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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.02.2020, RV/7500030/2020

Mehrere Gratisparkscheine wurden unmittelbar aufeinander folgend aktiviert

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7500030/2020-RS1
In , hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die mit der Amtssignatur des Magistrats der Stadt Wien elektronisch unterschriebenen Erledigungen keine absolut nichtigen Verwaltungsakte sind.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Ver­wal­tungsstrafsache, Bf., über die Be­schwer­de vom , ein­ge­bracht mit Mail vom , ge­gen das Straf­er­kennt­nis des Ma­gis­trats der Stadt Wien vom , zu­ge­stellt am , Ge­schäfts­zahl GZ, zu Recht er­kannt:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das ange­foch­te­ne Straferkenntnis wird bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerde führende Partei einen Kosten­bei­trag in Höhe von EUR 12,00 binnen zwei Wochen nach Zustellung dieser Entschei­dung zu zahlen. Gemäß § 25 Abs 2 BFGG wird der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungs­be­hör­de bestimmt.

III. Gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs 4 VwGG ist eine ordentliche Revisi­on der Beschwerde führenden Partei und der belangten Behörde nicht zulässig.

IV. Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 4 VwGG ist eine außerordentliche Revisi­on der Beschwerde führenden Partei nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Am erließ der Magistrat der Stadt Wien eine Anonymverfügung, worin er dem Beschwerdeführer (Bf.) vorwarf, er habe das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem in der Anonymverfügung näher bezeichneten behördlichen Kennzeichen am um 18:34 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt und habe mehrere elek­tro­ni­sche (Gratis-)Parkscheine mit einer fünfzehn Minuten nicht übersteigenden Ab­stell­zeit un­mittelbar aufeinander folgend aktiviert. Über den Bf. wurde eine Geldstrafe ver­hängt.

2. Da die in der Anonymverfügung verhängte Geldstrafe nicht bezahlt wurde, erließ der Ma­gistrat der Stadt Wien am eine Strafverfügung, worin er dem Bf. die be­reits in der Anonymverfügung vorgeworfene Tat vorwarf. Über den Bf. wurde eine Geld­stra­fe ver­hängt. Die Strafverfügung war innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung mit Ein­spruch anfechtbar und wurde mit Einspruch vom angefochten. Im Einspruch brachte der Bf. vor, er habe am ab 18:15 Uhr dreimal für jeweils 8 – 10 Mi­nu­ten seinen Standort in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone verlassen, sei zu einer U-Bahn­station gefahren um seine Fahrgäste abzuholen, sei zu seinem Standort in der ge­büh­renpflichtigen Kurzparkzone zurückgefahren, habe seinen Pkw abgestellt und ha­be seine Fahrgäste zu einem Lokal begleitet, was 5 Minuten gedauert habe.

3. Am wurde dem Bf. die in der Strafverfügung vorgeworfene Tat in einem Straf­erkenntnis vorgeworfen und ergänzend auf die um 18:11 Uhr und 18:28 Uhr ak­ti­vier­ten 15-Minuten Gratisparkscheine verwiesen. Über den Bf. wurde eine Geldstrafe in Hö­he von EUR 60,00 und sollte die Geldstrafe nicht einbringlich sein, eine Ersatzfrei­heits­stra­fe im Aus­maß von 14 Stunden ver­hängt. Gleich­zei­tig wur­den die Ver­fah­rens­kos­ten mit EUR 10,00 fest­ge­setzt.

Dem Straferkenntnis lag die Sach- und Beweislage zugrunde, dass der Bf. am um 18:11 Uhr, 18:28 Uhr und 18:45 Uhr 15-Mi­nu­ten Gratisparkscheine elektronisch ak­ti­viert hatte und der Meldungsleger um 18:20 Uhr und um 18:34 Uhr festgestellt hatte, dass um 18:20 Uhr der um 18:11 Uhr elektronisch gebuchte 15-Minuten Gratisparkschein und um 18:34 Uhr der um 18:28 Uhr elektronisch gebuchte 15-Minuten Gratisparkschein ak­ti­viert war. Da der Bf. die um 18:11 Uhr und 18: 28 Uhr aktivierten Gratisparkscheine un­mit­tel­bar auf­einander folgend aktiviert habe, wurde ihm vorgeworfen, dass er eine Ver­wal­tungs­übertretung nach § 9 Abs 2 Kon­trolleinrichtungen-Verordnung in Verbindung mit § 4 Abs 3 Parkometergesetz 2006 be­gan­gen hatte und er wurde für diese Ver­wal­tungs­über­tre­tung bestraft.

Das Straferkenntnis wurde am zugestellt, war innerhalb von 4 Wochen ab Zu­stel­lung mit Beschwerde anfechtbar und wurde mit der Beschwerde vom an­ge­foch­ten.

