Leistungsort bei einem Reihengeschäft
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin MMag.Dr. Ingrid Fehrer in der Beschwerdesache VornameBf. Bf., inXYZ, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Ottensheimer Straße 32, 4040 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Gmunden Vöcklabruck vom , betreffend Umsatzsteuer 2009, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt/Beweiswürdigung
1. Der Verwaltungsgerichtshof (, Ra 2018/15/0125) erachtete die vom Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung vom getroffenen Sachverhaltsfeststellungen als nicht ausreichend für eine abschließende rechtliche Beurteilung und hob die Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Er trug dem Bundesfinanzgericht auf, im fortgesetzten Verfahren zu klären, ob die Befähigung, wie ein Eigentümer über die Ware zu verfügen, vom Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) bereits vor dem Zeitpunkt der Beförderung der Ware übertragen wurde oder nicht. Dabei maß der Verwaltungsgerichtshof der Frage, für welche der Parteien die Firma E GmbH tätig wurde, maßgebliche Bedeutung zu.
2. Im fortgesetzten Verfahren wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, insbesondere in die Vernehmungsprotokolle. Dem Bf. wurden die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und die Überlegungen des erkennenden Gerichtes vorgehalten, worauf die steuerliche Vertretung eine ausführliche Replik übermittelte. Die belangte Behörde äußerte sich dazu nicht.
3. Auf Grund teils widersprüchlicher Aussagen und teils unglaubwürdiger Unterlagen erfolgten die nachstehenden Sachverhaltsannahmen in freier Beweiswürdigung jener Umstände, welche in einer Gesamtbetrachtung die höchste Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit für sich haben:
4. Der Bf., ein im Streitzeitraum hauptberuflich nichtselbständiger Angestellter, zeigte dem Finanzamt mit Eingabe vom den Beginn eines Handels mit Getränken per an. Darüber hinaus handelte der Bf. im Zeitraum von September 2009 bis Dezember 2009 mit Diesel.
5. Der Bf. erklärte für das Jahr 2009 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Umsatzsteuer. Im erklärungsgemäß ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2009 vom wurden innergemeinschaftliche Lieferungen in Höhe von rd. € 1,62 Mio. steuerfrei belassen sowie innergemeinschaftliche Erwerbe (20%) in Höhe von rd. € 1,59 Mio. mit entsprechendem Vorsteuerabzug berücksichtigt.
6. Auf Grund der im Rahmen einer Außenprüfung getroffenen Feststellungen nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 2009 gemäß § 303 Abs 4 BAO wieder auf, versagte die Steuerfreiheit für die als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelten Umsätze und erließ am neue Sachbescheide gegen die Beschwerde erhoben wurde.
7. Die von der Abgabenbehörde durchgeführten Ermittlungen ergaben, dass die Diesellieferungen Gegenstand von Malversationen waren, an denen mehrere Unternehmen beteiligt waren.
8. Über Vermittlung diverser Kontaktpersonen traf sich der Bf. im Spätsommer 2009 in einer Autobahnraststätte mit dem Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma H Transporte s.r.o. mit Sitz in Budweis (in der Folge kurz: H), D, um mit ihm über Lieferungen von Diesel an die Firma H zu verhandeln. In Wirklichkeit hatte aber D nie die Absicht, die Treibstoffe in die Tschechische Republik oder nach Ungarn befördern zu lassen. Vielmehr diente die behauptete Beförderung des Diesels in diese Mitgliedstaaten nur als Tarnung, um den tatsächlichen Zweck der Geschäfte zu verschleiern, nämlich den unversteuerten Endverkauf im Inland durch die Drahtzieherin dieser Malversationen, die Firma E GmbH mit Sitz in AA bei BB (Geschäftszweig laut Firmenbuch: Handel mit Treibstoffen und Heizölen; in der Folge kurz: E) bzw durch den dahinterstehenden Personenkreis (K, Geschäftsführer bis ; L, Geschäftsführer ab ; beide im Beschwerdezeitraum Gesellschafter der E ). Für diesen Zweck wurde der Bf. angeheuert, um den An-und Verkauf der Treibstoffe abzuwickeln. Dabei sollte der Eindruck entstehen, die Firma E sei nur für den Transport zuständig. D erhielt für die papiermäßige Abwicklung von der E eine Provision (siehe Rz. 20). Der Bf. lukrierte einen fixen Zuschlag von 150 € pro LKW-Zug (siehe Rz. 13).
