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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 26.02.2020, RV/1100426/2017

1. Keine begünstigte Besteuerung einer Pensionskassenleistung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 bei freiem Wahlrecht zwischen einer einmaligen Kapitalauszahlung und dem Bezug einer Rente 2. Keine begünstigte Besteuerung einer Pensionskassenleistung gemäß § 67 Abs. 4 EStG 1988 - Unionskonformität

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Mag. A und die weiteren Senatsmitglieder Dr. W, Mag. T und Mag. M in der Beschwerdesache des Bf., Gde X, N-Straße-xx, vertreten durch die XY Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, GDe Y, G-Straße-yy, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Z, Ge Z, L-Straße-zz, vertreten durch Mag. P, vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2015 in der Sitzung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
 

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe  

Der im Inland wohnhafte und am abcd geborene Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) war bis als Grenzgänger bei der Fa. ABC AG (CH-GDE L, K-Straße-ll) in der Schweiz unselbständig beschäftigt.

Mit trat der Bf. in den Ruhestand und bezieht seither neben einer geringfügigen inländischen und deutschen Pension auch eine ordentliche (AHV-)Altersrente aus der Schweiz.

Infolge eines bei der Pensionskasse seiner bisherigen Schweizer Arbeitgeberin, der XYZ Pensionskasse Genossenschaft, CH-gde L, G-Straße-ll, eingebrachten Antrages ließ sich der Bf. das vorhandene Altersguthaben (2. Säule) einmalig (per ) als Kapital (125.062,55 CHF bzw. 115.354,06 €) mittels Banküberweisung auszahlen. Der Bf. hat die Rückerstattung der dabei in Abzug gebrachten Quellensteuer im Betrage von 8.224,95 CHF (= 7.586,45 €) beantragt (vgl. entsprechenden Antrag vom sowie die entsprechende Bestätigung der Pensionskasse vom ).

Entsprechend seiner am eingelangten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015 samt Beilagen wurde von Seiten des Bf. beantragt, ein Drittel des Auszahlungsbetrages gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 steuerfrei zu belassen und damit den Auszahlungsbetrag "nur" im Betrage von 83.375,03 CHF bzw. 76.902,71 € der Besteuerung zu unterziehen

Mit Bescheid vom veranlagte das Finanzamt den Bf. zur Einkommensteuer für das Jahr 2015; dabei unterzog die Abgabenbehörde die in Rede stehende Kapitalauszahlung zur Gänze der Einkommensteuer. Begründend führte es dabei unter Verweis auf , streitwesentlich aus, dass die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 nur dann zustehe, wenn eine Pensionsabfindung vorliege. Von einer solchen sei jedoch nur dann auszugehen, wenn ein Zwang zur Annahme dieses von der Arbeitgeberseite unterbreiteten Angebotes vorliege und die bezugsberechtigte Person über kein Wahlrecht betreffend die Auszahlungsmodalitäten (zB Ehegattenrente oder Kapitalleistung) verfüge.

Mit (nach entsprechender Fristverlängerung) am elektronisch erhobener Beschwerde wandte sich die steuerliche Vertretung im Namen und Auftrag des Bf. gegen die Nichtanerkennung der Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53, beantragte eine mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat und brachte dazu nach entsprechender Sachverhaltsdarstellung und Darstellung der Grundzüge der beruflichen Vorsorge im Schweizer Recht und unter Verweis auf die Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates ( RV/0165-I/11; RV/0044-F/03; RV/0468-F/08; RV/0320-F/08; RV/0181-F/03; RV/0120-F/05), des Verwaltungsgerichtshofes (; ) und dem Schreiben des Bundesministers für Finanzen vom zusammengefasst (auf die entsprechenden Ausführungen der steuerlichen Vertretung im Gesamten im Schreiben vom wird an dieser Stelle verwiesen) vor, dass die Versagung der Begünstigung des § 124b Z 53 EStG gesetzeswidrig sei. In allen angeführten Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates und des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes sei die Steuerbefreiung auch dann gewährt worden, wenn der Abgabenpflichtige ein Wahlrecht zwischen Abfindung und Rentenleistung gehabt habe.
Ursprünglich seien ausländische Pensionsabfindungen, soweit sie nicht mit 6% zu besteuern gewesen seien, mit dem halben Belastungsprozentsatz besteuert worden. Seit dem Kalenderjahr 2001 seien aus der 2. Säule der Schweiz bzw. Liechtenstein stammende Pensionsabfindungen gemäß § 124b Z 53 EStG zu einem Drittel steuerfrei.
Ohne gesetzliche Änderung lägen nunmehr mehrere von den Finanzämtern erlassene Bescheide sowie drei Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes vor, in welchen

die Rechtsansicht vertreten werde, dass die Begünstigung des § 124b Z 53 EStG nur dann zustünde, wenn der Abgabenpflichtige keine andere Möglichkeit habe, als das Guthaben in Form einer Pensionsabfindung zu beziehen. Sobald der Abgabenpflichtige das Wahlrecht habe, das Altersguthaben aus der 2. Säule entweder in Form einer Pensionsabfindung oder in Rentenform zu beziehen, stünde nach dieser Rechtsauffassung die Begünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG nicht mehr zu.
Diese entgegen der langjährigen Verwaltungspraxis nunmehr geäußerte Rechtsansicht sei ihrem Erachten nach falsch, da sie weder im Gesetzestext noch in den Erläuterungen zum Gesetzestext Deckung finde. Wenn die derzeit vom BMF, den Abgabenbehörden und in drei Entscheidungen des BFG vertretene Rechtsansicht richtig sei, dann würde man dem BMF, den Abgabenbehörden, den steuerlichen Vertretern und den mit der Frage befassten Gerichten unterstellen, dass die Regelung des § 124b Z 53 EStG in den letzten 14 Jahren konsequent falsch angewendet worden sei.
Bereits zum Zeitpunkt der Einführung des § 124b Z 53 EStG im Jahre 2001 hätten alle in die Schweiz oder nach Liechtenstein auspendelnden Grenzgänger, die bis zum Erreichen des regulären Pensionsalters in der Schweiz oder in Liechtenstein gearbeitet hätten, ein Wahlrecht gehabt, entweder eine auf Lebensdauer zu beziehende Rente oder eine einmalige Barauszahlung der Austrittsleistung zu beziehen. Aber auch jene Versicherten, welche aus der Vorsorgeeinrichtung vor dem Eintritt des Versicherungsfalles ausgeschieden seien, hätten die Austrittsleistung in eine Freizügigkeitspolice übertragen lassen und das Kapital als Rente beziehen können.
Wenn man davon ausgehe, dass ein bestehendes Wahlrecht zwischen Rentenbezug und Barauszahlung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung gem. § 124b Z 53 EStG schädlich sei, dann wäre die Einführung der Steuerbefreiung sinnlos gewesen, da es dafür praktisch keine Anwendungsfälle gegeben hätte. In allen Fällen sei bereits damals entweder ein Rentenbezug aus der Vorsorgeeinrichtung oder ein Rentenbezug aus einer Freizügigkeitspolice möglich gewesen. Lediglich in jenen Fällen, in denen die Austrittsleistung auf ein Freizügigkeitskonto übertragen worden sei, sei ein Rentenbezug nicht möglich gewesen.
Durchleuchte man die Norm im Wege einer teleologischen Interpretation, gelange man zu dem Ergebnis, dass mit § 124b Z 53 EStG der durch die Zusammenballung von Bezügen entstandene Progressionseffekt gemildert hätte werden sollen ( RV/0468-F/08). Sinn und Zweck der Begünstigung des § 124b Z 53 EStG sei somit insbesondere die Ermäßigung der Progression für die betroffenen Grenzgänger. Die Altersguthaben könnten nicht in eine inländische Pensionskasse übertragen werden. Die betroffenen Grenzgänger scheuten oft das Währungsrisiko und würden aus diesen Gründen das Altersguthaben als Abfindung beziehen (vgl.  RV/0320-F/08).
Mit Schreiben vom habe das Bundesministerium für Finanzen alle erfassten Grenzgänger - wie folgt - darüber informiert, dass aufgrund des Ministerratsbeschlusses vom ein Drittel der Pensionsabfertigungen aus Liechtenstein oder der Schweiz steuerfrei bleibe (vgl. ):
"Pensionsabfindungen, die Sie als Grenzgänger auf Grund der Schweizer oder liechtensteinischen Bestimmungen von einer Pensionskasse beziehen, sollen im Hinblick auf die herangezogene Bemessungsgrundlage nur zu zwei Dritteln besteuert werden.
Ein Drittel bleibt daher steuerfrei!
Dadurch ergibt sich ein Durchschnittsteuersatz von rd. 30% für den jeweils steuerpflichtigen Grenzgänger.
Diese Regelung bedeutet auch, dass eine solche Pensionsabfindung im Regelfall gleich hoch besteuert wird wie eine entsprechende Rentenzahlung, die später neben einer gesetzlichen Alterspension (AHV-Pension, inländische-ASVG-Pension, usw.) bezogen würde."

Der Bescheid sei aber auch schon alleine deswegen rechtswidrig ergangen, da der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt worden sei. Der Bf. habe sich nur deswegen für die Barauszahlung der Austrittsleistung entschieden, weil er davon ausgegangen sei, dass die durchschnittliche Steuerbelastung maximal 30 Prozent betragen werde. Das habe ihm das BMF im Kalenderjahr 2001 bei Einführung der Steuerbefreiung schriftlich mitgeteilt und sei auch mehr als 10 Jahre lange gängige Verwaltungspraxis und Judikatur gewesen.
Rund drei Jahre nachdem der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung vom , 2009/15/0188, im Zusammenhang mit einer inländischen Pensionsabfindung an einen Steuerberater die bereits bekannte Feststellung wiederholt habe, dass eine Pensionsabfindung nur dann vorläge, wenn kein Wahlrecht zwischen Rentenbezug und Abfindung bestehe, habe das BMF ohne Vorwarnung die im Kalenderjahr 2001 schriftlich erteilte Rechtsauskunft überfallsartig ohne Vorwarnung abgeändert.

