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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.03.2020, RV/7100959/2020

Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Rechtsanwalt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind x im Zeitraum vom bis zum  zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Aus dem Inhalt der dem Finanzamt  am  übermittelten Anspruchsüberprüfung auf Familienbeihilfe war ersichtlich, dass sich das Kind x, welches an der Universität Wien am das Studium der Biologie aufgenommen hat, von diesem am abgemeldet, respektive mit Beginn Wintersemester 2019/20 auf das Studium Humanmedizin gewechselt hat. Betreffend den Studienerfolg im Fach Biologie ist anzumerken dass die Tochter der Bf. am , am sowie am drei Prüfungen im Gesamtausmaß von 18 ECTS Punkten positiv absolviert hat.

In der Folge wurde von der Bf. mit Bescheid vom Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge als für das Kind x im Zeitraum vom bis unrechtmäßig bezogen rückgefordert, wobei die belangte Behörde begründend ins Treffen führte, dass die Tochter der Bf. in nämlichem Zeitraum zu keiner Prüfung angetreten sei.

Der steuerliche Vertreter der Bf. tritt in der mit datierten Beschwerde der Rückforderung mit dem Argument entgegen, dass sich die Anspruchsberechtigung für das erste Studienjahr schon an der universitären Aufnahme ihrer Tochter als ordentliche Hörerin für das Studienfach manifestiert habe. Dessen ungeachtet seien bezogen auf das erste Studienjahr nachweislich Prüfungen im Ausmaß von 18 ECTS Punkten absolviert worden und könne ergo dessen - unter rechtswidriger Heranziehung einer Semesterbetrachtung - von einem nicht ernsthaft betriebenen Studium keine Rede sei. Zu bedenken sei auch, dass sich die Tochter der Bf. parallel zu ihrem Studium der Biologie auf den Aufnahmetest für das Studienfach Humanmedizin nicht nur vorbereitet, sondern diesen auch positiv absolviert habe, wobei der Inhalt der positiv bestandenen Prüfungen für das nunmehr betriebene Medizinstudium verwertbar, wenn nicht überhaupt zur Gänze anrechenbar seien.

Mit der Begründung, dass die Tochter der Bf. im Sommersemester 2019 im Studienfach Biologie zu keiner Prüfung angetreten sei, sondern sich nach eigenen Angaben auf den Aufnahmetest im Studienfach Humanmedizin vorbereitet habe, sich diese - ungeachtet der im Wintersemester 2018/2019 erfolgten Absolvierung dreier, 18 ECTS Punkte umfassender Prüfungen - unter Bezugnahme auf die Berufungsentscheidung des RV/0258-G/03 sowie auf das Erkenntnis des nicht in Berufsausbildung befunden habe, wurde das Rechtsmittel der Bf. mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom  wurde die Vorlage der Beschwerde an das BFG beantragt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt und Streitgegenstand

In der Folge legt das BFG dem Erkenntnis nachstehenden, sich aus der Aktenlage ergebenden Sachverhalt zu Grunde:

Die volljährige Tochter der Bf., hat im Wintersemester 2018/2019 ein Studium im Fach Biologie begonnen und sich von diesem - nach erfolgreicher im Dezember 2018 sowie Februar 2019 erfolgten Absolvierung dreier, 18 ECTS Punkte umfassender Prüfungen am abgemeldet und nach Bestehen des Aufnahmetests auf das Studienfach Humanmedizin gewechselt. In der Folge wurde seitens der belangten Behörde - ohne  Initiierung ergänzender Ermittlungen - die Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge, respektive umgekehrt gesprochen die mangelnde Anspruchsberechtigung der Bf. auf nämliche Familienleistungen einzig und allein mit dem Nichtantritt zu Prüfungen im Sommersemester 2019 begründet.

In der Folge steht die auf vorgenannten abgabenbehördlichen Feststellungen basierende Rechtsmäßigkeit der Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen im Zeitraum vom bis zum in Streit.    

2. Rechtliche Würdigung

2.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung, im Folgenden: FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die (lit. b) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. I Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorhergesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.

Nach dem 11. Satz leg. cit. gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr die Aufnahme als ordentlicher Hörer.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige der zu Unrecht Familienbeihilfe bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Mit dem Familienbeihilfenanspruch verbunden ist der Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag der gemäß § 33 Abs. 3 erster und dritter Satz EStG 1988 wie folgt determiniert ist:

Einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich "58,40 Euro" für jedes Kind zu.  Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

2.2. Rechtliche Beurteilung 

Im Erkenntnis vom , 95/14/0119, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Frage, ob für einen bestimmten (in der Vergangenheit gelegenen) Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, - will man den Beihilfenanspruch nicht von zufälligen (behördlicher Entscheidungszeitpunkt) oder willkürlich beeinflussbaren Umständen (Zeitpunkt der Antragstellung) abhängig machen - anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten wie sie bei der Tatbestandsverwirklichung bestanden haben, zu beantworten ist. Ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe erfüllt sind oder nicht, bestimmt sich somit - unabhängig vom Zeitpunkt der behördlichen "Beurteilung" - nach den Verhältnissen im Anspruchszeitraum.