4. In der Beschwerde vom bestätigte der Bf., dass er um 18:11 Uhr und um 18:28 Uhr 15-Minuten Gratisparkscheine aktiviert hatte, da dies zulässig und technisch mög­lich sei. Sachverhaltsbezogen und das bisherige Vorbringen ergänzend brachte der Bf. vor, dass immer der gleiche Parkplatz frei war, obwohl er 3 x von diesem Parkplatz weg­fuhr.

5. Mit Beschluss vom , Geschäftszahl RV/7501044/2018, sprach das Bun­des­fi­nanz­gericht aus, dass die derzeit vom Magistrat der Stadt Wien verwendete Amtssig­na­tur nicht alle Daten eines Genehmigungsberechtigten und des die Genehmigungs­be­rech­ti­gung Erteilenden enthält, die deren eindeutige Identifizierung ermöglicht. Alle mit dieser Amts­signatur unterfertigten Erledigungen seien absolut nichtige Verwaltungsakte.

Diesen Beschluss hob der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung Geschäftszahl Ra 2019/16/0140, als inhaltlich rechtswidrig auf und sprach aus, dass die mit der Amtssignatur des Magistrats der Stadt Wien elektronisch unter­schrie­benen Erledigungen keine absolut nichtigen Verwaltungsakte sind.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Da der Verwaltungsgerichtshof den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7501044/2018, als inhaltlich rechtswidrig aufgehoben hat, ist über die Beschwerde vom im jetzt fortgesetzten Beschwerdeverfahren zu entscheiden.

Die Beschwerde vom ist frist- und formgerecht eingebracht worden. Über die Be­schwer­de ist daher „in der Sache“ zu entscheiden.

Beschwerdepunkt/e:

Der Bf. behauptet, die 15-Minuten Gratisparkscheine am , um 18:11 Uhr und um 18:28 Uhr zu aktivieren sei zulässig gewesen, da er seinen Parkplatz verlassen und immer zum selben freien Parkplatz zurückgekehrt sei.

Sach- und Beweislage:

Erstens ist der Entscheidung die nicht strittige Sachlage zugrunde zu legen, dass der Bf. am um 18:11 Uhr und um 18:28 Uhr 15-Mi­nu­ten Gra­tisparkscheine aktiviert hat.

Zweitens ist ihr die Sach- und Beweislage zugrunde zu legen, dass der Meldungsleger nach­weislich am um 18:20 Uhr und um 18:34 Uhr am Tatort anwesend ge­we­sen ist, da er das nur durch Lokalaugenschein feststellbare Kennzeichen des Pkws in sei­nen Com­puter eingeben musste, um feststellen zu können, dass um 18:20 Uhr der um 18:11 Uhr elektronisch gebuchte 15-Minuten Gratisparkschein und um 18:34 Uhr der um 18:28 Uhr elektronisch gebuchte 15-Minuten Gratisparkschein aktiviert war.

Rechtslage:

Gemäß § 9 Abs 2 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung ist nicht zulässig, 15-Mi­nu­ten Gratispark­schei­ne oder einen 15-Minuten Gratisparkschein und einen Parkschein ge­mäß Anlage I, II oder III un­mittelbar aufeinander folgend zu aktivieren.

Nach ständiger BFG-Rechtsprechung sind binnen weniger Minuten nach einem 15-Mi­nu­ten Gratisparkscheine aktivierte Parkscheine auch als unmittelbar aufeinander folgend an­zu­se­hen (siehe ; , RV/7501871/2014).

Gemäß § 4 Abs 1 Wiener Parkometergesetz – WrPG 2006 sind Handlungen oder Un­ter ­ las­sun­gen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Ver­ wal­ tungs­ über­tre­tungen zu bestrafen.

Gemäß § 5 Verwaltungsstrafgesetz – VStG 1991 idgF ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhan­deln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzu­neh­men, wenn zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Scha­dens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Ver­let­zung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Rechtliche Würdigung und Entscheidung:

Der Bf. hat behauptet, er habe seinen Standort ab 18:15 Uhr 3 x für jeweils 8 – 10 Minu­ten ver­lassen, sei zu dem selben Standort zurückgekehrt und habe dort 5 Minuten ge­parkt, be­vor er diesen Standort wieder verlassen habe:

Fährt der Bf. mit dem Pkw ab 18:15 Uhr für 8 – 10 Minuten weg, würde der Pkw frü­hes­tens um 18:23 Uhr oder spätestens um 18:25 Uhr wieder auf dem Parkplatz stehen. Der Mel­dungsleger hat aber den Pkw um 18:20 Uhr auf dem Parkplatz stehend gesehen, was nur dadurch erklärbar ist, dass der Bf. nicht mit dem Pkw weggefahren ist.

Fährt der Bf. nach 5-minütiger Standzeit wieder weg, fährt er frühestens um 18:28 Uhr oder spätestens um 18:30 Uhr weg und der Pkw würde frühestens um 18:36 Uhr oder spä­testens um 18:40 Uhr wieder auf dem Parkplatz stehen. Der Meldungsleger hat aber den Pkw um 18:34 Uhr auf dem Parkplatz stehend gesehen, was nur dadurch erklär­bar ist, dass der Bf. nicht mit dem Pkw weg­gefahren ist.