9. Den Diesel bezog der Bf. ausschließlich von der österreichischen Firma M GmbH & Co KG (in der Folge kurz: M) aus deren Tanklager CC in Deutschland und veräußerte ihn anschließend an die Firma H weiter. Für den Bf. war dabei nicht ersichtlich, dass die Waren anschließend an die Firma E weiterverkauft wurden und damit nicht in die Tschechische Republik bzw nach Ungarn gelangten. Die von der Firma M geforderte Bankgarantie wurde durch ein Sparbuch mit einer Einlage in Höhe von 50.000 € von der Firma E durch L sichergestellt (siehe Einvernahme K vom ; Einvernahme L vom ; Einvernahme Bf. vom ).
10. Die Preisabsprachen erfolgten dergestalt, dass der Bf. zunächst bei der Firma M anfragte und die auf Basis "ab Werk" eingeholten Preisinformationen anschließend an den Geschäftsführer der H, D, weiterleitete (siehe Berufung vom ). Dieser gab diese Informationen an die Firma E weiter, welche dann schlussendlich durch die Personen K oder L entschied, zu welchem Preis und in welchen Mengen der Bf. bei der Firma M einkaufen sollte (siehe Einvernahme D vom ; siehe auch Rz. 23). Weder der zwischen dem Bf. und der Firma M noch der zwischen dem Bf. und D (Firma H) vereinbarte Preis enthielt Frachtkosten. Diese wurden zum Schein von H getragen (siehe Einvernahme K vom ; siehe auch Rz. 21). In Wirklichkeit führte die E die Transporte auf eigene Rechnung und Verantwortung aus (siehe Rz. 22).
11. Nach erfolgter Zahlung des Rechnungsbetrages erhielt der Bf. von der Firma M die Ladenummer und gab diese an die Firma E zur Abholung weiter (siehe Einvernahme Bf. vom ). Über Urgenzen bezüglich unvollständiger Frachtpapiere (der Bf. benötigte Transportnachweise für die vermeintlichen innergemeinschaftlichen Lieferungen in die Tschechische Republik bzw nach Ungarn) hinaus, gab es keine Geschäftsverbindungen (somit also auch keine Transportaufträge) zwischen dem Bf. und der E (siehe Berufung vom ).
12. Der Bf. trat gegenüber der Firma M mit seiner österreichischen UID-Nummer auf. Die Fakturierung des Dieselverkaufs an den Bf. erfolgte mit dem Hinweis auf eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung von Deutschland nach Österreich, unter Angabe der deutschen UID-Nummer der M sowie der österreichischen UID-Nummer des Bf. Die Firma M meldete die Verkäufe als innergemeinschaftliche Lieferungen nach Österreich. Korrespondierend dazu versteuerte der Bf. in Österreich innergemeinschaftliche Erwerbe.
13. Der Bf. fakturierte sämtliche von der Firma M bezogenen Treibstoffe (einschließlich des Zuschlages von 150 € pro LKW-Zug) an die Firma H als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen und meldete die Verkäufe in den Zusammenfassenden Meldungen als innergemeinschaftliche Lieferungen in die Tschechische Republik. Am legte der Bf. korrigierte Ausgangsrechnungen mit einem nachträglich hinzugefügten und von der Firma H geschäftsmäßig unterzeichneten Bestätigungsvermerk vor, wonach die Firma H die Ware nach Budapest (Ungarn) verbracht habe. Frachtpapiere wurden hiezu nicht vorgelegt.
14. Daraufhin verrechnete H die Treibstofflieferungen an die Firma Z Kft. mit Sitz in Budapest (in der Folge kurz: Z) weiter. Nach den Feststellungen der Abgabenbehörde handelt es sich bei diesem Unternehmen um eine Schein- bzw Briefkastenfirma, die keinerlei operative Tätigkeit ausgeübt hat. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb wurde weder in der Tschechischen Republik noch in Ungarn gemeldet. Nachweise dafür, dass der Diesel tatsächlich physisch von Österreich nach Ungarn oder in die Tschechische Republik gelangte, liegen nicht vor.
