Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.02.2020, RV/7200007/2017

Erstattung von Eingangsabgaben

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1038/2020 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.; Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0143. Mit Erk. v. hinsichtlich Spruchpunkte 1. bis 3. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, hinsichtlich Spruchpunkt 4. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Vertreter, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Zollamt Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-10 vom , Zl. 100000/65016/2015-18, und vom , Zl. 100000/65016/2015-25, sowie über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-6, betreffend Erstattung/Erlass von Eingangsabgaben nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

1.

Der Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-10, wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.

2.

Der Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-18, wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.

3.

Der Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-25, wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.

4.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-6, wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

5.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Die Bf.1 wurde mit Generalversammlungsbeschluss vom gemäß § 5 Umwandlungsgesetz (UmwG) in die Bf. umgewandelt. Letztere ist daher Gesamtrechtsnachfolgerin der Bf.1 (§ 1 UmwG).

Zu 1.

Zwischen und wurden mittels 81 Zollanmeldungen beim Zollamt Wien Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt, wobei von der Regelung des § 26 Abs.3 Z.2 UStG Gebrauch gemacht wurde. Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist in den Verfahren als Anmelderin und indirekter Vertreter der Warenempfänger aufgetreten. Die Mitteilungen über die jeweilige buchmäßige Erfassung der Abgaben gemäß Art. 221 ZK wurden der Bf. gemäß § 55 Abs.4 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) zugestellt.

Mit "Bescheid Spruchpunkt I." des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-1, wurden die in den unter den CRN (Customs Registration Numbers) laut der Anlage 2 dieses Bescheides ergangenen Abgabenmitteilungen enthaltenen Entscheidungen über die Einhebung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 26 Abs.3 Z.2 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG) durch das für A.B. zuständige Finanzamt gemäß Art. 8 Zollkodex (ZK) iVm § 26 Abs.1 UStG und § 2 Abs.1 ZollR-DG zurückgenommen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 26 Abs.3 Z.2 UStG nicht erfüllt waren.

Mit "Spruchpunkt II. des Bescheides" wurde die Bf. aufgefordert, die bereits buchmäßig erfassten und gemäß Art. 221 ZK mitgeteilten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von € 289.392,90 gemäß Art. 222 ZK iVm § 26 Abs.1 und 3 Z.1 UStG binnen 10 Tagen zu entrichten.

Gegen diesen "Bescheid" wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben und gleichzeitig ein Erlassantrag nach Art. 236, 239 und 78 ZK gestellt. Dem Antrag nach Art. 236 ZK liegt zu Grunde, dass einerseits bei sämtlichen der 81 Zollanmeldungen die Vertretung auf direkte Vertretung berichtigt und die mit "Bescheid" vom , Zl. 100000/65016/2016-1, vorgeschriebenen Abgaben erlassen werden mögen, andererseits bei bestimmten der 81 Verzollungen der Umsatzsteuersatz auf 10 % zu reduzieren sei.

Mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-10, wurde der Antrag der Bf. auf Erlass der mit "Bescheid" des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-1, Spruchpunkt I. und II. zur Entrichtung vorgeschriebenen Abgaben gemäß Art. 236 ZK abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf. mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. 100000/65016/2015-38, hat das Zollamt Wien die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dagegen stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Zu 2.

Zwischen und wurden mittels 84 Zollanmeldungen beim Zollamt Wien Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt, wobei von der Regelung des § 26 Abs.3 Z.2 UStG Gebrauch gemacht wurde. Die Bf. ist in den Verfahren als Anmelderin und indirekter Vertreter der Warenempfänger aufgetreten. Die Mitteilungen über die jeweilige buchmäßige Erfassung der Abgaben gemäß Art. 221 ZK wurden der Bf. gemäß § 55 Abs.4 ZollR-DG zugestellt.

Mit "Bescheid Spruchpunkt I." des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-15, wurden die in den unter den CRN laut der Anlage 1 dieses Bescheides ergangenen Abgabenmitteilungen enthaltenen Entscheidungen über die Einhebung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 26 Abs.3 Z.2 UStG durch das für A.B. zuständige Finanzamt gemäß Art. 8 ZK iVm § 26 Abs.1 UStG und § 2 Abs.1 ZollR-DG zurückgenommen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 26 Abs.3 Z.2 UStG nicht erfüllt waren.

