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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.01.2020, RV/7103503/2018

Tatsächliche Kosten der Diätverpflegung für "Essen auf Rädern" als außergewöhnliche Belastung absetzbar?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf als Erbe nach AB, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt C vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 beantragte der Beschwerdeführer (Bf) als Erbe nach seiner Mutter AB ua die Berücksichtigung eines Behinderten­freibetrages, einer Pauschale für Diätverpflegung und von tatsächlichen Kosten auf Grund einer Behinderung in Höhe von 6.309,48 Euro.

Über Aufforderung des Finanzamtes übermittelte der Bf eine Aufstellung der tatsächlichen Kosten der Behinderung. Es handelt sich dabei um Pflegeaufwand, Caritas Notruf, Fahrtkosten, „Essen auf Rädern“ und Medikamente. Für „Essen auf Rädern“ setzte der Bf einen Betrag von 3.348,52 Euro an, wovon er nach Abzug einer Haushaltsersparnis von 1.778,20 Euro (340 Tage x 5,23 Euro) ein Betrag von 1.570,32 Euro geltend machte.

Im Einkommensteuerbescheid 2016 vom wurden lediglich 4.664,16 Euro als tatsächliche Kosten der Behinderung in Abzug gebracht. Begründend führte das Finanzamt aus, dass die tatsächlichen Kosten um das steuerfreie Pflegegeld gekürzt worden seien. Der Behindertenfreibetrag könne bei Bezug eines Pflegegeldes nicht berücksichtigt werden. Auch die Aufwendungen für „Essen auf Rädern“ seien nicht absetzbar. Neben den tatsächlichen Kosten der Behinderung seien keine weiteren behinderungsbedingten Kosten in Abzug zu bringen.

Der Bf machte in der Beschwerde von wiederum die Kosten für „Essen auf Rädern“ geltend. Er beantragte an Stelle der pauschalierten Kosten für Diätverpflegung von 840 Euro den Abzug der tatsächlichen Kosten der Diätverpflegung von gesamt 3.348,52 Euro im Rahmen der Kennzahl 439. Sämtliche Belege habe er bereits dem Finanzamt übermittelt.

Nach einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus und danach in einem Pflegeheim im Jahr 2015 habe seine Mutter nur unter Inanspruchnahme einer Betreuerin und „Essen auf Rädern“ in ihre eigene Wohnung zurückkehren können. Auch ein Notfalltelefon sei installiert worden. „Essen auf Rädern“ habe ein Essen pro Tag als unbedingt erforderliche Diätverpflegung geliefert. Die Zubereitung der Speisen sei nach entsprechend strengen Kriterien in der Küche des Landesklinikums erfolgt. Die Inanspruchnahme der Dienste von „Essen auf Rädern“ sei an das Bestehen von zumindest Pflegestufe 1 und an den Wohnsitz in X gebunden und sei daher nicht für jedermann zugänglich. Die langjährige Behinderung im Ausmaß von 25% aufgrund der Zuckerkrankheit sei beim Finanzamt aktenkundig, bisher seien die pauschalierten Kosten für Diätverpflegung abgesetzt worden.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass die Kosten für die eigene Verpflegung nicht absetzbar seien, weil die Einnahme von Verpflegung nicht außergewöhnlich sei. Die Kosten für „Essen auf Rädern“ seien nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung.

Im Vorlageantrag vom wandte der Bf ein, die Meinung der Behörde, dass die Einnahme von (Diät)Verpflegung kein außergewöhnlicher Vorgang wäre, sei nicht nachvollziehbar. Aufgrund der amtsärztlichen Bestätigung vom stehe eine 25%ige Erwerbsminderung wegen Diabetes mellitus und das Erfordernis einer strengen Diätverpflegung fest. Die Abgabenbehörde habe auch seit 30 Jahren die Pauschale für Diätverpflegung anerkannt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum an Stelle der pauschalierten Kosten nun die tatsachlichen nachgewiesenen Kosten der Diätverpflegung (Mittagessen) aus der Küche des Landesklinikums nicht zu berücksichtigen seien. Die Begründung der Beschwerdevorentscheidung gehe am dargestellten Sachverhalt vorbei. Die Beschwerdebegründung sei in keinem einzigen Punkt ausführlich behandelt und schlüssig widerlegt worden.

Dem Vorlageantrag sind einige Beispiele der als „Diabeteskost“ an die Mutter gelieferten Speisen und eine amtliche Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft (Gesundheitsamt) vom über die 25%ige Erwerbsminderung wegen Diabetes mellitus beigelegt.

Das Finanzamt legte die Beschwerde samt den Akten des Verfahrens dem Bundesfinanzgericht auf elektronischen Wege vor. Im Vorlagebericht vom führte die Abgabenbehörde nach Darstellung des Sachverhalts und der Rechtslage aus, dass Kosten der eigenen Verpflegung als typische Kosten der Lebensführung durch die tarifliche Steuerfreistellung des pauschalen Existenzminimums in § 33 Abs. 1 EStG 1988 berücksichtigt werden. Auch wenn die Verpflegung durch „Essen auf Rädern“ wegen Krankheit und Behinderung, die eine Selbstversorgung nicht mehr erlaube, zwangsläufig erfolge, so mangle es dennoch am Merkmal der Außergewöhnlichkeit. Es sei keineswegs außergewöhnlich, Mahlzeiten außerhalb des Hauses oder außer Haus zubereitete Speisen in der eigenen Wohnung einzunehmen. Im vorliegenden Fall seien durch die im Landesklinikum zubereiteten Speisen keine außergewöhnlichen behinderungsbedingten Mehraufwendungen entstanden. Es liege daher keine außergewöhnliche Belastung vor.

Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung seien bei Zuckerkrankheit als Pauschale in Höhe von 70 Euro monatlich zu berücksichtigen. Werden anstelle der Pauschbeträge die tatsächlichen Kosten geltend gemacht, wie im vorliegenden Fall, seien sämtliche Mehrkosten aufgrund Behinderung nachzuweisen. Allfällige Mehraufwendungen für Krankendiät­verpflegung seien nur in tatsächlich nachgewiesener Höhe zu berücksichtigen. Ein expliziter Mehraufwand aufgrund Krankendiätverpflegung (Essen auf Rädern/Diabeteskost) sei nicht ersichtlich und vom Bf nicht nachgewiesen. Im Serviceportal würden im Rahmen von „Essen auf Rädern“ mehrere Diätverpflegungen angeboten, ein höherer Kostenbeitrag sei dafür nicht ausgewiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Die Mutter des Bf hatte laut Bescheid des Gesundheitsamtes vom einen Grad der Behinderung von 25% wegen Diabetes Mellitus. Sie bezog im Jahr 2016 Pflegegeld für Pflegestufe 2. Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2016 berücksichtigte das Finanzamt neben den tatsächlichen Kosten für eine Heimhilfe und anderen Krankheitskosten nach Abzug des Pflegegeldes die Pauschale für Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung (Diabetes) von 840 Euro, nicht aber die geltend gemachten tatsächlichen Kosten der Diätverpflegung für „Essen auf Rädern“ von 3.348,52 Euro.

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Belastung ist nach § 34 Abs 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht dem Steuerpflichtigen ein Freibetrag zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen durch eine körperliche oder geistige Behinderung hat und er keine pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält. Die Höhe der Freibeträge ist in § 35 Abs. 3 EStG 1988 näher geregelt.

Anstelle des Behindertenfreibetrages können nach § 35 Abs. 5 EStG 1988 auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.

Gemäß § 2 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen sind als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten u.a. bei Zuckerkrankheit 70 Euro pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Diese Mehraufwendungen sind gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

Wie § 35 Abs. 1 EStG 1988 zu entnehmen ist, steht ein Freibetrag nicht zu, wenn pflegebedingte Geldleistungen (wie das Pflegegeld) bezogen werden. Die Mutter des Bf hat unstrittig im Jahr 2016 Pflegegeld bezogen, der geltend gemachte Behindertenfreibetrag kann im konkreten Fall zweifelsfrei nicht abgezogen werden.

An Stelle des Freibetrages können aber - wie oben dargelegt - die tatsächlichen (nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten) Kosten der Behinderung geltend gemacht werden, wobei allerdings nur die das Pflegegeld übersteigenden Aufwendungen abzugsfähig sind.

Es sind dann sämtliche Kosten, und zwar aus allen Behinderungen, nachzuweisen bzw glaubhaft zu machen (auch Aufwendungen iSd §§ 2 bis 4 der Verordnung, Diätverpflegung allerdings auch durch Schätzung entsprechend § 2 der Verordnung). Darüber hinaus bedarf es eines unmittelbaren, ursächlichen Zusammenhangs der geltend gemachten Kosten mit der Behinderung, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu Grunde liegt (siehe JAKOM, EStG 2019, § 35 Tz 13, m.w.N.)

Begünstigungsfähig als außergewöhnliche Belastung ist grundsätzlich nur der durch die Behinderung bedingte Mehraufwand, somit jener Aufwand, der über die typischen Kosten der Lebensführung hinausgeht ().

Im vorliegenden Fall bestand ein Grad der Behinderung von 25% aufgrund von Diabetes. Der Bf machte die Aufwendungen seiner Mutter für die Lieferung eines Mittagessens pro Tag geltend. Dabei ist zu beachten, dass nicht Diätverpflegung an sich einer Absetzbarkeit zugänglich ist, sondern gemäß § 2 der Verordnung für außergewöhnliche Belastungen nur der Mehraufwand wegen Krankendiätverpflegung.

Die verrechneten Kosten für das von der Mutter über das Sozialservice in X in Anspruch genommene „Essen auf Rädern“ sind nach dem Einkommen der Essensbezieher gestaffelt. Ein eigener Tarif für eine Diätverpflegung ist hingegen nicht ausgewiesen (siehe die Informationen auf www.X.at/de/service/essen-auf raedern). Einen durch Zuckerkrankheit bedingten Mehraufwand für gelieferte Diätkost hat der Bf daher nicht nachgewiesen.

Darauf wurde bereits im Vorlagebericht des Finanzamtes vom hingewiesen. Es wäre Sache des Bf gewesen, diese Feststellungen zu widerlegen.

Soweit man davon ausgeht, dass es der Mutter aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit im Jahr 2016 nicht mehr möglich war, selbst zu kochen, hat der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus festgehalten, dass es keineswegs außergewöhnlich sei, außer Haus zubereitete Speisen zu konsumieren (). Eine Außergewöhnlichkeit könnte allenfalls bei Beziehern einer kleinen Pension festzustellen sein (). Dass seine Mutter eine derartig geringe Pension bezogen hat, die die Zustellung von Mahlzeiten außergewöhnlich erscheinen lässt, hat der Bf nicht behauptet.

Abschließend ist festzuhalten, dass der Bf einen tatsächlichen, außergewöhnlichen Verpflegungsmehraufwand, der über die ohnehin vom Finanzamt anerkannten Mehrkosten in Höhe des in der Verordnung genannten Betrages von 840 Euro hinausgeht, nicht nachgewiesen hat.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im vorliegenden Fall waren im Wesentlichen Fragen des Sachverhaltes zu beurteilen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103503.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at