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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2020, RV/7104466/2016

Keine schuldhafte Pflichtverletzung, wenn Abgabenschuldigkeiten infolge völliger Mittellosigkeit der Gesellschaft nicht entrichtet werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., Adresse1, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Arthur Mikesi, Landstraßer Hauptstraße 7, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid gemäß §§ 9 und 80 BAO der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der Firma X- GmbH für deren nachstehend angeführten aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 7.818,40 gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen.


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
Körperschaftsteuer
2008
2.929,36
Körperschaftsteuer
1-12/2009
439,00
Säumniszuschlag1
2009
74,04
Körperschaftsteuer
01-03/2010
437,00
Körperschaftsteuer
04-06/2010
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2010
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2010
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2011
437,00
Körperschaftsteuer
04-06/2011
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2011
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2011
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2012
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2012
439,00

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

Gemäß § 1298 ABGB obliege dem, der vorgebe, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, der Beweis.

Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergebe sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht hätten entrichtet werden können.

Der Bf. sei im Zeitraum Datum1 bis zur Auflösung unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft, also einer juristischer Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass er die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer einen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO) die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) wie den Abgabepflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er dazutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe (vgl. ; ; ).

Da der Bf. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgabe bei der Gesellschaft uneinbringlich sei, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Letztlich werde auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstreckten. Ebenso seien Zwangs- und Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen.

Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass durch sein pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten sei. Weiters sei der Bf. seiner Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu seiner Entlastung darzutun, nicht nachgekommen, daher sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft sei daraus ersichtlich, dass ein  eröffnetes Konkursverfahren beim Handelsgericht Wien mit Beschluss vom Datum2mangels Kostendeckung aufgehoben worden sei. Die Gesellschaft sei gemäß § 1 AmtsLG aufgelöst.

Auf den beiliegenden Grundlagenbescheid werde verwiesen.

Aufgrund der Vermögenslosigkeit und der Beendigung der Tätigkeit der Gesellschaft, diese sei bereits im Firmenbuch gelöscht, sei die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenschuld nachgewiesen.

Auf den beiliegenden Körperschaftsteuerbescheid 2008 werde verwiesen.

*****

Mit der dagegen am eingebrachten Beschwerde beantragte der Bf. die Aufhebung/ Abänderung des angefochtenen Bescheids im Rahmen der BVE.

Als Beschwerdegründe wurden die Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheids sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verstößen gegen Verfahrensvorschriften geltend gemacht und ausgeführt wie folgt:


BEGRÜNDUNG

1.) Zur Rechtswidrigkeit des Inhalts:

Mit Beschluss vom Datum3 sei das Konkursverfahren über die Gesellschaft eröffnet und W., Rechtsanwalt, zum Masseverwalter bestellt worden.

Die genannte Gesellschaft sei mit Insolvenzeröffnung aufgelöst worden und in den Stand der Liquidation eingetreten.

Mit Beschluss vom Datum4 habe der Masseverwalter dem Insolvenzgericht
die Masseunzulänglichkeit angezeigt, dass die Konkursmasse nicht ausreiche um
Masseforderungen zu erfüllen.

Demnach habe die Steuerpflicht mit Rechtskraft obigen Beschlusses vom Datum4 geendet und sei die weitere Vorschreibung daher ohne weitere Begründung erfolgt.

Vorschreibungen durch Bescheid an den Beschwerdeführer wären auch bis zuletzt nicht erfolgt, die Zustellung des angefochtenen Bescheides vom sei für den Einschreiter überraschend erfolgt.

Der Bf. sei daher in seinem Recht auf rechtsrichtige Entscheidung und Ende der Steuerpflicht ab Bekanntgabe Masseunzulänglichkeit und auf Parteiengehör verletzt worden, dies komme einem gravierenden Verfahrensfehler gleich.

Die Übernahme der GF Tätigkeit für die genannte Gesellschaft sei wie ersichtlich aufgrund der schriftlichen Zusage der Übernahme der Mindestkörperschaftssteuer durch RA S. am erfolgt.

Noch vor Geschäftsführerbestellung gemäß Beschluss vom Datum1 sei sofort Generalvollmacht an Dr.S. am für die Gesellschaft erteilt worden und dieser habe die Geschäfte der Gesellschaft geführt.

