TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.03.2020, RV/7105034/2017

Kinderbetreuungskosten: 8-Stunden-Kurs reicht nicht für eine pädagogische Qualifizierung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Einzelrichter in der Beschwerdesache AB., Adresse1, vertreten durch CD Steuerberatung GmbH, Adresse2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Z. vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
    Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
    Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
     

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

1. Am erging der Einkommensteuerbescheid 2015 in dem die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer (in der Folge kurz: BF) erklärten Aufwendungen für die Kinderbetreuung seiner drei Kinder nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannte. Außerdem wurde Aufwendungen für beruflich bedingte Fahrten die steuerliche Anerkennung verweigert. Das große Pendlerpauschale für Fahrten über 2 km EUR 372,-  wurde allerdings berücksichtigt.
Der Veranlagung vorausgegangen waren eine Einvernahme der Mutter des BF am und zwei vom BF beantwortete Fragenvorhalte zu den erklärten Aufwendungen.

2. Mit Eingabe vom erhob der BF über seinen steuerlichen Vertreter Beschwerde gegen diesen Bescheid und beantragte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
Es wurde beantragt folgende Aufwendungen steuerlich anzuerkennen:
a. Kilometergeld iHv. EUR 889,10 für dienstliche Fahrten,
b. Differenzwerbungskosten für nicht ausgeschöpfte steuerfreie Diäten iHv. EUR 842,60,
c. Pendlerpauschale iHv. EUR 372,- lt. Pendlerrechner,
d. Kinderbetreuungskosten iHv. EUR 6.900,-.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Mutter des BF eine den Lohnsteuerrichtlinien entsprechende Ausbildung absolviert hätte. Für die Kinderbetreuung seien EUR 7.000,- aufgewandt worden. Eine Aufstellung über die Tage der Kinderbetreuung und über die Auszahlungen seien der Beschwerde beigelegt worden. Die in der Begründung des bekämpften Bescheides angeführten Beträge würden teilweise nicht mit den Kontoauszügen übereinstimmen, da neben den angeführten Beträgen weitere Barbehebungen für den Lebensunterhalt der Familie getätigt worden seien.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt.
a. das Kilometergeld wurde in beantragter Höhe anerkannt.
b. Die Differenzwerbungskosten wurden nur iHv. EUR 259,60 anerkannt, da nur nicht ausgeschöpfte Diäten für Wegstrecken von mehr als 25 km von der Arbeitsstätte Werbungskosten darstellen.
c. Das Pendlerpauschale wurde nicht anerkannt, da die Wegstrecke lt. Pendlerrechner unter 2 km betrage.
d. Die außergewöhnlichen Belastungen in Form der Kinderbetreuungskosten wurden nicht anerkannt.
Zu diesem Punkt wurde begründend ausgeführt:
„Bei den Kinderbetreuungskosten nach § 34 Abs 9 EStG können auch an Angehörige geleistete Aufwendungen in Abzug gebracht werden, wenn der Angehörige in einem anderen Haushalt lebt,  pädagogisch qualifiziert ist und er für die Betreuung ein Entgelt erhält. Zwischen dem Beschwerdeführer und dessen Mutter ED wurde vereinbart, dass sie die Betreuung für ihre Enkelkinder F., geboren am tt.mm.2005, G., geboren am tt.mm.2007 und H., geboren am tt.mm.2015 übernimmt. Der Beschwerdeführer gab an, dass pauschal EUR 100,00 (inkl. Kilometergeld) pro Tag vereinbart wurden. Die Betreuungszeiten beliefen sich nach Aussage der Mutter des Beschwerdeführers beinahe täglich von 06:00 bis 18:00 Uhr (circa 12 Stunden). Die Mutter des Beschwerdeführers gab ferner an, dass sie um 06:00 Uhr zum Haus ihres Sohnes fuhr, das Frühstück vorbereitete und danach die Kinder zur Schule brachte. Nach dem Unterricht habe sie die Kinder wieder von der Schule abgeholt und teilweise mit nach Hause nach Y. genommen und mit den Kindern die Hausübung erledigt. Am Abend habe sie die Kinder wieder zu ihren Eltern gebracht.
Währenddessen die Kinder in der Schule waren, habe sie das Haus geputzt und anderweitig im Haushalt mitgeholfen, da ihre Schwiegertochter schwanger gewesen sei und sich in Frühkarenz befunden habe. 
Seitens des Beschwerdeführers wurde kein Vertrag vorgelegt, der die Vereinbarung hinsichtlich der Kinderbetreuung mit seiner Mutter festhält. Es wurde zwar geschildert, dass die Mutter des Beschwerdeführers beinahe täglich für die Betreuung ihrer Enkelkinder tätig wurde, jedoch wurden weder konkrete Betreuungszeiten noch ein Stundenlohn vereinbart. Nicht ersichtlich ist ferner, welche konkreten Leistungen die Mutter des Beschwerdeführers im Rahmen der Kinderbetreuung zu erbringen hat. Zusätzlich mangelt es dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Kontoauszügen am eindeutigen,  klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt: dem Beleg ist lediglich zu entnehmen, dass der  Beschwerdeführer einen Betrag bar behoben hat; eine konkrete Zahlungsleistung sowie die Höhe und  der Zeitpunkt der Zahlung an die Mutter des Beschwerdeführers wird dadurch nicht dokumentiert; auch  geht daraus nicht das tatsächliche Ausmaß der erbrachten Betreuungsleistung hervor, also weder wann  noch wie diese erbracht worden sind. Nicht nachvollzogen werden kann, ob die Bankbehebung tatsächlich für die Kinderbetreuung aufgewendet wurde. Des Weiteren gibt es seitens der Mutter keine Bestätigung über den Empfang der Zahlung. Diese Zahlungsbestätigung müsste über jeden Erhalt der Zahlung vorliegen mit genauen Angaben zu Datum und erhaltene Summe. Eine Bestätigung über die insgesamt erhaltenen Zahlungen im Kalenderjahr ist nicht ausreichend.