15. Der gesamte im Zeitraum September bis Dezember 2009 vom Bf. von der Firma M erworbene und an die Firma H weiterverkaufte Diesel wurde folglich weder in die Tschechische Republik noch in einen anderen Mitliedstaat befördert oder versendet, sondern von der E, mit deren eigenen Tankfahrzeugen bzw durch beauftragte Fremdfrächter (Rz. 22) vom Tanklager in CC/Deutschland abgeholt, nach Österreich verbracht und hier an deren Buchhaltung vorbei, nämlich „schwarz“, verkauft (siehe Einvernahme K vom ).
16. Vor der Abholung in CC/Deutschland gab der Bf. der Firma E die ihm von der M übermittelte Ladenummer des Tanklagers in CC bekannt, welche die E berechtigte, über den Treibstoff zu verfügen. Die nach erfolgter Ladung der Ware ausgestellten Verladeanzeigen wurden sodann vom Bf. an die M übersandt (siehe Einvernahme Bf. vom ). Die Firma H erhielt diese Verladeanzeigen nicht (siehe Einvernahme D vom ; Einvernahme Bf. vom ).
17. Der Transport endete in AA bei BB, wo der Diesel in einen 100.000 Liter Erdtank der Tankanlage (Tankstelle) der Firma SS (Sitz in AA, Geschäftszweig laut Firmenbuch: Internetspedition und Frachtenbörse; in der Folge kurz: SS.) abgeladen wurde. Dieser Tank stand ausschließlich der E zur Verfügung. Für Zwecke der nachfolgenden Entnahme durch die Firma E wurde daher sogar eigens eine Absaugmöglichkeit geschaffen (siehe Einvernahme DD vom ; laut Firmenbuch bis Geschäftsführer der Firma SS.). Der Diesel wurde daraufhin mit den firmeneigenen Tankfahrzeugen der E wieder abgesaugt und an verschiedene Endverbraucher (Frächter und Landwirte) in Österreich weiterverkauft (siehe Einvernahme K vom ).
18. Darüber hinaus konnte auch die Firma SS. über eine EDV unterstützte Zapfsäule Diesel vom Erdtank entnehmen, der monatlich auf Grund bekanntgegebener Entnahmemengen abgerechnet wurde. Die von der E aus dem Erdtank abgesaugten Treibstoffe wurden hingegen nicht dokumentiert. Von Seiten der SS. wurden keine Lagergebühren verrechnet, weshalb sie als Gegenleistung von der Firma E einen günstigeren Dieselpreis erhielt. Die Anlieferungen der Firma E wurden schließlich immer weniger und endeten im Dezember 2009 (siehe Einvernahmen DD vom und O vom , ehemaliger Gesellschafter und Berater der SS.).
19. Sowohl die E als auch die SS. wurden zwischenzeitig nach Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens aufgelöst und im Firmenbuch gelöscht.
20. Die Dieseltransaktionen wurden ganz bewusst über den Bf. und die Firma H abgewickelt, um den tatsächlichen Erwerb durch die Firma E und den unversteuerten Weiterverkauf des Diesels zu vertuschen. Nach den Aussagen des an diesen Malversationen mitbeteiligten Geschäftsführers der H, D (siehe Einvernahme vom ), war bereits bei der Geschäftsanbahnung mit der Firma E (K) fix vereinbart, dass die gesamte Abwicklung des Ein- und Verkaufs, die Provisionsabrechnung, die Frachtrechnungen sowie die Bezahlung über die Firma E läuft. So erfolgte auch die Bereitstellung der Bankgarantie durch die E (siehe Rz. 9). Er erhielt für die Zurverfügungstellung seiner Firma (H) und die papiermäßige Abwicklung der Geschäfte von einem der Verantwortlichen der Firma E (L oder K) im Zuge einer Besprechung am in Bad Ischl aus der Auflösung des Sparbuches mit der Einlage von 50.000 € (Bankgarantie für Firma M) eine Provisionszahlung in Höhe von 45.000 € in bar ausbezahlt, für deren Erhalt D einen Beleg (Rechnung der H an E vom ) erstellte (siehe Einvernahmen D vom und ; Einvernahme L vom ; Einvernahme K vom und ).
21. Eine Transportbeauftragung der E durch den Bf. oder D sollte daher nur zum Schein erfolgen. In Wirklichkeit gab es eine solche gar nicht, sondern die E führte die Transporte im ausschließlichen Eigeninteresse selber durch. Aus diesem Grund enthielt auch der zwischen der M und dem Bf. bzw dem Bf. und der H vereinbarte Preis (ab Werk) keine Frachtkosten, diese wurden von der E alleine getragen. Die von der Firma E der Firma H in Rechnung gestellten Frachtkosten wurden somit lediglich zum Vortäuschen falscher Tatsachen erstellt (siehe Einvernahme K vom ).
