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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2020, RV/1100058/2017

Feststellung der Ansässigkeit bei Wohnsitzen in Österreich und Deutschland.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache der Adr,

vertreten durch Bischof-Fuchs Steuerberatungs GmbH, Dorf Rieden 12, 6900 Bregenz,

über die Beschwerde vom  betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom  hinsichtlich Einkommensteuer 2015

zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, die in Deutschland erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA-Deutschland als Progressionseinkünfte in Ansatz gebracht worden.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erläuterte die Beschwerdeführerin:

Im Zuge der Veranlagung für 2014 habe sie - sie ist A - mitgeteilt, dass sie nach X ziehen werde, um dort in einer C zu arbeiten. Seitdem habe sie mehrere Wohnsitze, nämlich in X und D sowie eine Mietwohnung in E.

Das DBA-Deutschland bestimme in seinem Art. 4, dass eine Person mehrere Wohnsitze haben könne. Sei dies der Fall, so müsse festgestellt werden, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege - dieser Staat gelte dann als Ansässigkeitsstaat im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens.

Die Beschwerdeführerin habe Wohnsitze in Deutschland und Österreich. Der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen liege in Deutschland, deshalb seien in Österreich nur die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erklären, wie dies auch im Zuge der Veranlagung für 2014 mitgeteilt worden sei.

Der räumliche Abstand zwischen X und F sei so groß, dass es für die Beschwerdeführerin unmöglich sei, persönliche Beziehungen in Österreich zu pflegen. Gelegentlich besuche sie ihrer Eltern in F oder Freunde in E. Sie habe in Österreich weder einen Ehemann noch einen Lebenspartner. Sie arbeite viel an der C, sei viel auf fachlichen Vorträgen unterwegs, habe ihre Arbeitskollegen und Freunde in X. Ende 2016 werde sie nach G ziehen, weil sie dort an einer renommierten C werde arbeiten können.

Art. 23 des DBA-Deutschland sei so zu lesen, dass die Beschwerdeführerin in den Abs. 1 falle und somit als in Deutschland ansässig gelte. Österreich habe zwar aufgrund des innerstaatlichen Rechts (Wohnsitz) die Besteuerung einer unbeschränkt Steuerpflichtigen vorzunehmen, aber kein Recht auf Progressionsvorbehalt, weil dieser nur dem Ansässigkeitstaat im Sinne des DBA zustehe.

Gemäß der in Art. 15 des DBA verankerten subjekt-to-tax-Klausel habe Österreich des Recht auf den Nachweis, dass die Bezüge in Deutschland versteuert würden. Dieser Nachweisführung sei die Beschwerdeführerin nachgekommen.

Das Finanzamt habe in der Begründung des angefochtenen Bescheides Art. 23 Abs. 2 des DBA-Deutschland als Rechtsgrundlage für den Progressionsvorbehalt angeführt, was der entscheidende Fehler sei. Es sei nämlich Abs. 1 anzuwenden. Dies zeige sich auch daran, dass Deutschland für die österreichischen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung den Progressionsvorbehalt geltend mache und die Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuere. Insofern agiere Deutschland richtigerweise als Ansässigkeitstaat.

In der Folge erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Darin wurde seitens des Finanzamtes ausgeführt:

Die Feststellung des Mittelpunktes der Lebensinteressen sei anhand objektiv nachvollziehbarer Umstände vorzunehmen. Die bloße Behauptung, der Mittelpunkt der Lebensinteressen habe sich in einen anderen Staat verlagert, reiche nicht aus. Den wirtschaftlichen Beziehungen kommen im Vergleich zu den persönlichen Beziehungen in der Regel eine geringere Bedeutung zu. Unter persönlichen Beziehungen verstehe man jene, welche einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Staat verbänden, in dem einen Wohnsitz habe.

Im Fall der Beschwerdeführerin lägen zweifellos im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit und die damit erzielten Einkünfte die wirtschaftlichen Interessen im Streitzeitraum (überwiegend) in Deutschland. Es sei aber als erwiesen anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Vorgeschichte abgesehen von ihren Verwandten auch einen gewissen Bekannten- und Freundeskreis im Inland habe. Auf dessen Größe komme es nicht an. Der weitaus überwiegende Aufenthalt in Deutschland führe allein jedenfalls nicht zu einer Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen, sofern nicht stärkere persönliche Beziehungen in Deutschland bestünden.