In diesem Zusammenhang ist zu ergänzen, dass die Betreuungstätigkeit durch die Mutter des Beschwerdeführers eine selbständige Erwerbstätigkeit darstellt, welche gemäß § 120 Abs 2 BAO zwingend dem Finanzamt anzuzeigen ist. Diese Pflicht zur Anzeige über die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist auch dann vorzunehmen, wenn die Einkünfte zu keiner Einkommensteuervorschreibung führen. Die Unterlassung einer derartigen Anzeige würde eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 Abs 1 lit a FinStrG darstellen. Dem Finanzamt sind jedoch diesbezüglich keinerlei Einkünfte bekannt. 

Laut Aussage der Mutter des Beschwerdeführers, die im Beisein ihres steuerlichen Vertreters zum Sachverhalt befragt wurde, war sie 12 Stunden täglich mit der Betreuung der Kinder betraut, wofür sie täglich EUR 100,00 erhalten habe. Das ergibt umgerechnet einen Stundenlohn von EUR 8,33 (inkl.  Kilometergeld). Nicht berücksichtigt wurde jedoch, dass zwei der zu betreuenden Kinder schulpflichtig sind und vormittags durch die Schule betreut werden und nicht durch die Mutter des Beschwerdeführers. Das bedeutet, dass täglich mindestens fünf Stunden, je nach Schulzeit der Kinder, an effektiver Betreuungszeit nicht anzuerkennen sind. Die angeführten Tätigkeiten im Haushalt durch die Beschwerdeführerin zählen nicht zu der Kinderbetreuung iSd § 34 Abs 9 EStG. Außerdem ist aus der Arbeitszeitkarte des Beschwerdeführers ersichtlich, dass er überwiegend um 07:30 Uhr seine Arbeit aufgenommen hat. Ihm wäre es durchaus zumutbar gewesen – insbesondere auf Grund der örtlichen Nähe zwischen Arbeitsstätte und Schule – die Kinder selbst in die Schule zu bringen, wodurch auch die Betreuung durch die Mutter des Beschwerdeführers – zumindest in den Morgenstunden – nicht zwangsläufig erwachsen ist. 

Ferner wurden vom Beschwerdeführer die Kinderbetreuungskosten für drei Kinder für das gesamte Jahr beansprucht, obwohl das drittgeborene Kind erst im Juni des Jahres 2015 geboren wurde.
Fraglich erscheint ferner die Tatsache - wenn davon ausgegangen wird, dass die Mutter des Beschwerdeführers fünf Mal in der Woche à EUR 100,00 die Kinderbetreuung übernommen hat – dass die Kosten der Kinderbetreuung beinahe das Einkommen des Beschwerdeführers hätte übersteigen müssen.
Da kein Nachweis über die geleisteten Zahlungen betreffend die Kinderbetreuungskosten vorgelegt werden konnte, war die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen.“

4. Mit Eingabe vom stellte der steuerliche Vertreter den Antrag die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und verwies zur Begründung auf die Ausführungen in der Beschwerde vom .

5. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Beantragung der Abweisung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Begründend wurde angegeben, dass keine Zahlungsnachweise erbracht werden konnten. Kontoabhebungen sollen nach Angabe des BF an jenen Tagen erfolgt sein, an denen die Kinderbetreuung geleistet und bezahlt wurde, wobei die Befragung der Mutter des BF eine andere Sachlage ergeben hätte.

6. Am fand die mündliche Verhandlung statt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Aufwendungen für beruflich veranlasste Fahrten:
Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung anerkannt wurde, hat der BF beruflich veranlasste Fahrten mit seinem Pkw durchgeführt. Die Werbungskosten wurden auf Basis des amtlichen Kilometergeldes für sechs Fahrten nach Wien und jeweils eine Fahrt nach Krems bzw. Schwechat berechnet und sind somit iHv. 889,10 Euro abzugsfähig.

2. Differenzwerbungskosten für nicht ausgeschöpfte steuerfreie Beträge:
Auf Basis einer Aufstellung des Arbeitgebers des BF über „nicht ausgeschöpfte steuerfreie Beträge, die möglicherweise Werbungskosten darstellen“, machte der BF den Betrag von 842,60 Euro steuermindernd geltend.
Auf dieser Aufstellung findet sich auch der Hinweis: „Ob Werbungskosten vorliegen, ist nach § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 vom Arbeitnehmer zu beurteilen“.
Die Textierung des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 ist inhaltlich gleichlautend mit der Bestimmung des § 4 Abs 5 EStG. Im Gegensatz dazu ist der Dienstreisebegriff des § 26 Z 4 EStG iVm § 3 Abs 1 Z 16b EStG hiervon abweichend. Aus dem Gesetzestext ist allerdings nicht ersichtlich, unter welchen Voraussetzungen eine Reise vorliegt. Nach der Judikatur ist dies dann der Fall, (1) wenn sich der Steuerpflichtige zwecks Verrichtung beruflicher Obliegenheiten vom Mittelpunkt seiner Tätigkeit entfernt, ohne dass dadurch (2) der bisherige Mittelpunkt aufge­geben wird (), wobei weiters (3) eine Reise idR erst bei einer Entfernung von 20 bis 25 km vom Mittelpunkt der Tätigkeit anzunehmen ist () und (4) ein zeitliches Ausmaß von drei Stunden überschritten sein muss (s § 26 Z 4 lit b und d EStG). Außerdem begründen Personen, die ein ihnen konkret zugewiesenes Gebiet regelmäßig bereisen, in diesem Einsatzgebiet einen Mittelpunkt der Tätigkeit (vgl. VwGH 96/13/0132).
Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung anerkannt wurde, stehen dem BF aus diesem Grund nur Werbungskosten iHv. 259,60 Euro anstatt der erklärten 842,60 Euro zu. Dem wurde in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten.
 

3. Pendlerpauschale:
Lt. Routenplaner und Abfrage im Pendlerrechner beträgt die Fahrtstrecke von der Wohnung zur Arbeitsstätte unter 2 km.
Der BF gab in der mündlichen Verhandlung an, dass die tatsächliche Fahrtstrecke 2,1 km betrage. Die vom Pendlerrechner vorgeschlagene Wegstrecke führe über eine Straße, die im Winter teilweise schwer befahrbar sei. Es werde zwar ein Winterdienst durchgeführt, aber die Straße sei bei Glatteis zu steil. Das ursprüngliche Vorbringen des BF es werde kein Winterdienst durchgeführt, bezog sich auf eine andere Wegstrecke, als die vom Pendlerrechner vorgeschlagene.

Unter "Fahrtstrecke" ist jene zu verstehen, deren Benutzung mit dem Kfz für die täglichen Fahrten eines Pendlers sinnvoll ist. Die Streckenvariante, die aus bloß persönlicher Vorliebe gewählt wird, hat dabei außer Bedacht zu bleiben (vgl. ).

