Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.03.2020, RV/7100875/2012

Kein Vortrag von negativen Einkünften ("Verlusten") aus nichtselbständiger Arbeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde (vormals Berufung) des E**** R****, [Adresse], vertreten durch Käferböck SteuerberatungsgmbH & Co KG, 4360 Grein, Kreuzner Straße 6, vom 12.12.201 ge­gen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom be­tref­fend Einkommensteuer für das Jahr 2010 zu Recht: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Die ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer machte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 einen „Verlustvortrag“ von € 38.614,19 geltend. Er war im Streitjahr 2010 als Pilot tätig und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

In den Jahren 2008 und 2009 hatte der Beschwerdeführer eine Pilotenausbildung absolviert.
Aus dieser Ausbildung waren ihm laut Einkommensteuer­bescheiden für die Jahre 2008 und 2009 Aufwendungen von € 21.792,88 (2008) und € 31.230,19 (2009) entstanden, welche er als Werbungskosten geltend machte, die jedoch in diesen Jahren lediglich zum Teil mit positiven Einkünften ausgeglichen werden konnten, da sie diese überstiegen. Die verbleibenden negativen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für die Jahre 2008 und 2009 von zusammen € 38.614,19 bilden den geltend gemachten „Verlustvortrag“.

Das Finanzamt verweigerte die Berücksichtigung dieser Verluste mit der Begründung, dass laut Aktenlage kein vortragsfähiger Verlust bekannt sei.

In der Berufung (nunmehr Beschwerde) bringt der Beschwerdeführer vor, die Ausbildung zum Piloten habe die geltend gemachten Verluste als „Anlaufverluste“ zur Folge. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus der Tätigkeit als Pilot habe er ab September 2009 erzielt.
Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , G 35/10, zum vergleichbaren Fall des Vorliegens negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ausgesprochen, dass § 28 EStG kein hinreichend angepasstes System der Verlustberücksichtigung enthalte. Daher habe der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des § 18 Abs 6 EStG als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aussagen des Verfassungsgerichtshofs in diesem Erkenntnis seien unmittelbar auf den vorliegenden Fall des Vorliegens negativer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 EStG übertagbar. § 25 EStG enthalte gleich wie § 28 EStG ebenfalls kein angepasstes System der Verlustberücksichtigung. In verfassungskonformer Auslegung hätte die Behörde daher zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der beantragte Verlustvortrag im Jahr 2010 zu gewähren sei.
Es werde angeregt, gegebenenfalls von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten.
Weiters beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungs­vor­entscheidung.
Der Beschwerdeführer stellte einen Vorlageantrag.

Mit Schreiben vom (Telefax) zog der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 18 Abs 6 und 7 EStG in der in den Streitjahren anzuwendenden Fassung lautet:

Als Sonderausgaben sind auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur,
– wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und
– soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.
Die Höhe des Verlustes ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln.

(7) Bei einem Steuerpflichtigen, der den Gewinn nach § 4 Abs 3 ermittelt, können Verluste nach Abs 6 berücksichtigt werden, wenn diese in den vorangegangenen drei Jahren entstanden sind.

Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Verlustvortrages iSd § 18 Abs 6 und 7 EStG ist, dass die Verluste aus einer betrieblichen Einkunftsart iSd § 2 Abs 3 Z 1 bis 3 EStG stammen.
Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zählen nicht zu den betrieblichen, sondern zu den außerbetrieblichen Einkunftsarten. Negative Einkünfte ("Verluste") aus diesen Einkunftsarten sind nicht vortragsfähig (vgl zB Jakom/Peyerl, EStG 2019, § 18 Rz 168).
Die Anwendungsvoraussetzung des § 18 Abs 6 und 7 EStG ist daher im Beschwerdefall nicht erfüllt.

Mit Erkenntnis vom , G 35/10, hat der VfGH die Wortfolge "- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und" in § 18 Abs 6 EStG sowie den letzten Satz dieser Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung trat laut diesem Erkenntnis mit Ablauf des in Kraft.

Der Verfassungsgerichtshof hat für das Außerkrafttreten der Be­stimmung des § 18 Abs 6 EStG somit eine Frist bis gesetzt.
Noch vor Ablauf dieser Frist wurde § 18 Abs 6 EStG mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 beibehal­ten und § 28 Abs 2 EStG angepasst.

Ursprünglich wäre die als verfassungswidrig beurteilte Rechtslage daher auch für in den Jahren 2010 und 2011 verwirklichte Tatbestände anzuwenden gewesen. Dem ist der Gesetzgeber jedoch mit der ab dem Jahr 2010 anzuwendenden Neuregelung begegnet.

Soweit ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz weiterhin anzuwenden ist, ist eine neuerliche Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof ausgeschlossen („Immunisierung“). Der Verfassungsgerichtshof nimmt an, dass Rechtsvorschriften, die von ihm – allen­falls auch unter Fristsetzung – aufgehoben wurden, für die Vergangenheit unangreifbar ge­worden sind (vgl Mayer, B-VG4 (2007) Art 144 B-VG I.3., V.5.).

Das Bundesfinanzgericht sieht aus diesem Grund keinen Anlass  zur Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages iSd Art 140 B-VG (siehe dazu auch nochmals Jakom/Peyerl, EStG 2019, § 18 Rz 168, demzufolge der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde betreffend die Nichtvortragsfähigkeit von negativen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bereits abgelehnt hat).

Für eine Auslegung des § 18 Abs 6 EStG in der vom Beschwerdeführer gewünsch­ten Form besteht kein Raum (vgl ).

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist daher gemäß § 279 BAO abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Streitfall sind lediglich verfassungsrechtliche Fragen strittig. Derartige Fragen fallen jedoch nicht in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, die Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100875.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at