Unrichtige Bescheidadressierung - unwirksamer Bescheid - Zurückweisung
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.a CP in der Beschwerdesache GK, Adresse, vertreten durch GK, Adresse*, gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Spittal Villach vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 beschlossen:
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensablauf
Mit bezirksgerichtlichem Beschluss vom , a, in der Rechtssache Verlassenschaft nach Jk, verstorben am y, wurde ausgesprochen, dass gemäß § 153 Außerstreitgesetz (AußStrG) die Abhandlung unterbleibt, da die Aktiven der Verlassenschaft den Wert von € 5.000,00 nicht übersteigen, zum Rechtserwerb aufgrund des Todesfalls keine bücherlichen Eintragungen erforderlich sind und keine sonstigen Voraussetzungen zur Einleitung des Verlassenschaftschaftsverfahrens vorliegen. Dem Sohn der Verstorbenen, GK, wurde gemäß § 153 Abs. 2 AußStrG die Ermächtigung erteilt, das im Beschluss näher bezeichnete Verlassenschaftsvermögen zur Gänze zu übernehmen und hierüber zu verfügen.
Am wurde auf den Namen „VerlassnKJ“ die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 eingereicht.
Am wurde der Einkommensteuerbescheid 2017, adressiert an GK als Erbe nKJ z.H. GK, Adresse*, erlassen.
Nach einem Vorhalteverfahren sowie dessen Beantwortung, wurde am durch die Vertretung von GK Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 erhoben. Im Schriftsatz wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 BAO gestellt.
Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das FA die Beschwerde als unbegründet ab. Die Adressierung der BVE erfolgte wiederum an GK als Erbe nach Jk, Adresse*.
Am langte der von der Vertretung eingebrachte Vorlageantrag beim FA ein. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde wiederholt. Zusätzlich wurde beantragt die Zuständigkeit entsprechend dem Wohnsitz des Erben GK nach Ö zu verlegen.
Das FA legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht wird die Bf. bezeichnet als Erbe nach Jk. Gleichzeitig wurde GK - unter Anschluss des Vorlageberichtes - über die Vorlage der Beschwerde nach § 265 Abs. 4 BAO in Kenntnis gesetzt.
II. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht
Mit E-Mail vom übermittelte GK nachfolgenden Schriftverkehr betreffend Fahrten nach Kärnten dem Bundesfinanzgericht (E-Mails vom , 16:01 von GK an A (Vertretung), und von 17:46 von A an GK, sowie von , 15:31 von GK an LM – Betreff: 20. Mai, von , 20:09 von GK an LM – Betreff: Abrechnung – Mängelliste).
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Dem gegenständlichen Beschluss wird der oben in Punkt I dargestellte, unbestrittene Sachverhalt zu Grunde gelegt. Insbesondere wird festgehalten:
Frau Jk ist am y gestorben. Am hat das Verlassenschaftsgericht mit Beschluss ausgesprochen, dass gemäß § 153 AußStrG die Abhandlung unterbleibt. Der Sohn GK wurde ermächtigt, dass Verlassenschaftsvermögen zur Gänze zu übernehmen und hierüber zu verfügen. Zu einer Einantwortung an einen oder mehrere Erben bzw. Gesamtrechtsnachfolge ist es nicht gekommen. Die ab dem Erbanfall am y bestehende „ruhende Erbschaft“ dauert somit fort.
Am wurde die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 unter Verlass nach Jk eingebracht.
Das FA hat sowohl den Einkommensteuerbescheid vom , als auch die BVE vom nicht an die Verlassenschaft nach Jk, sondern an „GK als Erbe nach Jk“ adressiert.
Beweiswürdigung:
Der als erwiesen angenommene Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, den Datenbanken der Finanzverwaltung sowie dem Beschluss des BG Villach vom , a. Der Sachverhalt ist unbestritten.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung:
Rechtsgrundlagen
Gemäß § 19 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Gemäß § 547 ABGB folgt der Erbe mit der Einantwortung der Rechtsposition der Verlassenschaft nach; dasselbe gilt mit Übergabebeschluss für die Aneignung durch den Bund.
Nach § 246 Abs. 1 BAO ist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist.
Erledigungen werden gemäß § 97 Abs. 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie nach ihrem Inhalt bestimmt sind.
Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Rechtliche Würdigung:
Der Normadressat ist wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides. Die Benennung jener Person (Rechtssubjekt), der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist notwendiges, auch deutlich und klar zum Ausdruck zu bringendes Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal. An nicht (mehr) existente (Rechts)personen gerichtete Bescheide gehen ins Leere und können damit keine Wirksamkeit entfalten ().
§ 19 Abs. 1 BAO verweist hinsichtlich der Gesamtrechtsnachfolge auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts ist der Erbe Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Die Gesamtrechtsnachfolge erfolgt mit Einantwortung des Erben.
Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen alle Rechtspositionen eines Rechtssubjektes auf den Rechtsnachfolger über (). Dies betrifft nicht nur die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Abgabenschuldverhältnis (§ 4) ergeben, sondern auch die Rechte und Pflichten aus dem Abgabenpflichtverhältnis (so zB Taucher, Erbschaften und Ertragsteuern, 26, vgl. auch zB , wonach der Gesamtrechtsnachfolger in materiell- und in verfahrensrechtlicher Hinsicht bezüglich aller Rechte und Pflichten in die gesamte Rechtsstellung des Rechtsvorgängers tritt); lediglich höchstpersönliche Rechtspositionen können nicht übergehen ().