22. Untermauert wird diese Feststellung durch die Aussage des O vom , wonach K ihn im Zeitraum September bis Dezember 2009 gebeten hatte, auf Grund bei der E aufgetretener Kapazitätsprobleme einen Frächter für den Transport zu besorgen. Daraufhin beauftragte die SS. u.a. die Firma TT. Die für die Abholung erforderliche Ladenummer erhielt die SS. von der Firma E (K). Die Firma SS. verrechnete die entstandenen Frachtkosten – unter Gegenverrechnung der von ihr entnommenen Menge Treibstoff - an die Firma E weiter. Daraus erhellt, dass ausschließlich die E die Auftraggeberin und Verantwortliche der Transporte war und weder der Bf. noch die H damit zu tun hatten.
23. Dass der Treibstoff ausschließlich für die E bestimmt war, ergibt sich u.a. auch aus den Aussagen desSt, der bei der Firma E als „Mädchen für alles“ angestellt war. Er gab am zu Protokoll, dass die Firma E im Zeitraum 2009 in Deutschland Diesel einkaufen wollte, jedoch auf Grund des früheren Konkurses des Gesellschafters K dort keine Ware einkaufen konnte, weshalb der Dieseleinkauf über den Bf. abgewickelt wurde. Die Firma E hatte ihre Treibstoffeinkäufe mit den bei ihr bereits eingegangenen Bestellungen abgestimmt. So gab es im Büro der E eine abwischbare Tafel, auf der die Auslieferungen und Zustellungen des nächsten Tages, unter Angabe des jeweiligen Empfängers der Treibstoffe, der Menge und des Preises, notiert wurden. Im Ausmaß der verkauften Treibstoffmenge wurde dann von der Firma E (L) über die Achse Bf. – Firma H der Diesel eingekauft, vom Tanklager in CC/Deutschland mit deren eigenen Tankfahrzeugen oder durch beauftragte Frächter abgeholt und an die Endkunden ausgeliefert.
II. Rechtliche Grundlagen
24. Gemäß § 3 Abs 7 UStG 1994 wird eine Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.
Befindet sich der Gegenstand zu diesem Zeitpunkt im Inland, liegt eine steuerbare Leistung vor.
25. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung nach § 3 Abs 8 UStG 1994 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn der Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter befördert oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgt wird. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter.
26. Nach Art 1 Abs 1 UStG 1994 unterliegt der Umsatzsteuer auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt. Voraussetzung für einen innergemeinschaftlichen Erwerb ist u.a., dass ein Gegenstand bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt.
27. Nach Art 3 Abs 8 UStG 1994 wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist; im Fall des Nachweises gilt § 16 UStG 1994 sinngemäß.
28. Zur Thematik "Reihengeschäfte" führte der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom (Ra 2018/15/0125) und (2013/15/0114) - unter Verweis auf die aktuelle Rechtsprechung des EuGH - Folgendes aus:
29. Bei Lieferungen in der Reihe handelt es sich gedanklich um mehrere Lieferungen, die als nacheinander erfolgt anzusehen sind, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen. Der Ort der einzelnen Umsätze muss jeweils für sich bestimmt werden. Nur für einen Umsatz in der Reihe kann der Ort der Lieferung nach § 3 Abs 8 UStG 1994 bestimmt werden. Diese Lieferung wird üblicherweise als die "bewegte Lieferung" oder „Transportlieferung“ bezeichnet, die anderen Lieferungen als "ruhende Lieferungen".
30. Bei einem Reihengeschäft mit einer Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat kann nur die bewegte Lieferung zu einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung und einem innergemeinschaftlichen Erwerb führen. Der Ort der ruhenden Lieferung befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft der Beförderung oder Versendung, je nachdem, ob die bewegte Lieferung vor oder nach einer solchen Lieferung stattfindet.
31. Holt der letzte Abnehmer in der Reihe den Liefergegenstand ab, ist die „bewegte Lieferung“ seinem unmittelbaren Vorlieferanten zuzurechnen. Diese Lieferung ist nach § 3 Abs 8 UStG 1994 dort steuerbar, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Die Lieferung an den Vorlieferanten bzw etwaige weitere Vorlieferungen werden nach § 3 Abs 7 UStG 1994 dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet, das ist am Beginn der Beförderung oder Versendung.
