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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2020, RV/7101642/2019

Haftung bei Übernahme der Geschäftsführung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden R1, den Richter R2 und die weiteren Senatsmitglieder L1 und L2 in der Beschwerdesache Mag. Bf, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG, Universitätsring 12, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers Bf., seines steuerlichen Vertreters CP für die Preslmayr Rechtsanwälte OG und des Amtsvertreters CS im Beisein der Schriftführerin SFzu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom hielt die Abgabenbehörde dem Beschwerdeführer (Bf) vor, dass auf dem Abgabenkonto der Firma A-GmbH in Liqu, Steuernummer: Z3, derzeit u.A. folgende Abgabenbeträge aushafteten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in Euro
Dienstgeberbeitrag
2010
12.826,82
Lohnsteuer
2011
35.676,61
Dienstgeberbeitrag
2011
10.761,94
Dienstgeberzuschlag
2011
956,61
Summe:
 
 
60.221,98

Zudem wurde wie folgt ausgeführt:

„Die im Rückstand ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten sind nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt. Zu den im Rückstand enthaltenen bescheidmäßig vorgeschriebenen Abgaben werden Ihnen beiliegend die an die Firma A-GmbH in Liqu ergangenen Bescheide (Ablichtungen) übermittelt. Und zwar:
Haftungsbescheid gemäß § 82 EStG für Lohnsteuer 2011 vom
Bescheid Festsetzung Dienstgeberbeitrag/Dienstgeberzuschlag 2010-2011 v.
Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien AZ Z1 vom wurde das am Da1 über das Vermögen der Firma A-GmbH in Liqu eröffnete Insolvenzverfahren nach Schlussverteilung aufgehoben. Am tt.mm.2015 erfolgte die Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch. Der Rückstand ist daher beim Primärschuldner uneinbringlich.

Die im Rückstand ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten sind nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt. Der Rückstand besteht infolge Nichtentrichtung der im Zeitraum vom bis fällig gewordenen Abgaben. Sie waren im Zeitraum vom bis zum Geschäftsführer und vom bis zum Liquidator, und damit zum Vertreter der abgabenschuldnerischen Firma A-GmbH in Liqu bestellt und daher gemäß § 18 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen.

Gemäß § 80 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden; sie sind daher verpflichtet, die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft zu entrichten.

Im Falle der Uneinbringlichkeit des Rückstandes bei der Firma A-GmbH in Liqu werden Sie als gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer) der Gesellschaft gemäß den Bestimmungen der §§ 224 i.V.m. 9 und 80 Bundesabgabenordnung zur Haftung herangezogen werden, es sei denn Sie können beweisen, dass Sie ohne Ihr Verschulden daran gehindert waren, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

In diesem Zusammenhang wir Ihnen Folgendes zur Kenntnis gebracht:

Bei der Verwirklichung des Haftungstatbestandes kommt es darauf an, dass während der Funktion als Geschäftsführer eine Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben vorgelegen ist, die nicht eingehalten wurde. Wer die Vertretung einer GmbH (neu) übernimmt, hat sich darüber zu unterrichten, ob und in welchem Umfang die GmbH bisher ihre abgabenrechtlichen Verpflichtungen erfüllt hat (vgl. ).

Sind Verbindlichkeiten aus einem Zeitraum vor Übernahme der Vertreterfunktion offen, hat der für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Zahlungspflichten nunmehr neu verantwortliche Vertreter dafür zu sorgen, dass auch diese "Altverbindlichkeiten" aus den vorhandenen Gesellschaftsmitteln entrichtet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf (vgl. etwa E ). Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter (vgl. ). Auf diesem lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote.

Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger hat auch die von der Gesellschaft getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte zu erfassen (Barzahlung von Wirtschaftsgütern, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind). Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. ). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen (VwGH vom 3010.2001, 98/14/0082; , 2013/16/0229).

Bei der Frage der Gleichbehandlung der Gläubiger kommt es darauf an, ob der Abgabengläubiger im Hinblick auf die vorhandenen liquiden Mittel des Abgabenschuldners dadurch benachteiligt wurde, dass die Zahlungen an den Abgabengläubiger geringer ausgefallen sind, als sie bei Verwendung der liquiden Mittel und anteiliger Befriedigung des Abgabengläubigers ausgefallen wären. Der VwGH vertritt dabei die "Mitteltheorie" (vgl. dazu ).

Sofern die Firma A-GmbH in Liqu bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit der einzelnen Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, werden Sie ersucht, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, und zwar durch Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung. Dazu ist eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe Aufgliederung) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln. In dieser Aufstellung müssen alle damaligen Gläubiger der Firma A-GmbH in Liqu (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten sein.

Außerdem ist rechnerisch darzustellen, in welchem prozentuellen Ausmaß durch Zahlungen die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert wurden. Diese Tilgungsquoten sind dann der an das Finanzamt geleisteten Quote gegenüberzustellen.

Zur Erbringung dieses Beweises wird Ihnen eine Frist von einem Monat ab Zustellung dieser Aufforderung gewährt. Des Weiteren werden Sie ersucht, beiliegenden Fragebogen (EV 7) - Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse betreffend - innerhalb obiger Frist ausgefüllt zu retournieren.“

Mit Eingabe vom nahm der Bf durch seinen Vertreter zum Schreiben vom wie folgt Stellung:

„Herr Bf. wurde am zum Geschäftsführer der A-GmbH („A-GmbH") bestellt. Er übernahm diese Funktion auf Wunsch des Treuhänders der A-AG, Herrn Rechtsanwalt MS. Dieser war vom Handelsgericht Wien zum Treuhänder im Insolvenzverfahren A-AG bestellt worden.

Herr Bf. war bis zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise mit der A-GmbH befasst. Er begann unverzüglich mit der Einarbeitung, musste jedoch feststellen, dass die Betriebsorganisation und insbesondere die Buchhaltung der A-GmbH mangelhaft war. Da der Vorgeschäftsführer leider kaum für Rückfragen zur Verfügung stand, musste Herr Bf. sich durch mühsame Detailarbeit Kenntnis von den wesentlichen Sachverhalten verschaffen und die Buchhaltung auf einen aktuellen Stand bringen. Der Vorgeschäftsführer MF ließ Bf. u.a. auch darüber im Unklaren, dass die zuständige Luftfahrtbehörde bereits mehrfach, zuletzt im November 2011, Aufforderung zur Erbringung diverser Nachweise an die A-GmbH gerichtet hatte. Bei Amtsantritt des Bf. am waren daher schon mehrfach Fristen versäumt worden, wovon Bf. aber nichts wusste. Daher kam es für Bf. Ende Jänner 2012 sehr überraschend, als die Luftfahrtbehörde der A-GmbH die Betriebsbewilligung entzog. Da ein Rechtsmittel gegen diese Entziehung keine aufschiebende Wirkung hat, musste die A-GmbH unverzüglich den Betrieb einstellen. Etwa zur selben Zeit konnte Bf. erstmals einen ungefähren Überblick über die finanzielle Lage der A-GmbH gewinnen und musste feststellen, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig war. Daraufhin stellte er unverzüglich den Konkursantrag und wurde das Verfahren am Da1 eröffnet.