In der Beschwerde sei vorgebracht worden, dass Österreich zu Recht die in Art. 15 DBA-Deutschland verankerte subjekt-to-tax-Klausel anwende und daher einen Anspruch auf Nachweis der Besteuerung der Bezüge in Deutschland habe.

Es handle sich beim „anderen Vertragsstaat“ im Sinne des Art. 15 Abs. 4 DBA-Deutschland jedoch nicht um den Ansässigkeitstaat, die Anwendung dieser Bestimmung sei daher unter der Prämisse erfolgt, dass die Beschwerdeführerin nach dem Abkommen in Österreich ansässig (geblieben) sei. Ebenso werde die Bestimmung des Art. 23 Abs. 2 DBA-Deutschland (Progressionsvorbehalt) aus der Perspektive des Ansässigkeitsstaates angewendet.

Deutschland als Quellenstaat habe seinerseits den Progressionsvorbehalt offenkundig alleine aufgrund seines innerstaatlichen Rechts (§ 32b Abs. 1 Z. 3 deutsches EStG) geltend gemacht.

Im Ergebnis stehe fest, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 2015 und 2016 weiterhin im Sinne des Art. 4 DBA-Deutschland in Österreich ansässig gewesen sei und der Progressionsvorbehalt gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA-Deutschland daher abkommensgemäß zur Anwendung komme.

Die Beschwerdeführerin brachte daraufhin durch ihre steuerliche Vertretung einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Sie erläuterte:

Soweit in der Beschwerdevorentscheidung des Öfteren auf das Erfordernis objektiver Kriterien, die den Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmten, hingewiesen worden sei, werde bemerkt, dass sich der Finanzamtsvertreter insbesondere auf die seitens der Beschwerdeführerin geäußerte Absicht, nach Abschluss der Facharztausbildung nach Österreich zurückzukehren, gestützt habe. Diese Absichtserklärung sei aber unbeachtlich, da der Vertrag an der CC in X unbefristet abgeschlossen worden sei. Absichten, die man äußere, wenn man einen Auslandsaufenthalt beginne, könnten sich ändern, da man ja im Vorhinein nie wisse, was das Leben bringen werde.

Die Beschwerdeführerin sei stark in der deutschen aacc Gesellschaft integriert, so sei sie etwa deutsche Assistenzarztvertreterin und Mitglied in einer AH. Sie habe außerdem nun einen Freund in X (Anm.: Name genannt) und ihr Plan sei es, nach Ende des Fellowships in G, dass von Ende 2016 bis Ende 2017 dauere, nach X zurückzukehren. Ob dies tatsächlich eintreffen werde, „stehe in den Sternen“.

Tatsächlich arbeite die Beschwerdeführerin aber nun schon seit Februar 2014 nicht mehr in Österreich und werde dies auch zumindest bis Ende 2017 mit Gewissheit nicht tun, d. h., der in der Literatur oft zitierte „längere Beobachtungszeitraum“ (mehr als zwei Jahre) sei somit jedenfalls erfüllt.

Der Finanzamtsvertreter habe stärkere persönliche Beziehungen im Inland gegenüber solchen in X unterstellt. Dies seien gewagte Behauptungen, wisse man doch, dass Kontakte gepflegt werden müssten, was unglaublich viel schwieriger sei, wenn man nicht vor Ort sei.

Seitens der steuerlichen Vertretung wurden sodann einige Aktivitäten und Freunde/Freundinnen der Beschwerdeführerin in X angeführt: So besuche sie regelmäßig Yogakurse mit einer namentlich angeführten Freundin. Sie sei Mitglied im Fitnessclub „IJ“, den sie regelmäßig mit einer Freundin aufsuche (Adresse des Fitnessclubs und Name der Freundin genannt). An einer ebenfalls angeführten X-er Adresse gehe sie dem Spinning nach. Sie besuche Konzerte und Ballettaufführungen mit zwei (namentlich genannten) Freundinnen. Zudem habe sie ein Lieblingscafé, mit dessen Besitzerin sie auch privat befreundet sei (Name des Cafés und der Besitzerin genannt). Fünf weitere Personen, mit denen die Beschwerdeführerin in X befreundet ist, wurden namentlich angeführt.

Zudem verbringe die Beschwerdeführerin ihre Urlaube im Ausland. 2015 sei sie etwa für 10 Tage in K gewesen. Nach F kehre sie nur an 2-3 Wochenenden pro Jahr zurück. 2016 sei sie etwa nur im Februar und im April (Hochzeit von Freunden) für ein Wochenende F gewesen. Auch nach E komme sich nur zu besonderen Anlässen, etwa 2016 im Februar und Juli für ein Wochenende.

