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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.02.2020, RV/3100908/2016

Kosten für einen Unfall auf der Fahrt Wohnung - Dienstort als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Stb, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt F vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe betragen:

Einkommen:  48.578,36 €

Einkommensteuer (nach Abzug der anrechenbaren Lohnsteuer): -6.342,00 €

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Abgabepflichtige wohnte im Streitjahr in A in Tirol. Er war Pilot bei der Fluggesellschaft AG mit Dienstort Salzburg. Die Fahrten vom Wohnort zum Dienst­ort legte er mit dem privaten Kfz zurück. Die dadurch erwachsenen Kosten wurden im Wege des Verkehrsabsetzbetrages und des großen Pendlerpauschales steuerlich be­rück­sichtigt.

In der Nacht vom auf den geriet er auf der Heimfahrt vom Dienstort von der Straße ab und prallte „im Garten eines Einfamilienhauses“ gegen einen Baum (s. Schilderung in der Unfallmeldung an die AUVA). Als Ursache für den Unfall gab er ein plötzliches Dröhnen im Motorraum und eine blockierende Lenkung und die schlechten Verkehrs- und Wetterbedingungen an. Die Reparaturkosten iHv € 9.693,56 machte er im Rahmen der Arbeit­nehmer­veranlagung für 2012 als Werbungskosten geltend.

Dem Antrag wurde nicht entsprochen. Im Einkommensteuerbescheid 2012 (aus­ge­fertigt am ) wurde dies damit begründet, dass die Rechnung der Re­paratur­werkstätte mit datiert und auch deren Bezahlung erst im Jahr 2013 erfolgt sei. Darüber hinaus lautet die Bescheidbegründung:

„Bei den Aufwendungen betreffend den Unfallschaden wurde trotz Ergänzungs­ersuchen keine gesonderte Aufgliederung über die Kosten des Motorschadens, die Kosten des Unfalles sowie ob Folgekosten zu erwarten sind, vorgelegt. Ebenso wurde keine Bestätigung des Dienstgebers vorgelegt, aus der hervorgeht, ob Ersätze geleistet wurden. Bei den Kosten des Motorschadens (plötzliches Dröhnen im Motorraum) handelt es sich um eine reine Ver­schleiß­erscheinung des Fahrzeuges (Baujahr 2008) und damit um nicht abzugsfähige Aufwendungen der privaten Lebensführung.“

Die steuerliche Berücksichtigung der Kosten für die Autoreparatur blieb auch mit dem ebenfalls am ausgefertigten Einkommensteuerbescheid 2013 versagt. Der Bescheid enthält hinsichtlich der strittigen Reparaturkosten die wort­gleiche Begründung wie jener für das Jahr 2012.

Gegen den angeführten Einkommensteuerbescheid 2013 wurde Beschwerde erhoben und wiederum die Berücksichtigung der Unfallkosten als Werbungskosten beantragt. Der Beschwerdeführer bringt vor, ihm sei im Zusammenhang mit dem Unfall „weder leichte noch grobe Fahrlässigkeit zu unterstellen“. Er sei auch nicht alkoholisiert gewesen. Sämtliche Kosten seien Folgekosten des Unfalles. Ein Motor­schaden sei nie behauptet worden und auch nie zu reparieren gewesen. Der Unfall sei durch eine blockierende Lenkung verursacht worden. Die entsprechende Rechnung der Ver­trags­werkstätte liege dem Finanzamt vor. Die geltend gemachten Kosten seien zur Gänze durch den Unfall entstanden und als Werbungskosten zusätzlich zum Pauschale abzugsfähig.

Der Beschwerde angeschlossen ist eine Bestätigung der Dienstgeberin, wonach keine Beteiligung an den Unfall- und Reparaturkosten erfolge. Auch die Rechnung der Vertragswerkstätte vom über 9.693,56 wurde samt Zahlungsbeleg vorgelegt.

Am erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2013. Begründend führte das Finanzamt aus, der Beschwerde­führer habe unterschiedliche Auskünfte zum Unfallhergang erteilt. Unbestritten sei, dass sich der Unfall Ende Dezember am Abend bei winterlicher Fahrbahn ereignet habe. Die „Art des Schadens und die Lage des Fahrzeuges im Straßengraben“ würden eine diesen Verhältnissen „angepasste Fahrgeschwindigkeit“ nicht erkennen lassen. Dieses Verhalten sei nach der Judikatur des VwGH als grob fahrlässig einzustufen, was dem beantragten Werbungskostenabzug entgegenstehe.

Im Vorlageantrag (Eingabe vom ) wurde auf den ausführlichen Schrift­verkehr mit dem Finanzamt und die Beantwortung „diverser“ Ergänzungsersuchen verwiesen. Der Beschwerdeführer bestreitet, widersprüchliche Angaben zum Unfall­hergang gemacht zu haben. Als ursächlich für den Unfall habe er eine blockierte Lenkung bezeichnet. „Dezidiert“ werde der Annahme einer den Verhältnissen nicht angepassten Fahrweise widersprochen.