Mit "Spruchpunkt II. des Bescheides" wurde die Bf. aufgefordert, die bereits buchmäßig erfassten und gemäß Art. 221 ZK mitgeteilten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von € 228.151,74 gemäß Art. 222 ZK iVm § 26 Abs.1 und 3 Z.1 UStG binnen 10 Tagen zu entrichten.

Gegen diesen "Bescheid" wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben und gleichzeitig ein Erlassantrag nach Art. 236, 239 und 78 ZK gestellt. Dem Antrag nach Art. 236 ZK liegt zu Grunde, dass bei sämtlichen der 84 Zollanmeldungen die Vertretung auf direkte Vertretung berichtigt und die mit "Bescheid" vom , Zl. 100000/65016/2015-15, vorgeschrieben Abgaben erlassen werden mögen.

Mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-18, wurde der Antrag der Bf. auf Erlass der mit "Bescheid" des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-15, Spruchpunkt I. und II. zur Entrichtung vorgeschriebenen Abgaben gemäß Art. 236 ZK abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf. mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. 100000/65016/2015-36, hat das Zollamt Wien die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dagegen stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Zu 3.

Zwischen und wurden mittels 74 Zollanmeldungen beim Zollamt Wien Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt, wobei von der Regelung des § 26 Abs.3 Z.2 UStG Gebrauch gemacht wurde. Die Bf. ist in den Verfahren als Anmelderin und indirekter Vertreter der Warenempfänger aufgetreten. Die Mitteilungen über die jeweilige buchmäßige Erfassung der Abgaben gemäß Art. 221 ZK wurden der Bf. gemäß § 55 Abs.4 ZollR-DG zugestellt.

Mit "Bescheid Spruchpunkt I." des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-21, wurden die in den unter den CRN laut der Anlage dieses Bescheides ergangenen Abgabenmitteilungen enthaltenen Entscheidungen über die Einhebung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 26 Abs.3 Z.2 UStG durch das für A.B. zuständige Finanzamt gemäß Art. 8 ZK iVm § 26 Abs.1 UStG und § 2 Abs.1 ZollR-DG zurückgenommen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 26 Abs.3 Z.2 UStG nicht erfüllt waren.

Mit "Spruchpunkt II. des Bescheides" wurde die Bf. aufgefordert, die bereits buchmäßig erfassten und gemäß Art. 221 ZK mitgeteilten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von € 196.992,58 gemäß Art. 222 ZK iVm § 26 Abs.1 und 3 Z.1 UStG binnen 10 Tagen zu entrichten.

Gegen diesen "Bescheid" wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben und gleichzeitig ein Erlassantrag nach Art. 236, 239 und 78 ZK gestellt. Dem Antrag nach Art. 236 ZK liegt zu Grunde, dass bei sämtlichen der 74 Zollanmeldungen die Vertretung auf direkte Vertretung berichtigt und die mit "Bescheid" vom , Zl. 100000/65016/2015-21, vorgeschrieben Abgaben erlassen werden mögen.

Mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-25, wurde der Antrag der Bf. auf Erlass der mit "Bescheid" des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-21, Spruchpunkt I. und II. zur Entrichtung vorgeschriebenen Abgaben gemäß Art. 236 ZK abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf. mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. 100000/65016/2015-34, hat das Zollamt Wien die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dagegen stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Zu 4.

Am wurden mit den CRN 11111, 22222, 33333 und 44444 eingangsabgabenpflichtige Waren (Öl) beim Zollamt Wien Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt, wobei ein Umsatzsteuersatz von 20 % erklärt und von der Regelung des § 26 Abs.3 Z.2 UStG Gebrauch gemacht wurde. Die Bf. ist in den Verfahren als Anmelderin und indirekter Vertreter der Warenempfänger aufgetreten, obwohl sie von A.B. zur direkten Vertretung bevollmächtigt war, und hat das Vorliegen entsprechender Warenverkehrsbescheinigungen erklärt, weshalb der Zollsatz mit 0,00 % festgesetzt wurde. Die Mitteilungen über die jeweilige buchmäßige Erfassung der Abgaben gemäß Art. 221 ZK wurden der Bf. gemäß § 55 Abs.4 ZollR-DG zugestellt.