32. Eine innergemeinschaftliche Lieferung muss mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb einhergehen. In Bezug auf Umsätze, die eine Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen bilden, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, kann die innergemeinschaftliche Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden. Zur Klärung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, ist eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (, Toridas, Rn. 31, 34f).
33. Dabei ist insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (EuGH Toridas, Rn. 36; , Arex, Rn. 70). Es kommt insoweit also auf den Zeitpunkt an, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung einerseits und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind (EuGH Arex, Rn. 74).
34. Die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, liegt vor, wenn die Partei ermächtigt ist, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (EuGH Arex, Rn. 75).
35. Der Lieferer kann die Verfügungsmacht nur übertragen, wenn er selbst Verfügungsmacht hat. In diesem Zusammenhang hat der EuGH (, C-245/04, EMAGHandel Eder, Rn. 38; , C-430/09, Euro Tyre Holding BV, Rn. 31) entschieden, dass der Zwischenerwerber die Befähigung wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Zweiterwerber nur übertragen kann, wenn er sie zuvor vom Erstverkäufer erhalten hat, und die Zweitlieferung kann daher erst erfolgen, wenn die Erstlieferung durchgeführt ist.
36. Der Entscheidung in der Rs. Kreuzmayr(; C-628/16) lag ein Abholfall zugrunde, wobei der Treibstoff vom letzten Abnehmer in einem dreigliedrigen Reihengeschäft beim ersten Unternehmer abgeholt wurde, ohne dass dies für den ersten Unternehmer in der Reihe ersichtlich war. Die Frage, wo und wann die Verfügungsmacht an den Zweiterwerber übertragen wurde, wurde vom EuGH nicht thematisiert, weil dies bereits durch das vorlegende Gericht geklärt war. Es hatte festgestellt, dass die Verfügungsmacht dem Zweiterwerber schon im Abgangsland, somit also vor der innergemeinschaftlichen Beförderung, übertragen wurde. Der EuGH gelangte sodann wenig überraschend zu dem Ergebnis, dass die Warenbewegung der Lieferung des Ersterwerbers (Zwischenhändler) an den Zweiterwerber (Endabnehmer) zuzuordnen war (Rn. 35).
37. Auch im Urteil in der Rs. Arex( , C-414/17) - welches ebenfalls einen Abholfall betraf - führte der EuGH den Übergang der Verfügungsmacht als primäres Kriterium an. In diesem Fall hatte Arex durch Einfüllen der Treibstoffe in die Tanks ihrer eigenen Tankwägen im Abgangsland von diesen Besitz genommen, bevor sie sie in das Bestimmungsland beförderte. Damit kam es nicht nur zu einem umsatzsteuerlichen Übergang des Eigentums an diesen Waren, sondern auch zu einem zivilrechtlichen, sodass die einzige innergemeinschaftliche Beförderung erst nach der Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten von Arex erfolgte und daher die von Arex vorgenommenen Erwerbe als innergemeinschaftliche Erwerbe einzustufen waren (Rn. 78).
38. Zur Übertragung des Eigentums und der Verfügungsmacht an der Ware an den Abnehmer als Kriterium für die Zuordnung der bewegten Lieferung führte die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom (Anmerkung: das Urteil des EuGH ist noch nicht ergangen), zur Rs. Herst, s.r.o. (C-401/18) aus, dass im Falle einer Lieferkette, bei der dem Empfänger die Verfügungsmacht durch den Leistenden verschafft wurde, auch das mittlere Unternehmen (jedenfalls für eine logische Sekunde) die Verfügungsmacht erlangt haben muss. Andernfalls lägen nicht zwei Lieferungen, sondern allenfalls eine Lieferung und eine Dienstleistung vor. Die „ledigliche“ Ermöglichung des Zugangs zu den beschafften Waren durch den mittleren Unternehmer an seinen Kunden (Herst) reicht aus, um jeweils einen Übergang der Verfügungsmacht in der Lieferkette anzunehmen (Rn. 33). Mehrere Lieferungen haben somit auch mehrere Übertragungen der Verfügungsmacht zur logischen Konsequenz (Rn. 34).
