Heranziehung der Zigarettenhehlerin als Gesamtschuldnerin
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7200161/2016-RS1 | Ist mehreren Gesamtschuldnern die Verwirklichung eines Tatbestands nach dem Finanzstrafgesetz anzulasten und haben sich beide der vorsätzlichen Begehung schuldig gemacht, stehen diese bei der Ausübung des Auswahlermessens grundsätzlich gleichrangig nebeneinander. Der jeweils betroffene Abgabenschuldner kann in diesem Fall nicht beanspruchen, dass das Zollamt bei der Ermessenausübung in einer Weise differenziert, dass andere Gesamtschuldner abgabenrechtlich in Anspruch genommen werden, er selbst hingegen nicht (BFH , VII R 17/03). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch RA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Wien vom , Zl. zzz, betreffend Eingangsabgaben und Abgabenerhöhung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Abgabenfestsetzung wird wie folgt geändert:
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Abgabe: | Betrag in €: |
Zoll (AOO) | 198,14 |
Einfuhrumsatzsteuer (BOO) | 226,99 |
Tabaksteuer (6TS) | 592,80 |
Abgabenerhöhung (1ZN) | 11,75 |
Summe (SU) | 1.029,68 |
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen beiden Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom , Zl. zzz, setzte das Zollamt Wien der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf.), Frau BF eine Eingangsabgabenschuld in der Höhe von insgesamt € 9.718,39 (€ 1.958,40 an Zoll, € 2.186,40 an Einfuhrumsatzsteuer und € 5.573,59 an Tabaksteuer) fest.
Die Bf. habe im Zeitraum Jänner 2015 bis eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich die im Bescheid näher bezeichneten insgesamt 40.000 Stück Zigaretten verschiedener Marken von NN erworben bzw. an sich gebracht, obwohl sie zum Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Waren wusste, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union (EU) verbracht worden seien.
Dadurch sei für sie gem. Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 dritter Anstrich der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechtsdurchführungsgesetz (ZollR-DG) die Eingangsabgabenschuld in der angeführten Höhe entstanden.
Gleichzeitig kam es mit diesem Sammelbescheid zur Festsetzung einer Abgabenerhöhung gem. § 108 Abs. 1 ZollR-DG in der Höhe von € 121,32.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom , die sich vor allem gegen die im Bescheid erwähnte Menge an Tabakwaren richtet. Außerdem habe die Bf. die Zigaretten zu niedrigeren Preisen als vom Zollamt festgestellt erworben. Darüber hinaus sei es rechtswidrig, allen Gesamtschuldnern die Zollschuld solidarisch vorzuschreiben. Es sei auch nicht zutreffend, dass sich die Bf. hinsichtlich der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlungen geständig verantwortet habe.
Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ZzZ, als unbegründet ab.
Die Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag.
Mit Mitteilung vom zog der Vertreter der Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a der im Beschwerdefall noch maßgebenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.
Zollschuldner sind gemäß Art. 202 Abs. 3 dritter Anstrich ZK die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder in Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbes oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftiger Weise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war.
Gibt es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so sind diese gem. Art. 213 ZK gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet.
Mit Erkenntnis vom , Zl. zZz hat das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde zur Recht erkannt:
„Die [Bf.] ist schuldig, sie hat im Zeitraum August 2015 bis einschließlich Dezember 2015 vorsätzlich Waren, die zugleich Gegenstände des Tabakmonopols sind, nämlich zumindest 4.400 Stück Zigaretten verschiedener Marken hinsichtlich welcher zuvor von ihrem Ehemann NN das Finanzvergehen des Schmuggels begangen wurde, in Kenntnis dieser Herkunft an sich gebracht. (Eingangsabgaben an Zoll € 198,14, an Einfuhrumsatzsteuer € 226,99 sowie an Tabaksteuer € 592,80; Bemessungsgrundlage gemäß § 44/2 FinStrG € 987,--).
Sie hat dadurch die Finanzvergehen der vorsätzlichen Abgabenhehlerei des vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopls gemäß §§ 37/1/a und 44/1 begangen.“
Dieses Erkenntnis ist nach der Aktenlage unbeeinsprucht in Rechtskraft erwachsen.
Dazu ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, entfaltet, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt (beispielsweise ). Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (; ; u.a.). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (), wobei die Bindung selbst dann besteht, wenn die maßgebliche Entscheidung rechtswidrig ist ().