Mit Einkommensteuerbescheid 2015 (Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO) vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab; unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; ) und des Bundesfinanzgerichtes (; ; ) erklärte es dazu zusammenfassend, dass bei Vorliegen eines Wahlrechtes zwischen Rentenbezug und Teil- oder Gesamtabfindung keine begünstigungsfähige "Pensionsabfindung" iSd Einkommensteuergesetzes vorliege; da unbestritten sei, dass der Bf. im Rahmen einer freien Willensentscheidung anstelle der monatlichen Rente (Art. 37 Abs. 1 BVG) einen Abfindungsbetrag beantragt und ausbezahlt bekommen habe, liege keine begünstigte "Pensionsabfindung" vor und dürfe die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 dritter Satz EStG nicht zur Anwendung gelangen (im Übrigen wird an dieser Stelle auf die umfangreichen Ausführungen der Abgabenbehörde verwiesen).

Mit Schreiben vom beantragte die steuerliche Vertretung im Namen und Auftrag des Bf., die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen; dabei wiederholte sie ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat, begehrte weiters, dass der angefochtene Bescheid als gesetzwidrig aufgehoben werde, da der Bescheid gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, und ersatzweise, dass die aufgrund der nicht gewährten Steuerbegünstigung angefallene Steuer (19.225,00 €) gemäß § 236 BAO nachgesehen werde, und brachte - unter zusätzlichem Verweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/1100654/2015 - ergänzend zum oben dargestellten zusammengefassten Beschwerdevorbringen noch begründend vor, dass zur Feststellung der Abgabenbehörde (Seite 3 der BVE), wonach es in der Vergangenheit Fälle gegeben habe, in denen Pensionskassen an Grenzgänger nur Einmalerläge bezahlt hätten - dass also ein Pensionsbezug gar nicht möglich (teilweise - hin und wieder) gewesen sei (Hinweis auf den Leserbrief von RA Dr. TB vom 24. und ), angemerkt werde, dass ihr keine derartigen Fälle bekannt seien und dass eine derartige Vorgangsweise der Schweizer Pensionskasse im Schweizer Recht nicht vorgesehen gewesen und auch nicht vorgesehen sei. Die Einführung des § 124b Z 53 EStG sei daher - wie bereits in der Beschwerde angemerkt worden sei - sinnlos gewesen, wenn die Progressionsermäßigung nicht auch bei Inanspruchnahme eines Wahlrechts zwischen Einmalabfindung und Rentenbezug gewährt würde. Sowohl der Verwaltungsgerichtshof als auch die Bundesfinanzgerichte bzw. Unabhängigen Finanzsenate hätten dies in der Vergangenheit, aber auch das BMF und die Abgabenverwaltung hätten dies zumindest bis zum Frühjahr 2015 so gesehen.
Nunmehr versuche die Abgabenverwaltung nach 15 Jahren unter Hinweis auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (; ; ) ihre neue Sichtweise der Dinge zu begründen und negiere die Aussagen bzw. Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes bzw. der Bundesfinanzgerichte und der Unabhängigen Finanzsenate. Angemerkt sei noch, dass diese Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht mit dem gegenständlichen Sachverhalt vergleichbar seien.
Im gegenständlichen Fall gehe es nicht um eine einzelvertraglich zugesagte Pensionsabfindung - die Progressionsermäßigung iSd § 124b Z 53 EStG stehe nur bei Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen zu. Der Hinweis auf die gesetzliche Regelung meine offensichtlich das BVG - mit dem Hinweis auf die statutenmäßige Regelungen seien die überobligatorischen Bestimmungen in den jeweiligen Statuten der (ausländischen) Pensionskassen gemeint.
"Aus obiger Darstellung der Gesetzes- und Reglementslage geht hervor, dass Vereinbarungen über Schweizer Pensionsabfindungen einem so straffen Regelungskorsett unterworfen sind, dass missbräuchliche Gestaltungen, wie sie das BMF wohl in der Art nicht ernst gemeinter Pensionsvereinbarungen kurz vor Pensionsantritt mit dem Effekt einer begünstigt besteuerten Pensionsabfindung vor Augen hatte, unwahrscheinlich sind (vgl.  RV/0468-F/08)."

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die in Rede stehende Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor; dabei verwies die

Abgabenbehörde auf seine umfangreiche Beschwerdevorentscheidung vom sowie auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/15/033.