2. Beweiswürdigung:

Als Nachweis für den dargestellten Sach­verhalt liegen dem BFG vor:

- Akt des Finanzamtes

- die Unfallmeldung des Beschwerdeführers an die AUVA mit angeschlossenem Bericht des Baubezirksamtes, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der Unfall ereignet hat

- die Rechnung der mit der Unfallreparatur beauftragten Vertragswerkstätte

- Schreiben der Kfz-Versicherung vom , wonach der Schaden durch das bestehende Versicherungsverhältnis nicht gedeckt sei und eine Entschädigung nicht geleistet werde

- der Dienstplan (Flugplan) des Beschwerdeführers für den betreffenden Zeitraum (Dezember 2012)

- die Bestätigung des Dienstgebers, dass kein Kostenersatz geleistet werde

- die Beantwortung eines an die zuständige Landespolizeidirektion gerichteten Auskunfts­ersuchens

3. Rechtliche Würdigung:

Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich auf einer beruflich veranlassten Fahrt ereignet hat, können Werbungskosten darstellen (vgl. z.B. , ÖStZB 1974, 286, und , ÖStZB 1979, 168). Dies gilt jedenfalls für einen unverschuldeten Unfall. Tritt ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers hinzu, kann dadurch der berufliche Veranlassungs­zusammenhang unterbrochen werden. Ob ein Verkehrsunfall beruflich oder privat veranlasst ist, hängt u.a. vom Grad des Verschuldens des Lenkers ab. Zwar handelt es sich bei einem selbst verschuldeten Unfall um ein Fehlverhalten, das nicht durch die berufliche Tätigkeit veranlasst ist. Dieses Fehlverhalten tritt aber als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber dem angestrebten beruflichen Zweck dann in den Hintergrund, wenn der Verkehrsunfall nicht durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Lenkers verursacht worden ist (vgl. mwN).

Bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt es sich um beruflich veranlasste Fahrten (z.B. , VwSlg 8380 F/2008, mit Hinweis auf Doralt, EStG 13, § 16 Tz 100). Aufwendungen wegen eines auf einer solchen Fahrt erlittenen Verkehrsunfalls können somit nach den oben aufgezeigten Grundsätzen zu Werbungskosten führen. Dies auch neben den Pauschbeträgen nach § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, weil die dort statuierte Abgeltungswirkung (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c zweiter Satz) nur die typischerweise für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anfallenden Kosten betrifft (z.B. Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG 1988 III, § 16 allgemein, Tz 5.2 Stichwort "Unfallkosten", sowie Doralt, EStG 13, § 16 Tz 100).


4. Erwägungen

4.1. Motorschaden

In der Begründung des bekämpften Bescheides ist ausgeführt, die strittigen Kosten seien zum Teil für die Reparatur eines Motorschadens aufgewendet worden. Den Schaden beurteilte das Finanzamt als „eine reine Verschleißerscheinung“ (Hinweis auf das Kfz-Baujahr 2008). Die dafür aufgewendeten Kosten seien gemäß § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähig. Das Finanzamt stützte diese Ansicht auf die Angaben des Be­schwerde­führers im Unfallbericht, wo unter „15. Unfallhergang“ ausgeführt ist: „Plötzliches Dröhnen im Motorraum / Blockade des Lenkrades / Aufprall gegen einen Baum … / kam von der Straße ab“.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes kann von einem ungewöhnlichen Geräusch („plötzliches Dröhnen“ bzw. „nicht erklärbares Geräusch“ laut Schreiben des Be­schwerde­führers an die Autofirma) aus dem Motorraum und dem Alter des Fahrzeuges (4 bis 5 Jahre) nicht zweifelsfrei auf den Eintritt eines Motorschadens geschlossen werden. Dies umso weniger, als der Beschwerdeführer einen Motorschaden in Abrede stellt und mitteilte, dass ein solcher nie zu reparieren gewesen sei. Die vorliegende Rechnung der Vertragswerkstätte bestätigt diesen Einwand, sind darin doch nur Reparaturen an Lenkung, Licht und Karosserie aufgelistet. Eine Kürzung allenfalls als Werbungs­kosten in Betracht kommender Reparaturkosten um einen auf einen Motorschaden entfallenden Teil ist daher nicht vorzunehmen.

4.2. Grob fahrlässige Fahrweise

Dem im Akt des Finanzamtes befindlichen Bericht der Straßenmeisterei ist zu ent­nehmen, dass zum Zeitpunkt des Unfalles winterliche Straßenverhältnisse gegeben waren und teilweise Schneeräumung erfolgen musste. In der Beschwerde­vor­ent­scheidung vom führt das Finanzamt aus, die Fahrgeschwindigkeit hätte an die Verhältnisse angepasst werden müssen. Die Art des Schadens und die Lage des Fahrzeuges im Straßengraben würden aber eine an die winterliche Fahrbahn angepasste Fahr­ge­schwindigkeit nicht erkennen lassen. Dieses Verhalten sei „nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes“ als grob fahrlässig einzustufen, was einer steuerlichen Berücksichtigung der strittigen Reparaturkosten entgegenstehe.

