Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2020, RV/3100251/2018

Mindestkörperschaftsteuer bei einer nicht operativ tätigen GmbH

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerden vom 3. Juli und gegen die Bescheide des Finanzamtes FA vom 30. Mai bzw. betreffend Körperschaftsteuer 2012 bis 2016 sowie Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 2017 und Folgejahre zu Recht erkannt: 
 

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin, eine Ges.m.b.H., wurde mit Gesellschaftsvertrag vom xx 1988 gegründet und am xx 1988 in das Firmenbuch beim Landesgericht LG eingetragen. Die Eintragung der Ges.m.b.H. im Firmenbuch besteht immer noch.

Der Sitz der Gesellschaft befand sich zunächst in A. Im Oktober 2003 wurde der Sitz nach B, C-Straße, verlegt. Seit August 2010 befindet sich der Sitz in B, D-Straße.

Geschäftsführer der Gesellschaft ist E.

II. Verfahrensgang

1. Mit Ausfertigungsdatum  ergingen an die Beschwerdeführerin die Bescheide des Finanzamtes FA betreffend Körperschaftsteuer 2016 sowie Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 2017 und Folgejahre. Mit Ausfertigungsdatum  erließ das Finanzamt die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2012 bis 2015. Die Körperschaftsteuer wurde mit 1.750,00 € (für die Jahre 2012, 2015 und 2016 sowie Vorauszahlungen 2017 und Folgejahre) bzw. 1.125,00 € (für das Jahr 2013) und 1.438,00 € (für das Jahr 2014) festgesetzt. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, gemäß § 24 Abs. 4 Z 1 KStG 1988 sei bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine  Mindeststeuer in Höhe von 5 % eines Viertels der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals zu entrichten. 

2. Gegen die genannten Bescheide wurde (am bzw. ) fristgerecht Beschwerde erhoben und die ersatzlose Aufhebung dieser Bescheide beantragt. Die Bescheide würden der mit dem Finanzamt geschlossenen Vereinbarung vom zuwiderlaufen, wonach der Geschäftsführer E für sich und die darin taxativ angeführten Firmen (zu denen auch die Beschwerdeführerin gehöre) mit "10.000,00 € steuerbarem Einkommen pro Jahr pauschaliert" werde. Die Beschwerdeführerin habe bis heute keine operative Tätigkeit aufgenommen und würde eine solche Tatsache dem zuständigen Finanzamt rechtzeitig melden. Diesbezüglich werde auch auf die unter Androhung von Zwangsstrafen eingeforderten und deshalb beim Firmenbuch eingereichten Kurzbilanzen der letzten Jahre samt erläuternden Begleitschreiben verwiesen. Ein Hinweis für die Richtigkeit des Vorbringens sei auch die Tatsache, dass plötzlich eine neue, andere Abgabennummer "festgesetzt" worden sei.

3. Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 4. September bzw. (Ausfertigungsdaten) wurden die Beschwerden vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Dem Beschwerdeeinwand, die Ges.m.b.H habe keine operative Tätigkeit aufgenommen, hielt das Finanzamt entgegen, dass die Mindestkörperschaftsteuer an die unbeschränkte Steuerpflicht anknüpfe. Als unbeschränkt steuerpflichtig gelte eine Körperschaft dann, wenn sie ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland habe. Die Mindestkörperschaftsteuerpflicht setze mit dem Tag des Beginns der unbeschränkten Steuerpflicht ein und höre mit dem Ende der unbeschränkten Steuerpflicht auf. Der Sitz der Beschwerdeführerin befinde sich seit dem in B, D-Straße; es liege somit eine unbeschränkte Steuerpflicht vor. Unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften würden auch dann in die Mindestkörperschaftsteuerpflicht fallen, wenn sie - wie im gegenständlichen Fall - kein steuerlich relevantes Einkommen erzielten. Es sei somit unerheblich, dass eine operative Tätigkeit nicht aufgenommen worden sei.
Die in den Beschwerden angesprochene Vereinbarung vom beziehe sich - die Beschwerdeführerin betreffend - lediglich auf den zu diesem Zeitpunkt aushaftenden Abgabenrückstand von 6.793,53 €, der am gelöscht worden sei. Es werde auch darauf hingewiesen, dass die Änderung einer Steuernummer keinen Einfluss auf die Beurteilung einer eventuell vorliegenden Steuerpflicht habe.

