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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.01.2020, RV/7103114/2019

Familienheimfahrten; Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes bei nicht vernachlässigbarem Einkommen der Ehefrau in Ungarn

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., Adr._Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom , betreffend Einkommensteuer 2017 zu Recht: 

1. Der Einkommensteuerbescheid 2017 wird gemäß § 279 BAO abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe ist dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer Bf. (in der Folge „Bf.“) ist ungarischer Staatsbürger. Er bezieht im Streitzeitraum Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Österreich.

Der Bf. hat seinen Familienwohnsitz mit seiner – im Streitzeitraum – schwangeren Ehefrau und seinem zweijährigen Sohn in Familienwohnsitz (Ungarn). Das Haus steht im Eigentum des Bf.

Seine Ehefrau hat im Jahr 2017 ein Einkommen in Höhe von 1.663.925 HUF (circa 5.213 Euro). Im Jahr 2017 sind durchschnittlich 319,19 Forint ein Euro. Die Ehefrau ist Juristin und hat einen Universitätsabschluss der Karoli Gaspar Universität in Budapest.

Der Bf. fährt wöchentlich von Wien nach Ungarn zu seiner Familie und begehrt Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 1.960 Euro.

Die einfache Wegstrecke vom Wohnsitz in Wien zum Wohnsitz in Ungarn beträgt 205 Straßenkilometer. Die Wegzeit beträgt ca. 2 Stunden 30 Minuten.

Der Bf. legt Tankrechnungen in Höhe von 1.221,31 Euro vor:


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Datum
Betrag HUF
Betrag EUR
Umrechnungskurs ÖNB
9.995,00
32,29
309,55
15.600,00
49,96
312,27
 
24,99
 
5.000,00
16,25
307,62
10.000,00
32,12
311,35
10.000,00
31,99
312,55
14.000,00
44,95
311,47
2.950,00
9,44
312,38
12.000,00
38,41
312,38
15.005,00
48,03
312,38
10.000,00
32,03
312,2
14.500,00
46,55
311,47
15.200,00
49,25
308,65
10.000,00
32,48
307,84
10.000,00
32,50
307,66
17.975,00
58,40
307,79
15.000,00
48,52
309,13
11.995,00
39,19
306,05
15.000,00
49,11
305,41
12.000,00
39,18
306,28
15.000,00
48,41
309,87
 
34,98
 
15.005,00
48,45
309,73
11.999,00
38,68
310,25
10.000,00
32,12
311,36
10.000,00
32,45
308,13
10.005,00
32,17
311,01
12.000,00
38,60
310,9
10.005,00
32,15
311,15
10.000,00
31,97
312,77
20.000,00
63,81
313,43
10.000,00
31,88
313,67
Summe
 
1.211,31
 

Dem Vorbringen des Bf. nach, möchte dieser nur einige Jahre in Österreich arbeiten und dann nach Ungarn zurückkehren. