Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2020, RV/5101613/2014

Eigenanspruch auf erhöhte Familienbeihilfe während eines Maßnahmenvollzugs (Rechtslage vor der Änderung des FLAG 1967 durch BGBl. I Nr. 77/2018)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch den Erwachsenenvertreter V., hinsichtlich der Beschwerde vom  gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom , VNR: 0000, über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) im Zeitraum Jänner 2013 bis Juli 2013 im Ausmaß von insgesamt 2.445,80 Euro zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog aufgrund eines Gutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, mit dem ihm eine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt worden war, im hier maßgeblichen Zeitraum Jänner 2013 bis Juli 2013 erhöhte Familienbeihilfe.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt die im genannten Zeitraum bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge zurück. Dies mit der Begründung, dass dem Finanzamt ein ärztliches Gutachten des Bundessozialamtes vorliege, das eine dauernde Erwerbsunfähigkeit mit Eintritt vor dem 21. Lebensjahr bescheinige. Eine Haushaltszugehörigkeit zum Haushalt der Eltern bestehe nicht, ein eigener Haushalt bestehe laut Zentralem Melderegister auch nicht.
Der Bf. befinde sich laut Auskunft der Justizanstalt FA vom im Maßnahmenvollzug im ***.
Nach STPO, StGB, sowie § 31 StVG seien Haftanstalten verpflichtet, für den Unterhalt von Gefangenen zu sorgen. Es handle sich dabei um die Leistung eines gesetzlichen Unterhaltes.
Vor allem beim sogenannten Eigenanspruch (§ 6 Abs. 5 FLAG 1967) von Kindern setze der Anspruch auf Familienbeihilfe voraus, dass nicht die öffentliche Hand überwiegend und grundsätzlich für den Unterhalt des Kindes sorge.
Im vorliegenden Fall sei ein Anspruch auf Familienbeihilfe sowohl nach § 2 FLAG, als auch nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 für den obigen Zeitraum ausgeschlossen, da die jeweilige Haftanstalt (Untersuchungshaft und Strafhaft) den gesetzlichen und überwiegenden Unterhalt geleistet habe und in der Zeit davor weder ein eigener Haushalt bestanden habe, noch Haushaltszugehörigkeit bei den Eltern vorgelegen sei.
Auf das VwGH-Erkenntnis vom , 2011/16/0173 werde hingewiesen.

Das Finanzamt wies in der Folge die dagegen erhobene Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Nach Darstellung der Rechtslage führte es zur Begründung aus: Bei Einweisung durch das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches erfolge die Unterbringung (nach § 164 Abs. 1 StVG) eindeutig in einer Anstalt, die für den Unterhalt des Untergebrachten zu sorgen habe. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde habe die Anstalt somit auch bei der Unterbringung des Bf. nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches für den Unterhalt des Bf. zu sorgen.
Die Familienbeihilfe wolle den Unterhaltsbelasteten entlasten und den Mindestunterhalt des Kindes sichern (vgl. , mwN). Im Beschwerdefall sei der typischerweise anfallende Unterhalt von der Bestimmung des § 31 Abs. 1 StVG erfasst (vgl. zur Abgrenzung von Untersuchungshäftlingen etwa den ). Die für einen Gefangenen in einer Strafhaft verbleibenden Restbedürfnisse, auch wenn sie vom Bf. in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gedeckt worden sein mögen, würden daran nichts ändern.
Der Verwaltungsgerichtshof knüpfe daher in seinem Erkenntnis vom , 2011/16/0173, an seine Rechtsprechung zu Kindern an, deren typischer Unterhalt durch die öffentliche Hand gedeckt sei (vgl. die erwähnten hg. Erkenntnisse vom und vom ), und nehme teleologischer Reduktion des § 2 Abs. 1 lit. A FLAG 1967 an, dass bei Sachverhaltsgestaltungen wie im Beschwerdefall kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben sei. Auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 brauche dabei nicht mehr eingegangen werden.

