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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.02.2020, RV/7106008/2018

Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Baden Mödling vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für I. A., geb. xx, ab Februar 2018 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist griechische Staatsbürgerin. Sie reiste mit ihrem Sohn am in Österreich ein.

Am brachte die Bf. einen Antrag auf Zuerkennung von Familienbeihilfe ab Februar 2018 für ihren Sohn I. A., geb. xx, ein.

In dem Antrag führte die Bf. ua. aus, dass sie seit 2015 geschieden sei.
Als Beruf führte sie "Designerin" an.
Sie legte eine Geburtsbescheinigung ihres Sohnes vor.

Laut Behördenanfrage wohnte der Sohn mit der Bf. seit im gemeinsamen Haushalt in der Adresse2.
Seit wohnen die Bf. und ihr Sohn in der Adresse.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Familienbeihilfe mit Abweisungsbescheid vom ab, da auf Grund der Einkommensverhältnisse der Bf. es insbesondere am wirtschaftlichen Nahebezug zu Österreich fehle.

Die Bf. brachte gegen den Bescheid vom fristgerecht Beschwerde ein.

Die Bf. legte den Bescheid über die bedarfsorientierte Mindestsicherung vom  und eine Bescheinigung des AMS vom , betreffend Suche einer neuen Arbeitsstelle, vor.

Laut dem im Akt befindlichen Auskunftsverfahren bei der Sozialversicherung arbeitete die Bf. von - bei der O. GmbH, anschließend war sie als arbeitssuchend gemeldet und arbeitet seit bei der R. GmbH.

Auf Grund der vom Finanzamt angeforderten Dokumente legte die Bf. am folgende Dokumente vor:

"1. Schulbestätigung A. 2018/19: beigefügt
2. Schulzeugnis: für das Halbjahressemester 2/2017 habe ich für A.
kein Schulzeugnis erhalten, da wir erst im November 2016 nach Österreich
gekommen sind, A. nicht Deutsch konnte und somit im Halbjahr noch
nicht beurteilt wurde. Die letzten 3 Schulzeugnisse (6/2017, 2/2018, 6/2018)
habe ich beigefügt.
3. Einkommensnachweis: Lohnzettel Juli, August und September 2018
beiliegend. Momentan bin ich nur halbtags beschäftigt, ich bin allerdings auf
der Suche nach einem Vollzeitjob.
4. Geburtsurkunde A.: ich habe noch einmal eine Kopie der
beglaubigten Übersetzung und des griechischen Originals beigelegt. Die
griechische Geburtsurkunde wurde vom griechischen Auslandsministerium
auch auf Deutsch ausgestellt. Auf der Rückseite der Geburtsurkunde befindet
sich sehr wohl ein Stempel. Wenn man die Rückseite der griechischen
Originalgeburtsurkunde und die Rückseite der deutschen Übersetzung
aneinanderlegt, dann kann man sehen, dass der Originalstempel über beide
Urkunden geht und perfekt übereinstimmt. Auf der Kopie ist das leider nicht so
deutlich erkennbar, da der Drucker den Randbereich abschneidet. Ich bin
gerne bereit persönlich vorbeizukommen, um die Originalgeburtsurkunde und
die beglaubigte Übersetzung vorzulegen. Leider wurde es mir nicht gestattet,
persönlich vorzusprechen, sondern gebeten, es noch einmal schriftlich
auszuführen.
5. Eigentum/-Mietvertrag: Das Haus in dem ich mit meinem Sohn A.
wohne, gehört meiner Tochter Diana I. und ich kann kostenlos hier
wohnen, deshalb habe ich auch keinen Mietvertrag. Der Eigentumsvertrag
meiner Tochter liegt bei. Die Rechnungen für die Betriebskosten lauten
teilweise auf den Namen meiner Tochter, andere wie zB die Gasrechnung
und Telefonrechnung lauten auf meinen Namen. Ich habe ein paar
Rechnungen der letzten Monate beigefügt, sollten Sie weiter zurückliegende
Rechnungen benötigen, so kann ich gerne noch mehr vorlegen.
6. Eine grobe Aufstellung der Lebenshaltungskosten habe ich ebenfalls
beigefügt. Da ich momentan nur eine Teilzeitarbeit habe, werde ich von
meiner Tochter unterstützt (Wohnung, Betriebskosten), um meine Ausgaben
abzudecken. Da jetzt aber auch meine Deutschkenntnisse immer besser
werden, bin ich zuversichtlich, dass ich bald eine Vollbeschäftigung finde."

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom  als unbegründet ab, da es der Bf. an ausreichenden wirtschaftlichen und persönlichen Bezug zu Österreich fehle.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung brachte die Bf. den Antrag ein, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen und führte begründend aus:

"Mit Beschwerdevorentscheidung vom zum Bezug von Familienbeihilfe für meinen Sohn A. I. wurde meine Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen.
Die Begründung für die Ablehnung der Familienbeihilfe war, dass ich "keinen ausreichenden wirtschaftlichen und persönlichen Bezug zu Österreich" hätte. Diese Begründung ist aus folgenden Punkten nicht zutreffend:

Mein Mittelpunkt des Lebensinteresses liegt sehr wohl in Österreich und der persönliche Bezug zu Österreich ist unbestritten gegeben:
- mein 11 jähriger Sohn A. I., für den ich sorge und der bei mir im
gemeinsamen Haushalt in Österreich lebt, besucht bereits seit 2 Jahren die Schule in Österreich.
Mein Sohn und ich sind mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet
Mein Sohn und ich sind auch in Österreich krankenversichert.
Mein Auto ist in Österreich angemeldet.
Ich lerne bereits seit 2 Jahren Deutsch und meine Sprachkenntnisse sind mittlerweilen recht gut, mein Sohn konnte nach einem Jahr Volksschule sogar auf das Gymnasium wechseln.
Ich bin bestrebt mir hier in Österreich eine Existenz aufzubauen, und habe auch bereits in Österreich Arbeit gefunden, wenn auch nur eine Teilzeitarbeit, bin aber auf der Suche nach einer Vollzeitbeschäftigung.
Was meinen wirtschaftlichen Bezug zu Österreich betrifft:
In der Beschwerdevorentscheidung wurde angeführt, dass ich „keine ausreichenden Einkünfte in Österreich hätte, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten“ und dass die Bestreitung meines Lebensunterhaltes „normalerweise ohne Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln nicht möglich wäre“. Ich war vom - und - berufstätig und bekomme seit keinerlei Unterstützung vom österreichischen Staat
- auch keine Familienbeihilfe für meinen Sohn. Meine Einkünfte aus der Teilzeitarbeit haben sehr wohl ausgereicht, um für mich und meinen Sohn zu sorgen. Natürlich ist es mein Ziel eine Vollzeitarbeit zu finden und momentan bin ich wieder intensiv auf Arbeitssuche. Mit Hilfe des AST (Anlaufstelle für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen) bin ich gerade dabei mich selbständig zu machen.

Der in der Beschwerdevorentscheidung angeführte Punkt, dass ich keine eigene Wohnung in Österreich habe, trifft zu, aber meine Tochter überläßt mir ihr Haus, in dem ich kostenlos wohnen kann (Präkarium vom habe ich beigelegt). Das erleichtert auch meine wirtschaftliche Situation um eben nicht vom österreichischen Staat abhängig zu sein.
Ich bitte um Berücksichtigung der oben angeführten Punkte und weiters verweise ich auf die Ausführung in meiner Beschwerde vom und den ausführenden Ergänzungen vom und beantrage diese dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Da ich als EU-Bürgerin meinen ständigen Aufenthalt in Österreich habe, sich der Lebensmittelpunkt von meinem Sohn und mir hier in Österreich befindet, ich dabei bin mir eine wirtschaftliche Existenz hier in Österreich aufzubauen, denke ich, dass ich Anspruch auf Familienbeihilfe für meinen Sohn haben sollte."

Das Finanzamt legte den Vorlageantrag dem Bundesfinanzgericht vor und führte in der Stellungnahme aus, dass der Lebensmittelpunkt der Bf. im Bundesgebiet aufgrund Fehlens des wirtschaftlichen und persönlichen Bezuges iSd § 2 Abs. 8 FLAG nicht gegeben sei.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die Bf. ist griechische Staatsbürgerin. Sie reiste mit ihrem Sohn am nach Österreich ein.

Am brachte die Bf. einen Antrag auf Zuerkennung von Familienbeihilfe ab Februar 2018 für ihren Sohn I. A., geb. xx, ein.

Sie legte die Geburtsbescheinigung ihres Sohnes vor, welche vom griechischen Auslandsministerium auch auf Deutsch ausgestellt worden ist. 