In weiterer Folge zog die steuerliche Vertretung des Bf. mit Schreiben vom nach entsprechender Vorhaltung (E-Mail vom ) durch das Bundesfinanzgericht ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück, beantragte, dass

  •      die gesamte Pensionsablöse gemäß § 67 Abs. 4 letzter Satz erster Teilstrich EStG 1988 pauschal mit 6% besteuert werde, und

  •      gemäß Art. 267 AEUV dem Europäischen Gerichtshof die folgende Frage zur Auslegung vorgelegt werden möge:
    "Inwieweit ist es mit Artikel 45 AEUV vereinbar, dass die Republik Österreich Pensionsablösen, welche an in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Personen aufgrund eines österreichischen Bundes- oder Landesgesetzes ausbezahlt werden, mit einem begünstigten Steuersatz in Höhe von 6 Prozent besteuert (§ 67 Abs. 4 Teilstrich 1 EStG 88) gleichzeitig aber Pensionsablösen, welche aufgrund von Gesetzen in einem anderen EU- oder EWR Mitgliedstaat oder der Eidgenössischen Schweiz an in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Personen ausbezahlt werden, mit dem normalen Tarifsteuersatz (25-55 Prozent) besteuert",

und führte nach entsprechender Darstellung des Sachverhalts, der rechtlichen Grundlagen in Österreich und der Schweiz sowie der europarechtlichen Grundlagen dazu Folgendes (wörtlich) aus:

"Die begünstigende Vorschrift des § 67 Abs. 4 letzter Satz Teilstrich 1 EStG 1988 bezieht sich zweifelsfrei nur auf Pensionen und Abfertigungen die aufgrund von österreichischen Bundes- der Landesgesetze ausbezahlt werden. Damit die Grundfreiheiten, insbesondere das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer seine (Schutz-)Wirkung vor Diskriminierungen und Beschränkungen entfalten kann, ist unseres Erachtens die Begünstigungswirkung des § 67 Abs. 4 letzter Satz Teilstrich 1 EStG 1988 unter Berücksichtigung der Grundfreiheiten diskriminierungsfrei auch auf Pensionsablösen aufgrund von ausländischen Bundes- oder Landesgesetzen auszudehnen.
Der EuGH hat im Urteil vom , RS C-415/93, Bosman, das Diskriminierungsverbot zu einem Beschränkungsverbot erweitert. Danach sollen sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen.
Vorschriften, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates oder der Eidgenössischen Schweiz daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher eine Beschränkung

dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden. Auch wenn die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach ihrem Wortlaut insbesondere die Inländerbehandlung im Aufnahmestaat sichern sollen, verbieten sie es doch auch, dass der Herkunftsstaat die freie Annahme und Ausübung einer Beschäftigung durch seinen Staatsangehörigen in einem anderen Staat behindert (vgl. , F.W.L de Groot, Randnummern 77 und 78, und , Schilling, Randnummern 24 und 25).
Da die Rechtsprechung des EuGHs zum Beschränkungsverbot bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens bestanden hat, ist dies gemäß Art. 16 Abs. 2 FZA auch bei der Interpretation der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach dem Freizügigkeitsabkommen zu beachten.
Die Leistungen der schweizerischen beruflichen Vorsorge zählen zweifelsfrei zum gesetzlichen Pensionssystem in der Schweiz. Die Bestimmungen über die Ablösen von Pensionen sind klar in den schweizerischen Bundesgesetzen geregelt. Austrittsleistungen aus der 2. Säule der Schweiz sind daher in Österreich gemäß § 67 Abs. 4 letzter Satz Teilstrich 1 EStG 1988 zu versteuern.
Die massive steuerliche Diskriminierung (47 Prozent Steuerbelastung statt 6 Prozent Steuerbelastung) von Pensionsablösen aufgrund von bundes- oder landesgesetzlichen Bestimmungen eines EU- bzw. EWR-Mitgliedsstaates oder der Eidgenössischen Schweiz kann einen auf dem Staatsgebiet der Republik Österreich ansässigen Staatsbürger davon abhalten, im benachbarten Ausland (zB in Deutschland, der Schweiz oder in Liechtenstein) eine Arbeitsstelle als Grenzgänger anzunehmen (Grenzgängerdiskriminierung). Es liegt daher ein klassischer Verstoß gegen das Beschränkungsverbot gemäß Artikel 45 AEUV bzw. gegen das mit der Eidgenössischen Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen vor. Von diesem Verstoß gegen die Grundfreiheiten sind im Bundesland Vorarlberg rund 10 Prozent der unselbständigen Erwerbstätigen betroffen, welche als Grenzgänger in die Schweiz, nach Liechtenstein oder nach Deutschland auspendeln."

Mit Anbringen (E-Mail) vom hat die Abgabenbehörde hinsichtlich der Nichtgewährung der Drittelbegünstigung nochmals auf seine ausführlichen Überlegungen in der Beschwerdevorentscheidung vom , die seit 2012 ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie auf die seit dem Jahre 2016 gültige Erkenntnispraxis des Bundesfinanzgerichtes zur steuerlichen Behandlung von Pensionskassenauszahlungen im Pensionierungsfalle und betreffend die Anwendbarkeit von § 67 Abs. 4 erster Teilstrich EStG 1988 auf das abweisende BFG-Erkenntnis vom , RV/1100113/2017, verwiesen und darüber hinaus dargelegt, dass es keine Vergleichbarkeit zwischen der Ablösung von Witwer- und Witwenpensionen auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften bzw. auf Grund von Satzungen von Versorgungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen iSd § 67 Abs. 4 erster Teilstrich EStG 1988 mit Pensionsabfindungen aus der beruflichen Vorsorge

