Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.03.2020, RV/7103827/2010

Mangels Einkünftezurechnung keine Anwendbarkeit von § 162 BAO (Empfängerbenennung)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Dr. Hans Blasina und die weiteren Senatsmitglieder Dr. Sebastian Pfeiffer, LL.M., KR Michael Fiala und Dr. Franz Kandlhofer im Beisein der Schriftführerin SF in der Beschwerdesache Bf. in Liquidation, Adr._Bf., vertreten durch Karabece + Partner WP und StB GmbH, Börsegasse 10/3, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde FA Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Körperschaftsteuer 2003 bis 2005 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

I. Die Körperschaftsteuerbescheide 2003 bis 2005 werden gemäß § 279 BAO abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin Bf. (in der Folge Bf.) ist eine österreichische Briefkastengesellschaft im Bereich des Speditionswesens (Transport von Granit, Holz und Stahl mittels angemieteten Schiffen aus Südamerika in die ganze Welt). Die Bf. ist mittlerweile in Liquidation.

Die Bf. hat im Streitzeitraum weder eigenes Personal, noch mietet sie Räumlichkeiten an. Ein Steuerberater kümmert sich um steuerliche Angelegenheiten, die Geschäftsführerin regelt notarielle Wege.

Die Geschäftstätigkeit der Bf. stellt sich folgendermaßen dar:

Ein italienisches Speditions- und Logistikunternehmen vermittelt der Bf. Aufträge gegen Kommissionsgebühren. Die Bf. mietet die notwendigen Schiffe; die Frachtraten, Treibstoffkosten, Kosten für Schiffsagenturen und Haftpflichtversicherung gehen zu Lasten der Bf. Die Abwicklung der Geschäfte erfolgt - mangels Personal der Bf. - über eine Schweizer Treuhandgesellschaft. Diese Kosten werden durch die TS S.A. (in der Folge Panama Gesellschaft) im Rahmen eines Fiduciary Agreements finanziert:

„[…]

3. PRINCIPAL’s [Anm: Panama Gesellschaft] Rights and Obligations

3.1. The PRINCIPAL [Anm: Panama Gesellschaft] undertakes to provide the FIDUCIARY [Anm. Bf.] with all and any available means including but not limited to information, documentation and sufficient funds in order to help the FIDUCIARY [Anm. Bf.] execute his duties under the present agreement]

3.2. The PRINCIPAL [Anm: Panama Gesellschaft] shall bear all reasonable business costs including but not limited to administration fees, bookkeeping, accounting and audit fees. All such expenses shall be paid by the PRINCIPAL [Anm: Panama Gesellschaft] and may under no circumstances be settled against the agreed commission being the FIDUCIARY’s [Anm. Bf.] remuneration.

[…]

Die Bf. besitzt selbst keinen Handlungsspielraum zum Abschluss von Geschäften. Die Bf. ist vertraglich verpflichtet, Geschäfte nur nach Genehmigung durch die Panama Gesellschaft abzuschließen.

Die Panama Gesellschaft ist eine Offshore Gesellschaft, die in Panama lediglich registriert ist, aber weder Büros noch sonstige Räumlichkeiten besitzt. Wirtschaftlicher Eigentümer der Panama Gesellschaft ist WD.

Die Bf. lukriert von den Eignern der Ladung eine vertraglich vereinbarte Frachtrate. Von dieser Frachtrate werden einerseits die Kommissionsgebühren nach Italien und Vermittlungsgebühren der gemieteten Schiffe bezahlt. 95% des Rohgewinns, mindestens jedoch 17.500 pro Jahr, maximal jedoch 75.000 pro Jahr (bis 2004: 44.000 Euro pro Jahr), werden an die Panama Gesellschaft weitergeleitet.

Mit stellt die Panama Gesellschaft eine Rechnung in Höhe von 651.611,14 Euro an die Bf.

Mit stellt die Panama Gesellschaft eine Rechnung in Höhe von 2.561.118,55 Euro an die Bf.

Mit stellt die Panama Gesellschaft eine Rechnung in Höhe von 3.449.641,64 Euro an die Bf.

Die belangte Behörde forderte die Bf. zur Empfängerbenennung hinsichtlich der drei Rechnungen aus 2003, 2004 und 2005 auf. Die Bf. legte sohin eine Übersetzung des Treuhand- und Geschäftsführungsvertrages der Panama Gesellschaft vor. Aus dieser ergibt sich, dass Herr WD von der Panama Gesellschaft bevollmächtigt wird, wirtschaftliche Geschäfte in deren Namen abzuwickeln.