Grundsätzlich kann unser Mandant nur für allfällige Pflichtenverletzungen in diesem wenige Wochen dauernden Zeitraum vom bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am Da1 verantwortlich sein. Da er in dieser Zeit aber - ohne sein Verschulden - einen zuvor organisatorisch mangelhaft geführten Betrieb zu sanieren hatte, kann ihm keinesfalls ein Vorwurf im Sinne des § 9 BAO gemacht werden. Herr Bf. war bloß kurze Zeit als Sanierungsgeschäftsführer tätig. In der Rechtsprechung des VwGH ist anerkannt, dass Geschäftsführern kein Verschulden angelastet werden kann, wenn sie bei ihrer Tätigkeit auf Behinderungen stoßen. Selbst wenn sich diese Behinderungen nicht beseitigen lassen, gewährt der VwGH einem Geschäftsführer in einer solchen Lage eine Frist von zumindest zwei oder auch drei Monaten (Ritz, BAO, Rz 17 zu § 9 BAO mwN) für die Ziehung der entsprechenden Konsequenzen (Rücktritt, Konkursantrag, etc). Genau dieser Fall liegt hier vor. Bf. zog bereits nach weniger als zwei Monaten die Konsequenzen und beantragte das Konkursverfahren für die A-GmbH.

Abgesehen davon gründen sich die rückständigen Abgaben allesamt auf das Ergebnis der Außenprüfung, die erst im Zuge des Konkursverfahrens durchgeführt wurde. Die relevanten Abgabenzeiträume liegen fast zur Gänze vor dem , sodass die Verletzung allfälliger Offenlegungs- und Meldeverpflichtungen keinesfalls unserem Mandanten angelastet werden kann. Soweit eine Nachversteuerung für Nacht oder Gefahrenzulagen erfolgte, durfte sich Bf. selbstverständlich darauf verlassen, dass der Steuerberater dies in der Vergangenheit richtig abgerechnet hatte. Die Lohnverrechnung der A-GmbH wurde von der Steuerberatungskanzlei T, Adr1, erledigt. Es ist keinem Geschäftsführer zumutbar zu prüfen, ob der beauftragte Steuerberater die ihm bekannt gegebenen Auszahlungsdaten steuerrechtlich richtig abrechnet. Genau das wurde aber in der Abgabenprüfung nach Insolvenzeröffnung beanstandet. Offensichtlich war am kein fälliger Abgabenrückstand am Abgabenkonto der A-GmbH gebucht, sodass Herr Bf. von diesen Abgabenrückständen gar keine Kenntnis erlangen konnte.

Im fraglichen Zeitraum ( bis Da1) achtete Bf. überdies sehr genau auf die Gläubigergleichbehandlung. In der Beilage übermitteln wir Ihnen dazu eine Stellungnahme des Masseverwalters der A-GmbH, Herrn HW. Dieser bestätigt, dass seine Anfechtungsprüfung für die Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens ergebnislos blieb und er keine Ungleichbehandlung der Gläubiger erkennen konnte. Vielmehr verfügte die A-GmbH bei Konkurseröffnung über ein Kontoguthaben in der Höhe von rund EUR 160.000,00. Diese Summe wurde vom Masseverwalter für die Konkursmasse vereinnahmt und kam über die Konkursquote auch dem Finanzamt zu Gute.

In dem Fälligkeitszeitpunkt der Abgaben gemäß Ihrer Aufstellung () verfügte die A-GmbH über ein Kontoguthaben von rund EUR 102.000,00. Danach gab es nahezu keine Überweisungen an Gläubiger mehr, sodass das Kontoguthaben eben auf jene rund EUR 160.000,00 anwuchs, die der Masseverwalter schließlich vereinnahmen konnte.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass unseren Mandanten hinsichtlich der Nichtabfuhr dieser Abgabenverbindlichkeiten keinerlei Verschulden im Sinne der §§ 9, 80 BAO anzulasten ist. Er haftet daher auch nicht für irgendwelche Abgabenverbindlichkeiten der A-GmbH.

Zur näheren Begründung heben wir derzeit im Auftrag unseres Mandanten beim Treuhänder der A-AG noch zahlreiche Unterlagen dazu aus. Wir ersuchen daher, unserem Mandanten eine Frist zur Vorlage von weiteren Unterlagen bis zum einzuräumen.

Herr Bf. und ich sind auch gerne bereit, in einem persönlichen Gespräch die Umstände zu erläutern.“

Mit Eingabe vom nahm der Bf durch seinen Vertreter Bezug auf das Schreiben vom , übermittelte in der Beilage weitere Unterlagen, die sie zu dieser Sache ausgehoben hätten, und führte wie folgt aus:

„Es handelt sich um die Überweisungsbelege zu den vom Treuhänder der A-AG als Gesellschafter im Dezember 2011 und Jänner 2012 geleisteten Abgabenzahlungen für die A-GmbH. Es wurden mit diesen Zahlungen sämtliche damals offene Lohnabgaben von dritter Seite berichtigt.

Bis zur Konkurseröffnung wurden daher alle damals dem Geschäftsführer Bf. vom Steuerberater bekannt gegebenen (und vom Steuerberater dem Finanzamt gemeldeten) Lohnabgaben zur Gänze bezahlt. Für Abgabenschulden, die nachträglich im Zuge einer Abgabenprüfung während des laufenden Konkursverfahrens festgesetzt wurden, ist der Geschäftsführer Bf.nicht verantwortlich. Er hat selbstverständlich darauf vertraut, dass die ihm vom Steuerberater gemeldeten Beträge richtig waren. Als das Finanzamt die Nachzahlungen festsetzte, war das Konkursverfahren längst eröffnet und hatte Bf.keinerlei Verfügungsbefugnis mehr über die liquiden Mittel der A-GmbH, sodass ihm auch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, die entsprechenden Beträge nicht bezahlt zu haben.

Wie schon in unserem Schreiben vom festgehalten, sind Herr Bf. und ich sehr gerne bereit, Ihnen die Umstände dieses Falls auch in einem persönlichen Gespräch zu erläutern. In diesem Fall bitten wir um Ihre Nachricht.“

Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde den Bf als Geschäftsführer der Firma A-GmbH in Liqu, ansässig in Adr2, Firmenbuchnummer: FN Z2 als Haftungspflichtigen gemäß § 9 i.V.m. § 80 BAO für die derzeit noch aushaftende Lohnsteuer 2011 im Ausmaß von € 35.676,61 der Firma A-GmbH in Liqu in Anspruch.

Zur Begründung führte die Abgabenbehörde Folgendes aus :

„Die Geltendmachung der Haftung (§§ 224 i.V.m. § 9 Bundesabgabenordnung) gründet sich auf folgende Umstände:

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien AZ Z1 vom wurde das am Da1 über das Vermögen der Firma A-GmbH in Liqu eröffnete Insolvenzverfahren nach Schlussverteilung aufgehoben. Am tt.mm.2015 erfolgte die Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch. Der Rückstand ist daher beim Primärschuldner uneinbringlich.

Die im Rückstand ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten sind nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt. Die Bescheide der im Rückstand angeführten festgesetzten Abgaben wurden Ihnen bereits im Haftungsvorverfahren zur Kenntnis gebracht.

Der Rückstand besteht infolge Nichtentrichtung der im Zeitraum fällig gewordenen Lohnsteuer für den Zeitraum 2011. Sie waren im Zeitraum vom bis zum Geschäftsführer und vom bis zum Liquidator, und damit zum Vertreter der abgabenschuldnerischen Firma A-GmbH in Liqu bestellt und daher gemäß § 18 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben ist der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit maßgebend, unabhängig davon, ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt werden (vgl. ). Hinsichtlich der Heranziehung für die aushaftende Lohnsteuer ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Gemäß § 79 Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag abzuführen.

Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des voll vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Wird in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen (vgl. E ZI. 2001/15/0187).

Mit Schreiben vom Steuernummer Z3 wurden Sie aufgefordert, darzulegen, dass Sie ohne Ihr Verschulden gehindert waren, für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu sorgen.

