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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.02.2020, RV/7100872/2018

Erhöhte Familienbeihilfe und 50%ige Behinderung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100872/2018-RS1
Bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, ist der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung, und würde er auch 100% betragen. Besteht also keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, steht sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu. Ausschlaggebend hierfür ist somit ausschließlich, ob die in § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 normierten Voraussetzungen erfüllt sind. Allerdings ist bis zum 25. Lebensjahr auch § 2 Abs. 1 lit h FLAG 1967 zu beachten, wonach volljährigen Kindern, die erheblich behindert sind und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, Familienbeihilfe zusteht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache D.B., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , betreffend Gewährung Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für das Kind D., ab Februar 2016 und  Gewährung der Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe ab November 2017 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben:
Die Beschwerde betreffend Gewährung Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für D., für die Monate Februar und März 2016 wird abgewiesen.
Der Beschwerde betreffend Gewährung Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für D. ab April 2016 wird stattgegeben.
Die Beschwerde betreffend Gewährung Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für D. ab November 2017 wird abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Zunächst ist festzuhalten:

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes (BFG) vom wurde der streitgegenständliche Fall, der ursprünglich der Gerichtsabteilung 7005 des BFG zugeteilt war, nunmehr der Gerichtsabteilung 7019 des BFG zugeteilt. Damit bestand für die nun zuständige Gerichtsabteilung 7019 des BFG erst ab (Inkrafttretung der Umverteilung) die Möglichkeit, das streitgegenständliche Verfahren abzuführen.

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Am stellte die Beschwerdeführerin (Bf) einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe (FB) wegen Krankheit für ihre Tochter D., ab November 2017.
Gleichzeitig stellte sie den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur FB wegen erheblicher Behinderung rückwirkend ab 02/2016. Die Tochter der Bf litt an einer Gesichtsnervenentzündung.

In Beantwortung des Ergänzungsersuchens der Finanzbehörde vom betreffend die Anträge vom gab die Bf bekannt, dass ihre Tochter seit Februar 2016 aus Krankheitsgründen seit Februar 2016 erwerblos wäre und legte gleichzeitig Scheidungsunterlagen sowie Jahreszeugnisse der Tochter vor, wonach diese für das Schuljahr 2015/2016 unbeurteilt blieb.

Mit Bescheid vom wurden die beiden Anträge der Bf vom als teilweise stattgegeben. Begründend führte die Behörde aus, dass laut Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (SMS) vom bei der Tochter eine 50%ige Behinderung erst ab festgestellt werden konnte. Damit erfolgte eine Zuerkennung der erhöhten FB  ab April 2016.  Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit der Tochter wurde in diesem Gutachten nicht festgestellt, sodass der Antrag der Bf auf Zuerkennung der FB (erhöhte FB) ab November 2017 ab 11/2017 abgewiesen wurde.

Die Bf erhob daraufhin das Rechtsmittel der Beschwerde und führte dazu aus, dass offensichtlich deshalb keine Erwerbsunfähigkeit im Gutachten des SMS festgestellt wurde, weil die zuständige Ärztin und Gutachterin diesbezüglich nicht gefragt worden wäre. Sie hätte jedenfalls nichts zur Erwerbsunfähigkeit ausgeführt.
Gleichzeitig stellte die Bf den Antrag, man möge die Gutachterin dahingehend befragen, ob ihre Tochter aufgrund ihrer Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

In der Folge holte das Finanzamt ein weiteres Gutachten beim SMS ein. Laut dem fachärztlichen Sachverständigengutachten vom litt die Tochter der Bf an keiner Krankheit/Behinderung, die eine voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit bedingen würde. Der Grad der Behinderung wurde - wie im ersten Gutachten des SMS vom - mit 50% festgestellt. Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung wurde im Gutachten auf Grund der vorgelegten Unterlagen und Befunde mit April 2016 festgelegt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde daraufhin als unbegründet abgewiesen. Es bestände kein Anspruch auf Weitergewährung der FB und des Erhöhungsbetrages zur FB wegen erheblicher Behinderung ab November 2017.

In der Folge stellte die Bf den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorzulegen.

II. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes bzw. der Bf sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

III. Rechtsausführungen

§ 2 Abs. 1 lit.a, b und c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF (FLAG) lauten:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,  
a) für minderjährige Kinder
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

§ 8 Abs. 1 und 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF lauten:
Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.
Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

§ 8 Abs. 5  Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF lautet:
Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

§ 8 Abs. 6  Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF lautet:
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

§ 10 Abs. 2  Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF lautet:
Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

IV. Erwägungen

Zum Antrag der Bf auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab Februar 2016:
Für die im Jahr 2016 noch minderjährige Tochter der Bf steht der Grundbetrag an FB jedenfalls zu. Für den Erhöhungsbetrag zur FB muss der Grad der Behinderung mindestens 50% betragen oder das Kind voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachten nachzuweisen.
Zur Feststellung des Grades der Behinderung der Tochter wurde ein Gutachten beim SMS eingeholt. Das dem Gericht vorliegende Gutachten des SMS vom bescheinigte der Tochter der Bf eine 50%ige und damit erhebliche Behinderung, aber erst ab April 2016.
Die Finanzbehörde hat daher zu Recht dem Antrag der Bf erst mit April 2016 stattgegeben und somit den Erhöhungsbetrag zum Grundbetrag der FB wegen erheblicher Behinderung mit April 2016 gewährt. Der Antrag der Bf auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur FB für die Monate Februar und März 2016 wurde  durch das Finanzamt zur Recht als unbegründet abgewiesen.

Zum Antrag der Bf auf Weitergewährung der FB und der erhöhten Familienbeihilfe ab November 2017:
Für Minderjährige liegt allgemein ein Anspruch auf FB vor.
Für den Anspruch auf FB für Volljährige müssen hingegen gewisse Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein.
Nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG steht für volljährige Kinder FB zu, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet wird, wenn ihm durch den Schulbesuch die Ausübung seines Berufes nicht möglich ist.
§ 2 Abs. 1 lit c FLAG regelt, unter welchen Voraussetzungen bei Behinderungen volljähriger Kinder der Grundbetrag an FB gewährt werden kann.
Dieser steht für volljährige Kinder zu, die wegen einer vor Vollendung des 21.Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Erhöhungsbetrag selbst steht nur dann zu, wenn auch ein Anspruch auf den Grundbetrag gegeben ist.
Dies bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an FB zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100% betragen. Besteht also keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, steht sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu. Ausschlaggebend hierfür ist somit ausschließlich, ob die in § 2 Abs.1 lit c normierten Voraussetzungen erfüllt sind.
Allerding ist bis zum 25. Lebensjahr auch § 2 Abs.1 lit h zu beachten, wonach volljährigen Kindern, die erheblich behindert sind und das 25.Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, FB zusteht.
Für den vorliegenden Fall bedeuten diese Ausführungen:
Beide, dem Gericht vorliegenden Gutachten des SMS vom bzw. vom bescheinigen der Tochter der Bf zwar eine 50%ige Behinderung ab April 2016, aber kein Leiden, das eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bedingt.
Die Tochter der Bf befindet sich seit ihrer Volljährigkeit auch nicht in einer Berufsausbildung. Damit sind die Voraussetzungen des § 2 Abs.1 lit c FLAG nicht erfüllt. Die Bf hat für ihre Tochter ab November 2017 keinen Anspruch mehr auf FB (und damit auch nicht auf die erhöhte FB).

Insgesamt bedeutet dies, dass das Finanzamt den Antrag der Bf auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur FB für die Monate Februar und März 2016 zu Recht abgewiesen und zu Recht den Erhöhungsbetrag zur FB mit April 2016 gewährt hat.
Den weiteren Antrag der Bf auf Weitergewährung der FB bzw. erhöhten FB nach Volljährigkeit der Tochter, hat das Finanzamt zu Recht abgewiesen, weil sich die Tochter der Bf danach weder in einer Berufsausbildung befand noch die fachärztlichen Gutachten des  SMS eine dauernde Erwerbsunfähigkeit attestierten.
Der Bescheid des Finanzamtes vom besteht daher zu Recht.

V. Zulässigkeit der Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da die Rechtsfolge sich aus dem Gesetz ergibt und die zu beurteilenden Tatfragen einer Revision nicht zugänglich sind.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
erhöhte FB
keine Berufsausbildung
Volljährigkeit
keine dauernde Erwerbsunfähigkeit
Sachverständigengutachten
Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100872.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at