Mit dem fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag vom gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO). Der Bf. bringt darin u.a. ergänzend vor:
Strittig sei, ob die Unterbringung in der forensischen Abteilung einem Strafvollzug gleichgestellt sei und ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.
Die Familienbeihilfe habe der Bf. bezogen. Zu prüfen sei auch, ob eine Entscheidung vom durch den Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall anzuwenden sei und ob diese Entscheidung rückwirkend für die Gewährung von Familienbeihilfe angewendet werden könne. Vom Finanzamt sei die Richtigkeit mit Gutachtern und jährlichen Kontrollen überprüft und die Familienbeihilfe danach gewährt worden.
Nach der Ansicht von Richtern, Gutachtern und Betreuern müsste der Bf. nicht mehr in der forensischen Unterbringung sein, leider gebe es für ihn keinen geeigneten Unterbringungsplatz.

Das Finanzamt legte in der Folge die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom nahm der Bf. zum Vorlagebericht der Behörde sinngemäß wie folgt Stellung:
Im Vorlagebericht werde festgehalten dass sich der Bf. seit Juli 2004 im *** im Maßnahmenvollzug befinde. Dies sei falsch. Der Bf. sei von Juli 2004 bis November 2011 in der **** gewesen. Er sei in dieser Zeit so krank gewesen, dass eine Verlegung nach xxx nicht möglich gewesen sei.
Im Gutachten vom werde ausdrücklich erwähnt dass sich der Bf. im ** Krankenhaus befinde. Auf Grundlage dieses Gutachten sei die erhöhte Kinderbeihilfe gewährt worden. Jahre später werde dieses Gutachten als Grundlage für die die Rückforderung der gezahlten Familienbeihilfe herangezogen.
Auch werde die Rückforderung, getrennt nach den Aufenthalten in xxx und im ** Krankenhaus FA, aufgeteilt. Einmal eine Rückforderung vom über 2.445,80 € für die Zeit, in der der Bf. in xxx gewesen sei. Am , fast 3 Monate später, werde uns für die Zeit, in der der Bf. im **** gewesen sei, eine Rückforderung über 21.747,00 € zugestellt.
Die Familienbeihilfe sei weder erschlichen worden noch seien irgendwelche Informationen zurückgehalten worden. Das Geld sei in die Betreuung des Bf. investiert worden. Dies könne auch über all die Jahre durch Rechnungen belegt werden. Durch diesen Aufwand habe sich die Krankheit soweit gebessert, dass der Bf. eigentlich nicht mehr in der Maßnahme sein müsse, leider seien keine geeigneten Betreuungsplätze vorhanden. Im Moment befinde er sich in Unterbrechung der Unterbringung in XY in einer betreuten Wohneinrichtung.
Das zeige auch, dass die gesetzten Maßnahmen Erfolg haben würden.
Die Rückforderungen könnten nicht beglichen werden, da der Bf. monatlich 162,80 € netto von der Sozialversicherung erhalte.

Mit Schreiben vom teilte die Justizanstalt FA dem Bundesfinanzgericht mit, dass der Bf. im Sinne des § 324 Abs. 4 ASVG mit 80% seiner Invaliditätspension zu den Unterbringungskosten im *** beigetragen hat.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Der festgestellte Sachverhalt, insbesondere der Aufenthalt des Bf. im beschwerdegegenständlichen Zeitraum im *** ist unstrittig. Zu klären ist im vorliegenden Fall ausschließlich die Rechtsfrage, ob im Hinblick auf diese Unterbringung des Beschwerdeführers ein Eigenanspruch auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe besteht.

§ 6 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - FLAG 1967- in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor Inkrafttreten (am ) der durch BGBl. I Nr. 77/2018 geänderten Fassung lautete:

„ § 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie
...
d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden,
...

(4) Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist.

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3)."

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Im Strafvollzugsgesetz wird auszugsweise normiert:

§ 1 Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist:

3. Strafgefangener: jeder Verurteilte, an dem eine in einem Strafurteil verhängte Freiheitsstrafe vollzogen wird;

4. Untergebrachter: jede Person, an der eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme vollzogen wird;

§ 31 (1) Die Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für den Unterhalt der Strafgefangenen zu sorgen.

§ 32 (1) Soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, hat jeder Verurteilte für seinen Unterhalt (§ 31 Abs. 1) einen Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges zu leisten.