In den eingebrachten Stellungnahmen Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung vom bzw. wurde die „Gläubigergleichbehandlung" glaubhaft dargelegt. Allerdings ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen ist.

Reichen die einem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer aus, darf der Geschäftsführer gemäß § 78 Abs. 3 EStG nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden kann. Die Nichtabfuhr von Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfällt, kann nicht mit dem Fehlen ausreichender Mittel gerechtfertigt werden. Hätte der Geschäftsführer die Lohnsteuer bei der Ausbezahlung der Löhne einbehalten bzw. im Sinne des § 78 Abs. 3 EStG entsprechend niedrigere Löhne zur Auszahlung gebracht, wäre der Abgabenausfall nicht eingetreten.

Wird dagegen die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vorstands auszugehen. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinaus (z.B. ; weitere Judikaturnachweise bei Ritz, BAO, § 9 Tz 11).

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung i.S.d. § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls.

Die Geltendmachung der Haftung stellt im vorliegenden Fall die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, zumal der haftungsgegenständliche Rückstand bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden kann. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. E ). Letzteres steht hier fest.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

Mit Eingabe vom erhob der Bf durch seinen Vertreter gegen den Haftungsbescheid Beschwerde und begründete diese wie folgt:

„Der Haftungsbescheid wird zur Gänze angefochten, und zwar sowohl wegen Verfahrensmängeln als auch wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Zur näheren Begründung wie folgt:

1. Tätigkeit unseres Mandanten bei der A-GmbH

Herr Bf. wurde am zum Geschäftsführer der A-GmbH („A-GmbH") bestellt. Er übernahm diese Funktion auf Wunsch des Treuhänders der A-AG, Herrn Rechtsanwalt MS. Dieser war vom Handelsgericht Wien zum Treuhänder im Insolvenzverfahren A-AG bestellt worden.

Herr Bf. war bis zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise mit der A-GmbH befasst. Er begann unverzüglich mit der Einarbeitung, musste jedoch feststellen, dass die Betriebsorganisation der A-GmbH mangelhaft war. Da der Vorgeschäftsführer leider kaum für Rückfragen zur Verfügung stand, musste Herr Bf. sich durch mühsame Detailarbeit Kenntnis von den wesentlichen Sachverhalten verschaffen und die Buchhaltung erst auf einen aktuellen Stand bringen. Der Vorgeschäftsführer MF ließ Bf. u.a. auch darüber im Unklaren, dass die zuständige Luftfahrtbehörde bereits mehrfach, zuletzt im November 2011, Aufforderung zur Erbringung diverser Nachweise an die A-GmbH gerichtet hatte. Bei Amtsantritt des Bf. am waren daher schon mehrfach Fristen versäumt worden, wovon Bf. aber nichts wusste. Daher kam es für Bf. Ende Jänner 2012 sehr überraschend, als die Luftfahrtbehörde der A-GmbH die Betriebsbewilligung entzog. Da ein Rechtsmittel gegen diese Entziehung keine aufschiebende Wirkung hatte, musste die A-GmbH unverzüglich den Betrieb einstellen. Etwa zur selben Zeit konnte Bf.erstmals einen ungefähren Überblick über die finanzielle Lage der A-GmbH gewinnen und musste feststellen, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig war. Daraufhin stellte er noch am Konkursantrag und wurde das Verfahren am Da1 eröffnet.

Grundsätzlich kann unser Mandant überhaupt nur für allfällige Pflichtenverletzungen in diesem wenige Wochen dauernden Zeitraum vom bis zur Konkursantragstellung am verantwortlich sein. Da er in dieser Zeit aber - ohne sein Verschulden - einen zuvor organisatorisch mangelhaft geführten Betrieb zu sanieren hatte, kann ihm keinesfalls ein Vorwurf im Sinne des § 9 BAO gemacht werden. Herr Bf. war bloß kurze Zeit als Sanierungsgeschäftsführer tätig. In der Rechtsprechung des VwGH ist anerkannt, dass Geschäftsführern kein Verschulden angelastet werden kann, wenn sie bei ihrer Tätigkeit auf Behinderungen stoßen. Selbst wenn sich diese Behinderungen nicht beseitigen lassen, gewährt der VwGH einem Geschäftsführer in einer solchen Lage eine Frist von zumindest zwei oder auch drei Monaten (Ritz, BAO, Rz 17 zu § 9 BAO mwN) für die Ziehung der entsprechenden Konsequenzen (Rücktritt, Konkursantrag, etc). Genau dieser Fall liegt hier vor. Bf. zog bereits nach rund 7 Wochen die Konsequenzen und beantragte das Konkursverfahren für die A-GmbH.

2. Gegenständliche Abgabenschulden

Die Behörde möchte Herrn Bf. offenbar für Abgabenschuldigkeiten zur Haftung heranziehen, die das gesamte Jahr 2011 betreffen. Dies aber zu unrecht.

Im Einzelnen dazu wie folgt:

Die gegenständlichen Lohnabgaben gründen sich allesamt auf das Ergebnis einer Außenprüfung, die erst während des Konkursverfahrens durchgeführt wurde. Bereits mit Schreiben vom hat unser Mandant nachgewiesen, dass er für die Bezahlung sämtlicher ihm damals bekannt gewordenen offenen Lohnabgaben von dritter Seite gesorgt hatte. Wir legen unser Schreiben vom samt Beilagen zu diesem Zweck nochmals vor (Beilage ./1). Bis zur Konkurseröffnung wurden daher alle damals dem Geschäftsführer Bf. vom Steuerberater bekannt gegebenen und vom Steuerberater dem Finanzamt gemeldeten Lohnabgaben zur Gänze bezahlt. Für Abgabenschulden, die nachträglich im Zuge einer Abgabenprüfung während des laufenden Konkursverfahrens festgesetzt wurden, ist der Geschäftsführer Bf. nicht verantwortlich. Er hat selbstverständlich darauf vertraut, dass die ihm vom Steuerberater gemeldeten Beträge richtig waren. Als das Finanzamt die Zahlung festsetzte, war das Konkursverfahren längst eröffnet und hatte Bf. keinerlei Verfügungsbefugnis mehr über die liquiden Mittel der A-GmbH, sodass es ihm auch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, die entsprechenden Beträge nicht bezahlt zu haben.

Der Vorhalt des Finanzamts im Haftungsbescheid, wonach Bf. gemäß § 78 Abs. 3 EStG „nur einen entsprechende niedrigeren Betrag" an Löhnen und Gehältern zur Auszahlung hätte bringen dürfen (siehe Seite 2 unten des angefochtenen Bescheids) geht ins Leere. Wie gesagt wurde Bf. erst am zum Geschäftsführer bestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren die offenen Löhne und Gehälter für die Monate bis einschließlich November 2011 schon bezahlt. Dennoch macht das Finanzamt ihn nun für die gesamte Lohnsteuernachforderung aus 2011 im Wege der Haftung verantwortlich. Er hatte aber überhaupt keine Chance, die Auszahlung der Löhne bis einschließlich November 2011 zu verhindern, da er zu diesem Zeitpunkt eben noch gar nicht Geschäftsführer war. Dieser Vorwurf könnte allenfalls seinem Vorgänger als Geschäftsführer gemacht werden, aber sicherlich nicht ihm. Ab Konkurseröffnung hatte er überhaupt keine faktische Möglichkeit mehr, irgendwelche Verfügungen über Lohn- und Gehaltsauszahlungen und/oder Abfuhr von Abgaben zu treffen. In der Zeit nach Konkurseröffnung war kein Vermögen mehr vorhanden bzw. die Gesellschaft aufgelöst, sodass in dieser Zeit keinerlei Zahlungen an irgendwelche Gläubiger (weder Dienstnehmer noch Finanzamt) erfolgten.