Die Argumentation des BF bezüglich der Gefährlichkeit der kürzesten Route an manchen Wintertagen ist durch rein persönliche Verhältnisse veranlasst.
Die vom Routenplaner vorgeschlagene Route führt durch eine Wohngegend im Stadtgebiet von Oberwart. Es ist anzunehmen, dass diese Straßen von den dortigen Bewohnern auch in den Wintermonaten überwiegend befahren werden können.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6  EStG sind Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Bei einer Entfernung von mindestens 2 km steht zusätzlich ein Pendlerpauschale zu, sofern die Benützung eines Massenverkehrsmittels zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar ist.
Da die Fahrtstrecke unter 2 km beträgt, steht kein Pendlerpauschale zu.

4. Kinderbetreuungskosten:

4.1. Festgestellter Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis der Aktenlage nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen fest:

  • Der BF ist Vater von drei Kindern, für welche er in seiner Arbeitnehmerveranlagung 2015 Kinderbetreuungskosten gem. § 34 Abs 9 EStG 1988 iHv 6.900,00 € geltend machte.

  • Die Kinderbetreuung erfolgte durch die Mutter des BF.

  • Die Mutter des BF und Großmutter der Kinder legte anlässlich der Vorladung am eine Bestätigung über die Absolvierung eines 8-Stunden Kinderbetreuungskurses vor. Auch bei der mündlichen Verhandlung wurde diese Bestätigung vorgelegt. Weitere pädagogische Ausbildungen wurden nicht absolviert.

  • Der BF und seine Kinder leben in einem Ort, welcher von jenem Ort, in dem die Mutter des BF ihren Haushalt führt, rund 34 Kilometer entfernt liegt.

  • Es liegt kein schriftlicher Vertrag für das Jahr 2015 vor.

  • Steuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich legte die Mutter des BF die Tätigkeit nicht offen, da das Entgelt unter den Beträgen liegt, ab denen Erklärungspflicht besteht.

  • Konkrete Betreuungszeiten wurden nicht im mündlich geschlossenen Vertrag vereinbart, sondern die Betreuung wurde flexibel in Abhängigkeit vom Gesundheitszustand der Ehefrau des BF gestaltet.

  • Die Tätigkeit der Mutter betraf die Versorgung der Kinder mit Essen und Hilfestellung bei den Schulaufgaben. Am Vormittag putzte sie und half ab Juni 2015 bei der Betreuung des Säuglings.

  • Quittungen für den Erhalt der Zahlungen gibt es keine, aber die Betreuungszeiten und der Erhalt der Zahlungen wurden von der Mutter des BF in einem Buch zeitnah aufgezeichnet.

4.2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des BF und seines Vertreters in der mündlichen Verhandlung und auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen.

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht, wobei es genügt, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (Ritz, BAO6, § 167 Tz 8, mit Hinweisen auf die einschlägige Rechtsprechung).

Gemäß § 138 Abs 1 BAO haben die Abgabepflichtigen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anträge zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, genügt die Glaubhaftmachung.

Die Glaubhaftmachung hat den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand und unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung. Ein Sachverhalt ist glaubhaft gemacht, wenn die Umstände des Einzelfalles dafür sprechen, der vermutete Sachverhalt habe von allen anderen denkbaren Möglichkeiten die größte Wahrscheinlichkeit für sich (Ritz, BAO6, § 138 Tz 5 sowie die dort angeführte Judikatur).

Bei ungewöhnlichen Verhältnissen, die nur der Abgabepflichtige aufklären kann, oder bei Behauptungen, die mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stehen, besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (Ritz, BAO6, § 115 Tz 13).

Bei der mündlichen Verhandlung behauptete der BF, dass dem Finanzamt ein schriftlicher Vertrag für das betreffende Jahr vorgelegt worden sei.
Dies wurde vom Amtsbeauftragten bestritten. Da dem Gericht kein Vertrag vorliegt und der BF auch in der mündlichen Verhandlung keinen Vertrag vorlegen konnte, sondern nur eine Bestätigung aus dem Jahr 2016 über den Erhalt von Zahlungen im Jahr 2015, wurde vom erkennenden Richter als erwiesen festgestellt, dass kein schriftlicher Vertrag für das Jahr 2015 existiert.

Die Tage der Betreuung und der Erhalt der Zahlungen wurde in einem Buch festgehalten. Diese Aufzeichnungen wurden dem Gericht in Kopie vorgelegt.