Laut Behördenanfrage wohnte der Sohn mit der Bf. seit im gemeinsamen Haushalt in der Adresse2.
Seit wohnen die Bf. und ihr Sohn in der Adresse.
Ihre Unterkunftgeberin ist Diana I., die Tochter der Bf..

Die Bf. legte den Prekariumsvertrag mit ihrer Tochter vor. Ihrer Tochter gehört laut dem vorgelegten Eigentumsvertrag das Haus.
Vorgelegt wurden von der Bf. Rechnungen betreffend Betriebskosten und Gasrechnungen und die Jahresabrechnung EVN von bis .

Weiters legte die die Bf. die A1 Rechnung 04/2018 vor. 

Von  bis war die Bf. laut Auskunftsverfahren Sozialversicherung bei der O. GmbH in Ort1 beschäftigt, danach als arbeitssuchend gemeldet und ab laufend bei der Firma R. GmbH als Arbeiterin gemeldet.

Laut dem Bescheid über die bedarfsorientierte Mindestsicherung vom bezogen die Bf. (alleinerziehend) und ihr Sohn ab März 2018 bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Laut den Schulbestätigungen für ihren Sohn hat dieser in Österreich die Schule ab dem Schuljahr 2016/17 besucht.

Als Einkommensnachweis legte die die Bf. die Lohnzettel für Juli, August und September 2018 vor.

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der Bf. und auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes.

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Bf. im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ab Februar 2018 ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 in Österreich hat und ihr die Familienbeihilfe für ihr Kind zusteht.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Erwägungen:

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe für minder- bzw. volljährige Kinder solche Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet reicht allerdings für den Bezug von Familienbeihilfe noch nicht aus. § 2 Abs. 8 FLAG 1967 fordert darüber hinaus, dass die Personen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe für minder- bzw. volljährige Kinder geltend machen, den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Nach der gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 hat eine Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung betont, kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben. Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemanden aus in seiner Person liegenden Gründen, insbesondere auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, an ein bestimmtes Land binden (vgl. , , ). Hinsichtlich des Begriffes "Mittelpunkt der Lebensinteressen" treten nach Auffassung des Höchstgerichtes die der Lebensgestaltung dienenden wirtschaftlichen Beziehungen hinter die persönlichen Bindungen eindeutig zurück. Den wirtschaftlichen Beziehungen kommt nämlich in der Regel eine geringere Bedeutung als den persönlichen Beziehungen zu. Entscheidend ist das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. ). 

Im vorliegenden Fall geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass ab Februar 2018 der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf  in Österreich gelegen ist.

Die Bf. ist mit ihrem Sohn am nach Österreich eingereist.

Sie wohnt seit diesem Zeitpunkt mit ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt.

Sie ist Alleinerzieherin.

In Österreich hat ihre Tochter ein Haus, und unterstützt die Bf. finanziell, indem die Bf. mit ihrem Sohn in ihrem Haus kostenbefreit  leben kann.

Sie hat in Österreich einen A1 Vertrag, ihr Auto ist in Österreich angemeldet und versichert.
Die Bf. arbeitet in Österreich.

Sie und ihr Sohn sind in Österreich krankenversichert.

Sie und ihr Sohn bezogen lt. Bescheid vom  ab bis  eine bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Ihr Sohn geht in Österreich in die Schule.

In Anbetracht der Gesamtumstände, nämlich dass die Bf., die im gemeinsamen Haushalt mit ihrem minderjährigen Sohn lebt, im Bundesgebiet ihren Wohnsitz hat, der Sohn in Österreich in die Schule geht, ihre familiäre Beziehungen in Österreich zu ihrer Tochter bestehen und sich hier mit ihrem Sohn eine Existenz aufbauen will, kommt das Bundesfinanzgericht zur Ansicht, dass der persönliche aber auch der wirtschaftliche Nahebezug der Bf. und ihres Kindes derzeit zu Österreich in einer Weise gegeben ist, der eine Zuerkennung von FB (KAB) für die Bf. ab  Februar 2018 möglich macht

Da die Familienbeihilfe steht der  Bf. ab Februar 2018 zu Recht zu Recht zu.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ist die Revision nicht zulässig, da angesichts ausreichend vorhandener, im vorliegenden Erkenntnis zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Themenbereich "Wohnsitz" und "Mittelpunkt der Lebensinteressen" keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären ist. Dass eine Person Anspruch auf Familienbeihilfe hat, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet hat, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Wien, am

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