Auch aus diesem Grund sei eine anspruchsbegründende Verschuldenshaftung nicht
gegeben und nicht begründbar.

Beweis:
VOLLMACHT an RA S. v. 09-11-2007,
Geschäftsführerbestellung gem. Beschluss vom Datum1,
Einvernahme Beschwerdeführer
Einvernahme Dr. S.

Der Bf. erhebe aus Gründen der Vollständigkeit auch den Inhalt seiner Stellungnahme vom zu seinem Vorbringen dieser Beschwerde.

Der Bf. stelle daher den Antrag, den angefochtenen Haftungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gänzlich und ersatzlos zu beheben, in eventu im Rahmen der Berufungsvorentscheidung im Sinne des Aufhebungsantrags abzuändern.

2.) Zum Berufungsgrund Verstößen gegen Verfahrensvorschriften

Bescheide seien zu begründen, der angefochtene Bescheid beziehe seine Begründung
durch Verweis auf Gesetzesbestimmungen § 80 BAO§ 1298 ABGB, Beweislastumkehr, § 18 GmbHG.

Die Stellungnahme des Bf. vom , wonach ihm an den Umständen der Insolvenz der Gesellschaft kein begründeter Verschuldensvorwurf gemacht werden könne, sei nicht berücksichtigt und in der Beweiswürdigung übergangen worden.

Eine Verschuldenshaftung des Bf. sei nicht nachvollziehbar und nicht begründet, der angefochtene Bescheid leide daher auch an diesem Begründungsmangel, weshalb der Bf. den Antrag, den angefochtenen Haftungsbescheid vom wegen Begründungsmängeln gänzlich zu beheben, stelle.

****

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass die Verletzung des Parteiengehörs kein absoluter Verfahrensmangel sei. Zu einer Aufhebung durch ein Höchstgericht führe ein solcher Verfahrensmangel nur dann, wenn er "wesentlich" sei, wenn somit bei seiner Vermeidung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Verletze die Abgabenbehörde erster Instanz das Recht auf Parteiengehör, so sei dies im Beschwerdeverfahren sanierbar.

Auch bei Berücksichtigung der Stellungnahme vom wäre kein anderslautender Bescheid ergangen bzw. wäre eine Bescheiderteilung nicht unterblieben.

Für die Haftung gem. § 9 BAO sei nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von
Bedeutung, eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei als solche zu beurteilen.

Der in seinem Schreiben vom bzw. in der Beschwerde vom angeführten Argumentation, dass aufgrund von Vermögenslosigkeit keine Zahlung geleistet hätte werden können, könne nicht gefolgt werden. Zu dem Zeitpunkt der Geschäftsführertätigkeit des Bf. seien Grundstücke (EZxxxx) im Besitz der Primärschuldnerin gewesen, welche mit diversen Pfandrechten belastet gewesen seien. Eine Vermögenslosigkeit sei daher definitiv nicht gegeben, andererseits sei die Einräumung der Pfandrechte an diverse Gläubiger mit einer Gläubigerbevorzugung gleichzusetzen und widerspreche daher dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Der Vertreter dürfe bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter
behandeln als die übrigen Schulden. Es könne aber auch nicht verlangt werden, der Vertreter müsse den Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigen. Er habe die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße die Begünstigung anderer Gläubiger infolge
Schuldentilgungen oder Einräumung von Pfandrechten.

****

Dagegen beantragte der Bf. mit Schriftsatz vom die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und führte aus:

1.) Zur Rechtswidrigkeit des Inhalts:

Gemäß ständiger Rechtsprechung stelle die Verletzung des Rechts auf Parteiengehör
einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der regelmäßig zur gänzlichen Behebung
der mit diesem Mangel behafteten Entscheidung der Behörde führe.

Bei entsprechender Gewährung des Parteiengehörs des Bf. wäre aufgrund der Relevanz der Informationen zur Geschäftsführung NICHT durch den Bf., sondern durch die von der X-AG installierte Person gemäß Beilage VM Beilage /4. die Behörde zu einem anderen Beurteilungsergebnis in der Sache im Sinne der Verneinung eines Verschuldens des Beschwerdeführers gekommen.