Im Zuge einer Betriebsprüfung des Einzelunternehmers A.B. wurde vom Zollamt Wien bei der Bf. die Einsicht der kaufmännischen Unterlagen und der sonstigen Aufzeichnungen im Sinne des § 23 ZollR-DG eingefordert. Die Bf. konnte die entsprechenden Warenverkehrsbescheinigungen nicht vorlegen.

Mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-3, wurde der Bf. mitgeteilt, dass für sie als indirekter Vertreter des A.B. bei der Überführung von eingangsabgabepflichtigen Waren in den zollrechtlich freien Verkehr mit den CRN 11111, 22222, 33333 und 44444, vom gemäß Art. 201 Abs.1 Buchstabe a und Abs.3 ZK iVm § 2 Abs.1 ZollR-DG eine Eingangsabgabenschuld in der Höhe von € 40.318,16 (Zoll: € 12.062,80; EUSt: € 28.255,36) entstanden ist. Buchmäßig erfasst wurden jedoch nur Eingangsabgaben im Betrage von € 25.842,80 (Zoll: € 0,00, EUSt: € 25.842,80), weshalb der Differenzbetrag von € 14.475,36 (Zoll: € 12.062,80; EUSt: € 2.412,56) gesetzlich geschuldet und gemäß Art. 220 Abs.1 ZK nachzuerheben ist. Als Folge dieser Nacherhebung ist gemäß § 108 Abs.1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung im Betrage von € 949,24 zu entrichten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bf. keine Warenverkehrsbescheinigungen für die betreffenden Anmeldungen vorgelegen konnte.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben und gleichzeitig ein Erlassantrag nach Art. 236, 239 und 78 ZK gestellt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bf. von A.B. als direkter Stellvertreter beauftragt worden sei. Die Anmeldung als indirekter Vertreter sei lediglich durch eine Fehleingabe erfolgt, die gemäß Art. 78 ZK zu korrigieren sei. In der Folge seien die mit Bescheid des Zollamtes Wien vom vorgeschriebenen Eingangsabgaben zu erlassen bzw. zu erstatten. Die Bf. beantragte weiters den Umsatzsteuersatz auf 10 % zu reduzieren und den Differenzbetrag gemäß Art. 236 ZK zu erstatten.

Mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-6, wurde der Antrag der Bf. auf Erlass der mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-3, zur Entrichtung vorgeschriebenen Abgaben gemäß Art. 236 ZK iVm § 2 Abs.1 ZollR-DG abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es für die Art der Vertretung auf die Erklärung in der Zollanmeldung ankomme. Anderslautende Vollmachten würden nicht zur Änderung des erklärten Vertretungsverhältnisses berechtigen (VwGH 2013/16/0129). Hinsichtlich der Umsatzsteuersatzes wurde bemerkt, dass die Bf. für die verfahrensgegenständlichen vier Einfuhranmeldungen keine Bestätigung des Herstellers, dass es sich um genussfähiges Speiseöl der Tarifnummer 1512 1990 10 handle, beibringen konnte.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf. Mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das zitierte VwGH-Erkenntnis einen völlig anderen Sachverhalt betreffe. Vielmehr komme in diesem Erkenntnis zum Ausdruck, dass im Falle des Irrtums des Anmelders eine Berichtigungsmöglichkeit nach Art. 65 ZK in Betracht komme, weshalb auch eine nach Art. 78 ZK im Rahmen einer nachträglichen Prüfung zulässig sein müsse. Weiters wurde auf den Kommentar von Henke in Witte zu Art. 78 ZK verwiesen, wonach sich das Prüfungsrecht der Zollbehörde auf alle in Verbindung mit der Annahme der Zollanmeldung zu betrachtenden Aspekte bezieht, weshalb sie auch die Vertreterangabe umfasse.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. 100000/65016/2015-40, hat das Zollamt Wien die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Witte/Reiche, Zollkodex Art. 5 Rz. 34 im Zeitpunkt der Zollschuldentstehung, also bei Annahme der Zollanmeldung, feststehen müsse, wer Zollschuldner sei. Da sich der Kreis der Zollschuldner ändern würde, ist das gewählte Vertretungsverhältnis einer nachträglichen Änderung nicht zugänglich.

