TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.02.2020, RV/5101932/2017

Keine Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 bei Bezug von Bildungsteilzeitgeld bei unveränderter Stundenzahl

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA vom , betreffend Einkommensteuer 2016 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Erstbescheide vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2016 erklärungsgemäß mit € 1.356,70 festgesetzt und in der Begründung ausgeführt, bei der Ermittlung des Steuersatzes seien zuerst die steuerpflichtigen Einkünfte auf einen Jahresbetrag umgerechnet, Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge berücksichtigt und anhand der sich für das umgerechnete Einkommen  ergebenden Tarifsteuer ein Durchschnittssteuersatz ermittelt und auf das Einkommen angewendet worden (Umrechnungsvariante). Danach sei anhand einer Kontrollrechnung festzustellen gewesen, ob sich bei der Hinzurechnung der Bezüge gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergebe. Da dies der Fall gewesen sei, wurde demzufolge auch das Bildungsteilzeitgeld mit dem Tarif besteuert.

Die Beschwerdeführerin (Bf) erhob dagegen fristgerecht Beschwerde und begründete dies damit, dass ihre Einkünfte, die während des Erhalts der steuerfreien Bezüge ausbezahlt wurden, nicht für die Hochrechnung herangezogen werden dürfen. Weiters sollen die Werbungskosten bei der Ermittlung der umzurechnenden Einkünfte in Entsprechung des Nettoprinzips berücksichtigt werden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Einkommensteuerbescheid geändert und die Einkommensteuer mit € 1.161,30 festgesetzt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Bf im Jahr 2016 steuerfreie Einkommensersätze erhalten habe, die eine besondere Steuerberechnung nach sich ziehen (§ 3 Abs. 2 EStG 1988). Dabei werden die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte auf den Zeitraum des Erhalts der steuerfreien Bezüge umgerechnet, so als ob sie auch während des Bezugs der Einkommensersätze weiterbezogen worden wären. Daraus wird ein Umrechungszuschlag ermittelt, der zur Berechnung des Durchschittssteuersatzes dem Einkommen hinzugerechnet wird. Mit diesem Durchschnittssteuersatz sei das steuerpflichtige Einkommen versteuert worden.

Mit brachte die Bf gegen die Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag ein und begründete diesen wie in der Beschwerde entsprechend.

Mittels Ersuchen um Ergänzung wurde die Bf am aufgefordert, die geltend gemachten Werbungskosten belegmäßig nachzuweisen und allenfalls Kostenersätze und Zuschüsse bekannt zu geben.

Die Bf kam dem Ersuchen mit Schreiben vom nach.

Am legte die Abgabenbehörde den Akten dem Bundesfinanzgericht zur weiteren Bearbeitung vor.

Mit Schreiben vom zog die Bf den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Festgesellter Sachverhalt

Die Bf erzielte im Jahr 2016 durchgehend vom bis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Des Weiteren bezog sie vom Arbeitsmarktservice vom bis (274 Tage) Bildungsteilzeitgeld in Höhe von € 3.419,52.

Im Zeitraum vom bis wurde das Beschäftigungsausmaß bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von 60 % (24 Wochenstunden) nicht verändert. Es gab keine Erhöhung der Bezüge.

Beweiswürdigung

Der festgesellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt, insbesondere dem Lohnzettel, der Meldung betreffend die Bildungsteilzeit und den vorgelegten Unterlagen der Bf.

Rechtlichen Würdigung

Gem. § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit. 
Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. 
Gem. § 33 Abs. 10 EStG 1988 ist ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz vorbehaltlich des Abs. 11 nach Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen.

Gem. § 11a Abs. 1 AVRAG können Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen schriftlich eine Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte (Bildungsteilzeit) für die Dauer von mindestens vier Monaten bis zu zwei Jahren vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate gedauert hat. Die in der Bildungsteilzeit vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit darf zehn Stunden nicht unterschreiten. Eine neuerliche Bildungsteilzeit kann frühestens nach dem Ablauf von vier Jahren ab dem Antritt der letzten Bildungsteilzeit (Rahmenfrist) vereinbart werden. Die Bildungsteilzeit kann auch in Teilen vereinbart werden, wobei die Dauer eines Teils mindestens vier Monate zu betragen hat und die Gesamtdauer der einzelnen Teile innerhalb der Rahmenfrist, die mit Antritt des ersten Teils der Bildungsteilzeit zu laufen beginnt, zwei Jahre nicht überschreiten darf.

Gem. § 26a Abs. 1 AlVG 1977 gebührt Personen, die eine Bildungsteilzeit gemäß § 11a AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, für die vereinbarte Dauer ein Bildungsteilzeitgeld bei Erfüllung näher genannter Voraussetzungen. 
Gem. § 26a Abs. 5 AlVG 1977 gilt § 26 Abs. 2 und 5 bis 8 AlVG 1977 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Weiterbildungsgeldes das Bildungsteilzeitgeld tritt. 
Gem. § 26 Abs. 8 AlVG 1977 gilt das Weiterbildungsgeld als Ersatzleistung gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400.