Wie aus der vorgelegten Beilage VOLLMACHT an RA S. vom ,
Beilage ./4 ersichtlich, habe der Vollmachtnehmer Herr RA Dr. S. ab die Geschäfte der Abgabenschuldnerin geführt.

Diese Vollmacht sei vom Bf. nicht freiwillig, sondern auf Druck der Geldgeberin X-AG erteilt worden, um die besagten Immobilienprojekte Grundbuch G. und Grundbuch Z zu Gunsten der Firma X zu führen.

Ab dem Zeitpunkt der VM-Erteilung sei der Bf. von der
Abgabenschuldnerin abgemeldet gewesen in dem Sinn, dass er keine Entscheidungsbefugnis und keine Entscheidungskompetenz mehr gehabt habe.

Weiters wären die Liegenschaften gemäß Grundbuchsauszug in Beilage ./4 mit hohen
Hypotheken über den Verkehrswert hinaus überbelastet, somit wertlos und auch in
der Insolvenz wegen bestehender Absonderungsrechte nicht zu Gunsten der nicht
besicherten Gläubiger verwertbar gewesen.

Eine rechtswidrige und gegebenenfalls strafbare Gläubigerbevorzugung durch einseitige Befriedigung der Finanzamtsforderungen vor Konkurseröffnung durch den Bf. sei schon deswegen nicht gegeben.

Der Masseverwalter habe aus diesem Grund die Vermögenslosigkeit / Masseunzulänglichkeit dem Insolvenzgericht angezeigt, weil die Gesellschaft über keine verwertbaren Sachen / Forderungen verfügt habe.

Es sei daher keine Verteilung einer Quote erfolgt.

Auch aus diesem Grund bestehe keine Haftung des Bf. der Höhe nach
über die Quote hinaus, weil keine Quotenausschüttung erfolgt sei.

Alleiniger Geschäftszweck der Abgabepflichtigen ab dem Jahr 2007 sei einzig und
allein die Verwertung der Liegenschaften gemäß Beilage ./ 4, EZxxxgewesen,  die dem installierten Rechtsanwalt nicht gelungen sei und auch nicht dem Masseverwalter‚ der aus besagten Liegenschaften ebenfalls KEINEN Verwertungserlös in die Masse lukrieren habe können.

Beweis: beizuschaffender Insolvenzakt des HG-Wien zu AZ: ----.

Es liege daher keinesfalls ein Verschulden des Bf. vor, weil er aufgrund VM-Erteilung per an den Vertrauensmann der X-AG wie aus der Beilage ersichtlich, zu deren Erteilung dieser Vollmacht der Bf. von der X-AG genötigt worden sei, bis zur Auflösung der Gesellschaft mit Konkurseröffnung am Datum3‚ nichts mehr entscheiden habe können und nichts mehr zu sagen gehabt habe.

Zu diesen Feststellungen wäre die bescheiderlassende Behörde durch rechtskonforme Wahrung des Parteiengehörs gekommen, weshalb der angefochtene Bescheid an
diesem Mangel leide, der seine gänzliche Behebung rechtfertige.

2.) Zum Zeitraum:

Die abgabenrechtliche Verpflichtung gemäß § 80 BAO sei mit Konkurseröffnung gemäß § 81 IO auf den bestellten MV übergegangen, somit ab dem Datum3.

Der Bf. sei auch aus diesem Grund nicht zu Veranlassungen der Abgabenpflicht /Körperschaftssteuer in der Lage und nicht befugt gewesen, gegen den Masseverwalter zu handeln.

Auch deswegen treffe den Bf. kein Verschulden für die Haftung für Abgabenrückstände.

Bei rechtsrichtiger Wahrung des Parteiengehörs und Berücksichtigung der Tatsache, dass ab 2007 ein von der X-AGinstallierter Vertreter die Geschäfte geführt habe, wobei der Bf., wie bereits zuvor gesagt, von der X-AGals vormalige Geldgeberin der Abgabepflichtigen zur Abgabe sämtlicher Erklärungen und Kompetenzen an den Vertrauensmann der X-AG RA Dr.S.genötigt worden sei, wäre eine andere Entscheidung im Sinne einer Schuldlosigkeit des Bf. festzustellen gewesen.

