Mehrere Gratisparkscheine wurden unmittelbar aufeinander folgend aktiviert
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/7500030/2020-RS1 | In , hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die mit der Amtssignatur des Magistrats der Stadt Wien elektronisch unterschriebenen Erledigungen keine absolut nichtigen Verwaltungsakte sind. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Verwaltungsstrafsache, Bf., über die Beschwerde vom , eingebracht mit Mail vom , gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom , zugestellt am , Geschäftszahl GZ, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerde führende Partei einen Kostenbeitrag in Höhe von EUR 12,00 binnen zwei Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung zu zahlen. Gemäß § 25 Abs 2 BFGG wird der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde bestimmt.
III. Gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs 4 VwGG ist eine ordentliche Revision der Beschwerde führenden Partei und der belangten Behörde nicht zulässig.
IV. Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 4 VwGG ist eine außerordentliche Revision der Beschwerde führenden Partei nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Am erließ der Magistrat der Stadt Wien eine Anonymverfügung, worin er dem Beschwerdeführer (Bf.) vorwarf, er habe das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem in der Anonymverfügung näher bezeichneten behördlichen Kennzeichen am um 18:34 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt und habe mehrere elektronische (Gratis-)Parkscheine mit einer fünfzehn Minuten nicht übersteigenden Abstellzeit unmittelbar aufeinander folgend aktiviert. Über den Bf. wurde eine Geldstrafe verhängt.
2. Da die in der Anonymverfügung verhängte Geldstrafe nicht bezahlt wurde, erließ der Magistrat der Stadt Wien am eine Strafverfügung, worin er dem Bf. die bereits in der Anonymverfügung vorgeworfene Tat vorwarf. Über den Bf. wurde eine Geldstrafe verhängt. Die Strafverfügung war innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung mit Einspruch anfechtbar und wurde mit Einspruch vom angefochten. Im Einspruch brachte der Bf. vor, er habe am ab 18:15 Uhr dreimal für jeweils 8 – 10 Minuten seinen Standort in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone verlassen, sei zu einer U-Bahnstation gefahren um seine Fahrgäste abzuholen, sei zu seinem Standort in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone zurückgefahren, habe seinen Pkw abgestellt und habe seine Fahrgäste zu einem Lokal begleitet, was 5 Minuten gedauert habe.
3. Am wurde dem Bf. die in der Strafverfügung vorgeworfene Tat in einem Straferkenntnis vorgeworfen und ergänzend auf die um 18:11 Uhr und 18:28 Uhr aktivierten 15-Minuten Gratisparkscheine verwiesen. Über den Bf. wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 60,00 und sollte die Geldstrafe nicht einbringlich sein, eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 14 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurden die Verfahrenskosten mit EUR 10,00 festgesetzt.
Dem Straferkenntnis lag die Sach- und Beweislage zugrunde, dass der Bf. am um 18:11 Uhr, 18:28 Uhr und 18:45 Uhr 15-Minuten Gratisparkscheine elektronisch aktiviert hatte und der Meldungsleger um 18:20 Uhr und um 18:34 Uhr festgestellt hatte, dass um 18:20 Uhr der um 18:11 Uhr elektronisch gebuchte 15-Minuten Gratisparkschein und um 18:34 Uhr der um 18:28 Uhr elektronisch gebuchte 15-Minuten Gratisparkschein aktiviert war. Da der Bf. die um 18:11 Uhr und 18: 28 Uhr aktivierten Gratisparkscheine unmittelbar aufeinander folgend aktiviert habe, wurde ihm vorgeworfen, dass er eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs 2 Kontrolleinrichtungen-Verordnung in Verbindung mit § 4 Abs 3 Parkometergesetz 2006 begangen hatte und er wurde für diese Verwaltungsübertretung bestraft.
Das Straferkenntnis wurde am zugestellt, war innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurde mit der Beschwerde vom angefochten.
4. In der Beschwerde vom bestätigte der Bf., dass er um 18:11 Uhr und um 18:28 Uhr 15-Minuten Gratisparkscheine aktiviert hatte, da dies zulässig und technisch möglich sei. Sachverhaltsbezogen und das bisherige Vorbringen ergänzend brachte der Bf. vor, dass immer der gleiche Parkplatz frei war, obwohl er 3 x von diesem Parkplatz wegfuhr.