Folge man der Rechtsprechung des VwGH (, 93/15/0145) seien die auf verschiedene Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten ein bedeutsames Kriterium dafür, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person liege. Da streitgegenständlich die Aufenthaltszeiten zu 93 % im Ausland lägen, könne der Mittelpunkt der Lebensinteressen unmöglich in Österreich sein.

Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin verwies auf eine gleichzeitig vorgelegte Ansässigkeitsbescheinigung vom des Finanzamtes x, X. Daraus sei erkennbar, dass Deutschland von der Ansässigkeit im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens ausgehe. Dies stelle ein wichtiges Indiz für die Anerkennung der Ansässigkeitsverlagerung in das Ausland dar (Verweis auf Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht, Seite 460).

Beurteile man das Gesamtbild der Verhältnisse, so sei vorerst festzustellen, dass klarerweise die wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland stärker seien. Aber auch die persönlichen Beziehungen zu Deutschland seien so stark ausgeprägt, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine Verlagerung des Mittelpunkt des der Lebensinteressen nach Deutschland vorliege.

Sollte aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes nicht bestimmt werden können, in welchem Staat die Beschwerdeführerin den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen habe, so gelte sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe (Art. 4 Abs. 2 lit. b DBA). Ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe die Beschwerdeführerin aber nachweislich in Deutschland.

II. Sachverhalt:

  • Die Beschwerdeführerin ist A.

  • Sie beendete mit ihr Dienstverhältnis beim L der Stadt E.

  • Mit nahm sie ein unbefristetes Dienstverhältnis an der CC in X auf, um eine Facharztausbildung zu machen.

  • Sie hatte ab diesem Zeitpunkt Wohnsitze in X, in E und in D (F).

  • Ende 2016 verließ sie X, um an einem einjährigen Fellowship in G teilzunehmen.

  • Ab war sie wieder in Österreich berufstätig, als Arbeitgeberin scheint die Medizinische UniversitätWien auf.

Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt sowie auf eine Abfrage im elektronischen Abgabeninformationssystem.

III. Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 1 EStG 1988 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig.

Gemäß Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (in der Folge: DBA Deutschland) bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“, eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist....

Gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA Deutschland gilt eine natürliche Person als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sind die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);

Art. 4 Abs. 2 lit. b conv. cit. spricht aus, dass eine Person, bei der nicht bestimmt werden kann, in welchem Staat sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder eine Person, die in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, als in dem Staat ansässig gilt, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;

Art. 23 DBA Deutschland normiert unter der Überschrift „Vermeidung der Doppelbesteuerung“ in Abs. 1 wie die Steuer bei einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Person festzusetzen ist, während Abs. 2 die diesbezügliche Regelung betreffend eine in Österreich ansässige Person darlegt.

Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA Deutschland spricht aus: Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden (vgl. § 33 Abs. 11 EStG 1988, Progressionsvorbehalt).

Gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA Deutschland gilt die selbe Regelung umgekehrt für in Deutschland ansässige Personen.

IV. Rechtliche Würdigung:

Strittig ist:

War die Beschwerdeführerin im Streitjahr im Inland ansässig und waren daher ihre in Deutschland erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Österreich zur Progression heranzuziehen?

Nicht strittig ist, dass die Beschwerdeführerin Wohnsitze in Österreich und in Deutschland hatte.

Als entscheidendes Kriterium für die Ansässigkeit der Beschwerdeführerin im Streitzeitraum war der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen festzustellen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist für die Frage des Mittelpunktes der Lebensinteressen das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entscheidend, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Darunter sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei die Ausübung des Berufes, die Gestaltung des Familienlebens, Betätigungen religiöser und kultureller Art sowie andere Tätigkeiten zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen. Es wird im Zweifel den persönlichen Lebensinteressen der Vorrang gebühren ().

Die Beurteilung des Lebensmittelpunktes ist anhand objektiv feststellbarer Umstände vorzunehmen.

So stellt etwa das Vorliegen einer von der Steuerverwaltung des DBA-Partnerstaates ausgestellten Ansässigkeitsbescheinigung, in der ausdrücklich eine Ansässigkeit im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens bestätigt wird, ein gewichtiges Indiz für die Anerkennung der Ansässigkeitsverlagerung in das Ausland dar (vgl. Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht, S 529, 530).