(2. Säule BVG) von in der Schweiz unselbständig Beschäftigten erkenne. Verglichen mit etwa im Inland nichtselbständig beschäftigen Bundesbediensteten könne keine Diskriminierung erblickt werden. Von der Bundespensionskasse würde diesen nur dann eine Pensionsabfindung steuerbegünstigt ausbezahlt bekommen, wenn die Voraussetzungen des § 67 Abs. 8 lit. e EStG erfüllt seien.
§ 124b Z 53 EStG sei in Verbindung mit § 67 Abs. 8 lit. e leg. cit. zu sehen und habe der Abgabengesetzgeber bei der Novellierung dieser Gesetzesbestimmung das Ziel verfolgt, die Besteuerung mit 6% zugunsten einer lebenslangen Versorgung einzuschränken, und sei dies vom Höchstgericht sogar als Rechtssatz bestätigt und festgehalten worden (Verweis auf , Rechtssatz 1; , letzter Absatz).

Mit E-Mail vom wurde das oben dargestellte Anbringen bzw. diese Entgegnung der Abgabenbehörde vom der steuerlichen Vertretung des Bf. zur Kenntnisnahme übermittelt.
 

Das Bundesfinanzgericht (Senat) hat über die Beschwerde erwogen:
 

Aufgrund der Aktenlage wird der Entscheidung folgender (unstrittiger) Sachverhalt als entscheidungswesentlich zugrundgelegt:

Der im Inland wohnhafte und am abcd geborene Bf. war bis als Grenzgänger bei der Fa. ABC AG (CH-GDE L, K-Straße-ll) in der Schweiz unselbständig beschäftigt.

Mit trat der Bf. in den Ruhestand und bezieht seither neben einer geringfügigen inländischen und deutschen Pension auch eine ordentliche (AHV-)Altersrente aus der Schweiz.

Infolge eines bei der Pensionskasse seiner bisherigen Schweizer Arbeitgeberin, der XYZ Pensionskasse Genossenschaft, CH-gde L, G-Straße-ll, eingebrachten Antrages ließ sich der Bf. das vorhandene Altersguthaben (2. Säule) einmalig (per ) als Kapital (125.062,55 CHF bzw. 115.354,06 €) mittels Banküberweisung auszahlen. Der Bf. hat die Rückerstattung der dabei in Abzug gebrachten Quellensteuer im Betrage von 8.224,95 CHF (= 7.586,45 €) beantragt (vgl. entsprechenden Antrag vom sowie die entsprechende Bestätigung der Pensionskasse vom ).

Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:
 

1) Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988:

Zur strittigen Frage, ob die aus der Schweiz als Einmalbetrag bezogene

Pensionskassenleistung eine nach § 124b Z 53 EStG 1988 zu besteuernde "Pensionsabfindung" und folgedessen zu einem Drittel steuerfrei zu belassen ist, ist Folgendes zu sagen:

Das Bundesfinanzgericht hat bereits wiederholt in der gegenständlichen Beschwerdesache vergleichbaren Beschwerdefällen unter Bedachtnahme auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung diese strittige Frage abschlägig beurteilt (vgl. zB ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; siehe dazu unter https://findok.bmf.gv.at/findok?execution=e2s1 ); auf die umfangreichen begründenden Ausführungen in den oben bezeichneten Beschwerdeentscheidungen des Bundesfinanzgerichtes wird an dieser Stelle verwiesen.

§ 124b Z 53 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 54/2002, lautet:

"Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, sind gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahre 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen."

Gesetzliche Grundlage für die berufliche Vorsorge in der Schweiz ist das Bundesgesetz vom über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVG).

Nach Art. 13 Abs. 1 BVG haben Männer, die das 65. Altersjahr zurückgelegt haben und Frauen, die das 64. Altersjahr zurückgelegt haben, Anspruch auf Altersleistungen. Abweichend davon können nach Art. 13 Abs. 2 BVG die reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung vorsehen, dass der Anspruch auf Altersleistungen mit der Beendigung der Erwerbstätigkeit entsteht (der vorzeitigen Pensionierung und damit dem Erhalt einer Altersleistung ist insofern eine gesetzliche Schranke gesetzt, als das Reglement einen Altersrücktritt frühestens ab dem vollendeten 58. Altersjahr gestatten darf).

