Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.02.2020, RV/7104469/2017

Nachträglich ermittelte Überstundenabgeltungen sind keine Nachzahlungen i.S. des § 67 Abs. 8 lit.c EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache Bf., W, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2014 und 2015 zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) war in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2014 und 2015 Arbeitnehmer der U

Der belangten Behörde wurden vom Arbeitgeber für die Jahre 2014 und 2015 Lohnzettel übermittelt, die der Besteuerung zu Grunde gelegt wurden.

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Einkommensteuer 2014 veranlagt. Der Besteuerung wurden steuerpflichtige Bezüge lt. Lohnzettel i.H. von € 41.469,03 zu Grunde gelegt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , in der der Bf. vorbrachte, dass die Nachzahlung der Überstunden für 2013 am vom Arbeitgeber zu Unrecht nicht gem. § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 begünstigt besteuert worden sei. Bei der Nachzahlung handle es sich um die nachträgliche Zahlung auf Grund der im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Regelungen über die Normalarbeitszeit, sodass zwingende wirtschaftliche Gründe für die nachträgliche Auszahlung vorgelegen seien.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und zur Begründung u.a. darauf verwiesen, dass die Nachzahlung der Überstunden auf Grund des Antrages des Bf. vom erfolgt sei.

Bleibe es dem Arbeitnehmer überlassen, sich zu entscheiden, ob und wann er einen Antrag auf Deckungsprüfung seines All-In-Gehaltes stelle, sei das ein Weg, zu dem der Arbeitgeber durch keine objektiven Umstände gezwungen gewesen sei.

Es bliebe dem Arbeitgeber unbenommen, mit Ablauf des Kalenderjahres die Deckungsprüfung umgehend vorzunehmen und die Auszahlung der durch das All-In-Gehalt nicht abgedeckten geleisteten Überstunden bis vorzunehmen.

Dies Würdigung entspreche auch der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in folgenden Erkenntnissen:

- Willkür setzt jedenfalls ein bewusstes Wollen oder Nichtwollen voraus (, 30/13/0121).

- Es müssen zwingende wirtschaftliche Gründe, die rechtzeitige Auszahlung verhindert haben, d.h. Gründe, die außerhalb des Willensbereich des Vertragspartner liegende zwingende Umstände objektiver Art darstellen ,663/664). Nichtzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre sind dann nicht willkürlich, wenn sie nicht im Belieben des Arbeitgebers standen (, 12/75).

- Nachzahlungen aufgrund von Liquiditätsengpässen des Arbeitgebers gelten nicht als aufgrund einer willkürlichen Verschiebung erfolgt (, Zl B 83).

§ 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988, der eine nicht willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes voraussetze, sei daher nicht anwendbar.

Im Vorlageantrag vom verwies der Bf. darauf, dass es dem Arbeitgeber nicht möglich gewesen sei, nach Ablauf des Kalenderjahres die Deckungsprüfung umgehend vorzunehmen, da es diesem nicht möglich gewesen sei, die durch das All-In-Gehalt nicht abgedeckten geleisteten Überstunden rechtzeitig zu evaluieren.

Laut Dienstvertrag zählten zu dem Überstundenentgelt nicht nur die Überzahlung über dem kollektivvertraglichen Mindestbezug (Personalzulage 1 und 2), sondern auch möglicherweise zur Auszahlung kommende Bonuszahlungen. Für die Deckungsprüfung seien daher ebenso die Bonuszahlungen des Jahres 2013 des Arbeitgebers mit ein zu beziehen. Die Bonuszahlung sei im Jahr 2014 im Monat Mai und somit nach dem erfolgt.

Die Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2015 erfolgte mit Bescheid vom .

Auch in diesem Fall wurden, wie sich aus der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde vom ergibt, im Jahr 2015 ausbezahlte Nachzahlungen von Mehrleistungen im Jahr 2014 als in vollem Umfang steuerpflichtige Bezüge der Besteuerung unterworfen.

Weiters bringt der Bf. vor, dass es sich um die nachträgliche Zahlung auf Grund der im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Regelungen (BGBl Nr

461/1969 idgF bzw. Arbeitszeitruhegesetz BGBl Nr 144/1983 idgF) über die Normalarbeitszeit handle, und somit zwingende wirtschaftliche Gründe für die nachträgliche Auszahlung vorlägen.