4.3. Rechtslage

Durch die Schaffung des neuen Tatbestandes des § 34 Abs 9 wurden ab dem Jahr 2009 Kinderbetreuungskosten für Kinder bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt (Ergänzung im § 34 Abs 6) abziehbar. Die Aufwendungen „gelten“ bis höchstens 2.300 Euro pro Kind und Kalenderjahr unter den Voraussetzungen nach § 34 Abs 9 Z 1 bis 4 als außergewöhnliche Belastung, sodass insoweit das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 34 Abs 2 (Außergewöhnlichkeit) und § 34 Abs 3 (Zwangsläufigkeit) nicht mehr zu prüfen ist (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 20. Lfg 2018, zu § 34, Rz 72/1)
Als außergewöhnliche Belastung iS des § 34 Abs 9 EStG können nur die Kosten für die ausschließliche Kinderbetreuung berücksichtigt werden.

Nach § 34 Abs. 9 Z. 3 EStG 1988 hat die Betreuung in einer öffentlichen institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung oder durch eine pädagogisch qualifizierte Person, ausgenommen haushaltszugehörige Angehörige zu erfolgen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist der Begriff der pädagogisch qualifizierten Person in § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 dahingehend auszulegen, dass zumindest jene Ausbildung gegeben sein muss, welche bei Tagesmüttern oder -vätern verlangt wird (vgl. Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 20. Auflage, § 34 Rz 75/2).

Bei Kinderbetreuungskosten iSd § 34 Abs 9 EStG 1988 sind auch an Angehörige geleistete Aufwendungen abzugsfähig, wenn dieser in einem anderen Haushalt lebt, pädagogisch qualifiziert ist und er hierfür ein Entgelt erhält. Entschließt sich der von der Familie unterstützte Steuer­pflichtige, seinen Angehörigen als Ausgleich für gelebte familiäre Solidarität etwas zukommen zu lassen, entspringt dies idR nicht einer rechtlichen Verpflichtung, sondern Beweggründen wie Dankbarkeit und Anstand. Es bedarf daher besonderer Umstände, damit von entgeltlicher Kinderbetreuung im Familienkreis ausgegangen werden darf. Die diesbezüglich geschlossene Vereinbarung muss daher den Grundsätzen für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen einander Nahestehenden entsprechen. Hierzu gehört insbesondere, dass der Vertrag in dieser Form auch zwischen Fremden abgeschlossen worden wäre.

Die BFG-Erkenntnisse seit 2015 ( ​ RV/3100698/2012) zeigen deutlich auf, dass die „Angehörigenjudikatur“ nicht nur iZm der Erzielung von Einkünften iSd § 2 EStG 1988 von Relevanz ist, sondern auch bei außergewöhnlichen Belastungen Anwendung findet und demzufolge „fremdunübliche“ Vereinbarungen einer entsprechenden Anerkennung entgegenstehen können (vgl auch , wo freiwilligen Zahlungen an nahe Angehörige für Pflege­dienste die Zwangsläufigkeit versagt wurde (vgl; Renner, BFGjournal 2015, 177 f; Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 20. Auflage, § 34 Rz 75/4).

4.4. Erwägungen

4.4.1. Pädagogisch qualifizierte Person:
Das Erfordernis der pädagogischen Qualifikation der betreuenden Person in § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 ist im Gesetz nicht definiert.
Das BMF vertrat in den LStR 2002 unter Tz 884i einen eher großzügigen Standpunkt, wonach ua. 8 - bzw. 16-Stunden-Kurse genügten.

Aus Anlass einer Kinderbetreuung durch eine ausländische Au-pair-Kraft stellte der Verwaltungsgerichtshof () zur erforderlichen pädagogischen Qualifikation klar, dass im Interesse des Kindeswohls nur bestimmte qualifizierte Arten der Betreuung gefördert würden (dazu und im Folgenden Fuchs in Doralt § 34 Tz 75/2). In Hinblick auf diesen Zweck sei der Begriff der pädagogisch qualifizierten Person in § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 dahingehend auszulegen, dass zumindest jene Ausbildung gegeben sein müsse, welche bei Tagesmüttern oder -vätern verlangt werde (vgl. idS auch die Erwähnung der ausgebildeten Tagesmütter in der RV zum Steuerreformgesetz 2009, 54 Blg NR 24. GP 17; Leodolter, Praktikum als Nachweis für den Erwerb einer „pädagogischen Qualifikation“ iSd § 34 Abs. 9 EStG nicht ausreichend, BFGjournal 2016, S 22 ff).