Die belangte Behörde versagte den Betriebskostenabzug aus den drei Rechnungen aus 2003, 2004 und 2005 mit Hinweis auf die nicht erfolgte Empfängerbenennung.

2. Beweiswürdigung

Dass die Bf. eine österreichische Briefkastengesellschaft darstellt, ergibt sich aus der Berufung (nunmehr Beschwerde; § 323 Abs. 38 BAO) der Bf. und wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung zwischen den Parteien niederschriftlich außer Streit gestellt.

Aus dem Betriebsprüfungsbericht sowie der Beschwerde der Bf. ergibt sich ebenso, dass die Bf. kein eigenes Personal hat und keine Räumlichkeiten (Büros) anmietet. Dies wurde von den Parteien ebenfalls im Rahmen der mündlichen Verhandlung niederschriftlich außer Streit gestellt.

Die Geschäftstätigkeit der Bf. ergibt sich mangels vorhandenen Unterlagen aus dem Betriebsprüfungsbericht und wird im Rahmen der niederschriftlich festgehaltenen Aussagen der steuerlichen Vertretung der Bf. und der belangten Behörde bestätigt.

Dass die Panama Gesellschaft die Geschäftstätigkeit der Bf. finanziert, ergibt sich aus dem von der steuerlichen Vertretung vorgelegten Fiduciary Agreement zwischen der Panama Gesellschaft (vormals TF SA) und der Bf. vom .

Aus diesem Fiduciary Agreement ergibt sich ebenso, dass

  • die Bf. ohne vorherige Freigabe durch die Panama Gesellschaft zum Abschluss von Geschäften nicht ermächtigt ist (vgl. Punkt 2.1. des Fiduciary Agreements);

  • die Bf. lediglich 5% des Rohgewinns aus den Geschäften behält (vgl. Punkt 4.1. des Fiduciary Agreements);

  • der Bf. ein Minimum von 17.500 Euro pro Jahr als Gegenleistung zusteht (vgl. Punkt 4.2. des Fiduciary Agreements);

  • der Bf. ein Maximum von 44.000 Euro pro Jahr als Gegenleistung zusteht (vgl. Punkt 4.3. des Fiduciary Agreements).

Aus dem Addendum No. 1, abgeschlossen zwischen der Panama Gesellschaft und der Bf. am , das die steuerliche Vertretung im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht beigebracht hat, ergibt sich, dass ab die maximale Gegenleistung der Bf. auf 75.000 Euro pro Jahr erhöht wird.

Die von der Panamagesellschaft an die Bf. gestellten Rechnungen samt Rechnungssumme sind nicht aktenkundig und können weder von der belangten Behörde noch von der Bf. beigebracht werden. Sie ergeben sich jedoch aus dem Betriebsprüfungsbericht der belangten Behörde. Im Rahmen der niederschriftlich festgehaltenen Aussagen der Verfahrensparteien in der mündlichen Verhandlung ist die Existenz der Rechnungen sowie die Höhe der Rechnungen unstrittig, weswegen das Bundesfinanzgericht von diesen Zahlen ausgeht.

3. Erwägungen

   3.1. Zu Spruchpunkt I: Stattgabe und Abänderung

Im vorliegenden Fall ist grundlegend strittig, wem die Einkünfte und Aufwendungen zuzurechnen sind. Die Bf. argumentiert zusammengefasst, dass sie selbst keine Leistungen erbringt, kein Personal beschäftigt und keine Büroräumlichkeiten besitzt. Die Bf. verfüge wirtschaftlich nicht über die Einkunftsquelle, sie trage kein Risiko und sei lediglich eine „Fakturierungsgesellschaft“. Die Bf. führe ihre Geschäfte auf eigenen Namen aber fremde Rechnung durch. Die Bf. habe lediglich Beträge weitergeleitet; es lägen weder Betriebseinnahmen noch -ausgaben vor, weswegen für die Empfängerbenennung nach § 162 BAO kein Raum bleibe.

Dementgegen argumentiert die belangte Behörde, dass die Zurechnung zur Panama Gesellschaft voraussetze, dass es sich bei den beiden Gesellschaften um unterschiedliche Eigentümerstrukturen handele. Dies konnte der belangten Behörde nicht nachgewiesen werden. Die tatsächliche Eigentümerstruktur der Panama Gesellschaft sei für die belangte Behörde nicht nachgewiesen; die Übergabe von Unterlagen betreffend der Eigentümer der Panama Gesellschaft nach ungefähr 16 Monaten nach Beendigung der Betriebsprüfung, spreche nicht für deren volle Beweiskraft.