Als Zeiten der Berufsausbildung werden nur solche Zeiten gelten können, in denen aus den objektiv erkennbaren Umständen darauf geschlossen werden kann, dass eine Ausbildung für den Beruf auch tatsächlich erfolgt ist. Das Vorliegen rein formaler Erfordernisse wird daher nicht genügen.

Die Zulassung an einer Universität (Hochschule) bzw. die Bestätigung über die Aufnahme bzw. Fortsetzung des Studiums ist als reiner Formalakt allerdings nicht geeignet eine Berufsausbildung nachzuweisen und somit den Anspruch auf die Familienbeihilfe zu begründen (z.B. , , ).

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof in jüngerer Rechtsprechung betreffend die Anspruchsberechtigung nach § 2 Abs. 1 lit. b 11. Satz FLAG die an oberer Stelle dargelegten Erkenntnisse dahingehend bestätigt hat, in dem das Höchstgericht im Erkenntnis vom , Ro 2015//16/0033, Rz 37 letzter Satz ausgeführt hat, dass bei Nichtsetzung jeglicher - über die bloße Aufnahme als ordentlicher Hörer hinausgehender - in Richtung eines Studiums weisender Aktivität noch keine Berufsausbildung vorliegt.  

In nämliche Richtung weisen auch die von der belangten Behörde für die Rechtmäßigkeit der Rückforderung zitierten Entscheidungen RV/0258-G/03 sowie jene des , wobei im Unterschied zum vorliegenden, einer Beurteilung durch das BFG zu unterziehenden "Fall"  - die zur Rückforderung der Familienleistungen führende "Untätigkeit" der "studierenden" Kinder unzweifelhaft festgestellt worden, respektive eine solche in realiter auch vorgelegen ist.

Nach Auffassung des BFG ist der belangten Behörde -  zwar abweichend vom Beschwerdevorbringen, wonach einzig und allein der im ersten Studienjahr, zu welcher Zeit auch immer erbrachte Erfolg den ausschließlichen Beurteilungsparameter der Anspruchsberechtigung bilde - , grundsätzlich beizupflichten, dass bezogen auf das  Sommersemester 2019 in völliger Unabhängigkeit vom aktenkundigen im Wintersemester 208/2019 erbrachten Prüfungserfolg der Anspruch der Bf. für das Sommersemester 2019 als nicht bestehend festgestellt werden hätte können. Nach dem Dafürhalten des Verwaltungsgerichtes hätte es behufs des Treffens letztgenannter Schlussfolgerung allerdings abschließender, in Richtung eines in realiter bereits im März 2019 erfolgten Abbruches des Biologiestudiums weisender Feststellungen bedurft. 

Das im zu beurteilenden Fall begründend vorgebrachte Argument der Nichtablegung von Prüfungen, vermag ebenso wie die in der BVE zum Ausdruck gebrachte aktenwidrige Annahme dass sich die Vorbereitung auf den Aufnahmetest exklusiv auf das Sommersemester 2019 bezogen hat, den angefochtenen Bescheid - auch aus nachstehenden Überlegungen - nicht zu stützen. 

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass sich das Vorliegen einer Berufsausbildung nicht exklusiv an der Absolvierung von Prüfungen, sondern auch an anderen Parametern, wie beispielsweise am Besuch von Lehrveranstaltungen manifestiert, wobei - in Anbetracht des Gesamtbildes der Verhältnisse und unter der Berücksichtigung des Prüfungserfolges im Wintersemester 2018/2019 -  auch ein im Streitzeitraum erfolgter Besuch derselben durch die Tochter der Bf. nicht zuletzt als Teil ihrer Vorbereitung auf den Aufnahmetest, bzw. der unstrittigen "Verwendbarkeit" der Lehrinhalte im nunmehr betriebenen Studium der Humanmedizin als gegeben zu erachten so dass sich die Hand in Hand mit der Rückforderung einhergehende abgabenbehördliche Qualifikation der Inskriptionsbestätigung für das Sommersemester 2019 als reinen Formalakt schlussendlich als nicht rechtens erweist. 

Zusammenfassend war daher wie im Spruch zu befinden.  

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da das Vorliegen einer Berufsausbildung verbunden mit der Anspruchsberechtigung der Bf. direkt auf  den Bestimmungen des FLAG 1967 sowie der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beruht.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100959.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at