Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.02.2020, RV/5100427/2019

Kosten der doppelten Haushaltsführung, Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Ri über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers Bf  gegen den Bescheid des Finanzamtes betreffend Einkommensteuer 2017vom zu Recht:  

I)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang

Mit der am beim Finanzamt eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2017 machte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) u.a. Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von € 3.672,00 und Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von € 2.880,00 als Werbungskosten gelten.

Das Finanzamt erlies den Einkommensteuerbescheid für 2017 mit Datum vom , wobei die geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung nicht als Werbungskosten anerkannt wurden.

Mit Schreiben vom ersuchte der BF um Verlängerung der Beschwerdefrist um einen Monat. Mit Eingabe vom erhob der BF Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017. Als Begründung wurde vorgebracht, dass er jede Woche alleine mit dem eigenen Pkw zwischen seinem Familienwohnsitz in Ungarn und seinem Wohnsitz in Österreich hin und her gefahren sei. Der Beschäftigungsort sei vom Familienwohnsitz zu weit entfernt um täglich nach Hause zu fahren. Er lebe seit mit ME in einer Lebensgemeinschaft. Er habe drei Kinder und die Lebensgefährtin leide an einer Zuckerkrankheit. Das Beibehalten des bisherigen Wohnsitzes sei damit begründet, dass ein Verkauf des Eigenheimes zu erheblichen Vermögenseinbußen führen und nicht die Kosten für ein neues Heim am Arbeitsort decken würde. Die Verlegung des Familienwohnsitzes in die Nähe des Arbeitsortes sei daher nicht zumutbar. Vorgelegt wurden u.a. Geburtsurkunden der Kinder, eine Familienstandsbescheinigung und eine Ansässigkeitsbestätigung der ungarischen Steuerbehörde betreffend ME.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der BF vom Finanzamt aufgefordert, die Kosten der doppelten Haushaltsführung und der Familienheimfahrten nachzuweisen.

Mit der Vorhaltsbeantwortung vom teilte der BF mit, dass er jede Woche allein mit seinem eigenen Pkw zwischen seinem Familienwohnsitz in Ungarn und seinem Quartier am Arbeitsort hin und her gefahren sei. Vorgelegt wurden u.a. eine Excel-Liste betreffend der Familienheimfahrten 2017, diverse Tankrechnungen und eine Vermieterbestätigung betreffend der für das Quartier geleisteten Zahlungen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall die Beibehaltung des Familienwohnsitzes privat veranlasst sei, da das Einkommen der Gattin unter € 6.000,00 betrage und die Kinder bereits volljährig seien. Die Kosten für einen zweiten Haushalt am Beschäftigungsort könnten daher nur vorübergehend geltend gemacht werden, wobei ein Zeitraum von zwei Jahren als ausreichend erscheine. Da der BF bereits seit in Österreich beschäftigt sei, hätten die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht berücksichtigt werden können.

Mit Anbringen vom stellte der BF einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Ergänzend wurde vorgebracht, dass er ein eigenes Haus in Ungarn besitze und das Beibehalten des bisherigen Wohnsitzes auch damit begründet sei, dass der Verkauf des Eigenheimes zu erheblichen Vermögenseinbußen führen und nicht die Kosten für ein neues Haus am Arbeitsort decken würde.

Die Beschwerde wurde vom Finanzamt am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Mit Beschluss vom wurde der BF aufgefordert, anhand geeigneter Unterlagen darzustellen, dass ihm durch eine Verlegung des Familienwohnsitzes ein entsprechender Vermögensnachteil entstehen würde bzw. dass andere Gründe (in der Beschwerde wurde eine Zuckerkrankheit der Lebensgefährtin angeführt) einer Verlegung des Familienwohnsitzes in den Nahbereich des Arbeitsortes entgegenstehen würden.

Mit Schreiben vom wurde vom BF eine Bescheinigung über den Wert der Immobilien in Ungarn vorgelegt.

                       

Über die Beschwerde wurde erwogen:

2. Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Der BF erzielte im Jahr 2017 ausschließlich Einkünfte von einem österreichischen Arbeitgeber. Der BF ist in Österreich seit mit Nebenwohnsitz gemeldet, seit ist sein Arbeitgeber Unterkunftgeber, wobei er im Jahr 2017 einen Betrag von € 2.160,00 für das zur Verfügung gestellte Quartier bezahlt hat.