Vermögenswerte abgabenrechtlicher Ansprüche der Abgabenpflichtigen gehen auch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Nachfolger über. Erwähnt seien bereits abgereifte Ansprüche auf Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen und Abgeltungen von Abgaben und Beiträgen und ähnliche Forderungen (Stoll, BAO-Kommentar, § 19, Pkt. 2, Seite 193).
Auch verfahrensrechtliche Rechtspositionen gehen über ( uvam.), somit Rechte (zB Beschwerderecht, Antragsrecht auf Wiederaufnahme des Verfahrens, auf Berichtigung gemäß § 293 oder § 293b, auf Abänderung gemäß § 295a, auf Zahlungserleichterungen, auf Akteneinsicht) und Pflichten wie zB Erklärungs- und Aufzeichnungspflichten, Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten, weiters die in § 138 normierte Pflicht zum Beweis bzw. Glaubhaftmachung (Ritz 6 , BAO Bundesabgabenordnung Kommentar, § 19, Tz 8, S 72).
Die Rechtsfähigkeit eines Abgabepflichtigen erlischt mit seinem Tode, sodass er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Träger von Rechten und Pflichten anzusehen ist. Nach dem Tod des Abgabepflichtigen ist ein Bescheid über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft (vertreten durch den Verlassenschaftskurator, Erbenmachthaber oder erbserklärten Erben), die nach herrschender Lehre in der Zeit zwischen dem Erbfall und der Einantwortung als juristische Person und damit als Träger der vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten des Erblassers und insofern als parteifähiges Rechtssubjekt anzusehen ist (vgl. Koziol-Welser, Bürgerlichen Rechts Band II 12, Seite 520; Schwimmer, ABGB Praxiskommentar³, § 547, Rz 1), zu richten, nach der Einantwortung, die den Übergang aller Rechte und Pflichten des Erblassers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge bewirkt, jedoch an den bzw. die Erben des Abgabepflichtigen (vgl. ; Schwimmer, aaO, § 819, Rz 8). Mit der Einantwortung wird die Verlassenschaft zum Vermögen des Erben.
Im Beschwerdefall wurde die Verlassenschaft nicht im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge einem Erben eingeantwortet, sondern der Sohn der Verstorbenen, GK, ermächtigt, bestimmte Guthaben zu übernehmen und darüber zu verfügen. Durch das Unterbleiben der Abhandlung ist der ruhende Nachlass als parteifähiges Rechtssubjekt weiter bestehen geblieben und gilt dieser seit dem Erbanfall als Adressat verwaltungsbehördlicher oder gerichtlicher Erledigungen. Der an "Erbe nach Jk“ gerichtete Bescheid des FA ging daher ins Leere, weil er an ein nichtexistierendes Rechtssubjekt gerichtet ist. Er konnte somit keine Rechtswirkung entfalten. Aus diesem Grund richtete sich die erhobene Beschwerde gegen diese Erledigung nicht gegen einen Bescheid. Das BFG ist daher nicht befugt, in eine meritorische Erledigung des Rechtsmittels einzutreten, sondern hat die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/13/0013 und die dort zitierte Vorjudikatur, insbesondere ).
Der angefochtene Bescheid hätte rechtswirksam nur an die "Verlassenschaft nach Jk“ gerichtet werden können.
Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
§ 274 Abs. 3 BAO iVm § 274 Abs. 5 BAO gestattet das Unterbleiben beantragter mündlicher Verhandlungen bei Formalentscheidungen (Zurückweisungen, Zurücknahmen, Gegenstandsloserklärungen) – wie zB auch im vorliegenden Fall.
Allerdings liegt die Durchführung auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen im Ermessen (vgl. Ritz, BAO 6. Aufl., § 274 Tz 12 mwN).
Die im § 20 BAO erwähnten Ermessenskriterien sind die Billigkeit und die Zweckmäßigkeit. Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die „Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei“, unter Zweckmäßigkeit das „öffentliche Interesse, insbesondere an der Erbringung der Abgaben (vgl. ritz, BAO 6 , § 20 Tz 7 mwN).
Nun sprechen aber im vorliegenden Fall Zweckmäßigkeitsüberlegungen (Verfahrensökonomie, Delegierungsantrag) für das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung. Dagegen sprechen auch nicht Billigkeitsüberlegungen, zumal aufgrund des Vorlageberichtes vom GK auch Kenntnis von der gegenwärtigen Sachlage hatte.
Aufgrund der eindeutigen Sach- und Rechtslage konnte daher von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Delegierungsantrag
Im Vorlageantrag vom wurde beantragt die Zuständigkeit entsprechend dem Wohnsitz von GK nach Ö zu verlegen. Dieser Antrag unterliegt der Entscheidungspflicht, die vom FA wahrzunehmen sein wird.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfolge, dass eine Beschwerde gegen eine Erledigung, welche an ein nichtexistierendes Rechtssubjekt gerichtet ist, als unzulässig zurückzuweisen ist, ergibt sich zwingend aus dem Gesetz (§ 97 Abs. 1, § 260 Abs. 1 BAO) und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 153 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003 § 153 Abs. 2 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003 § 274 Abs. 1 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 265 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 547 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 § 246 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100149.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at