§ 165 (1) Für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches gelten folgende besondere Bestimmungen:

1. Die Untergebrachten sind unter Berücksichtigung ihres Zustandes zur Erreichung der Vollzugszwecke (§ 164) und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten so zu behandeln wie es den Grundsätzen und anerkannten Methoden der Psychiatrie, Psychologie und Pädagogik entspricht. Rechte der Untergebrachten, die den in den §§ 20 bis 129 den Strafgefangenen eingeräumten Rechten entsprechen, dürfen dabei nur insoweit beschränkt werden, als dies zur Erreichung der vorgenannten Zwecke unerlässlich ist. Die Rechte der Untergebrachten, die den in den §§ 119 bis 122 den Strafgefangenen eingeräumten Rechten entsprechen, sowie die Menschenwürde der Untergebrachten dürfen nicht beeinträchtigt werden. Beschwerden, von denen es offensichtlich ist, dass ihre Erhebung ausschließlich auf die geistige oder seelische Abartigkeit des Untergebrachten und nicht auf eine Beeinträchtigung seiner Rechte zurückzuführen ist, sind jedoch ohne förmliches Verfahren zurückzulegen.

2. Die Z 1 gilt dem Sinne nach auch für allgemein oder im Einzelfall getroffene Anordnungen hinsichtlich der Pflichten der Untergebrachten sowie hinsichtlich der Maßnahmen gegenüber Untergebrachten, die Handlungen begangen haben, die bei einem Strafgefangenen als Ordnungswidrigkeiten anzusehen wären; solche Maßnahmen dürfen außerdem den Untergebrachten in ihrer Gesamtauswirkung keiner ungünstigeren Behandlung unterwerfen, als dies bei einem Strafgefangenen zulässig wäre.

(2) Soweit sich aus Abs. 1 nichts anderes ergibt, gelten auch für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches die Bestimmungen des § 166.

§ 167 (1) Soweit die §§ 164 bis 166 nichts anderes bestimmen, gelten die §§ 20 bis 129, 131 bis 135, 146 bis 150 und 152 dem Sinne nach. ...

§ 21 StGB bestimmt:

(1) Begeht jemand eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und kann er nur deshalb nicht bestraft werden, weil er sie unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, so hat ihn das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

§ 324 Abs. 3 und 4 ASVG normieren:

(3) Wird ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe oder auf Kosten eines Trägers der Jugendwohlfahrt in einem Alters(Siechen)heim oder Fürsorgeerziehungsheim, einer Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke, einer Trinkerheilstätte oder einer ähnlichen Einrichtung bzw. außerhalb einer dieser Einrichtungen im Rahmen eines Familienverbandes oder auf einer von einem Träger der öffentlichen Wohlfahrtspflege oder von einer kirchlichen oder anderen karitativen Vereinigung geführten Pflegestelle verpflegt, so geht für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Rente bzw. Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, wenn der Renten(Pensions)berechtigte aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung für den Unterhalt eines Angehörigen zu sorgen hat, bis zu 50 vH dieses Anspruches auf den Träger der Sozialhilfe oder auf den Träger der Jugendwohlfahrt über; das gleiche gilt in Fällen, in denen ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Landes im Rahmen der Behindertenhilfe in einer der genannten Einrichtungen oder auf einer der genannten Pflegestellen untergebracht wird, mit der Maßgabe, dass der vom Anspruchsübergang erfasste Teil der Rente (Pension) auf das jeweilige Land übergeht. Der vom Anspruchsübergang erfasste Betrag vermindert sich für jeden weiteren unterhaltsberechtigten Angehörigen um je 10 v. H. dieses Anspruches. Der vom Anspruchsübergang erfasste Betrag vermindert sich in dem Maß, als der dem unterhaltsberechtigten Angehörigen verbleibende Teil der Pension (Rente) zuzüglich seines sonstigen Nettoeinkommens (§ 292 Abs. 3) den jeweils geltenden Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb nicht erreicht. Die dem Renten(Pensions)berechtigten für seine Angehörigen zu belassenden Beträge können vom Versicherungsträger unmittelbar an die Angehörigen ausgezahlt werden.