Gemäß Art. 37 Abs. 1 BVG werden Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen in der Regel als Rente ausgerichtet. Gemäß Art. 37 Abs. 4 lit. a BVG kann die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement vorsehen, dass die Anspruchsberechtigten an Stelle einer Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenrente eine Kapitalabfindung wählen können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mehrfach mit der Frage der Besteuerung von Pensionsabfindungen in unterschiedlichen Fallkonstellationen befasst (vgl. etwa , und die dort im Einzelnen angesprochenen Erkenntnisse) und wiederholt ausgesprochen, dass eine "Abfindung" eines Anspruches auf rentenmäßige Zahlung nicht vorliegt, wenn dem Anwartschaftsberechtigten das freie Wahlrecht (obligatio alternativa) zwischen der Rente einerseits und dem Rentenbarwert (als Kapitalanspruch) andererseits eingeräumt ist [vgl. , und ; ebenso unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 67 Abs. 8 Tzen 33 ff; Knechtl in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 67 (Stand , rdb.at), Anm. 160 und 165; Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 67 Tzen 134 und 145; Jakom/Lenneis EStG, 2018, § 67 Rz 35].
§ 124b Z 53 EStG 1988 setzt somit voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. , mit Hinweis auf , und ; ebenso jüngst , und ).

Wenn der Bf. die Anwendung der Drittelbegünstigung mit der Gesetzeslage gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 begründet, wird auch auf die parlamentarischen Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP) verwiesen. Diese führen zu § 124b Z 53 EStG 1988 Folgendes aus:
"Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik betrifft insbesondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu besteuern".
Eine vom Gesetzgeber beabsichtigte generelle progressionsmildernde Begünstigung von Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Bestimmungen geht daraus nicht hervor (in diesem Zusammenhang wird auch auf die entsprechenden umfangreichen Ausführungen des , verwiesen). Zweck der Begünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 ist es vielmehr, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2018/15/0086, auch festgehalten hat, die bei einer Pensionsabfindung infolge der Zusammenballung der Bezüge gegenüber einer Rente greifende höhere Progression und damit eintretende höhere Steuerlast durch die steuerliche Befreiung eines Drittels der Abfindung in jenen Fällen abzumildern, in denen der Anwartschaftsberechtigte keine andere Möglichkeit hat, als die Pension in Form einer Pensionsabfindung in Anspruch zu nehmen.

Im Beschwerdefall steht unstrittig fest, dass der Bf. nach dem Reglement der Pensionskasse (siehe dazu Art. 19 und Art. 20 des gegenständlichen Vorsorgereglements) ein Wahlrecht zwischen zwei gleichrangigen Ansprüchen hatte (Bezug einer Altersrente oder Einmalauszahlung des Alterskapitals) und er sich zugunsten der einmaligen Kapitalauszahlung entschied; damit konnte mangels Vorliegen einer unter § 124b Z 53 EStG 1988 subsumierbaren "Pensionsabfindung" die Drittelbegünstigung nicht zur Anwendung gelangen.

Auch wenn es zutreffen mag, dass es die Wahlmöglichkeit zwischen dem Bezug einer Rente und einer einmaligen Kapitalauszahlung auch im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 124b Z 53 EStG 1988 gab und Kapitalauszahlungen trotz bestehendem Wahlrecht über Jahre hinweg begünstigt besteuert wurden, kann aus einer solchen, sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Nachhinein als unrichtig darstellenden Vorgangsweise ein Rechtsanspruch für die Beibehaltung dieser Verwaltungspraxis nicht abgeleitet werden. Der Umstand, dass eine gesetzwidrige Vorgangsweise nicht mehr aufrechterhalten wird, stellt für sich allein keine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben dar (vgl. ; siehe zB auch ).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit; die Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen (vgl. zB , ; ). Nicht nur, dass besondere Umstände vorliegen müssen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen lassen, wie dies etwa der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit derselben herausstellt, wovon im konkreten Fall nicht auszugehen war bzw. von Seiten des Bf. auch nicht behauptet wurde, kann der Grundsatz von Treu und Glauben zudem nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. zB ; ; ). Ein Vollzugsspielraum in diesem Sinne bestand bei der Beurteilung der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 aber nicht.
Nichts zu gewinnen war in diesem Zusammenhang auch mit den Ausführungen von Seiten des Bf. betreffend das an alle Grenzgänger versandte Schreiben des damaligen Finanzministers vom . Abgesehen davon, dass es sich dabei um keine Auskunft der zuständigen Abgabenbehörde handelt, dieses noch vor der Veröffentlichung der geänderten Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 im BGBl. I Nr. 54/2002 (Datum der Kundmachung: ) und auch vor der parlamentarischen Behandlung verschickt wurde und offensichtlich parteipolitischen Zwecken diente, kommt diesem weder die Eigenschaft einer von der Rechtsprechung zu beachtenden Rechtsnorm noch einer authentischen Interpretation des Willens des Gesetzgebers zu (vgl. dazu auch ).

2) Besteuerung gemäß § 67 Abs. 4 EStG 1988 - Unionskonformität:

§ 67 Abs. 4 EStG 1988 in der im Beschwerdejahr anzuwendenden Fassung (BGBl. I Nr. 22/2012) lautet:

"Die Lohnsteuer von Abfertigungen der Witwer- oder Witwenpensionen, die auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften aus dem Grunde der Wiederverehelichung geleistet werden, wird so berechnet, daß die auf die letzte laufende Witwer- oder Witwenpension entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrages angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung des Steuersatzes von 6% niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigung der Witwer- oder Witwenpension mit 6%. Diese Bestimmungen sind auch anzuwenden

  •      auf die Ablösung von Pensionen des unmittelbar Anspruchsberechtigten auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften oder auf Grund von Satzungen der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sowie

  •      auf Abfindungen im Sinne des § 269 ASVG und vergleichbare Abfindungen im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung oder auf Grund von Satzungen der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen."