Das Finanzamt meint, ein Geschäftsführer dürfe, wenn die Mittel der GmbH nicht ausreichten, gemäß § 78 Abs. 3 EStG nur „einen entsprechend geringeren Betrag zur Auszahlung bringen. Es fehlen im Bescheid aber wesentliche weitere Feststellungen dazu,
(a) wann Bf. dies allenfalls erkannte oder erkennen musste und
(b) welche Löhne und Gehälter konkret er danach mit zu hohen Beträgen zur Auszahlung gebracht hat.

Zu (a): Bf. konnte das Fehlen entsprechender Mittel frühestens mit Aufnahme seiner Geschäftsführerfunktion ab , realistischer Weise aber erst ab Jänner 2012, als die Buchhaltung aufgebucht war, erkennen.

Sohin kann zu (b) auch nur auf solche Zahlungen von Löhnen und Gehältern abgestellt werden, die nach dem bzw ab Jänner 2012 erfolgten. Dazu hat das Finanzamt aber nichts festgestellt. Tatsächlich gab es diese Auszahlungen auch nicht. Bf. konnte daher auch keine Lohnsteuer „einbehalten" (siehe Bescheid Seite 2 unten). Hätte das Finanzamt dazu Feststellungen getroffen, wäre es zu dem Ergebnis gelangt, dass Herrn Bf. keine Haftung treffen kann.

3. Keine Ungleichbehandlung der Gläubiger

Das Finanzamt hat im angefochtenen Bescheid schon festgestellt, dass Bf. die Gläubiger gleich behandelt hat. Diese Frage wird sohin nicht weiter thematisiert.

4. Rolle des Sanierungsgeschäftsführers

Wie schon in der Stellungnahme vom argumentiert, ist vor allem zu bedenken, dass Herr Bf. nur als Sanierungsgeschäftsführer in einem wenige Wochen dauerndem Zeitraum vom bis Da1 tätig war. Herr Bf. war in dieser Zeit als Sanierungsgeschäftsführer im Auftrag des Treuhänders der A-AG tätig. Verwiesen wird auf obiges Vorbringen. Da er in dieser Zeit ohne sein Verschulden einen zuvor organisatorisch mangelhaft geführten Betrieb zu sanieren hatte, kann ihm keinesfalls ein Vorwurf des schuldhaften Handelns im Sinne des § 9 BAO gemacht werden. Herr Bf. war bloß kurze Zeit tätig. In der Rechtsprechung des VwGH ist anerkannt, dass Geschäftsführern kein Verschulden angelastet werden kann, wenn sie bei Ihrer Tätigkeit auf Behinderungen stoßen. Selbst wenn sich diese Behinderungen nicht beseitigen lassen, gewährt der VwGH einem Geschäftsführer in einer solchen Lage eine Frist von zumindest zwei oder auch drei Monaten (siehe nur Ritz, BAO, RZ 17 zu § 9 BAO mwN) für die Ziehung der entsprechenden Konsequenzen (Rücktritt, Konkursantrag etc.). Genau dieser Fall liegt hier vor. Bf. zog bereits nach weniger als zwei Monaten die Konsequenzen und beantragte das Konkursverfahren für die A-GmbH.

Im Ergebnis will das Finanzamt mit seinem Haftungsbescheid darauf hinaus, dass auch ein bloß wenige Wochen tätiger Sanierungsgeschäftsführer für sämtliche Verfehlungen seines Vorgängers gegenüber dem Finanzamt haften muss. Das Finanzamt will einem Sanierungsgeschäftsführer auch keinerlei Übergangsfrist für die Erhebung des Unternehmensstatus und allenfalls notwendige Maßnahmen gewähren.

Die wesentliche Frage ist: Wie hätte sich Herr Bf. in der gegenständlichen Situation verhalten sollen, damit er nicht schuldhaft handelt und daher nicht haftet?

Dabei möge bedacht werden, dass Bf. nur wenige Wochen vor Insolvenzeröffnung tätig war; er dafür sorgte, dass alle ihm während seiner Tätigkeit bekannt gewordenen Lohnabgaben von dritter Seite bezahlt wurde; mit der Lohnverrechnung eine renommierte Steuerberatungskanzlei, nämlich die T Steuerberatungsgesellschaft in Adr1, beauftragt war.

Er hätte wohl nur, bevor er überhaupt die Bestellung zum Geschäftsführer annimmt, eine wochenlange Überprüfung der Verhältnisse der Gesellschaft vornehmen müssen. Das wäre ihm schon faktisch dadurch verunmöglicht worden, dass er - ohne die Geschäftsführerfunktion zu bekleiden - zahlreiche Überprüfungen gar nicht hätte vornehmen können. Der Steuerberater hätte ihm zum Beispiel keine Auskünfte erteilt, weil er eben keine Funktion bei der A-GmbH bekleidet hätte. Der zuvor tätige Geschäftsführer MF wäre ebenfalls nicht hilfreich gewesen, da dieser eben gerade deshalb abgelöst wurde, weil er seinen Aufgaben nicht ausreichend nachgekommen ist. Selbst wenn Bf. all diese Überprüfungen durchgeführt hätte und ihm alle Auskünfte erteilt worden wären, hätte er wohl niemals die Richtigkeit der vom Steuerberater vorgenommenen Lohnabrechnungen und Lohnsteuermeldungen hinterfragt. Dafür hat es auch keinen Grund gegeben.

Legt man die Rechtsansicht des Finanzamts konsequent auf die Praxis um, so würde in der Zukunft für ein in der Krise befindliches Unternehmen, dessen Geschäftsführer handlungsunfähig oder -unwillig ist oder aus sonstigen Gründen seinen Aufgaben nicht ausreichend nachkommt, ein Sanierungsgeschäftsführer gar nicht erst gefunden werden können. Denn niemand wäre bereit, die damit einhergehenden Risiken zu übernehmen, die ihn schon am ersten Tag seiner Tätigkeit als Sanierungsgeschäftsführer treffen würden. Er müsste zum Beispiel, wenn man der Ansicht des Finanzamts folgt, für Lohnsteuerverbindlichkeiten haften, bei denen die zugrundeliegende Auszahlung an die Dienstnehmer noch von seinem Vorgänger zu verantworten ist.

Richtiger Weise kann an einem solchen Verhalten, wie es Herr Bf. im gegenständlichen Fall an den Tag gelegt hat, kein Verschulden liegen. Die Behörde hat auch jegliche Feststellungen dazu zu unterlassen, wann die gegenständlichen Lohn- und Gehaltszahlungen an die Dienstnehmer tatsächlich erfolgt sind und wer diese veranlasst hat. Tatsächlich hatte Herr Bf. in seiner Funktionsperiode als Geschäftsführer bis zur Konkurseröffnung überhaupt keine Lohn- und Gehaltszahlungen durch die A-GmbH an Dienstnehmer vorgenommen, sodass ihm auch nicht vorgehalten werden kann, dass er hätte weniger auszahlen müssen.

5. Beweisanbote

Zum Beweis für obiges Vorbringen werden folgende Beweise angeboten bzw die Aufnahme folgender Beweise beantragt:

5.1. Einvernahme des Beschwerdeführers

Beantragt wird zunächst die Einvernahme des Bf., zu laden pA seiner Rechtsvertreter (PR).