39. Die Generalanwältin bekräftigte sodann die ständige Rechtsprechung des EuGH, wonach Art 14 Abs 1 MwStSystRL normiert, dass die Übertragung der Befähigung, „wie ein Eigentümer“ über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, erfolgt sein muss. Der Begriff "Lieferung eines Gegenstands" stellt nicht auf die Eigentumsübertragung in der durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Form ab (Rn. 34). Der Eigentumserwerb kann jedoch als Indiz im Rahmen einer Gesamtwürdigung von Bedeutung sein (Rn. 35). Dabei verwies die Generalanwältin auf das Urteil in der Rs. Arex, bei dem es der EuGH für entscheidungswesentlich hielt, ob das Eigentum schon bei der Beladung mit dem Kraftstoff durch den transportierenden Leistungsempfänger erworben wurde (Rn. 36).
40. Zur konkreten Zuordnung der grenzüberschreitenden Beförderung in einer Lieferkette verwies die Generalanwältin auf die ständige Rechtsprechung des EuGH, wonach die Zuordnung „unter umfassender Würdigung aller besonderer Umstände des Einzelfalls“ zu treffen ist (Rn 40). Bei Reihengeschäften ist insbesondere zu berücksichtigen, durch wen oder auf wessen Rechnung der Transport durchgeführt wird (Rn. 41). Sie schlug neuerlich vor (siehe Schlussanträge zur Rs. Arex, Rn. 65), auf den Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs beim Grenzübertritt abzustellen (Rn 41, 43ff). Diesen Vorschlag hat der EuGH in seinem Urteil zur Rs. Arex allerdings nicht aufgegriffen.
III. Erwägungen
41. Im Beschwerdefall haben mehrere Unternehmen Umsatzgeschäfte über denselben Gegenstand, nämlich Dieseltreibstoff, abgeschlossen, wobei die Gegenstände unmittelbar vom ersten Unternehmer in der Reihe (M) an den letzten Abnehmer (E) befördert wurden. Der erste Unternehmer und der letzte Abnehmer standen dabei zueinander in keiner Lieferbeziehung, sondern waren lediglich durch die direkte Warenbewegung verbunden.
42. Für jede der Lieferungen ist der Lieferort gesondert nach den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuergesetzes zu ermitteln. Wie bereits dargelegt, kann nur für einen Umsatz in der Reihe der Lieferort nach § 3 Abs 8 UStG 1994 bestimmt werden und nur diese innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein. Diese „bewegte Lieferung“ ist dort steuerbar, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Bei allen übrigen Lieferungen handelt es sich um „ruhende Lieferungen“, die gemäß § 3 Abs 7 UStG 1994 dort ausgeführt werden, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Ist eine ruhende Lieferung der Warenbewegung vorgelagert, ist diese folglich im Abgangsland steuerbar. Ist sie der Warenbewegung nachgelagert, liegt der Lieferort hingegen im Bestimmungsland. Es ist daher zunächst zu bestimmen, welches die bewegte Lieferung ist, weil sich daraus die Rechtsfolgen für die anderen Lieferungen ergeben. Danach bestimmen sich die Lieferorte der anderen Lieferungen in der Reihe (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar5, 393).
43. Von einer Verschaffung der Verfügungsmacht im umsatzsteuerlichen Sinn spricht man, wenn der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Damit Verfügungsmacht verschafft werden kann, muss sie der Unternehmer selbst besitzen (siehe auch Rz. 35 und 38). Das Erlangen von Eigentum am Liefergegenstand ist dabei nicht erforderlich. Ausreichend ist die Befähigung, über den Nutzen des Gegenstands frei zu disponieren, dh ihn zu veräußern (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar5, 382).
44. Wie sachverhaltsmäßig festgestellt, waren die von der Firma M bezogenen Treibstoffe ausschließlich für die E bestimmt, welche den Treibstoff auf eigene Kosten selbst von CC in Deutschland abholte bzw ihrerseits Frächter damit beauftragte, nach Österreich transportierte und anschließend an diverse Kunden im Inland weiterveräußerte. Es lag daher weder eine Transportbeauftragung durch den Bf. noch durch den Geschäftsführer der Firma H vor.
45. Zwischen dem Bf., als erster Zwischenhändler und der H, als zweite Zwischenhändlerin bestand ein vertragliches Übereinkommen, den Treibstoff zu den vereinbarten Bedingungen von M zu erwerben und an die H zu veräußern. Zwischen der E und der H bestand eine Vereinbarung dergestalt, dass die H die Ware der E zu übertragen, die papiermäßige Abwicklung durchzuführen und die Malversationen zu verschleiern hatte. Dafür erhielt H eine Provision.