Auch eine willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes durch den Arbeitgeber lag auch deshalb nicht vor, weil die Höhe der Nachzahlung von einer möglicherweise zur Auszahlung gelangenden Bonuszahlung abhängig sei. Für diese wiederum sei die Feststellung des Betriebsergebnisses erforderlich. Erst dann könne eine Deckungsprüfung durchgeführt werden. Es seien daher zwingende wirtschaftliche Gründe vorgelegen, die außerhalb des Willensbereiches des Vertragspartners gelegen seien, eine Nachzahlung erst zum vorzunehmen. Die Nachzahlung sei zu Unrecht nicht gem. § 67 Abs. 8 lit.c besteuert worden.

Auch diese Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung (vom ) als unbegründet abgewiesen, wobei sich die Begründung mit jener der abweisenden Beschwerdevorentscheidung für das Jahr 2014 deckt.

Im Vorlageantrag vom verwiese der Bf. erneut darauf, dass es dem Arbeitgeber nicht möglich gewesen sei, nach Ablauf des Kalenderjahres die

Deckungsprüfung umgehend vorzunehmen, da es diesem nicht möglich gewesen sei, die durch das All-In- Gehalt nicht abgedeckten geleisteten Überstunden rechtzeitig zu evaluieren. Dies aufgrund des Hintergrundes dass laut Dienstvertrag zu dem Überstundenentgelt nicht nur die Überzahlung über dem kollektivvertraglichen

Mindestbezug (Personalzulage 1 und 2) gilt, sondern auch möglicherweise zur Auszahlung kommende Bonuszahlungen. Für die Deckungsprüfung waren daher ebenso die Bonuszahlungen für das Jahr 2014 mit ein zu beziehen, welche erst im Jahr 2015 durch den Arbeitgeber zur Auszahlung gelangten.

Der Arbeitgeber des Bf. gab über Vorhalt des Bundesfinanzgerichts folgende Stellungnahme ab:

"Der Bf. hat vertraglich vereinbart, dass durch die gegenüber dem kollektivvertraglichen Mindestbezug erfolgende Überzahlung auf Grund einer Personalzulage 1 und 2 und einer allenfalls zur Auszahlung gelangenden Bonuszahlung sämtliche Mehrleistungen und Überstundenleistungen abgedeckt seien. Die Überprüfung, ob der Bf. in einem Kalenderjahr Mehrleistungen/Überstunden einem dieses Gehalt übersteigenden Ausmaß geleistet hat, kann erst nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres erfolgen. Ein diesbezüglicher Antrag auf Auszahlung der die All-in-Vereinbarung übersteigenden Mehrarbeit muss bis 31.3. des Folgejahres gestellt werden.

Bei einer allfälligen Bonuszahlung handelt es sich um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch. Die Auszahlung des Bonus hängt davon ab, dass seitens des Managements ein Bonusbudget bewilligt wird. In weiterer Folge wird von den Führungskräften entschieden, wer einen Bonus erhält und in welcher Höhe.

Der Bonusprozess wird meist im ersten Halbjahr gestartet, eine dafür fixierten Zeitpunkt gibt es nicht. Üblicherweise erfolgt die Auszahlung nicht vor Mai.

Sobald feststeht, ob der Arbeitnehmer, hier der Bf., einen Bonus erhält, kann die Prüfung vorgenommen werden, ob Mehrarbeit vorliegt, die die, die Mehrarbeit abdeckenden Bezugsbestandteile, übersteigt.

Diese dabei allenfalls anfallende Differenz wird in Form einer Einmalzahlung mit dem der Berechnung nächst folgenden Gehaltslauf zur Auszahlung gebracht."

In einem Schreiben vom verwies der Bf. auf:

Rechtssatz des OGH, RS0051519, Erkenntnisse VwGH 2004/1/22, 98/14/0009, vom , 90/13/0121 und legte die Mitteilung bezügl. der Bonuszahlung für das Jahr 2015 und die "Offenlegung zu Artikel 450 CRR ("Vergütungs-und Bonussystem sowie Vergütungspraktiken") vor.€ 1.224,60

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bf. bezieht ein sog. All-in-Gehalt. Das bedeutet, dass durch die gegenüber dem kollektivvertraglichen Mindestbezug erfolgende Überzahlung auf Grund einer Personalzulage 1 und 2 und einer allenfalls zur Auszahlung gelangenden Bonuszahlung sämtliche Mehrleistungen und Überstundenleistungen abgedeckt sind.

Für die Frage, ob einem Arbeitnehmer ein Bonus zusteht muss das Management des Unternehmens zunächst ein Bonusbudget genehmigen und danach wird bestimmt, welchem Arbeitnehmer, in welcher Höhe ein Bonus zugeteilt wird.