Umgelegt auf den Fall der Beschwerdeführerin ergibt sich: 

Es wurde eine Ansässigkeitsbescheinigung des Finanzamtes X-x vom eingereicht, in welcher bestätigt wird, dass die Beschwerdeführerin in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist sowie, dass sie im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens in Deutschland ansässig ist. Ebenso wurde ihre deutsche Steuernummer angeführt.

Das von der Beschwerdeführerin mit aufgenommene Dienstverhältnis mit der X-er C war von vorneherein unbefristet.

Unbestritten ist, dass die wirtschaftlichen Beziehungen der Beschwerdeführerin zu Deutschland aufgrund ihrer dort ausgeübten Berufstätigkeit stärker waren als jene zu Österreich. Soweit die - letztlich entscheidenden - persönlichen Beziehungen zu bewerten sind, hat die Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertretung in glaubwürdiger Weise dargetan, dass sie in X nicht nur berufsbedingte Kontakte hatte, sondern, soweit ihr berufliches Engagement dies zuließ, umfangreiche Freizeitaktivitäten auf sportlichem und kulturellem Gebiet mit X-er Freundinnen und Freunden pflegte und im Jahr 2016 auch eine Beziehung zu einem X-er Partner aufnahm. Zudem war sie als A in aacc Gesellschaften und Vereinen tätig. All jene Umstände, „die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen“, waren daher in X gelagert ().

Es ist im Weiteren, wenn man die starke berufliche Eingebundenheit und die große räumliche Entfernung ins Kalkül zieht, realistisch und glaubhaft, dass sich die Beschwerdeführerin im Streitjahr nur an wenigen Wochenenden in Österreich aufhielt, auch wenn sie hier ihre Eltern und verbliebene Freunde hat. Es entspricht dem Selbstverständnis junger, gut ausgebildeter Menschen unserer Zeit, dass sie Karriere- und Weiterbildungschancen in ganz Europa bzw. in der ganzen Welt wahrnehmen, ohne sich primär an ihr Elternhaus gebunden zu fühlen.

Die weitaus überwiegend auf X entfallenden Aufenthaltszeiten sprechen daher im Streitfall im Verein mit den überwiegenden persönlichen und unstrittigen wirtschaftlichen Beziehungen für einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse in Deutschland (). Diese Sichtweise wird zudem gestützt durch die oben erwähnte deutsche Ansässigkeitsbescheinigung sowie das unbefristete Dienstverhältnis an der X-er C.

Soweit von Seiten des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt wurde, die Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen erfordere einen längeren Beobachtungszeitraum, nämlich mindestens zwei Jahre, wird ausgeführt:

Zum Zeitpunkt der Verfassung des Vorlageantrages () befand sich die Beschwerdeführerin nach wie vor in X und stand kurz vor Aufnahme ihres einjährigen Fellowships in G mit dem Plan, im Anschluss wieder nach X zu kommen. Ihre Rückkehr nach Österreich ist objektivierbar durch Aufnahme einer Berufstätigkeit an der aacc m E ab (siehe Abgabeninformationssystem, Lohnzettelauskunft).

Die Beschwerdeführerin hatte ihren beruflichen und privaten Lebensraum daher jedenfalls über den zweijährigen Beobachtungszeitraum hinaus mit offener Zukunftsperspektive ins Ausland verlagert (vgl. auch und , RV/7103792/2018).

In zusammenfassender Würdigung kommt daher das BFG zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Streitjahr im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA Deutschland in Deutschland ansässig war. Ihre Einkünfte waren daher gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. a DBA der Besteuerung zu unterziehen.

Mangels Ansässigkeit in Österreich bleibt daher kein Platz für die Anwendung eines Progressionsvorbehalts gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA Deutschland und war der Beschwerde spruchgemäß Folge zu geben.

Hinzugefügt wird der Vollständigkeit halber, dass, sofern ein Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht feststellbar wäre - was gegenständlich nach obigen Ausführungen nicht der Fall ist - die Ansässigkeit, wie schon im Vorlageantrag seitens der steuerlichen Vertretung postuliert, im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts festzustellen wäre (Art. 4 Abs. 2 lit. b DBA Deutschland). Im Fall der Beschwerdeführerin ist dies unstrittig Deutschland.

Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die anhand des Sachverhaltes in freier Beweiswürdigung zu lösende Ansässigkeitsfrage ist grundsätzlich einer Revision nicht zugänglich. Die Beurteilung der persönlichen Beziehungen in abstrakter Hinsicht findet Deckung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; , 90/13/0073; , 93/15/0145).

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 1 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 33 Abs. 11 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100058.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at