Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.02.2020, RV/7104693/2018

Berufsausbildung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache K., über die Beschwerde vom  gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Familienbeihilfe für D., für den Zeitraum Dezember 2013 bis Juni 2015 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge  wird abgeändert.
Der Rückforderungsbetrag beträgt:
FB                                                € 2.470,50
KG                                               €    992,80

gesamt                                        € 3.463,30

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang
In Beantwortung des Überprüfungsschreibens des Anspruches auf Familienbeihilfe (FB) gab die Beschwerdeführerin (Bf) am dem Finanzamt bekannt, dass ihr Sohn D., am Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und Wirtschaftskundlichen Bundesrealgymnasium Wien (kurz Abendgymnasium) im WS 2015/16 pausieren würde, um gegebenenfalls die Studienberechtigungsprüfung abzulegen bzw. sich darauf vorzubereiten zu können.
Das Finanzamt forderte in der Folge die Bf auf, das Jahreszeugnis für das SS 2015 bzw. den Studienberechtigungsbescheid vorzulegen (siehe dazu Ergänzungsaufträge der Finanzbehörde vom , , ), um feststellen zu können, ob der Sohn der Bf die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig absolviert hatte.
Mit Schreiben vom ersuchte die Bf um Verlängerung der Abgabefrist für ergänzende Unterlagen.

Mit Bescheid vom wurde die FB und die Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum 12/13-06/15 in Höhe von € 3.841,90 (FB 2.732,30, KG € 1.109,60) von der Bf mit der Begründung rückgefordert, dass ein Familienbeihilfenanspruch nur dann bestände, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werden würde und das Kind innerhalb eines angemessenen Zeitraumes zu den Prüfungsterminen anträte.

Am brachte die Bf Beschwerde ein und führte dazu aus, dass sich der Sohn für das WS 2015/16 deshalb abgemeldet hätte, um sich ausbildungsmäßig umorientieren zu können, ohne dabei die Möglichkeit zu verlieren, gegebenenfalls wieder an die Schule zurückzukehren und dort die Matura zu machen. Der Grund für seine Umorientierung und der Suche nach alternativen (kürzeren) Ausbildungsmöglichkeiten (zB Berufsausbildung mit Matura) wäre die schlechte finanzielle Situation innerhalb der Familie gewesen. Der Sohn hätte sich bei mehreren Ausbildungsstellen beworben und bereits das vierte bzw. dritte Level bei der Auswahl erreicht.

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt die Bf um Vorlage von Schulbesuchsbestätigungen der Schule und Zeugnisse ihres Sohnes bzw. einen Nachweis über von ihm abgelegte Prüfungen ab Dezember 2013 bzw. um Vorlage aktueller Ausbildungsverträge.

In der Folge legte die Bf Zeugniskopien betreffend die Abendschule für das SS 2013, WS 2013/14, SS 2014, Schulbesuchsbestätigungen der Abendschule für WS 2014/15, SS 2015 sowie den Ausbildungsvertrag über ein Verwaltungspraktikum D. für den Zeitraum bis vor.

In Beantwortung des Ersuchens des Finanzamtes um Beistand gemäß § 158 BAO iVm Art 22 B-VG übermittelte die Abendschule eine Zeugniskopie für das WS 2014/15 und gab bekannt, dass sich der Sohn der Bf für das SS 2015 freiwillig von der Schule abgemeldet hätte und deshalb für das SS 2015 kein Zeugnis ausgestellt worden wäre.

II. Sachverhalt
Der Sohn der Bf ist im November 1995 geboren und ist seit November 2013 volljährig.

Er besuchte bis einschließlich Mai 2015 die Abendschule Wien (freiwillige Abmeldung).

Zeugniskopien für das WS 2013/14, SS 2014 und WS 2014/15 wurden vorgelegt und belegen folgende Leistungen :

WS 2013/14      17 Wochenstunden
SS 2014            10 Wochenstunden
WS 2014/15      keine Wochenstunden.

Der Sohn der Bf blieb ihm WS 2014/15 in allen von ihm inskribierten Fächern unbeurteilt.

Für das WS 2014/15 und SS 2015 sind nur Schulbesuchsbestätigungen der Abendschule aktenkundig.

III. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes bzw. der Bf sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

IV. Rechtsausführungen
§ 2 Abs. 1 lit. a und b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF (FLAG) lauten:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, 
a) für minderjährige Kinder
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 idgF steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 FB gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu.

Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 26 Abs. 2 können zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

§ 10 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idgF  lautet:
Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

V. Erwägungen

Zunächst ist festzuhalten:
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes (BFG) vom wurde der streitgegenständliche Fall, der ursprünglich der Gerichtsabteilung 7005 des BFG zugeteilt war, nunmehr der Gerichtsabteilung 7019 des BFG zugeteilt. Damit bestand für die nun zuständige Gerichtsabteilung 7019 des BFG erst ab (Inkrafttretung der Umverteilung) die Möglichkeit, das streitgegenständliche Verfahren abzuführen.

Für Minderjährige liegt allgemein ein Anspruch auf FB vor.
Für den Anspruch auf FB für Volljährige müssen hingegen gewisse Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein. Nach den gesetzlichen Bestimmungen steht für volljährige Kinder FB dann zu, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet wird, wenn ihm durch den Schulbesuch die Ausübung seines Berufes nicht möglich ist.

Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufs­tätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Zur Berufsausbildung gehört aber zweifellos die allgemein bildende oder die berufsbildende Schulausbildung, wie im Beschwerdefall der Besuch der Abendschule (siehe Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 35; ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sowie des Unabhängigen Finanzsenates (UFS) bzw. des Bundesfinanzgerichtes (BFG) reicht allerdings der laufende Besuch einer Schule für sich allein noch nicht aus, um eine Berufsausbildung im genannten Sinne annehmen zu können. Vielmehr muss dazu noch das ernsthafte und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg kommen Ein solches wird dann anzunehmen sein, wenn das Kind die erforderlichen Prüfungen ablegen will und sich darauf tatsächlich zielstrebig vorbereitet. Die Vorbereitung auf die Prüfung(en) muss die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (wöchentlicher Zeitaufwand von mindestens 30 Wochenstunden für Kurse und Vorbereitungen) und das Kind muss zu den festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antreten; dabei kommt es nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen auch sofort tatsächlich gelingt (siehe Csaszar/Lenneis/Wanke, a.a.O., § 2 Rz 35, , , RV/2823-W/11 und die dort zitierte VwGH-Judikatur).

Für den gegenständlichen Fall bedeuten die obigen Ausführungen:

Aufgrund der vorliegenden Zeugniskopie für das WS 2013/14 über erbrachte Leistungen im Ausmaß von 17 Wochenstunden geht das Bundesfinanzgericht (BFG) davon aus, dass sich der Sohn der Bf bis einschließlich Jänner 2014 in einer Berufsausbildung befand.
Der Beschwerde betreffend die Monate Dezember 2013 und Jänner 2014 kann daher stattgegeben werden.

Für das SS 2014 weist die aktenkundige Zeugniskopie erbrachte Leistungen von lediglich 10 Wochenstunden aus, was für eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 FLAG zu wenig ist.
Für das WS 2014/15 und SS 2015 liegen Bestätigungen der Abendschule darüber vor, dass der Sohn der Bf im WS 2014/15 9 Module im Ausmaß von 22 Wochenstunden und im SS 2015 3 Module im Ausmaß von 8 Wochenstunden inskribiert hatte. Die Zeugniskopie für das WS 2014/15 zeigt jedoch, dass die von D. inskribierten Module nicht beurteilt wurden, d.h. der zu beurteilenden Lehrkraft lagen nicht ausreichend Leistungen für eine sichere Beurteilung vor. Ein Nachweis über abgelegte Kurse liegt damit nicht vor.
Für das SS 2015 wurde aufgrund der freiwilligen Abmeldung im Mai 2015 kein Zeugnis ausgestellt.
Das Vorbringen der Bf, der Sohn hätte sich im SS 2015 ernsthaft vorbereitet, die Studienberechtigungsprüfung abzulegen, muss deshalb ins Leere gehen, weil er nicht zur Prüfung angetreten war.
Damit muss davon ausgegangen werden, dass mit SS 2014 kein ernstliches und zielstrebiges, nach außen erkennbares Bemühen durch den Sohn der Bf um einen Ausbildungserfolg vorlag.
Daher muss die Beschwerde ab dem SS 2014, somit für die Monate ab Februar 2014 bis Juni 2015 als unbegründet abgewiesen werden.

Bezüglich einer Rückforderung einer bereits gewährten Familienbeihilfe besteht nach § 26 Abs. 1 FLAG für die Abgabenbehörde kein Vollzugsspielraum. Nach der genannten Gesetzesstelle hat vielmehr derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung dargetan hat, normiert § 26 Abs. 1 FLAG eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten (wie z.B. Verschulden, Gutgläubigkeit etc.) unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. z.B. und ). Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof (vgl. z.B. ) der Durchsetzung der Rechtsordnung grundsätzlich den Vorrang gegenüber dem Grundsatz von Treu und Glauben eingeräumt. Im gegenständlichen Fall ist die Regelung des § 2 Abs. 1 lit b FLAG klar und eindeutig, wodurch außer Streit steht, dass der Bf im hier relevanten Zeitraum für ihren Sohn kein Beihilfenanspruch zukommt. Die hier anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen des § 26 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 lit  b FLAG sind klar und eindeutig, dass sie einer ihrem jeweiligen Wortlaut abweichenden Auslegung nicht zugänglich sind. Die von der Bf getätigten Ausführungen im Schriftsatz vom vermögen daher der Beschwerde im gegenständlichen Verfahren nicht zum Durchbruch zu verhelfen.

Der Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom war insgesamt teilweise stattzugeben.

Was das weitere Vorbringen der Bf in den Schriftsätzen vom und betrifft, so darf darauf hingewiesen werden, dass eine etwaige Nachsichtsmaßnahme nach § 236 BAO nicht Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens ist, sodass diesbezüglich vom BFG auch keine weiteren Beurteilungen getroffen werden können.
Die Frage einer möglichen Unbilligkeit bei der Abstattung der zu Unrecht bezogenen Beträge wäre vielmehr in einem gesonderten Verfahren beim Finanzamt (§ 236 BAO) zu prüfen.

VI. Zulässigkeit der Revision
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da die Rechtsfolge sich aus dem Gesetz ergibt und die zu beurteilenden Tatfragen einer Revision nicht zugänglich sind.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Abendschule
Rückforderung
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104693.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at