsberechtigung bezüglich der „Ermittlung von Lohnsteuerbemessungsgrundlagen“ aufgezeigt wurden und zweitens auch die Art und Weise der Berechnung des Schätzungsergebnisses (BMG: € 41.000,00), die zudem ohne konkrete Bezugnahme auf betroffene Arbeitnehmer der Bf. erfolgte, nicht nachvollzieh- bzw. überprüfbar dargelegt worden war.

Überdies hat es das Prüfungsorgan gänzlich unterlassen, den Sachverhalt schlüssig zu benennen, wonach für die belangte Behörde eine tatbestandsmäßige Berechtigung bestanden habe, die strittige Lohnsteuernachforderung auf Grund der abgeführten Außenprüfung mit einem Pauschbetrag nach § 86 Abs. 2 EStG  1988 vorzunehmen. In Anbetracht der zu würdigenden Sach- und Aktenlage erweist sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes folglich der von der steuerlichen Vertretung im Ergänzungsschriftsatz vom erhoben Einwand, es seien die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Ermittlung der strittigen Lohnsteuernachforderung mit einem Pauschbetrag nach § 86 Abs. 2 EStG 1988 nicht vorgelegen als berechtigt.

Unter Beachtung der Verfahrensbestimmung des § 279 Abs 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht – grundsätzlich – immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Diese Änderungsbefugnis darf jedoch nicht zu einer Entscheidung führen, die nicht bereits "Sache" (also Gegenstand des Verfahrens) vor der Abgabenbehörde war.

Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (zB ). Bei einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung geltend gemacht wird, ist die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend ist ().

Zutreffend und rechtens wurde von der steuerlichen Vertretung der Bf allerdings auch eingewandt, dass bei einer pauschalen Lohnsteuernachforderung gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 die auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallende Lohnsteuer zumindest errechenbar sein müsse.

Auch diese Voraussetzung erfüllt die berechnete, strittige Nachforderung (Pauschale Nachrechnung Finanz = Sache des Beschwerdeverfahrens) in keiner Weise. Der pauschal festgesetzten Lohnsteuer wurde nicht ein auf einen bestimmten Arbeitnehmer entfallender bislang unversteuerter Bezugsteil (zB. Diätenbetrag) unterworfen, sondern vielmehr eine im Schätzungswege pauschal ermittelte Bemessungsgrundlage ohne Benennung der davon erfassten Arbeitnehmer. Da die belangte Behörde diese Ermittlungsweise auch im Beschwerdeverfahren bestätigt hat, sind die beiden angefochtenen Haftungsbescheide insoweit auch mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet.

Zusammengefasst gilt festzuhalten, dass die beiden angefochtenen Haftungsbescheide keinerlei schlüssige Begründungselemente zum Streitpunkt "Pauschale Nachrechnung Finanz", enthalten und diesbezüglich zudem keine nachvollziehbare Berechnung der pauschal festgesetzten Lohnsteuerbeträge (§ 86 Abs. 2 EStG 1988) bezogen auf den oder die davon erfassten Abgabenschuldner (Arbeitnehmer) benennen. Es ist nicht ermittelbar, welcher Lohnsteuernachforderungsbetrag auf den einzelnen Arbeitnehmer entfällt. In Anbetracht dieser Sach- und Aktenlage zeigt sich, dass die "Sache der Haftungsinanspruchnahme" für die Bf. als Arbeitgeberin insoweit auch nicht konkretisierbar ist.

Damit ist es dem Bundesfinanzgericht aber auch verwehrt, erstmals darüber abzusprechen, für welche erfassten Arbeitnehmer und mit welcher individuellen Lohnsteuerschuld (Nachforderungshöhe), die Bf zur Haftung gemäß § 82 EStG 1988 herangezogen wird.

Aus den vorgenannten Gründen war über die Bescheidbeschwerden betreffend die Haftungsbescheide nach § 82 EStG 1988 iVm § 202 Abs. 1 BAO für die Jahre 2009 und 2010 spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde in keiner Rechtsfrage entschieden, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen am eindeutigen Gesetzestext sowie an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 86 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 93 Abs. 3 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 202 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100382.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at