4. In den Vorlageanträgen vom 5. Oktober bzw. wiederholte die Beschwerdeführerin ihr bisheriges Vorbringen und berief sich wiederum auf die Vereinbarung mit dem Finanzamt vom . Ergänzend führte sie aus, der zum offene Saldo sei vom Finanzamt mit vereinbarungsgemäß ausgebucht worden. Bis zu diesem Zeitpunkt und auch danach sei jedoch keine Mindestkörperschaftsteuer vorgeschrieben oder verbucht worden. Im Jahr 2017 seien dann plötzlich und vereinbarungswidrig die bekämpften Bescheide erlassen worden. Diese Vorgangsweise sei durch einen Steuerprüfer veranlasst worden, der jedoch bei den der Vereinbarung vom vorausgegangenen langen und zahlreichen Verhandlungen und auch bei der Besprechung am nicht anwesend bzw. mit dieser Angelegenheit nicht befasst gewesen sei.

5. Das Finanzamt legte die Beschwerden mit Vorlagebericht vom  dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

III. Rechtslage

1. Gemäß § 24 Abs. 1 KStG 1988 wird die Körperschaftsteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen oder dem Gesamtbetrag der Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger im Sinne des § 21 Abs. 1 und 3 KStG 1988 veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat.

2. Gemäß § 24 Abs. 4 Z 1 KStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung des AbgÄG 2005, BGBl. I Nr. 161/2005, gilt für unbeschränkt steuerpflichtige inländische Kapitalgesellschaften und diesen vergleichbare unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Körperschaften Folgendes: Es ist für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer in Höhe von 5 % eines Viertels der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals (§ 7 des Aktiengesetzes 1965, § 6 des GmbH-Gesetzes und Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr. L 294 vom S. 1) zu entrichten. Fehlt bei ausländischen Körperschaften eine gesetzliche Mindesthöhe des Kapitals oder ist diese niedriger als die gesetzliche Mindesthöhe nach § 6 des GmbH-Gesetzes, ist § 6 des GmbH-Gesetzes maßgebend. Ändert sich die für die Mindeststeuer maßgebliche Rechtsform während eines Kalendervierteljahres, ist dafür die am Beginn des Kalendervierteljahres bestehende Rechtsform maßgeblich.

3. Gemäß § 1 Abs. 2 KStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig Körperschaften, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz (§ 27 der Bundesabgabenordnung) haben. Als Körperschaften gelten: 1. Juristische Personen des privaten Rechts, 2. Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 2 KStG 1988) sowie 3. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen (§ 3 KStG 1988).

Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte im Sinne des § 2 des Einkommensteuergesetzes 1988.

4. Gemäß § 27 Abs. 1 BAO haben Körperschaften, Personenvereinigungen sowie Vermögensmassen ihren Sitz im Sinn der Abgabenvorschriften an dem Ort, der durch Gesetz, Vertrag, Satzung, Stiftungsbrief und dergleichen bestimmt ist. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so gilt als Sitz der Ort der Geschäftsleitung.

Gemäß § 27 Abs. 2 BAO ist als Ort der Geschäftsleitung der Ort anzunehmen, an dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet.

5. Gemäß § 4 Abs. 1 KStG 1988 sind Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 ab jenem Zeitpunkt steuerpflichtig, in dem die Rechtsgrundlage wie Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Stiftungsbrief festgestellt ist und sie erstmalig nach außen in Erscheinung treten. Der Beginn der Steuerpflicht der Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 2 und 3 KStG 1988 richtet sich nach den §§ 2 und 3 KStG 1988.