(4) Abs. 3 ist sinngemäß auch in den Fällen anzuwenden, in denen eine renten(pensions)berechtigte Person oder eine Person mit Anspruch auf Rehabilitationsgeld nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches oder nach § 179a des Strafvollzugsgesetzes auf Kosten des Bundes in einer Anstalt oder Einrichtung untergebracht ist, und zwar so, dass der vom Anspruchsübergang erfasste Betrag dem Bund gebührt. Diesen Betrag kann der Versicherungsträger unmittelbar an jene Anstalt oder Einrichtung auszahlen, in der die renten(pensions)berechtigte Person oder eine Person mit Anspruch auf Rehabilitationsgeld untergebracht ist.

Im Beschwerdeverfahren ist strittig, ob in der Zeit einer Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB im *** ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis , noch aus, dass eine - den Beihilfenanspruch ausschließende - Anstaltspflege im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG nur dann vorliege, wenn der Unterhalt der behinderten Person unmittelbar und zur Gänze durch die öffentliche Hand gewährt werde. Dies sei nicht der Fall, wenn zum Unterhalt durch die untergebrachte Person selbst beigetragen werde.

Im Erkenntnis , vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass die Deckung der typischen Unterhaltsansprüche durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließe. Wenn die öffentliche Hand überwiegend oder grundsätzlich für den Unterhalt des Kindes sorgt, sei ein Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen, auch wenn vom Anspruchsberechtigen hinsichtlich verbleibender Restbedürfnisse des Kindes Leistungen erbracht werden.

Diese Rechtsansicht wiederholte der Verwaltungsgerichtshof auch in seiner Entscheidung .

Das Finanzamt verneinte unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/16/0173, einen Anspruch auf Familienbeihilfe, weil auch im Fall einer Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB (Maßnahmenvollzug) die Bestimmung des § 31 Abs. 1 StVG anzuwenden sei, und daher der typischerweise anfallende Unterhalt des Bf. in Form von Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung durch die öffentliche Hand gedeckt sei.

Auch das Bundesfinanzgericht (BFG) folgte der angeführten neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und sprach im Erkenntnis vom , RV/7100257/2016, aus, dass ab dem Zeitpunkt des Maßnahmenvollzugs kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben sei.
Da allerdings das Judikat , den späteren Erkenntnissen , und , zu widersprechen schien und nicht auf den Umstand einging, dass auch bei einem Maßnahmenvollzug § 31 Abs. 1 StVG anzuwenden ist, ließ das BFG die ordentliche Revision zu.

Da in der Folge gegen das genannte Erkenntnis des eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. Ro 2017/16/0004 auch eingebracht wurde, wurde die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde gemäß § 271 BAO ausgesetzt.

Im Erkenntnis , führte der Verwaltungsgerichtshof nunmehr an, dass das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis die Feststellung getroffen habe, dass 80% der Pension des Sohns der Revisionswerberin anlässlich des Maßnahmenvollzugs nach § 21 Abs. 1 StGB aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des § 324 Abs. 3 und 4 ASVG einbehalten worden seien.
Darin unterscheide sich die Gestaltung des vorliegenden Revisionsfalls von derjenigen, die dem Erkenntnis , zu Grunde gelegen sei. Im Revisionsfall habe das Bundesfinanzgericht die Versagung der Familienbeihilfe nicht darauf stützen dürfen, dass die öffentliche Hand (hier: der Bund) die Kosten des typischen Unterhalts getragen hätte, denn dem Bund oder unmittelbar der Anstalt, in welcher der Sohn der Revisionswerberin untergebracht gewesen sei, sei ein Betrag vom Pensionsanspruch des Sohns der Revisionswerberin ausbezahlt worden.

Auch im hier vorliegenden Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Bf. im Sinne des § 324 Abs. 4 ASVG mit 80 % seiner Invaliditätspension zu den Unterbringungskosten im *** beigetragen hat.

Vor diesem Hintergrund kommt daher der Auffassung des Finanzamtes, ein Anspruch auf Familienbeihilfe sei zu verneinen, weil bei der im Beschwerdefall vorliegenden Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB der typischerweise anfallende Unterhalt des Bf. durch die öffentliche Hand gedeckt sei, keine Berechtigung zu.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des VwGH und wirft daher keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Linz, am

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Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101613.2014

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