5.2. Einvernahmen von Zeugen

Beantragt wird außerdem die Einvernahme nachstehender Zeugen:

MS und CP, beide pA PR;
HW, pA Adr3 (vormaliger Masseverwalter A-GmbH);
MT, pA T Steuerberatungsgesellschaft in Adr1, (Steuerberater A-GmbH);

5.3. Unterlagen

Vorgelegt werden nachstehende Unterlagen:

Historischer Firmenbuchauszug A-GmbH (Beilage ./1);
Konkursantrag A-GmbH vom (Beilage ./2);
Kontoverdichtung zum Bankkonto der A-GmbH bis Da1 (Beilage ./3);
Unser Schreiben vom samt Beilage (Beilage ./4);
Unser Schreiben vom samt Beilagen (Beilage ./5).

6. Antrag zum Haftungsbescheid vom

Es wird daher der Antrag gestellt, den angefochtenen Haftungsbescheid vom ersatzlos zu beheben.

7. Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom

Gleichzeitig wird gegen den zugrundeliegenden Haftungsbescheid vom , der an den Masseverwalter der A-GmbH ergangen ist und mit dem die Lohnsteuer für das Jahr 2011 festgesetzt wird, Beschwerde erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Zur Begründung wurde wie folgt ausgeführt:

„Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insofern als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Bf. war Geschäftsführer der A-GmbH im Zeitraum von bis Da1 und Liquidator der Gesellschaft im Zeitraum von bis . Die Abgabenschuld wurde während des Zeitraums seiner Vertretungsfunktion als Geschäftsführer fällig. Die Gesellschaft wurde infolge Vermögenslosigkeit mit tt.mm.2015 im Firmenbuch gelöscht (s. FB-Auszug vom , FN Z2).

Über die in der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid geltend gemachten Gründe wird abgesprochen wie folgt:

Dem Firmenbuch kommt eine Publizitätswirkung im Allgemeinen gem. § 15 UGB und im gesellschaftsrechtlichen Kontext gem. § 17 GmbHG zu. § 15 UGB erfüllt einen Verkehrsschutzzweck, das heißt, sie dient der Verkehrssicherheit bzw. in deren prozessualen Umsetzung der Prozessökonomie. Verwirklicht ist der Verkehrsschutzzweck durch eine besonders weitgehende Form des Vertrauensschutzes. Gem. § 17 Abs. 1 GmbHG sind die jeweiligen Geschäftsführer und das Erlöschen oder eine Änderung ihrer Vertretungsbefugnis ohne Verzug zum Firmenbuch anzumelden. Der Anmeldung ist der Nachweis der Bestellung oder der Änderung in beglaubigter Form beizufügen. Zugleich haben neue Geschäftsführer ihre Unterschrift vor dem Gericht zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form vorzulegen. Die Schutzwirkung der Öffentlichkeit des Firmenbuchs reicht bei der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers besonders weit.

Zur Haftung des Geschäftsführers für Abgaben, die bereits vor der Geschäftsführung  entstanden sind und zur Behauptung, Herr Bf. könne überhaupt nur für allfällige Pflichtenverletzungen in diesem wenige Wochen dauernden Zeitraum vom bis zur Konkursantragstellung am verantwortlich sein, ist auszuführen, dass sich der Geschäftsführer zu Beginn der Tätigkeit in angemessener Frist über Abgabenrückstände bzw. Versäumnisse, die zu Abgabenrückständen führten, zu informieren und Maßnahmen zu deren Begleichung vorzunehmen hat. Die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten endet erst mit deren Abstattung. Die Haftung umfasst daher auch bei Vertretungsübernahmen bereits bestandene Altschulden (vgl. ; ; ). Wie es aus der Beschwerde vom hervorgeht, sei dies auch erfolgt, indem sich Herr Bf. durch mühsame Detailarbeit Kenntnis von den wesentlichen Sachverhalten verschaffte und die Buchhaltung auf einen aktuellen Stand brachte.

Ein Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder sonstige dritte Personen behindert sieht, hat entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der ungehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder diese niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden. Gerade die Untätigkeit eines Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft trotz gegebener Geschäftsführerfunktion stellt das Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeit dar (vgl. ).

Betreffend die Ausführungen, Herr Bf. sei bloß kurze Zeit als Sanierungsgeschäftsführer tätig gewesen, wird erwidert, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der den ihm obliegenden Aufgaben nicht nachkommen kann, sofern er nicht eine Entlastung durch Bestellung eines oder mehrerer weiterer Geschäftsführer erreichen kann, seine Geschäftsführung zurücklegen muss (vgl. , ÖStZB 2003/353, 355; , ÖStZB 2010/26, 60). Darüber hinaus war der Beschwerdeführer im gegenständlichen Zeitraum nicht nur zum Sanierungsgeschäftsführer im Sinne der Insolvenzordnung bestellt, sondern formalrechtlich zum Geschäftsführer der A-GmbH gem. § 15 GmbHG. Weder die materiellrechtliche Verfügungsbefugnis des Geschäftsführers noch die Prozessführungsbefugnis des Schuldners werden davon berührt.

In Bezug auf die Einwendungen, bis zur Konkurseröffnung seien daher alle damals dem Geschäftsführer Bf. vom Steuerberater bekanntgegebenen (und vom Steuerberater dem Finanzamt gemeldeten) Lohnabgaben zur Gänze bezahlt worden und er habe selbstverständlich darauf vertraut, dass die ihm vom Steuerberater gemeldeten Beträge richtig gewesen seien, ist zu entgegnen, dass auch die Beauftragung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten den Geschäftsführer der GmbH nicht zu exkulpieren vermag, wenn er seinen zumutbaren Informations- und Überwachungspflichten nicht nachkommt. Der Vertreter hat beauftragte Personen nämlich zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (vgl. ; ).

Dem Einwand des Beschwerdeführers, wonach er für die im Zeitraum vor seiner Bestellung entstandenen Rückstände nicht hafte, wird entgegengehalten, dass er sich bei der Übernahme seiner Geschäftstätigkeit über die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen hätte unterrichten müssen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Erkundigungspflicht betreffend Vorliegen offener Abgabenschuldigkeiten zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit ist nicht zu entnehmen, dass er von den Abgabenrückständen der Gesellschaft ohne sein Verschulden keine Kenntnis gehabt habe und diese nicht erstattet habe. Mit der Übernahme der Geschäftsführung am wäre es spätestens die Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, sich darüber zu erkundigen, ob der ausscheidende Geschäftsführer seine steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber erfüllte (vgl. ). Die GmbH bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der GmbH verhalten (vgl. ).

Es ist Aufgabe des Geschäftsführers einer GmbH, dafür zu sorgen, dass die Abgabenerklärungen pünktlich erstattet und aus den der GmbH zur Verfügung stehenden Mitteln die Abgabenschulden pünktlich entrichtet werden (vgl. , ÖStZB 1989, 424; , ÖStZB 1998, 577 = Slg 7244/F). Die Einhaltung der Frist von 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zur Stellung des Konkursantrags befreit den Geschäftsführer nicht vom Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung (vgl. , ÖStZB 2006/331, 419). Ist ein Geschäftsführer an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten gehindert, so muss er entweder sofort die Behinderung seiner Funktion - allenfalls im Rechtsweg - abstellen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden. Auf diesem Weg steht es dem Geschäftsführer frei, sein Haftungsrisiko durch unverzügliche Niederlegung seiner Funktion auszuschließen (vgl. ZI. 85/13/0124; ). Dieser Verpflichtung aber ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

In Bezug auf die Fälligkeit der Abgabenschuld ist auszuführen, dass die Geschäftsführertätigkeit des Abgabenschuldners von bis Da1 dauerte und somit die Fälligkeit der Abgabenschuld in den Zeitraum der Vertretungsfunktion fällt.

Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorhandensein der für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel bestimmt sich danach, zu welchem Zeitpunkt die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Für Abgaben, die der Vertretene als Abfuhrverpflichteter nicht ordnungsgemäß abgeführt hat (z.B.: Lohnsteuer, Kapitalertragssteuer, Steuerabzugsbeträge) haftet der Vertreter in voller Höhe, und zwar auch dann, wenn liquide Mittel zur Abfuhr dieser Abgaben nicht oder nicht in ausreichendem Maß vorhanden waren (vgl. ).

Gemäß § 78 EStG hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Gem. § 79 Abs. 1 EStG hat der Beschwerdeführer die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats in einem Betrag an das Finanzamt abzuführen. Ebenso hat der Steuerpflichtige den Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberzuschlag zum Dienstgeberbeitrag gem. § 43 FLAG für jeden Monat bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monats an das Finanzamt zu entrichten.

Betreffend die Haftungsheranziehung für die rückständigen Lohnsteuerbeträge ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen ist. Reichen die einem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die bezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer aus, darf der Geschäftsführer gem. § 78 Abs. 3 EStG nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden kann. Die Nichtabfuhr von Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfällt, kann nicht mit dem Fehlen ausreichender Mittel gerechtfertigt werden. Hätte der Geschäftsführer die Lohnsteuer bei der Ausbezahlung der Löhne einbehalten bzw. im Sinne des § 78 Abs. 3 EStG entsprechend niedrigere Löhne zur Auszahlung gebracht, wäre der Abgabenausfall nicht eingetreten.

Zum Vorbringen, der Beschwerdeführer habe aber überhaupt keine Chance gehabt, die Auszahlung der Löhne bis einschließlich November 2011 zu verhindern, da er zu diesem Zeitpunkt eben noch gar nicht Geschäftsführer gewesen sei, ist auszuführen, dass sofern die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Primärschuldners - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen ist. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden hinaus (vgl. , Ritz, BAO6 § 9 Tz 11) Der Arbeitgeber muss die Lohnsteuer in jenem Zeitpunkt einbehalten, zu dem er als Arbeitgeber Zahlungen unter dem Rechtstitel Arbeitslohn leistet (vgl. , ÖStZB 1996, 171 = Slg 7023/F). In concreto wurde die aufgrund der ausbezahlten Löhne abzuführende Lohnsteuer für den Beitragszeitraum 2011 nicht zur Gänze an das Finanzamt abgeführt, darüber können auch die beigebrachten Unterlagen keinen Aufschluss geben. Vielmehr wäre es die Pflicht des Beschwerdeführers gewesen, sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der ungehinderten Ausübung seiner Funktion als Geschäftsführer durch Befragung des Vorgeschäftsführers MF zu erzwingen oder zumindest seine Geschäftsführungstätigkeit zurückzulegen.

Zu dem vom Beschwerdeführer nach Aufforderung mit Schreiben vom beigebrachten Konvolut an Unterlagen ist auszuführen, dass daraus nicht hervorgeht, ob die vorgelegten Auflistungen sämtliche Dienstnehmer der Abgabenschuldnerin umfassen, und um welche Zeiträume es sich handelt, sondern es werden die Bezugszeiträume der Dienstnehmer nur teilweise dargestellt. Den Vorbringen sowohl vom als auch vom und der Beschwerde vom ist im Gesamten weder die vollständige Einnahmensituation noch die ganze Ausgabensituation (und zwar weder insgesamt noch bezogen auf die einzelnen Abgabenfälligkeiten) zu entnehmen.

In die rechnerische Darstellung des Nachweises (Verhältnisrechnung) ist aber einzubeziehen:

die gesamte Einnahmensituation (vgl. );
die gesamte Liquiditätssituation (vgl. );
die freiwillig geleisteten Zahlungen (vgl. );
die im Wege der Exekution entrichteten Beträge (vgl. );
die Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind (vgl. );
die von der Gesellschaft getätigten systemerhaltenden Ausgaben (vgl. ).

Für die Bestimmung des Haftungsausmaßes durch die Behörde ist es daher entscheidend, ob beurteilt werden kann, inwiefern der Beschwerdeführer die vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet. Hierfür mangelt es an einer vollständigen Darstellung der Liquiditätssituation der A-GmbH.

Betreffend die Bekämpfung des Grundlagenbescheids, nämlich des Haftungs- und Abgabenbescheids für Lohnsteuer 2011, ist auszuführen, dass grundsätzlich dem Abgabepflichtigen das Recht zusteht, gegen den Abgabenanspruch mittels Beschwerde seine Rechte wahrzunehmen. Infolgedessen ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegen den Haftungsbescheid einzig und allein die Frage, ob der Beschwerdeführer zu Recht als Haftender für Abgaben der Gesellschaft herangezogen worden ist, nicht jedoch, ob die dieser Gesellschaft vorgeschriebenen Abgaben zu Recht bestehen. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben können daher in diesem Verfahren nicht erfolgreich erhoben werden. Die nach § 9 BAO im Haftungsverfahren erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. ; ; ; ). Dies ist erst mit der Beschwerde gegen den Abgabenbescheid, welcher an den Abgabepflichtigen erlassen worden ist, möglich.

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Beschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1 BAO) innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid, § 198 BAO) mittels Beschwerde die Rechte geltend machen, die dem Abgabepflichtigen zustehen.

Die Beschwerde eines Haftungspflichtigen gegen die Heranziehung zur Haftung einerseits und gegen den Abgabenanspruch andererseits muss zwar nicht in zwei gesonderten Schriftsätzen erfolgen. Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass über beide Beschwerden in einem einheitlichen Rechtsmittelverfahren abzusprechen ist. Vielmehr ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung die Legitimation des Beschwerdeführers zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Abgabenanspruch ergibt; denn würde der Beschwerde des Haftenden gegen seine Heranziehung zur Haftung stattgegeben, so wäre seine gegen den Abgabenanspruch eingebrachte Beschwerde mangels Aktivlegitimation als unzulässig zurückzuweisen (vgl. ).

Betreffend die Behauptungen, der Haftungsbescheid basiere auf einem unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalt und auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, ist auszuführen, dass diese monierten Mängel in der Beschwerde nicht belegt werden konnten und auch nicht begründet wurde, wie sie die Höhe der Abgabenschuld verringert hätten. Darüber hinaus ist auf die Letztverantwortlichkeit des Geschäftsführers der Abgabenschuldnerin, der A-GmbH, zu verweisen. Der Geschäftsführer hat das Unternehmen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu führen und trägt auch die Verantwortung für die rechtzeitige Tilgung der Abgabenschuld. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen hat, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Die Erlassung von Haftungsbescheiden iSd. § 224 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Die Ermessensentscheidung gem. § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Bei der Ermessensübung ist vor allem der Zweck der Haftungsbestimmung zu berücksichtigen. Haftungen sind Besicherungsinstitute, mit denen die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls vermieden werden soll. Im vorliegenden Fall stellt die Geltendmachung der Haftung die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar, besonders da der haftungsgegenständliche Rückstand bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden kann. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Abgabennorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

Mit Vorlageantrag vom stellte der Bf den Antrag auf Entscheidung über seine Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und führte wie folgt aus:

„2. Zunächst wird auf die schon in der Beschwerde vom angeführten Argumente und die dort angeführten Beweismittel verwiesen. Insbesondere sind folgende Argumente zu berücksichtigen:

2.1. Die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide vom werden wegen unrichtiger bzw unvollständiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätten die gegenständlichen Abgabennachforderungen nicht festgesetzt werden dürfen.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann einem Geschäftsführer kein Verschulden angelastet werden, wenn er bei seiner Tätigkeit auf Behinderungen stößt. Dabei hält der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen (siehe Ritz, BAO, Rz 17 zu § 9 BAO mwN) eine Frist von zumindest zwei bis drei Monaten für angemessen. Mit anderen Worten: ein Geschäftsführer darf nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs durchaus zwei bis drei Monate Zeit haben, um die Verhältnisse der Gesellschaft zu prüfen und im Falle von Behinderungen die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Ähnlich verhält es sich bei der Pflicht zur Insolvenzantragstellung gemäß § 69 Abs. 2 IO. Nach dieser Bestimmung hat der Geschäftsführer 60 Tage Zeit, um einen Insolvenzantrag zu stellen.