Der angefochtene Bescheid leide daher an wesentlichen Feststellungsmängeln, die
seine gänzliche Behebung rechtfertigen würden.

Eine anspruchsbegründende Verschuldenshaftung sei keinesfalls gegeben und nicht
begründbar.

Der Bf. halte daher ihre Anträge gemäß Beschwerde vom vollinhaltlich aufrecht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 9 Abs. 1 BAO lautet: Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 Abs. 1 BAO: Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenschuld gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

1.) Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Gemäß der vorliegenden Kontoabfrage haften die mit Haftungsbescheid vom geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten nach wie vor unberichtigt am Abgabenkonto aus.

2.) Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum3 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet, das mit Beschluss vom Datum2 mangels Kostendeckung aufgehoben wurde. In der Folge wurde die Firma am Datum5 gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht.

Die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten sind daher bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

3.) Stellung des Bf. als Vertreter

Gemäß Firmenbuchauszug vertrat der Bf. die GmbH vom Datum1 bis zur Konkurseröffnung  als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer und zählt damit zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter, welche bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden können.

4.) schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. als Geschäftsführer

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Daraus ist abzuleiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum3 über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet und am Datum6 ein Masseverwalter bestellt wurde, war der Bf. für die Entrichtung der nach Konkurseröffnung fällig gewordenen Abgabenschuldigkeiten nicht mehr verantwortlich und kann deshalb für diese Verbindlichkeiten nicht zur Haftung herangezogen werden.

Der mit Bescheid vom festgesetzte erste Säumniszuschlag in Höhe von € 74,04 wurde am , somit nach Konkurseröffnung fällig.

Ebenso fallen die Fälligkeitstage der Körperschaftsteuern 01/2010-12/2012 (beginnend mit ) nicht mehr in den Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit des Bf.

Hinsichtlich der genannten Abgabenschuldigkeiten war daher der Beschwerde stattzugeben.

Somit ist zu prüfen, ob dem Bf. hinsichtlich Nichtentrichtung der Körperschaftsteuer 2008 (FT ) und Körperschaftsteuer 10-12/2009 (FT ) eine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten ist.

Der Bf. bringt zur Frage des Verschuldens vor, dass er zur Erteilung einer Vollmacht an einen Vertrauensmann der X-AG genötigt worden sei, der in der Folge die Geschäfte der Gesellschaft geführt habe. 

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ein Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder durch dritte Personen behindert sieht, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden hat. Auch binden im Innenverhältnis erteilte Weisungen den Geschäftsführer insoweit nicht, als sie ihn zur Verletzung zwingender gesetzlicher Verpflichtungen nötigen. Ein für die Haftung relevantes Verschulden liegt aber auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht. Die mangelnde Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung der Gesellschaft vermag daher ein fehlendes Verschulden an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nicht zu begründen.

Eine solche Einschränkung lag gemäß dem Vorbringen des Bf. vor.

Dieses Vorbringen kann den Bf. somit nicht exkulpieren.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Auch wenn vom Bf. nicht behauptet wurde, dass für die Entrichtung der übrigen haftungsgegenständlichen Abgaben keine Mittel zur Verfügung gestanden wären, entbindet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters die Behörde nicht von jeglicher Ermittlungspflicht; eine solche Pflicht besteht etwa dann, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sind Liegenschaften keine liquide Mittel.

Gemäß der vorliegenden Bilanz für das Geschäftsjahr 2006 verfügte die Gesellschaft lediglich über Sachanlagen in Höhe von € 1,213.379,00, jedoch über kein Umlaufvermögen, wie Kassabestand, Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere Forderungen etc.

Die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007-2010 weisen keinerlei Umsätze aus.

Der Masseverwalter stellt im Schlussbericht vom fest: "Weiteres über das oben angeführte Liegenschaftsvermögen hinausgehendes Vermögen konnte von mir nicht ausfindig gemacht werden."

Somit liegen deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen liquider Mittel zur Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag (12. und ) vor.

Da der Bf. somit die Abgaben nicht entrichtet hat, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung hatte, hat er keine abgabenrechtliche Pflicht verletzt.

Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht nicht von der Rechtsprechung des VwGH ab und hatte auch die Klärung der Haftungsvoraussetzungen (Sachverhaltsfragen im Einzelfall) und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104466.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at