Dagegen stellte die Bf. mit Eingabe vom den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die verfahrensgegenständlichen Anmeldungen sind auch vom Antrag auf Erlass/Erstattung gemäß Art. 236 ZK vom zu Spruchpunkt 1. dieses Erkenntnisses umfasst, der die Zollanmeldungen CRN 11111, 22222, 33333 und 44444 vom beinhaltet.

Zu 1., 2. 3. und 4.:

Mit Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0118, hat der VwGH erkannt, dass die Mitteilung der buchmäßigen Erfassung des Eingangsabgabenbetrages lediglich kraft Fiktion des § 74 Abs.1 ZollR-DG als Abgabenbescheid gilt. Eine in dem die Mitteilung über die buchmäßige Erfassung enthaltenden Schriftstück getroffene allfällige, darüber hinaus gehende Aussage über die von der Regelung des Art. 222 ZK abweichend gemäß § 26 Abs.5 UStG gesetzlich eintretende Fälligkeit der Abgabenschuld erlangt keine normative Qualität. Solcherart sind die bei den Mitteilungen nach Art. 221 ZL des Zollamtes enthaltenen Erläuterungen "5EV…EUSt-Anwendung von § 26 Abs.3 Z.2 UStG" und die Hinweise auf den Regelungsinhalt des § 26 Abs.5 UStG kein normativer Bestandteil eines Bescheidspruches und stellen keine begünstigenden Entscheidungen im Sinn des Art. 8 ZK dar. Der VwGH stellte weiters fest, dass die Mitteilungen gemäß Art. 221 ZK gemäß § 55 Abs.4 ZollR-DG an den indirekten Vertreter zugestellt wurden.

In der mündlichen Verhandlung vom wurde vom Vertreter der Bf. ausgeführt, dass die Abgabenfestsetzung für die EUSt in den Mitteilungen gemäß Art. 221 ZK mit 0,00 erfolgt sei. Es müsste daher ein Abgabenbescheid erlassen werden, damit die Festsetzung der EUSt im Rechtsmittelweg angefochten werden könne. Sollte eine neuerliche bescheidmäßige Vorschreibung nicht erforderlich sein, ist darauf zu verweisen, dass sich die Anträge nach Art. 236 ZK auf die zugrundeliegenden Zollanmeldungen beziehen würden. Diesbezüglich wäre auch eine Fristverlängerung nach Art. 236 Abs.2 ZK anwendbar. Zu den CRN 11111, 22222, 33333 und 44444 vom konnten keine Warenverkehrsbescheinigungen vorgelegt werden. Die Vertreterin des Zollamtes Wien erklärte, das Zollamt habe die Zahlungsaufforderung bewusst als Bescheid bezeichnet und habe damit rechtsverbindlich über den dieser Zahlungsaufforderung zugrundeliegenden Abgabenanspruch abgesprochen.

Beweiswürdigung:

Gemäß § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Gemäß § 167 Abs.1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

Gemäß Abs.2 leg. cit. hat im Übrigen die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt des vom Zollamt Wien vorgelegten Abgabenaktes und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom . Die Feststellungen sind im Wesentlichen unbestritten.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wird.

Gemäß Abs.2 leg. cit. entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.

Gemäß § 2 Abs.1 ZollR-DG gelten das im § 1 genannte Zollrecht der Union, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex) weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten unionsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Gemäß Art. 78 Abs.1 ZK können die Zollbehörden nach der Überlassung der Waren von Amts wegen oder auf Antrag des Anmelders eine Überprüfung der Anmeldung vorzunehmen.

Gemäß Abs.2 leg. cit. können die Zollbehörden nach der Überlassung der Waren die Geschäftsunterlagen und anderes Material, das im Zusammenhang mit den betreffenden Einfuhr- oder Ausfuhrgeschäften sowie mit späteren Geschäften mit diesen Waren steht, prüfen, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Anmeldung zu überzeugen. Diese Prüfung kann beim Anmelder, bei allen in geschäftlicher Hinsicht mittelbar oder unmittelbar beteiligten Personen oder bei allen anderen Personen durchgeführt werden, die diese Unterlagen oder dieses Material aus geschäftlichen Gründen in Besitz haben. Die Zollbehörden können auch eine Überprüfung der Waren vornehmen, sofern diese noch vorgeführt werden können.