Gemäß § 4 Abs. 2 KStG 1988 sind Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 KStG 1988 bis zu jenem Zeitpunkt steuerpflichtig, in dem die Rechtspersönlichkeit untergeht, jedenfalls bis zu jenem Zeitpunkt, in dem das gesamte Vermögen auf andere übergegangen ist.

6. Die Verpflichtung zur Entrichtung von Vorauszahlungen ergibt sich aus § 24 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 iVm § 45 EStG 1988. Auch auf die Mindestkörperschaftsteuer sind Vorauszahlungen zu leisten (zB /0035).

 

IV. Erwägungen

1. Die Beschwerdeführerin, die ihren Sitz (und die Geschäftsanschrift) im Inland hat, ist eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 KStG 1988. Sie unterliegt daher auch der Mindestkörperschaftsteuer gemäß § 24 Abs. 4 Z 1 KStG 1988. Die unbeschränkte Steuerpflicht hat seit der im Jahr 1988 erfolgten (durch die Firmenbucheintragung auch nach außen in Erscheinung getretenen) Gründung durchgehend bestanden.

Dass die Beschwerdeführerin, wie in den Beschwerden eingewendet wurde, "bis heute keine operative Tätigkeit aufgenommen" habe, vermag die Mindestkörperschaftsteuerpflicht nicht zu beseitigen. Unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften fallen auch dann unter die Mindestkörperschaftsteuerpflicht, wenn sie kein steuerlich relevantes Einkommen erzielen (vgl. Pucher/Stangl in Renner/Strimitzer/Vock (Hrsg), Die Körperschaftsteuer (KStG 1988), 31. Lfg 2018, § 24 KStG Rz 40, mwN). 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht (vgl. ; ), dass mit der Bestimmung des § 24 Abs. 4 KStG 1988 eine von der Verwirklichung der Körperschaftsteuertatbestände (Erzielung eines der Körperschaftsteuer unterliegenden Einkommens) unabhängige Verpflichtung normiert wurde, eine wie eine Vorauszahlung im Sinne des § 45 EStG 1988 zu behandelnde Mindeststeuer im festgelegten Ausmaß zu entrichten. Für solche unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften, denen die Auswirkung der Anrechnungsregelung der Norm mangels Entstehens einer tatsächlichen Körperschaftsteuerschuld im Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen nicht zugute kommt, hat die Bestimmung des § 24 Abs. 4 KStG 1988 im Ergebnis einen Steuertatbestand eigener Art geschaffen. Dieser knüpft als Rechtsfolge allein an die Eigenschaft als unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft an. Die Mindestkörperschaftsteuer trifft die Kapitalgesellschaft von ihrer Entstehung bis zu ihrer Vollbeendigung.

2. Die "Vereinbarung" vom  hatte in erster Linie Einbringungsmaßnahmen bezüglich des Geschäftsführers E zum Gegenstand. Die Beschwerdeführerin betreffend bezog sich diese "Vereinbarung" lediglich auf den zum aushaftenden Rückstand von 6.793,53 €, der - dem Punkt 7 zufolge - nach Erfüllung der Vereinbarung gelöscht werden sollte. Der per offene Saldo wurde am ausgebucht. Der von der Beschwerdeführerin erwähnte Pauschalbetrag von 10.000,00 € pro Jahr bezog sich auf die Schätzung von Einkünften des E im Rahmen der offenen Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 2006 bis 2008 (Punkt 4 der "Vereinbarung").

Der "Vereinbarung" vom  kann insbesondere nicht entnommen werden, dass das Finanzamt auf die Festsetzung der Mindestkörperschaftsteuer bei der Beschwerdeführerin (für die Zukunft) verzichtet hätte. Eine solche Vorgangsweise wäre auch nicht im Ermessen der Abgabenbehörde gelegen; sie hätte der - gesetzeskonformen - Festsetzung der Mindestkörperschaftsteuer in den angefochtenen Bescheiden keinesfalls entgegenstehen können.

Auf das in einem gleich gelagerten Fall ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/3101076/2017, wird hingewiesen.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die oben (Punkt IV) dargestellten Rechtsfolgen ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100251.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at