Von dieser Sach- und Beweislage ausgehend ist zweifelsfrei als erwiesen anzusehen, dass der Bf. nicht weggefahren und zum selben Standort zurückgekehrt ist. Er hat daher dadurch, dass er Gratisparkscheine unmittelbar aufeinander folgend aktiviert hat, das ob­jek­tive Tatbild der nicht entrichteten Parkometerabgabe erfüllt.

Es mag zwar technisch möglich sein, mehrere 15-Minuten Gratisparkscheine un­mit­tel­bar auf­ein­an­der folgend zu aktivieren. Jedoch ist nach § 9 Abs 2 Wiener Kontrollein­rich­tun­gen­ver­ord­nung nicht zulässig, mehr als einen 15-Minuten Gratisparkschein oder einen 15-Mi­nu­ten Gra­tis­park­schein und einen anderen Parkschein unmittelbar aufeinander fol­gend zu ak­ti­vie­ren. Wie Jedem, der ein Fahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurz­park­zo­ne ab­stellt, ist auch dem Bf. zumutbar, sich mit den einschlägigen Gebührenvorschriften ver­traut zu ma­chen und sich verordnungskonform zu verhalten. Er hat daher fahrlässig gehan­delt, als er mehr als einen 15-Minuten Gratisparkschein un­mit­tel­bar aufeinander fol­gend ak­ti­viert hat und hat deshalb auch das subjektive Tatbild der nicht entrichteten Parko­me­ter­ab­ga­be erfüllt.

Wie bereits im Straferkenntnis geschehen, liegt auch dieser Entscheidung ausschließ­lich die Sach- und Beweislage am Tattag zugrunde. Das Bundesfinanzgericht verwendet da­her nicht die für andere Tage im September behauptete Motivlage, um seine Ent­schei­dung zu begründen.

Wie im Straferkenntnis bereits ausgeführt – sind die Grundlagen für die Strafbemessung die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beein­träch­tigung durch die Tat (§ 19 Abs 1 VStG), wobei nach § 19 Abs 2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milde­rungs­gründe (soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen) gegeneinander ab­zu­wä­gen sind und auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen ist. Unter Be­rücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafge­setz­buch (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnis­se und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

In der ggstl. Beschwerdesache schädigt die nicht entrichtete Parkometerabgabe das be­rech­tigte Interesse des Magistrats der Stadt Wien, den Parkraum durch ge­büh­ren­pflich­ti­ge Kurz­parkzonen zu rationieren.

Bei der Strafbemessung hat der Magistrat der Stadt Wien berücksichtigt, dass der Bf. un­be­scholten ist und ist von durchschnittlichen Einkommens- und Ver­mö­gens­verhält­nis­sen sowie fehlenden Sorgepflichten ausgegangen, da der Bf. dazu keine Angaben ge­macht hat. Die ver­häng­te Geldstrafe ist daher tat- und schuld­an­ge­mes­sen.

Mündliche Verhandlung:

Das Bundesfinanzgericht sieht gemäß § 44 Abs 3 Z 3 VwGVG davon ab, eine mündli­che Ver­handlung durchzuführen, da in dieser Verwaltungsstrafsache eine EUR 500,00 über­stei­gende Geldstrafe nicht verhängt wurde, keine Verfahrenspartei eine mündliche Ver­hand­lung beantragt hat und Entscheidungsgrundlage die vom Bf. offen gelegte Sachla­ge ist (vgl. ).

Kostenentscheidung:

Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG ist in jeder ein Straferkenntnis bestätigenden Ent­schei­dung des Bundesfinanzgerichtes auszusprechen, dass der Bestrafte einen Bei­trag zu den Kos­ten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist für das Beschwerde­ver­fah­ren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.

Über den Bf. ist eine Geldstrafe iHv EUR 60,00 verhängt worden. 20% von EUR 60,00 er­geben EUR 12,00. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind daher iHv EUR 12,00 fest­zu­setzen.

Revision:

Gemäß § 25a Abs 4 VwGG iVm Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG sind Revisionen wegen Ver­let­zung von subjektiven Rechten nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geld­strafe in Höhe von bis zu EUR 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durf­te und im Straferkenntnis eine Geldstrafe in Höhe von bis zu EUR 400,00 verhängt wur­de. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die ordentliche Revision und die außer­ordentliche Revision der Be­schwerde führenden Partei sind daher unzulässig.

Die ordentliche Revision der belangten Behörde ist nicht zulässig, da primär die vom Bf. of­fen gelegte Sachlage im Beweisverfahren zu würdigen war und eine Beweiswürdi­gung nicht Gegenstand eines Re­vi­si­ons­ver­fah­rens ist ().

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7500030.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
GAAAC-23606