Im vorliegenden Fall lagen zwischen der Bestellung zum Geschäftsführer () und der Stellung des Insolvenzantrages () bloß 52 Tage. Herr Bf. hat also sowohl innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof als auch von der Insolvenzordnung vorgesehenen Fristen reagiert.

Dabei möge auch bedacht werden, dass der Beschwerdeführer vor dem nichts mit der A-GmbH zu tun hatte. Insbesondere hatte er vor diesem Tag keinen Zugang zu Geschäftsunterlagen und war auch sonst nicht im Unternehmen beschäftigt. Er musste also an diesem Tag „bei Null" beginnen und sich einarbeiten. Erschwerend kam hinzu, dass kurz nach seinem Amtsantritt die Weihnachtsfeiertage seine Einarbeitungsphase erschwert haben. In der Zeit von Mitte Dezember bis Mitte Jänner sind erfahrungsgemäß wesentliche Auskunftspersonen wie Dienstnehmer, Steuerberater oder auch der vormalige Geschäftsführer aufgrund der üblichen Urlaubszeit schlechter verfügbar.

Ungeachtet dessen hat Herr Bf. sofort nach Amtsantritt am die Überprüfung der Verhältnisse der Gesellschaft in Angriff genommen. Er hat mit Dienstnehmern der Gesellschaft sowie mit dem Steuerberater Gespräche geführt und Unterlagen und Informationen angefordert.

Herr Bf. hat also innerhalb dieser gemäß Rechtsprechung des VwGH als zulässig erachteter Fristen gehandelt und reagiert. Leider nimmt das Finanzamt 1/23 in seiner Entscheidung überhaupt keinen Bezug auf diese Rechtsprechung des VwGH und setzt sich folglich auch nicht mit diesen Fristen auseinander. Wenn es nach dem Finanzamt 1/23 geht, hätte Herr Bf. womöglich schon nach wenigen Stunden reagieren müssen. Das ist allerdings völlig lebensfremd.

Beweis: wie bisher.

2.3. Nochmals betont wird, dass die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt erst aufgrund einer nach Insolvenzeröffnung stattgefundenen Abgabenprüfung festgestellt wurden. Zuvor waren sie auf dem Abgabenkonto der A-GmbH nicht ersichtlich.

Bei den gegenständlichen Lohnabgaben handelte es sich um Nachverrechnungen im Hinblick auf Zulagen, die in den Jahren 2008 bis 2011 an die Dienstnehmer der A-GmbH ausbezahlt wurden. Diese Zulagen wurden nachversteuert, obwohl sie nach Ansicht der Lohnverrechnung bzw des Steuerberaters iSd EStG pauschal steuerfrei ausbezahlt werden durften. Dieser Rechtsansicht hat sich das Finanzamt nur hinsichtlich von Teilbeträgen angeschlossen. Bestimmte Teile dieser Zulagen mussten sohin nachversteuert werden. Dies ist jedenfalls kein Umstand, der einem neuen Geschäftsführer bei einer Überprüfung sofort auffallen muss.

Am (Fälligkeitstag laut Haftungsbescheid) hatte Herr Bf. aufgrund der laufenden Betreuung der A-GmbH durch einen Steuerberater keinen Grund daran zu zweifeln, dass er auf dem Kontoauszug des Abgabenkontos des Finanzamts ausgewiesene Saldo richtig ist. Der Steuerberater hatte sämtliche für die rechtliche Beurteilung der Dienstnehmerbezüge notwendigen Informationen. In einem solchen Fall, nämlich wenn ein Unternehmen einen Experten mit der Lohnverrechnung beauftragt und diesem alle relevanten Sachverhaltsgrundlagen offenlegt, trifft den Geschäftsführer bei Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung durch den Experten (hier: Steuerberater) kein Verschulden und somit auch keine Haftung. Die Festsetzung der gegenständlichen Abgaben erfolgte - wie bereits ausgeführt - ausschließlich aufgrund einer anderen rechtlichen Beurteilung des offengelegten Sachverhalts durch das Finanzamt.

Müsste ein neuer Geschäftsführer die Geschäftsgebarung der Vergangenheit stets eingehend prüfen lassen, und zwar auch dann, wenn er keinerlei Indiz für Unregelmäßigkeiten hat, würde dies die Sorgfaltspflicht eines Geschäftsführers maßlos überspannen. Jeder Geschäftsführer wäre wohl die ersten Monate wenn nicht Jahre seiner Tätigkeit vor allem damit befasst, sich zu vergewissern, dass seine Vorgänger alles richtig gemacht haben. Eine derartige Sorgfaltspflicht kann weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung entnommen werden. Ganz im Gegenteil: Der VwGH hat erst 2014 zu 2012/16/0101 wie folgt ausgesprochen:
Mit der Ansicht, ein Geschäftsführer habe bei Übernahme der Geschäftsführerfunktion nicht nur zu prüfen, ob und inwieweit Rückstände an sich bestünden (wie es von der hg. Rechtsprechung gefordert wird), sondern auch, ob die Buchhaltung tatsächlich korrekt und den gesetzlichen Vorschriften entsprechend geführt worden sei, überspannt die Abgabenbehörde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die dem Geschäftsführer zumutbare Prüfungspflicht.

Was für die Buchhaltung gilt, muss sinngemäß auch für die Lohnverrechnung gelten. Der Geschäftsführer mag sich bei seinem Eintritt womöglich über erkennbare Steuerrückstände informieren müssen. Er muss aber nicht die Lohnverrechnung der Vergangenheit auf mögliche Fehler prüfen, schon gar nicht, wenn es sich um Fehler handelt, die - wie im gegenständlichen Fall - nicht ohne weiteres zu erkennen sind und erst im Zuge einer Abgabenprüfung releviert werden und zudem nur auf der Lösung bestimmter, eher außergewöhnlicher Rechtsfragen beruhen.

Ganz abgesehen davon möge man sich vor Augen halten, was geschehen wäre, wenn Herr Bf. am Tag der Fälligkeit der gegenständlichen Abgaben () das Bestehen dieser Abgabenschuld tatsächlich erkannt hätte. In diesem Fall hätte er im Sinne der insolvenzrechtlichen Gleichbehandlung dafür sorgen müssen, dass keine Gläubiger der A-GmbH besser gestellt werden als das Finanzamt. Wie sich aus der bereits vorgelegten Kontoverdichtung des Bankkontos der A-GmbH ergibt, wurden zwischen dem und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bloß Zahlungen im Gegenwert von rund EUR 21.000,00 getätigt. Die restlichen am Bankkonto der A-GmbH vorhandenen Mittel wurden vom Insolvenzverwalter in die Masse vereinnahmt und dienten zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger - darunter auch das Finanzamt mit der gegenständlichen Abgabennachforderung. In dem unmittelbar darauf eröffneten Konkursverfahren wurde schließlich eine Quote von 11,5155 % an die Gläubiger bezahlt. Sohin kann durch diese Zahlungen im Zeitraum 16.1. bis Konkurseröffnung das Finanzamt höchstens im Ausmaß von rund EUR 2.400.00 benachteiligt und sohin geschädigt worden sein. Die Haftung ist sohin jedenfalls mit diesem Betrag zu begrenzen.