Auch dazu muss festgestellt werden, dass keine ausreichenden Hinweise dafür vorliegen, dass der Unfall auf ein (grob) fahrlässiges Verhalten des Beschwerde­führers zurückzuführen wäre. Allein aus der „Art des Schadens“ und der „Lage des Fahrzeuges im Straßengraben“ (offenbar jeweils ersichtlich aus einem dem Finanzamt vorgelegten Foto) ist dies jedenfalls nicht möglich. Diese Ansicht äußerte schließlich auch das Finanzamt selbst, wenn (im Vorhalt vom ) ausgeführt wurde, „die nichtschuldhafte Unfallursache“ könne an Hand der vorgelegten Unterlagen nicht geprüft werden. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass das Fahrzeug in einem Straßengraben zu liegen gekommen wäre. Die Schilderung des Unfalles durch den Beschwerdeführer (schriftliche Darstellung des Unfalles, beim Finanzamt abgegeben anlässlich einer persönlichen Vorsprache am ) stimmt mit jener im Unfallbericht an die AUVA insofern überein, als der Wagen wegen blockierter Lenkung von der Straße abgekommen und im Garten eines Einfamilienhauses gegen einen Baum geprallt ist. Ein nach dem Unfall angefertigtes Foto (s.o.) wurde dem Bundesfinanzgericht elektronisch übermittelt. Es ist aber derart geschwärzt, dass darauf nichts erkennbar ist. Dem Bericht der zuständigen Polizeiinspektion vom ist zu entnehmen, dass eine Protokollierung des Unfalles nicht erfolgt ist. Eine zufällig vorbeikommende Polizeistreife konnte sich aber an den Unfall, bei dem auch ein "Alkovortest" durchgeführt worden sei „vage erinnern“. Aufzeichnungen über diesen Vorgang würden aber auf Grund bestehender Skartierungvorschriften nicht mehr vorliegen. Es liegen somit auch keine Nachweise für ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers vor. Auch das Finanzamt teilte dem Beschwerdeführer im Schreiben vom mit, auf Grund fehlender Polizeiberichte könne nicht geprüft werden, ob ihm Schuldhaftigkeit vorzuwerfen sei.

4.3. Vorschaden

Für die im bekämpften Bescheid aufgestellte Vermutung, die strittigen Kosten würden zum Teil auf Schäden aus einem anderen, länger zurückliegenden Unfall entfallen, fehlt ebenfalls jeglicher Nachweis. In der Beschwerde­vor­ent­scheidung vom führte das Finanzamt vielmehr aus, dass „anhand des … vorgelegten Fotos die beantragten Schäden plausibel“ seien.


5. Berechnung der Einkommensteuer 2013

Der Beschwerde war daher Folge zu geben. Die Einkommensteuer 2013 errechnet sich wie folgt:

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

Übermittelter Lohnzettel (KZ 245)                                                  62.653,25 €

Pendlerpauschale                                                                          -3.672,00 €

Werbungskosten, die der Arbeitgeber
nicht berücksichtigen konnte                                                        -10.211,76 €        

Gesamtbetrag der Einkünfte                                                          48.769,49 €

Sonderausausgaben (§18 EStG 1988)

Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen,
Wohnraumschaffung und -Sanierung (Topf-Sonderausgaben)
eingeschliffen nach folgender Formel:
(60.000,00 - 48.769,49)*(335,55 - 60,00)/23.600,00 + 60                 -191,13 €

Einkommen                                                                                   48.578,36 €


Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs.1 EStG 1988 beträgt:

(48.578,36 - 25.000,00) x 15.125,00 / 35.000,00 + 5.110,00          15.299,22 €

Steuer vor Abzug der Absetzbeträge                                         15.299,22 €

Verkehrsabsetzbetrag                                                                        -291,00 €

Arbeitnehmerabsetzbetrag                                                                   -54,00 €

Pendlereuro                                                                                      -172,00 €

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge                                       14.782,22 €

Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:

0% für die ersten 620,00                                                                       0,00 €

6% für die restlichen 10.463,37                                                          627,80 €

Einkommensteuer                                                                       15.410,02 €

Anrechenbare Lohnsteuer (260)                                                    -21.752,20 €

Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG 1988                                                   -0,18 €

Einkommensteuer nach Abzug der
anrechenbaren Lohnsteuer                                                          -6.342,00

            

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht abzusprechen. Das Erkenntnis bewegt sich auf der Ebene der Tatsachenermittlung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Unfallkosten
Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
Beruflich veranlasste Fahrten
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100908.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at