Der Familienwohnsitz des BF befindet sich in Ungarn in C, wo er seit in einer Lebensgemeinschaft lebt. Das Einkommen seiner Partnerin im Jahr 2017 lag laut vorgelegter Bestätigung der ungarischen Steuerbehörde unter € 6.000,00.

Der Familienwohnsitz des BF in Ungarn liegt von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht möglich ist. Umstände, die eine Verlegung des Wohnsitzes nach Österreich unzumutbar machen würden, wurden vom BF nicht nachgewiesen.

3. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des BF sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes und ist hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes strittig.

Zu prüfen ist, nachdem die Lebensgefährtin keine nennenswerten steuerpflichtigen Einkünfte (unter € 6.000,00) am Familienwohnort erzielt, ob die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes privat veranlasst ist.

Zutreffend ist, dass nach der Rechtsprechung des VwGH (zB ; ) die Verlegung des Wohnsitzes aus einer strukturschwachen Region in ein Ballungszentrum unzumutbar sein kann. Hierbei geht es in aller Regel um Fälle, in denen sich der Familienwohnsitz in einer Kleingemeinde befindet und eine Landwirtschaft in einem zumindest zur Selbstversorgung geeigneten Umfang betrieben wird (zB , mwN.). 

Der BF hat nur vorgebracht, dass bei einer Verlegung des Wohnsitzes der Verkauf des Eigenheims in Ungarn zu erheblichen Vermögenseinbußen führen würde, da die Kosten für ein neues Haus am Arbeitsort nicht gedeckt wären, und legte diesbezüglich auch eine Bescheinigung hinsichtlich des geringen Wertes der ungarischen Immobilie vor.

Neben den vom BF aufgezeigten wirtschaftlichen Faktoren lagen keine anderen Gründe vor, die einer Verlegung des Familienwohnsitzes in den Nahebereich der Arbeitsstätte entgegengestanden wären bzw. auf Grund derer eine Verlegung nur unter schwierigsten Bedingungen erfolgen hätte können, sodass das Bundesfinanzgericht in Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse davon ausgeht, dass das Beibehalten des Wohnsitzes in Ungarn privat veranlasst ist bzw. ihm eine Verlegung des Wohnsitzes zumutbar gewesen wäre.

4. Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Gemäß § 20 Abs 1 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte ua. die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge (Z 1) sowie die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-) ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten ), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d leg. cit. angeführten Betrag übersteigen (Z. 2 lit. e), nicht abgesetzt werden.

Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr)Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung , wie z.B. die Kosten für Familienheimfahrten nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist; ist die Wahl oder Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort hingegen auf der privaten Sphäre zuzuordnende Gründe zurückzuführen, sind die daraus entstandenen Aufwendungen nicht abzugsfähig (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/15/0083, und die dort zitierte Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung der mit Familienheimfahrten verbundenen Aufwendungen wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. etwa , ).

Ein für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechender Grund kann sein, dass der Verkauf des Einfamilienhauses bzw der Wohnung am Familienwohnsitz aufgrund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen würde und die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort aus dem Erlös nicht möglich wäre (s aber -K/09; ; , RV/1101108/2015).

Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen und nachzuweisen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht, die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursachen dabei aber auch in der privaten Lebensführung haben (). Die Frage der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ist auch für jedes Veranlagungsjahr gesondert zu beurteilen. Die Frage, ob bzw. wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines (Familien-)Wohnsitzes zumutbar ist, kann nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraums abhängig gemacht werden; vielmehr sind die Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen, wonach dem Steuerpflichtigen in aller Regel nach einer gewissen Zeit zumutbar ist, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab, wobei die Verwaltungspraxis bei einem verheirateten, in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebenden Steuerpflichtigen von einem Zeitraum von zwei Jahren ausgeht. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchem Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird.

Da im Rahmen der Beweiswürdigung festgestellt wurde, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn privat veranlasst ist, liegen die Voraussetzungen für eine dauernde doppelte Haushaltsführung nicht vor und die geltend gemachten Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung bzw. für Familienheimfahrten fallen unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 EStG 1988 (Zuordnung zur privaten Lebenssphäre). Eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, da der BF einerseits seit 2013 in Österreich beschäftigt ist und andererseits die Lebensgemeinschaft seit März 2015 besteht.

4.1. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).  

Auf Grund der oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz und sind auch durch die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Linz, am

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