5. Mit Beschluss vom , Geschäftszahl RV/7501044/2018, sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass die derzeit vom Magistrat der Stadt Wien verwendete Amtssignatur nicht alle Daten eines Genehmigungsberechtigten und des die Genehmigungsberechtigung Erteilenden enthält, die deren eindeutige Identifizierung ermöglicht. Alle mit dieser Amtssignatur unterfertigten Erledigungen seien absolut nichtige Verwaltungsakte.
Diesen Beschluss hob der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung Geschäftszahl Ra 2019/16/0140, als inhaltlich rechtswidrig auf und sprach aus, dass die mit der Amtssignatur des Magistrats der Stadt Wien elektronisch unterschriebenen Erledigungen keine absolut nichtigen Verwaltungsakte sind.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Da der Verwaltungsgerichtshof den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7501044/2018, als inhaltlich rechtswidrig aufgehoben hat, ist über die Beschwerde vom im jetzt fortgesetzten Beschwerdeverfahren zu entscheiden.
Die Beschwerde vom ist frist- und formgerecht eingebracht worden. Über die Beschwerde ist daher „in der Sache“ zu entscheiden.
Beschwerdepunkt/e:
Der Bf. behauptet, die 15-Minuten Gratisparkscheine am , um 18:11 Uhr und um 18:28 Uhr zu aktivieren sei zulässig gewesen, da er seinen Parkplatz verlassen und immer zum selben freien Parkplatz zurückgekehrt sei.
Sach- und Beweislage:
Erstens ist der Entscheidung die nicht strittige Sachlage zugrunde zu legen, dass der Bf. am um 18:11 Uhr und um 18:28 Uhr 15-Minuten Gratisparkscheine aktiviert hat.
Zweitens ist ihr die Sach- und Beweislage zugrunde zu legen, dass der Meldungsleger nachweislich am um 18:20 Uhr und um 18:34 Uhr am Tatort anwesend gewesen ist, da er das nur durch Lokalaugenschein feststellbare Kennzeichen des Pkws in seinen Computer eingeben musste, um feststellen zu können, dass um 18:20 Uhr der um 18:11 Uhr elektronisch gebuchte 15-Minuten Gratisparkschein und um 18:34 Uhr der um 18:28 Uhr elektronisch gebuchte 15-Minuten Gratisparkschein aktiviert war.
Rechtslage:
Gemäß § 9 Abs 2 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung ist nicht zulässig, 15-Minuten Gratisparkscheine oder einen 15-Minuten Gratisparkschein und einen Parkschein gemäß Anlage I, II oder III unmittelbar aufeinander folgend zu aktivieren.
Nach ständiger BFG-Rechtsprechung sind binnen weniger Minuten nach einem 15-Minuten Gratisparkscheine aktivierte Parkscheine auch als unmittelbar aufeinander folgend anzusehen (siehe ; , RV/7501871/2014).
Gemäß § 4 Abs 1 Wiener Parkometergesetz – WrPG 2006 sind Handlungen oder Unter lassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Ver wal tungs übertretungen zu bestrafen.
Gemäß § 5 Verwaltungsstrafgesetz – VStG 1991 idgF ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Rechtliche Würdigung und Entscheidung:
Der Bf. hat behauptet, er habe seinen Standort ab 18:15 Uhr 3 x für jeweils 8 – 10 Minuten verlassen, sei zu dem selben Standort zurückgekehrt und habe dort 5 Minuten geparkt, bevor er diesen Standort wieder verlassen habe:
Fährt der Bf. mit dem Pkw ab 18:15 Uhr für 8 – 10 Minuten weg, würde der Pkw frühestens um 18:23 Uhr oder spätestens um 18:25 Uhr wieder auf dem Parkplatz stehen. Der Meldungsleger hat aber den Pkw um 18:20 Uhr auf dem Parkplatz stehend gesehen, was nur dadurch erklärbar ist, dass der Bf. nicht mit dem Pkw weggefahren ist.