Dem Bf. ist sowohl im Jahr 2014 als auch im Jahr 2015 ein Bonus, jeweils für die Vorjahre, zugeteilt worden.

Die Überprüfung, ob der Bf. in einem Kalenderjahr Mehrleistungen/Überstunden in einem dieses All-In Gehalt übersteigenden Ausmaß geleistet hat, kann erst nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres erfolgen.

Ein diesbezüglicher Antrag auf Auszahlung der die All-in-Vereinbarung übersteigenden Mehrarbeit muss bis 31.3. des Folgejahres gestellt werden.

Zwischen den Parteien des Verfahrens ist strittig ist, ob es sich bei diesen Zahlungen, um Nachzahlungen handelt, deren Auszahlung willkürlich oder nicht willkürlich, weil wirtschaftlich notwendig, verschoben wurde und diese somit in weiterer Folge als laufender Bezug gem. § 67 Abs. 10 EStG 1988 zu versteuern ist oder gem. § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 begünstigt zu besteuern ist.

Rechtlich ist dazu folgendes auszuführen:

Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre, die nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen, sind, soweit sie nicht nach Abs. 3 oder 6 mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Soweit die Nachzahlungen laufenden Arbeitslohn für das laufende Kalenderjahr betreffen, ist die Lohnsteuer durch Aufrollen der in Betracht kommenden Lohnzahlungszeiträume zu berechnen (§ 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988).

Nach § 67 Abs. 10 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die nicht unter Abs. 1 bis 8 fallen, wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. Diese Bezüge erhöhen nicht das Jahressechstel gemäß Abs. 2.

Von den Parteien wurde bisher die Frage außer Acht gelassen, ob es sich bei den Überstundenabgeltungen, die der Bf. in den Jahren 2014 und 2015 bezogen hat, um Nachzahlungen im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 handelt.

Handelt es sich um Nachzahlungen, dann kann in weiterer Folge geprüft werden, ob deren Auszahlung willkürlich verschoben wurde oder nicht.

Lohnnachzahlungen nach § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 stellen Zahlungen von Normalarbeitslohn dar, deren Besonderheit darin besteht, dass sie nicht zeitgerecht als laufender Arbeitslohn zur Auszahlung gelangen, weil besondere Umstände einer zeitgerechten Auszahlung entgegenstehen. Es handelt sich um die Zahlung von Arbeitslohn, der bei einem normalen Lauf der Dinge bereits in früheren Lohnzahlungszeiträumen ausbezahlt hätte werden sollen, wobei die rechtzeitige Auszahlung aber aus Gründen, die nicht im Belieben des Arbeitgebers gestanden sind, unterblieben ist (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 67 Tz 74 f und ).

Aus dem Vorbringen des Bf., dessen Arbeitgeber und den vorgelegten Unterlagen ergibt sich aber, dass die Abgeltung der Überstunden in den Folgejahren gerade nicht "Normalarbeitslohn" darstellt. Der "Normalarbeitslohn"des Bf. ist das All-in Gehalt, mit dem grundsätzlich alle Überstunden abgegolten sind.

Sollen darüber hinaus Überstunden abgegolten werden, so muss einerseits bis zum 31.3.des Folgejahres ein entsprechender Antrag gestellt werden und andererseits der innerbetriebliche Bonusprozess, der im ersten Halbjahr des Folgejahres läuft, abgewartet werden. Erst mit der Entscheidung des Managements, ob bzw. in welcher Höhe dem einzelnen Arbeitnehmer ein Bonus gewährt wird, wird in einer Differenzrechnung der jeweilige Auszahlungsbetrag ermittelt.

Der Auszahlungsbetrag kann erst nach dem Lohnzahlungszeitraum ermittelt werden, da als Berechnungsbasis das All-in Gehalt inklusive eines allfälligen Bonus herangezogen wird.

Er stellt daher keine Nachzahlung dar. Damit erübrigen sich auch weitere Überlegungen dahingehend, ob der Auszahlungszeitpunkt der "Nachzahlung" willkürlich verschoben wurde oder nicht.

Die Auszahlungsbeträge der Jahre 2014 und 2015 sind daher als laufende Bezüge im Sinne des § 67 Abs. 10 EStG 1988 zu versteuern.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Überstundenabgeltung in der hier beschriebenen Art und Weise handelt es sich nicht um eine Nachzahlung im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 , sondern um einen laufenden Bezug im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgserichtshofes (vgl. ), sodass die Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Überstundenabgeltung
Nachzahlung
Verweise
Zitiert/besprochen in
Schuster in SWK 29/2020, 1384
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104469.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at