Gemäß Abs.3 leg. cit. treffen die Zollbehörden, wenn die nachträgliche Überprüfung der Anmeldung ergibt, dass bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist, unter Beachtung der gegebenenfalls erlassenen Vorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten Umstände neu zu regeln.

Gemäß Art. 236 Abs.1 ZK werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Artikel 220 Absatz 2 buchmäßig erfasst worden ist.

Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben werden insoweit erlassen, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Artikel 220 Absatz 2 buchmäßig erfasst worden ist.

Eine Erstattung oder ein Erlass wird nicht gewährt, wenn die Zahlung oder buchmäßige Erfassung eines gesetzlich nicht geschuldeten Betrags auf ein betrügerisches Vorgehen des Beteiligten zurückzuführen ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. erfolgt die Erstattung oder ein Erlass der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben auf Antrag. Der Antrag ist vor Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen.

Diese Frist wird verlängert, wenn der Beteiligte nachweist, dass er infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höherer Gewalt gehindert war, den Antrag fristgerecht zu stellen.

Zu 1, 2. und 3.:

Die Bf. hat in ihren Erlassanträgen nach Art. 236 ZK beantragt, dass einerseits bei sämtlichen der 81 Zollanmeldungen die Vertretung auf direkte Vertretung berichtigt und die mit Bescheid vom , Zl. 100000/65016/2016-1, vorgeschriebenen Abgaben erlassen werden mögen, andererseits bei bestimmten der 81 Verzollungen laut Spruchpunkt 1. der Umsatzsteuersatz auf 10 % zu reduzieren sei, dass bei sämtlichen der 84 Zollanmeldungen laut Spruchpunkt 2. die Vertretung auf direkte Vertretung berichtigt und die mit Bescheid vom , Zl. 100000/65016/2015-15, vorgeschrieben Abgaben erlassen werden mögen und, dass bei sämtlichen der 74 Zollanmeldungen laut Spruchpunkt 3. die Vertretung auf direkte Vertretung berichtigt und die mit Bescheid vom , Zl. 100000/65016/2015-21, vorgeschrieben Abgaben erlassen werden mögen.

Die Anträge gemäß Art. 78 Abs.1 ZK auf Änderung der indirekten Vertretung auf direkte Vertretung und der Erstattungsantrag betreffend den Steuersatz beziehen sich auf die ursprünglichen Zollabfertigungen. Die dabei zu jeder einzelnen Abfertigung ergangene Mitteilung der buchmäßigen Erfassung des jeweiligen Eingangsabgabenbetrages gilt dabei kraft der Fiktion des § 74 Abs.1 ZollR-DG als Abgabenbescheid. Die Mitteilungen über die buchmäßige Erfassung von Eingangsabgaben wurden der Bf. als indirekter Vertreter anlässlich jeder einzelnen Zollabfertigung gemäß § 55 Abs.4 ZollR-DG zugestellt. Diese Abgabenbescheide sind in Rechtskraft erwachsen (siehe ). Bei den als Bescheid bezeichneten Erledigungen des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2016-1, vom , Zl. 100000/65016/2015-15, und vom , Zl. 100000/65016/2015-21, handelt es sich nur um Zahlungsaufforderungen.

Der jeweilige Spruch der angefochtenen Bescheide des Zollamtes Wien betreffend die Erstattung gemäß Art. 236 ZK bezieht sich jedoch auf die mit "Bescheiden" vom , Zl. 100000/65016/2016-1, vom , Zl. 100000/65016/2015-15, und vom , Zl. 100000/65016/2015-21, jeweils Spruchpunkt I. und II. zur Entrichtung vorgeschriebenen Abgaben. Da es sich bei den genannten als Bescheid bezeichneten Erledigungen um keine buchmäßige Erfassung und Mitteilung von Eingangsabgaben, sondern lediglich um eine Zahlungsaufforderung handelt, liegen den angefochtenen Bescheiden gemäß Art. 236 ZK keine einem Erlass oder einer Erstattung zugänglichen Eingangsabgaben zu Grunde. Die angefochtenen Bescheide gemäß Spruchpunkt 1. bis 3. sind daher aufzuheben. Über die Anträge gemäß Art. 78 Abs.1 ZK und die daraus resultierenden Erstattungsanträge gemäß Art. 236 Abs.1 ZK betreffend die buchmäßig erfassten und mitgeteilten Eingangsabgaben in 239 Fällen zwischen dem und dem wird vom Zollamt Wien erstmalig abzusprechen sein.