Fährt der Bf. nach 5-minütiger Standzeit wieder weg, fährt er frühestens um 18:28 Uhr oder spätestens um 18:30 Uhr weg und der Pkw würde frühestens um 18:36 Uhr oder spätestens um 18:40 Uhr wieder auf dem Parkplatz stehen. Der Meldungsleger hat aber den Pkw um 18:34 Uhr auf dem Parkplatz stehend gesehen, was nur dadurch erklärbar ist, dass der Bf. nicht mit dem Pkw weggefahren ist.
Von dieser Sach- und Beweislage ausgehend ist zweifelsfrei als erwiesen anzusehen, dass der Bf. nicht weggefahren und zum selben Standort zurückgekehrt ist. Er hat daher dadurch, dass er Gratisparkscheine unmittelbar aufeinander folgend aktiviert hat, das objektive Tatbild der nicht entrichteten Parkometerabgabe erfüllt.
Es mag zwar technisch möglich sein, mehrere 15-Minuten Gratisparkscheine unmittelbar aufeinander folgend zu aktivieren. Jedoch ist nach § 9 Abs 2 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung nicht zulässig, mehr als einen 15-Minuten Gratisparkschein oder einen 15-Minuten Gratisparkschein und einen anderen Parkschein unmittelbar aufeinander folgend zu aktivieren. Wie Jedem, der ein Fahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abstellt, ist auch dem Bf. zumutbar, sich mit den einschlägigen Gebührenvorschriften vertraut zu machen und sich verordnungskonform zu verhalten. Er hat daher fahrlässig gehandelt, als er mehr als einen 15-Minuten Gratisparkschein unmittelbar aufeinander folgend aktiviert hat und hat deshalb auch das subjektive Tatbild der nicht entrichteten Parkometerabgabe erfüllt.
Wie bereits im Straferkenntnis geschehen, liegt auch dieser Entscheidung ausschließlich die Sach- und Beweislage am Tattag zugrunde. Das Bundesfinanzgericht verwendet daher nicht die für andere Tage im September behauptete Motivlage, um seine Entscheidung zu begründen.
Wie im Straferkenntnis bereits ausgeführt – sind die Grundlagen für die Strafbemessung die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat (§ 19 Abs 1 VStG), wobei nach § 19 Abs 2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe (soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen) gegeneinander abzuwägen sind und auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen ist. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
In der ggstl. Beschwerdesache schädigt die nicht entrichtete Parkometerabgabe das berechtigte Interesse des Magistrats der Stadt Wien, den Parkraum durch gebührenpflichtige Kurzparkzonen zu rationieren.
Bei der Strafbemessung hat der Magistrat der Stadt Wien berücksichtigt, dass der Bf. unbescholten ist und ist von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie fehlenden Sorgepflichten ausgegangen, da der Bf. dazu keine Angaben gemacht hat. Die verhängte Geldstrafe ist daher tat- und schuldangemessen.
Mündliche Verhandlung:
Das Bundesfinanzgericht sieht gemäß § 44 Abs 3 Z 3 VwGVG davon ab, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da in dieser Verwaltungsstrafsache eine EUR 500,00 übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, keine Verfahrenspartei eine mündliche Verhandlung beantragt hat und Entscheidungsgrundlage die vom Bf. offen gelegte Sachlage ist (vgl. ).
Kostenentscheidung:
Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG ist in jeder ein Straferkenntnis bestätigenden Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.
Über den Bf. ist eine Geldstrafe iHv EUR 60,00 verhängt worden. 20% von EUR 60,00 ergeben EUR 12,00. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind daher iHv EUR 12,00 festzusetzen.
Revision:
Gemäß § 25a Abs 4 VwGG iVm Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG sind Revisionen wegen Verletzung von subjektiven Rechten nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe in Höhe von bis zu EUR 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Straferkenntnis eine Geldstrafe in Höhe von bis zu EUR 400,00 verhängt wurde. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die ordentliche Revision und die außerordentliche Revision der Beschwerde führenden Partei sind daher unzulässig.
Die ordentliche Revision der belangten Behörde ist nicht zulässig, da primär die vom Bf. offen gelegte Sachlage im Beweisverfahren zu würdigen war und eine Beweiswürdigung nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens ist ().
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 18 Abs. 3 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 § 18 Abs. 4 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7500030.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
GAAAC-23606