Beweis: bereits vorgelegte Kontoauszüge zum Bankkonto der A-GmbH;
Beischaffung des Aktes Z1 des HG Wien;
Einvernahme der bereits beantragten Zeugen.

3. Anträge

Es werden sohin die Anträge gestellt, das Bundesfinanzgericht möge
(a) durch den Senat entscheiden
(b) eine mündliche Verhandlung durchführen und
(c) der Beschwerde Folge geben und den gegenständlichen Haftungsbescheid zur Gänze aufheben, in eventu den Bescheid dahingehend abändern, dass die Haftung mit einem Betrag von maximal EUR 2.400,00 festgesetzt wird."

In der Beschwerdeverhandlung führte der Bf ergänzend aus:

"Am  sei eine ergänzende Stellungnahme an das BFG zur gegenständlichen Beschwerde erstattet worden, welche offensichtlich beim zuständigen Richter bislang nicht angekommen sei. Daraus gehe hervor, dass die Lohnverrechnung von der steuerlichen Vertretung der GmbH geführt worden sei und dass der Bf nach Übernahme der Geschäftsführung mit dem Steuerberater diesbezüglich Kontakt aufgenommen habe. Es sei ihm von Steuerberaterseite mitgeteilt worden, dass gemeldete Lohnabgaben noch zur Bezahlung offen seien und es sei seitens des Bf deren Zahlung veranlasst worden.

Für den Bf habe es keinen wie immer gearteten Hinweis darauf gegeben, dass der Steuerberater seiner Verpflichtung zur richtigen Berechnung der Lohnabgaben nicht nachgekommen wäre.

Nach Übernahme der Geschäftsführung habe der Bf entdeckt, dass der Vorgeschäftsführer seinen Pflichten nicht ausreichend nachgekommen sei und er sei begleitend von anwaltlicher Seite auch laufend beraten worden, wie er rechtlich richtig vorzugehen habe. Die Gehälter für 12/2011 seien noch aus der Treuhandmasse ausbezahlt und auch die Lohnabgaben daraus entrichtet worden."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bf als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A-GmbH mit Beschluss des Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Da1, Z1, die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei derA-GmbH stand spätestens mit der amtswegigen Löschung der Gesellschaft am tt.mm.2015 im Firmenbuch gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit fest ().

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Bestritten wurde die Rechtmäßigkeit der Haftung vorerst aus dem Grunde, dass der Bf bereits nach rund 7 Wochen die Konsequenzen aus der Behinderung gezogen und das Konkursverfahren für die A-GmbH beantragt habe.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene GmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, weil die Pflicht der GmbH zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet. Die GmbH bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der GmbH verhalten (vgl. ; , 2005/13/0085; , 2000/15/0119).

Eine Prüfung, ob die Buchhaltung tatsächlich korrekt und den gesetzlichen Vorschriften entsprechend geführt worden sei, überspannt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die dem Geschäftsführer zumutbare Prüfungspflicht. Gibt es keine Hinweise, aus denen der Geschäftsführer schließen könnte, dass die Steuererklärungen oder (bei Selbstbemessungsabgaben) die Selbstberechnungen der zu entrichtenden Abgaben unrichtig gewesen seien, hat ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Geschäftsführerfunktion nicht auch noch die Pflicht, (etwa innerhalb des Verjährungszeitraumes) die gesamte Buchhaltung und das gesamte Rechenwerk sowie die Aufzeichnungen nachzuprüfen ().

Ist ein Geschäftsführer an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten gehindert, so muss er nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () entweder sofort die Behinderung seiner Funktion - allenfalls im Rechtsweg - abstellen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden. Ob der Rücktritt "unverzüglich" erfolgte, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Auch ein Zeitraum von nahezu drei Monaten zwischen der Bestellung zum Geschäftsführer und dessen Rücktritt wegen einer Behinderung in der Ausübung seiner Funktion schließt eine Beurteilung des Rücktrittes als "unverzüglich" nicht von vornherein aus, weil die Verpflichtung zum Rücktritt erst durch die Erkennbarkeit der Behinderung und der Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen, ausgelöst wird. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 88/15/0089, 89/15/0038, kann dem Geschäftsführer aus der Nichtentrichtung von im Wesentlichen vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer fällig gewordener Abgabenschulden keine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden, wenn der Geschäftsführer auf Grund einer Behinderung an der Ausübung seiner Funktion schon zwei Monate nach Übernahme der Funktion diese zurückgelegt hat.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Wirkung der Stellung des Insolvenzantrages infolge des durch die Eröffnung bewirkten Verlustes der Vertretungsbefugnis dem eines unverzüglichen Rücktritts gleichkommt oder ob es eines Rücktrittes als Geschäftsführer bedarf, damit ihm kein Verschulden angelastet werden kann, da eine  subjektive Vorwerfbarkeit der Nichtentrichtung der Lohnsteuer 2011 im Ausmaß von € 35.676,61 nur dann gegeben, wenn der Bf im Zeitpunkt der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe (Fälligkeit) bei Aufwendung der zu fordernden Sorgfalt die Unrichtigkeit des entrichteten Betrages hätte erkennen können (). 

Die Höhe des erst mit Bescheid vom  festgesetzten Lohnsteuer 2011 konnte der Bf zur Fälligkeit am wohl nicht kennen, sodass mangels entgegenstehender Feststellungen die Nichtentrichtung des Betrages in Höhe von €  35.676,61 dem Bf subjektiv nicht vorwerfbar ist, da er im Zeitpunkt der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe bei Aufwendung der zu fordernden Sorgfalt die Unrichtigkeit der entrichteten Beträge nicht hätte erkennen können.

Auch der Hinweis auf die Betrauung eines Steuerberaters erscheint berechtigt und zielführend, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten den Vertreter einer juristischen Person entschuldigen kann, wenn er im Haftungsverfahren wie im gegenständlichen Fall mit dem Vorbringen, dass der Steuerberater sämtliche für die rechtliche Beurteilung der Dienstnehmerbezüge notwendigen Informationen gehabt habe, Sachverhalte verträgt, aus denen sich ableiten lässt, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die (vermeintliche) Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise hat informieren lassen, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters vorgelegen wären (vgl. ; ).

Zudem wurde die mit Haftungsbescheid geltend gemachten Haftung für Lohnsteuer 2011 in Jahresbeträgen ohne nähere Aufgliederung festgesetzt.

Gemäß § 79 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 hat der Arbeitgeber die gesamte bei jeder Lohnzahlung an den Arbeitnehmer einzubehaltende Lohnsteuer für einen Kalendermonat spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen.

Es muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist.

Da der Bf somit von der Abgabenbehörde nicht in die Lage gesetzt wurde, konkret vorzubringen, weshalb er welche Abgabe nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet hat, und so den ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen, war der angefochtene Haftungsbescheid vom  hinsichtlich dieser Abgabenbeträge wegen der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2013/16/0199, auf dessen Ausführungen im Übrigen verwiesen wird, dadurch festgestellten Rechtswidrigkeit aufzuheben (vgl. ; , 2011/16/0188).

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 BAO erfolgte die Inanspruchnahme des Bf für die Lohnsteuer 2011 im von € 35.676,61 der A-GmbHzu Unrecht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101642.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at