Zu 4.:

Art. 78 Abs.1 ZK zielt auf eine Änderung der Anmeldung vom Amts wegen oder auf Antrag ab. Die Rechtsbeziehungen zwischen Zollverwaltung und Beteiligten enden grundsätzlich drei Jahre nach Entstehen der Zollschuld bzw. nach Mitteilung des Abgabenbetrages (Art. 221 Abs.3 ZK, Art. 236 ZK). Durch diese Regelungen ist auch der Anwendungsbereich des Art. 78 ZK begrenzt (Witte, Zollkodex Kommentar 6. Auflage, Art. 78 Rz.2).

Die verfahrensgegenständlichen Zollanmeldungen stammen vom . Der Antrag auf Korrektur der Zollanmeldung wurde mit Schriftsatz vom , somit erst nach Ablauf der Frist von drei Jahren gestellt. Eine Änderung der Zollanmeldung ist zu diesem Zeitpunkt weder von Amts wegen, noch auf Antrag mehr möglich. Der Antrag gemäß Art. 78 Abs.1 ZK iVm Art. 236 Abs.1 ZK ist hinsichtlich dieser buchmäßigen Erfassung verspätet. Dabei ist anzumerken, dass die verfahrensgegenständlichen Zollanmeldungen auch vom Antrag gemäß Art. 78 Abs.1 ZK iVm Art. 236 ZK zu Spruchpunkt 1. umfasst sind. Über diesen Antrag wird das Zollamt Wien ebenso zu entscheiden haben wie über eine allfällige Fristverlängerung gemäß Art. 236 Abs.2 ZK, welche eine zollrechtliche Entscheidung darstellt, mit einem Rechtsbehelf angefochten werden kann und über die somit nicht erstmalig vom Bundesfinanzgericht zu entscheiden ist, da dies eine Verkürzung des Instanzenzuges darstellen würde (Dorsch, Kommentar Zollrecht Art. 17 ZK Rz. 20).

Hinsichtlich der nachträglichen buchmäßigen Erfassung und mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. 100000/65016/2015-3, erfolgten Mitteilung von Eingangsabgaben in Höhe von € 14.475,35 (Zoll: € 12.062,80; EUSt: € 2.412,56) und der Abgabenerhöhung in Höhe von € 949,24 erweist sich der Antrag jedoch als zulässig. Die Bf. konnte für die verfahrensgegenständlichen vier Einfuhranmeldungen aber auch in der mündlichen Verhandlung am keine Warenverkehrsbescheinigungen beibringen, weshalb der Antrag als unbegründet abzuweisen war.

Zu 1., 2. 3. und 4.:

Gemäß § 167 Abs.3 BAO ist von der Aufnahme beantragter Beweise abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen unerheblich sind. Die von der Bf. gestellten Anträge auf Feststellung, dass die Lieferungen den slowakischen Finanzbehörden als Erwerb gemeldet wurden, der Bestätigung der umsatzsteuerrechtlichen Unbedenklichkeit durch das Zoll- bzw. Finanzamt und einer Steuerberatungskanzlei, das aufrechte Bestehen von UID- und EORI- Nummern bzw. Gewerbeberechtigungen sowie die Einvernahme von C.D. und E.F. waren abzulehnen, da die Klärung von weiteren sachverhaltserheblichen Tatsachen für dieses Verfahren nicht erheblich ist.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung stützt sich auf das Erkenntnis des . Hinsichtlich Spruchpunkt 4. dieses Erkenntnisses konnten die erforderlichen Nachweise nicht beigebracht werden. Es liegt somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 236 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7200007.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at