Der angefochtene Abgabenbescheid betrifft unstrittig u.a. auch jene Menge an vorschriftswidrig in die Union verbrachten Tabakwaren, die im Spruch des genannten Erkenntnisses genannt sind.
Unter Bedachtnahme auf die erwähnte Bindungswirkung ist nunmehr von einer Menge von bloß 22 Stangen Schmuggelzigaretten auszugehen, wobei darauf hingewiesen wird, dass sich die diesbezüglichen Feststellungen auf die eigenen Aussagen der Bf. im Rahmen der mündlichen Verhandlung am stützen können. Ebenso ist als erwiesen anzusehen, dass die Bf. diese Zigaretten von ihrem Ehemann, der diese Tabakwaren zuvor vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht hatte, übernommen und anschließend weiterverhandelt hat. Ihrem Einwand, sie selbst habe keine Schmuggelfahrten vorgenommen, kommt keine Relevanz zu. Es genügt vielmehr die nun feststehende Tatsache, dass die Bf. die Rauchwaren im Wissen über ihre zollunredliche Herkunft an sich gebracht hat.
Bei der Berechnung der Höhe der Eingangsabgaben ist im o.a. Erkenntnis (im Rahmen einer Schätzung gem. § 184 BAO iVm Art. 31 ZK) von einem Zollwert von € 18,00 je Stange Marlboro bzw. € 14,00 je Stange Ronhill ausgegangen worden. Diese durchaus glaubwürdigen Werte sind auch im Rahmen des vorliegenden Abgabenverfahrens zum Ansatz zu bringen, zumal die Bf. Nachweise zur Glaubhaftmachung des Zollwertes nicht vorgelegt hat.
Die sich aus diesen Feststellungen ergebende Neuberechnung der Abgaben ist den beiden angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen.
Zum Einwand der Bf., das Zollamt habe sie zu Unrecht als Gesamtschuldnerin zur Zahlung herangezogen wird ausgeführt:
Die Auswahl der Gesamtschuldner liegt im Ermessen gemäß § 20 Bundesabgabenordung (BAO) der Abgabenbehörde.
Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen) in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Zweckmäßigkeit und Billigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Das Zollrecht setzt hinsichtlich der Inanspruchnahme der Gesamtschuldner keine Grenzen. Die Abgabenbehörde hatte daher Billigkeitsgründe Zweckmäßigkeitserwägungen gegenüber zu stellen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen ().
Ist mehreren Gesamtschuldnern die Verwirklichung eines Tatbestands nach dem Finanzstrafgesetz anzulasten und haben sich beide der vorsätzlichen Begehung schuldig gemacht, stehen diese bei der Ausübung des Auswahlermessens grundsätzlich gleichrangig nebeneinander. Der jeweils betroffene Abgabenschuldner kann in diesem Fall nicht beanspruchen, dass das Zollamt bei der Ermessenausübung in einer Weise differenziert, dass andere Gesamtschuldner abgabenrechtlich in Anspruch genommen werden, er selbst hingegen nicht (BFH , VII R 17/03).
Angesichts dieser Rechtsprechung ist nicht zu beanstanden, dass das Zollamt sowohl die Bf. (als Hehlerin) als auch deren Ehegatten (als Schmuggler) zur Zahlung der Abgabenschuld verpflichtet hat.
Dazu kommt, dass es bei hohen Abgabenschulden geboten sein kann, sämtliche in Betracht kommenden Schuldner in Anspruch zu nehmen, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass der Betrag von nur einem Schuldner erbracht werden kann ( VII B 111/87).
Die Entscheidung des Zollamtes, zur Sicherung der Einbringlichkeit der Abgaben, die Abgabenschuld allen Gesamtschuldnern zur Entrichtung vorzuschreiben, erscheint daher auch aus dieser Sicht ermessensgerecht und die Bf. konnte mit ihren diesbezüglichen Einwänden nicht durchdringen.
Der geltend gemachte Umstand, dass die Bf. Kinderbetreuungsgeld bezieht und vom Unterhalt ihres Ehemannes lebt, mag zwar im Rahmen einer allenfalls zu beantragenden Zahlungserleichterung eine Rolle spielen, schließt aber ebenfalls eine Heranziehung der Bf. als Gesamtschuldnerin nicht aus.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 108 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 § 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 213 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 |
Verweise | BFH , VII R 17/03 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7200161.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at