So hat etwa nach der NÖ Tagesmütter/-väter-Verordnung, LGBl. 5065, die erforderliche Grundausbildung für befugte Tageseltern aus mindestens 160 Unterrichtseinheiten á 50 Minuten zu bestehen, die sich in mindestens 96 Unterrichtseinheiten Theorie und mindestens 64 Unterrichtseinheiten Praxis aufteilen (§ 5 Abs. 2 der VO; Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 16. EL, § 34 Anm. 77r)

Bei dem im streitgegenständlichen Fall durch die Mutter des BF absolvierten Kurs „Family Support Piccolo“ beim Wifi im Ausmaß von 8 Stunden handelt es sich schon von dessen zeitlichem Umfang her nicht um eine der Ausbildung von Tagesmüttern oder -vätern vergleichbare Qualifikation.

Da somit die Voraussetzung des § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 nicht erfüllt ist, ist die Beschwerde in diesem Punkt bereits aus diesem Grund abzuweisen, sodass auf die vom Finanzamt aufgeworfene Problematik der steuerlichen Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen nicht mehr eingegangen werden müsste.

4.4.2. Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen:

Im konkreten Fall ist zu klären, ob die zwischen dem BF und seiner Mutter abgeschlossene Vereinbarung den steuerlichen Grundsätzen für Vereinbarungen zwischen Angehörigen (§ 25 Bundesabgabenordnung) entspricht.

Helfen Familienmitglieder bei anderen Familienangehörigen aus, tun sie dies häufig in ihrer Freizeit und nicht aus rechtlicher Verpflichtung, sondern aus familiärer Solidarität. Entschließt sich der von der Familie unterstützte Steuerpflichtige, seinen Angehörigen als Ausgleich für gelebte familiäre Solidarität etwas zukommen zu lassen, entspringt eine solche Unterstützung zumeist nicht einer rechtlichen Verpflichtung, sondern Beweggründen wie Dankbarkeit und Anstand ().
Sollte ausnahmsweise ein entgeltliches Rechtsverhältnis einer Kinderbetreuung durch nahe Angehörige vorliegen, müsste dieses in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise so gestaltet sein wie auch ein fremder Dritter entgeltlich tätig geworden wäre.

Da bei Vereinbarungen zwischen Angehörigen regelmäßig der zwischen Fremden übliche Interessengegensatz fehlt oder weitaus schwächer ausgeprägt ist, kann es sachgerecht sein, durch rechtliche Gestaltungen steuerliche Folgen abweichend von den wirtschaftlichen Gegebenheiten herbeizuführen. Verträge zwischen nahen Angehörigen werden daher für den Bereich des Steuerrechts nur dann anerkannt, wenn sie
a) nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen (Publizität)
b) eine eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben, und
c) zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären (Fremdvergleich).
Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Die Kriterien entsprechen der ständigen Rechtsprechung (vgl. Toifl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 20. Auflage, § 2 Rz 160 mwN.).

Es liegt kein schriftlicher Vertrag vor, somit ist dem Kriterium der Publizität nicht entsprochen.
Ebensowenig konnte nachgewiesen werden, dass der mündlich geschlossene Vertrag einen eindeutigen Inhalt habe und einem Fremdvergleich standhalte. Bei den Tätigkeiten der Mutter des BF handelt es sich um solche, die typischerweise von Großeltern im Rahmen des familienhaften Beistands ausgeübt werden.

Im Ergebnis ist die Vereinbarung zwischen dem BF und seiner Mutter aus steuerrechtlicher Sicht nicht anzuerkennen, da die Grundsätze über Verträge mit nahen Angehörigen nicht eingehalten wurden.


Aufgrund der Nichterfüllung des Erfordernisses in § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 (pädagogisch qualifizierte Person) und Nichteinhaltung der Grundsätze der Angehörigenjudikatur war spruchgemäß zu entscheiden und waren die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen nicht anzuerkennen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgte bei den zu lösenden Rechtsfragen der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur zum Begriff „pädagogisch qualifizierte Person“ () und zur steuerlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen (vgl. ; ). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at