46. Fraglich ist, ob zwischen dem Bf. und der Firma H ein unbeachtliches Scheingeschäft vorlag.
Ein Scheingeschäft im Sinne des § 916 ABGB liegt vor, wenn sich die Parteien dahingehend geeinigt haben, dass das offen geschlossene Geschäft nicht oder nicht so gelten soll, wie die Erklärungen lauten, wenn also die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes mit bestimmten Inhalt hervorriefen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht oder nicht so wie vertraglich vereinbart eintreten lassen wollen. Das Scheingeschäft setzt somit gemeinsamen Vorsatz voraus, der schon im Zeitpunkt des Zustandekommens des Scheinvertrages gegeben sein muss (Ritz, BAO6, 98).
47. Nach übereinstimmenden Zeugen- bzw Beschuldigtenaussagen wusste der Bf. nichts davon, dass die Treibstoffe weder nach Budweis noch nach Ungarn befördert wurden, sondern letztlich in die Verfügungsberechtigung der E gelangten (siehe Rz. 9) und durch diese im Inland veräußert wurden. Damit muss ein gemeinsamer Vorsatz verneint werden. Die Geschäftsverbindung zwischen dem Bf. und der Firma H war von Seiten des Bf. ernsthaft auf einen Leistungsaustausch gerichtet, weshalb ein zivilrechtlich und steuerlich unbeachtlicher Scheinvertrag iSd § 916 ABGB nicht vorliegt.
48. Der Bf. und die Firma H sind beide zweifelsfrei im Außenverhältnis jeweils im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als Leistungsverpflichteter bzw als Leistungsempfängerin aufgetreten, wobei die H als Strohmann in die Beschaffungsgeschäfte der Firma E eingeschaltet war und dadurch die Interessen der im Hintergrund wirkenden Auftraggeberin wahrgenommen hat. Nach übereinstimmender Rechtsprechung und Lehre wird die Leistung, die der Treuhänder im eigenen Namen empfängt, auch diesem zugerechnet (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar, 193f) und folgt damit dem Grundsatz, dass derjenige Leistungsempfänger ist, wer die Leistung ausbedungen hat, mag auch ein Dritter den Aufwand tragen oder der effektive Nutzen der Leistung letztlich im Vermögen eines anderen eintreten (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar, 184).
49. Leistung bedeutet tatsächliches Erbringen der Leistung. Maßgebend ist somit nicht der Vertragsabschluss (das Verpflichtungsgeschäft), sondern die Erfüllung. Diese ist jedoch bereits gegeben, wenn der Leistende die vereinbarte Leistung (den Gegenstand) zur Disposition des Leistungsempfängers stellt, somit Leistungsbereitschaft derart gegeben ist, dass der Vertragspartner über den Nutzen der Leistung verfügen kann (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar5, 84). Die Verfügungsmacht kann nicht nur durch körperliche Übergabe, sondern auch durch eine Einigung über den Eigentumsübergang verschafft werden.
50. Auch wenn die H den Treibstoff nicht so wie mit den Bf. vereinbart, in die Tschechische Republik oder nach Ungarn befördern hat lassen, hat sie dennoch vom Bf. die Befugnis zur Weiterveräußerung und damit die Verfügungsberechtigung erhalten und zwar zweifelsfrei bereits bevor die Abholung durch die E erfolgte.
51. Hingegen ist die zwischen der H und der E zum Schein geschlossene Transportbeauftragung (siehe Rz. 21) als Scheingeschäft im Sinne des § 916 ABGB zu beurteilen. Nach der vorliegenden Sachlage, haben sich die Parteien dahin gehend geeinigt, dass das offen geschlossene Geschäft nicht gelten soll. Sie beabsichtigten in Wirklichkeit, kein Geschäft zu schließen, womit der Rechtsfolgewille gänzlich fehlt. Der Transport ist somit ausschließlich der E zuzurechnen.
52. Im Verhältnis zwischen der Firma H als Strohmann (Treuhänderin) und deren Auftraggeberin E (Treugeber) führt die Übertragung des Treugutes ebenfalls zu einer Leistung (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar, 184), weshalb nach der vorliegenden Sachlage von einem viergliedrigen
Reihengeschäft M – Bf. – H – E
auszugehen ist.