Wie das Bundesfinanzgericht bereits mit Erkenntnis vom , RV/1100113/2017, festgestellt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0020, wonach das Höchstgericht die Besteuerung einer einem Rechtsanwalt nach Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters von der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer ausbezahlten 50%igen Abfindung einer Zusatzpension nach den Vorschriften des § 67 Abs. 4 letzter Satz erster Teilstrich EStG 1988 als rechtmäßig erkannt hat, ua. klargestellt, dass § 67 Abs. 4 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung nicht nur "Hinterbliebenenansprüche" betreffe, sondern auf alle im letzten Satz dieser Bestimmung angeführten Ablösungen und Abfindungen von Pensionen anzuwenden sei, und darauf hingewiesen, dass die zum Begriff der "Pensionsabfindung" in § 67 Abs. 8 (nunmehr) lit. e EStG 1988 sowie in § 124b Z 53 EStG 1988 und zur diesbezüglichen Schädlichkeit eines Wahlrechtes ergangene Judikatur Bestimmungen betreffe, die im Revisionsfall nicht streitgegenständlich seien. Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass das Argument einer sich "nicht auf einen geforderten konkreten (bestehenden) Pensionsanspruch" beziehenden Abfindung verfehlt sei, wenn eine "Abfindung bei Pensionsantritt" zu beurteilen sei und sich im Fall einer satzungsmäßig geregelten "Abfindung bei Pensionsantritt", die darin bestehe, dass der Anspruchsberechtigte statt eines Teils der Altersrente eine Einmalzahlung wählen könne, nicht sagen lasse, der dadurch eintretende teilweise Verlust der Dauerleistung, auf die er bereits Anspruch gehabt habe, sei ihm nicht "abgelöst" worden.

Im konkreten Fall war davon auszugehen, dass die in Rede stehende Zahlung in Abgeltung eines konkreten Anspruches auf Pensionszahlungen geleistet wurde und grundsätzlich eine "Ablösung einer Pension des unmittelbar Anspruchsberechtigten" iSd § 67 Abs. 4 letzter Satz erster Teilstrich EStG 1988 vorlag. Außer Streit steht auch, dass die strittige Auszahlung von einer Pensionskasse explizit auf Grund schweizerischer gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen erfolgt ist.

Abgesehen davon, dass § 67 Abs. 11 EStG 1988 im Umkehrschluss klar regelt, dass Abs. 4 bei der Veranlagung von Arbeitnehmern nicht anzuwenden ist, kann die gegenständliche Pensionsabfindung nach Ansicht des erkennenden Senates aber (auch) deshalb nicht unter die fragliche Begünstigungsbestimmung subsumiert werden, weil die Ablösezahlung - wie von der steuerlichen Vertretung des Bf. im Schriftsatz vom selbst eingeräumt wird - jedenfalls nicht auf Grund österreichischer bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften erfolgt ist.

Gemäß § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 (neu gefasst durch das Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000) sind Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes nicht übersteigt, mit der Hälfte des Steuersatzes zu versteuern, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Bezuges auf die Monate des Kalenderjahres als Lohnzahlungszeitraum ergibt.
Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, sind gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen (§ 124b Z 53 EStG 1988).
Wie bereits oben ausgeführt, wurde mit dem Bundesgesetz vom , BGBl. I Nr. 54/2002, § 124b Z 53 EStG 1988 dahingehend erweitert, dass Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen sind. Damit sollte im Übrigen verhindert werden, dass Pensionsabfindungen auf Grund ausländischer Regelungen - bei denen eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse nicht möglich ist - zur Gänze tarifmäßig zu versteuern sind (vgl. Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 67 Abs. 8, Tz 43; ).

Nach Ansicht des erkennenden Senates wird im Hinblick auf die Besteuerung von Pensionskassenleistungen § 67 Abs. 4 EStG 1988 jedenfalls durch § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 bzw. § 124b Z 53 EStG 1988 verdrängt; ein Spezialgesetz geht einem allgemeinen Gesetz in der Anwendung vor ("lex specialis derogat legi generali").