Zuerst muss überprüft werden, ob der Bf. die Einkünfte zuzurechnen sind, also ob die Bf. lediglich als Durchlaufgesellschaft fungiert hat. Denn falls die Einkünfte der Bf. nicht zuzurechnen sind, bleibt für die Anwendbarkeit des § 162 BAO mangels Betriebsaufwandes kein Raum (vgl. ).

§ 7 Abs. 1 KStG 1988 normiert:

"§ 7. (1) Der Körperschaftsteuer ist das Einkommen zugrunde zu legen, das der unbeschränkt Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat."

Zurechnungssubjekt von Einkünften ist derjenige, der die Marktherrschaft über die jeweilige Einkunftsquelle besitzt und so den Vorgang der Leistungserstellung beherrscht. Träger der Einkünfte ist derjenige, der über die betreffende Leistungserstellung disponieren kann, das heißt, die Möglichkeit hat, Marktchancen zu nutzen, Leistungen zu variieren und im Extremfall auch zu verweigern, indem er seine Tätigkeit einstellt, Kapital zurückzieht, Mietverhältnisse kündigt etc. (vgl. Ruppe, Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung von Einkunftsquellen als Problem der Zurechnung von Einkünften, in Tipke (Hrsg) Übertragung von Einkunftsquellen im Steuerrecht (1978) 7 (7 ff); vgl. idS auch , Rn 29). Für Zwecke der Einkünftezurechnung ist nicht zwischen In- und Auslandssachverhalten zu unterscheiden (vgl. und wiederum , Rn 29).

Entscheidend für die Einkünftezurechnung ist, wer die Verfügungsmacht über die Leistungserbringung hat. Dies muss nicht in jedem Fall die Person sein, welche die Leistung tatsächlich erbringt. Tritt eine Gesellschaft nach außen auf, kann deren Existenz nicht verneint werden; es ist aber zu prüfen, ob die Gesellschaft den Zwecken dient, die vorgegeben werden (vgl. ). Kann die Gesellschaft die vorgegebenen Zwecke nicht erfüllen (zB mangels einer entsprechenden Infrastruktur), können ihr keine Einkünfte zugerechnet werden (vgl. Toifl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (20. Lfg 2018) Allgemeine Grundsätze der Einkommensermittlung Rz 142). Reinen "Fakturierungsgesellschaften", in der Rolle einer passiven Zahlstelle, sind Einkünfte nicht zuzurechnen (vgl. Tanzer, Einkünftezurechnung an ausländische Basis- und Finanzierungsgesellschaften (Teil I) GesRZ 2005, 59 ff).

Im Rahmen der Beweiswürdigung kommt das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass die Bf. die Leistungen nicht erbringen konnte. Die Bf. hat kein eigenes Personal, und ihre Leistungen werden durch ein Schweizer Unternehmen abgewickelt. Die Bf. ist im Rahmen des abgeschlossenen Fiduciary Agreements ohne vorherige Zustimmung der Panama Gesellschaft nicht zum Abschluss von Geschäften befugt. Zudem erfolgte die Finanzierung der Geschäfte in jedem Fall über die Panama Gesellschaft. Im Lichte dieser Umstände, besitzt die Bf. nicht die Marktherrschaft über die Einkunftsquelle und kann den Vorgang der Leistungserstellung nicht beherrschen, weil sie über die Leistungserstellung nicht disponieren kann. Die Bf. hatte lediglich auf 5% des Rohgewinns der Geschäfte einen Anspruch. Entsprechend sind ihr die Einkünfte nicht zuzurechnen. Damit verbleibt – im Lichte der Rechtsprechung des VwGH – kein Raum für die Anwendung des § 162 BAO (vgl. ).

Der Beschwerde wird damit stattgegeben, und die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Beilage: 3 Berechnungsblätter

   3.2. Zu Spruchpunkt 2:  Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des VwGH, dass dann, wenn dem Steuerpflichtigen die Einkünfte nicht zuzurechnen (zur Zurechnung vgl. ) sind, kein Raum für die Anwedung des § 162 BAO bleibt (vgl. ). Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 162 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 7 Abs. 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103827.2010

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at