Das Bildungsteilzeitgeld gilt gem. § 26a Abs. 5 AlVG 1977 iVm § 26 Abs. 8 ALVG 1977 als Ersatzleistung gem. § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG 1988. Somit ist das im Streitjahr 2016 vom AMS ausbezahlte Bildungsteilzeitgeld iHv € 3.419,52 von der Einkommensteuer befreit, wobei diese Bezüge grundsätzlich eine Hochrechnung nach § 3 Abs.2  EStG 1988 auslösen.

Zweck der Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 - so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 3. AbgÄG 1987, 277 BlgNR XVII. GP, 6 ff - ist es, einen rechtspolitisch unerwünschten Effekt zu beseitigen, der sich ergibt, wenn die steuerfreien Transferleistungen in einem Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) mit anderen, steuerpflichtigen Einkünften zusammentreffen. Dies könnte, insbesondere im Fall saisonaler Arbeitslosigkeit, wegen der zum Teil erheblichen Milderung der Steuerprogression dazu führen, dass das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten unter Berücksichtigung der im Wege der Veranlagung erhaltenen Lohnsteuererstattung höher wäre als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten (vgl. Fuchs in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (55. Lfg 2013) zu § 3 EStG Tz 36). Die Hochrechnung betrifft nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der angeführten Transferleistungen bezogen wurden („für das restliche Kalenderjahr“). Die Berechnungsmethode hat den Effekt, dass bei Durchführung einer (ArbeitnehmerInnen-)Veranlagung jener Zeitraum, während dessen der Steuerpflichtige die angegebenen Transferleistungen bezieht, neutralisiert wird. Über die Steuerfreiheit hinausgehende Vorteile für die Transferleistungen sollen dadurch vermieden werden. Die Regelung ist verfassungskonform (vgl. Jakom/Laudacher, EStG, 2019, § 3 Rz 120).

In seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/13/0024 führt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich Folgendes aus:

„Hinsichtlich der Frage, ob - im Rahmen der näheren Bestimmung der in § 3 Abs. 2 EStG 1988 angeordneten Rechtsfolge - eine Hochrechnung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie außerhalb des Zeitraums des gleichzeitigen steuerfreien Bezuges erzielt wurden, zu unterbleiben hat, wenn während des ganzen Jahres Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt wurden, ist festzuhalten, dass dies der Fall ist, soweit es sich um ganzjährige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt, die mit dem steuerfreien Bezug im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG 1988 in keinem Zusammenhang stehen. Insoweit besteht - bei Beachtung des Gesetzeszwecks - so wenig Anlass zur Hochrechnung wie bei ganzjährig bezogenen Einkünften aus selbständiger Arbeit (vgl. zu diesen das Erkenntnis , VwSlg 8181 F/2006). Anders verhält es sich, soweit der steuerfreie Bezug an die Stelle der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit tritt. Dies ist die Situation, in der die Steuerfreiheit im Vergleich zum unveränderten Fortbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch eine progressionsmindernde Wirkung hätte, der die Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 entgegenwirken soll (vgl. dazu die Wiedergabe der Erläuterungen zur Novelle BGBl. Nr. 606/1987 zuletzt im Erkenntnis ). Für die heute möglichen Fälle eines steuerfreien Bezuges von Weiterbildungsgeld während einer Bildungskarenz wie im vorliegenden Fall (eingeführt mit dem ASRÄG 1997, BGBl. Nr. 139) oder von Bildungsteilzeitgeld während einer Bildungsteilzeit (eingeführt mit dem SRÄG 2013, BGBl. I Nr. 67) kann in dieser Hinsicht nichts anderes gelten als für die Fälle einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, auf die sich die mit BGBl. Nr. 606/1987 ursprünglich in das EStG 1972 eingefügte Regelung damals nur bezog.“

Aufgrund des VwGH-Erkenntnisses vom , Ra 2018/13/0024 steht somit fest, dass grundsätzlich eine Hochrechnung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie außerhalb des Zeitraums des gleichzeitigen steuerfreien Bezuges des Bildungsteilzeitgeldes erzielt wurden, zu erfolgen hat.
Gem. § 3 Abs. 2 EStG 1988 wären die für das restliche Kalenderjahr bezogenen zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Zur Berechnung des fiktiven Jahresbetrages gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 verwies der Verwaltungsgerichtshof auf Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes (etwa ; ). Demnach muss es zu einer Hochrechnung jener Bezüge kommen, die für die Dauer der Bildungsteilzeit durch das (steuerfreie) Bildungsteilzeitgeld ersetzt wurden. Eine doppelte Erfassung während des steuerfreien Bezuges weiterlaufender nicht steuerfreier Bezugsteile ist zu vermeiden.

Im konkreten Fall wurden jedoch keine Bezüge durch das (steuerfreie) Bildungsteilzeitgeld ersetzt, da die Bf das ganze Jahr hindurch zu 60% beschäftigt war. Eine Hochrechnung gem. § 3 Abs. 2 EStG 1988 ist demzufolge nicht durchzuführen.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: Berechnungsblatt

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt (siehe oben). Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101932.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at