Zur Frage, ob die in Rede stehende Bestimmung (§ 67 Abs. 4 EStG 1988) gegen das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer verstößt und - wie von der steuerlichen Vertretung des Bf. vertreten wird - auch auf in schweizerischen Bundesgesetzen geregelte Abfindungen von Pensionen anzuwenden ist, ist Folgendes zu sagen:

Grundsätzlich verfügen die Mitgliedstaaten über die ausschließliche Kompetenz zur Regelung direkter Steuern, allerdings haben die Vertragsstaaten ihre Befugnisse unter Wahrung der Grundfreiheiten auszuüben und jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit zu unterlassen. Von der Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit werden daher auch nationale Vorschriften über die direkten Steuern betroffen, weil der Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Entlohnung seiner Wirkung beraubt wäre, wenn er durch diskriminierende nationale Vorschriften über die Einkommensteuer beeinträchtigt werden könnte.
Als Folge der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist es Österreich als Herkunftsstaat untersagt, die freie Annahme und Ausübung einer Beschäftigung von in die EU, den EWR oder nach der Schweiz auspendelnder Grenzgänger durch steuerliche Benachteiligungen im Vergleich zu im Inland Beschäftigten zu behindern. Soweit rein innerstaatliches Steuerrecht gegen die entsprechenden Diskriminierungsverbote dem Grunde und wohl auch der Höhe nach verstößt und keine Rechtfertigungsgründe vorliegen, wird es vom unmittelbar anzuwendenden Abkommensrecht verdrängt (vgl. Kopf in SWI Heft-Nr. 10/2006, 454).

Beide gesetzliche Regelungen (jene des § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 sowie jene des § 124b Z 53 EStG 1988) unterscheiden nicht danach, ob es sich um ausländische oder inländische Abfindungen handelt und wendet sich damit keineswegs ausschließlich an Grenzgänger. Nachdem nun aber der österreichische Gesetzgeber inländische und ausländische Pensionsabfindungen von Pensionskassen gleich behandelt, ist mit dem von Seiten des Bf. erhobenen Diskriminierungsvorwurf - gerade auch unter Berücksichtigung des oben dargelegten Umstandes, dass diese speziellen gesetzlichen Regelungen die allgemeine gesetzlichen Regelung des § 67 Abs. 4 EStG 1988 verdrängen - nichts zu gewinnen.

Den Mitgliedstaaten ist auf Grundlage ihrer Steuerhoheit die Erhebung von Steuern, die sich als Teil eines allgemeinen inländischen Abgabensystems darstellen, an objektive, nicht diskriminierende Kriterien anknüpfen und sich auch nicht unterschiedlich auf innerstaatliche und grenzüberschreitende Tätigkeiten auswirken, jedenfalls unionsrechtlich erlaubt. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, bestehende Begünstigungsbestimmungen für die Zukunft stets unverändert beizubehalten und konnte dieser auch - sachlich rechtfertigend - berücksichtigen, dass eine übermäßige Begünstigung der freiwilligen Entscheidung eines Abgabepflichtigen, sich die Rente abfinden zu lassen, dem grundsätzlich nur bei einem laufenden Rentenbezug erreichten Versorgungscharakter zuwiderläuft.

Nach Ansicht des erkennenden Senates bestehen bezogen auf die gegenständlich strittige Frage nach der Besteuerung von Pensionskassenzahlungen sohin keine Zweifel an der Unionskonformität der in Rede stehenden Bestimmung und sieht sich das Bundesfinanzgericht daher auch nicht veranlasst (§ 290 BAO), den Gerichtshof der Europäischen Union diesbezüglich mit einem Vorabentscheidungsverfahren im Sinne des Art. 267 AEUV zu befassen.

3) Antrag auf Nachsicht:

Gemäß § 236 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach § 13 Abs. 1 Z 1 AVOG obliegt die Erhebung der Abgaben [gemäß § 49 Abs. 2 BAO sind unter Erhebung alle der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen zu verstehen; dazu gehören alle der Durchsetzung von Abgabenansprüchen dienenden behördlichen Maßnahmen, die die Ermittlung, Festsetzung, Einhebung (einschließlich Rückzahlung und Nachsicht) und zwangsweise Einbringung zum Ziel haben, vgl. dazu auch Ritz, BAO6, § 49 Rz 6] grundsätzlich (soweit diese nicht durch Abgabenvorschriften anderen Behörden übertragen ist) den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgaben für ihren Amtsbereich.
Die Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes ist durch die Sache des Beschwerdeverfahrens begrenzt; Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (siehe dazu Ritz, BAO6, § 279 Tz 10 ff, mwN).

Ein Antrag auf Nachsicht ist ein Anbringen iSd § 85 Abs. 1 BAO und unterliegt der Entscheidungspflicht. Zur Entscheidung über die Nachsicht ist entsprechend den obigen Ausführungen das Finanzamt zuständig; dem Bundesfinanzgericht ist es verwehrt, erstmals über diesen Antrag zu entscheiden (siehe dazu auch ). Der diesbezügliche Antrag des Bf. ist daher dem Finanzamt "formlos" zur Entscheidung zurückzuleiten. Es bestand - auch aus Gründen des Rechtsschutzes - kein Erfordernis, dass das Bundesfinanzgericht darüber einen Unzuständigkeitsbeschluss fasst.

4) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die zu lösende Rechtsfrage nach der Anwendbarkeit bzw. der unionsrechtlichen Vereinbarkeit des § 67 Abs. 4 Teilstrich 1 EStG 1988 besteht keine höchstgerichtliche Rechtsprechung und lag sohin eine Rechtsfrage vor, welcher grundsätzliche Bedeutung zukam. Gegen diese Entscheidung ist daher eine (ordentliche) Revision zulässig.
 

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100426.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at