53. Im fortgesetzten Verfahren war zu klären, zu welchem Zeitpunkt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten der E, als Endabnehmerin, stattgefunden hat.
54. Der Tatplan der E war von Beginn an darauf gerichtet, den Treibstoff für ihre eigenen unternehmerischen Zwecke zu beziehen. Wie bereits dargelegt, war sie nicht als beauftragtes Transportunternehmen unterwegs, sondern hat als letzte Abnehmerin in der Lieferkette die Waren selbst abgeholt. Durch die Bekanntgabe der Ladenummern, das Einfüllen des Treibstoffes in die Tankwägen der E bzw der von ihr beauftragten Frächter, hat die E von H den physischen Besitz der Ware übertragen bekommen (siehe Rz. 37) und wurde zweifelsfrei bereits vor der innergemeinschaftlichen Beförderung, somit also am Abgangsort, befähigt, wie eine Eigentümerin über die Ware zu verfügen, um sie anschließend nach Österreich zu transportieren, in den ausschließlich ihr zugedachten Erdtank abzulassen und schlussendlich im Rahmen von Schwarzgeschäften zu veräußern. Dass auch der Bf. der H die Verfügungsberechtigung am Treibstoff bereits vor der innergemeinschaftlichen Beförderung übertragen hat, liegt auf der Hand, ansonsten hätte die E, als Endabnehmerin nicht bereits am Abgangsort wie eine Eigentümerin darüber verfügen können (siehe auch Rz. 38).
Wie bereits ausgeführt, ist zunächst festzustellen, welche die bewegte Lieferung ist. Danach bestimmen sich die Lieferorte der anderen Lieferungen in der Reihe:
Lieferung der Firma H an die Firma E:
55. Da die E als letzte Abnehmerin in der Lieferkette die Treibstoffe beim ersten Unternehmen (M) selbst abgeholt hat und bereits in Deutschland nicht nur umsatzsteuerlich über die Ware wie eine Eigentümerin verfügen konnte, sondern auch zivilrechtlich Eigentum erworben hatte, stellt die Lieferung der H (als unmittelbare Vorlieferantin) an die E die bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs 8 UStG 1994 dar, deren Ort dort ist, wo die Beförderung beginnt, nämlich in Deutschland. Sie unterliegt folglich dem dortigen Recht. H tätigte daher in Deutschland eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Die E verwirklichte dagegen in Österreich einen innergemeinschaftlichen Erwerb.
Lieferung Firma M an den Bf.:
56. Die Firma M verschaffte dem Bf. die Verfügungsmacht über die Waren bereits vor dem Zeitpunkt der Beförderung, weshalb es sich bei der Lieferung der Firma M, als erster Unternehmerin der Reihe, an den Bf. (als Ersterwerber), um die ruhende Lieferung handelt, die gemäß § 3 Abs 7 UStG 1994 dort ausgeführt wurde, wo sich die Ware zur Zeit der Verschaffung der Verfügung befand, nämlich in Deutschland. Folglich stellt die Lieferung der M an den Bf. eine in Deutschland, aber nicht in Österreich steuerbare Lieferung dar.
Für den Bf. sind die Voraussetzungen für einen innergemeinschaftlichen Erwerb nicht gegeben, weshalb der angefochtene Bescheid abzuändern war.
Lieferung des Bf. an die Firma H:
57. Die H kann nur dann seiner Abnehmerin (E) die Verfügungsmacht übertragen haben, wenn sie sie zuvor von ihrem Lieferanten (Bf.) erhalten hat. Da der Bf. der H bereits vor Beginn des Transports Verfügungsmacht eingeräumt hat, stellt die Lieferung des Bf. an die H ebenfalls eine in Deutschland ausgeführte ruhende Lieferung dar, welche im Inland nicht steuerbar ist.
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass dem Bf. keine innergemeinschaftliche Lieferungen zugerechnet werden können und der angefochtene Bescheid zu ändern war.
IV. Zulässigkeit einer Revision
58. Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
59. Diese Voraussetzungen liegen im Beschwerdefall nicht vor. Zur Frage der Zuordnung der bewegten Lieferung in Abholfällen wird auf die im Erkenntnis angeführte Judikatur des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 Abs. 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3 Abs. 8 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 1 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 3 Abs. 8 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100488.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
DAAAC-23513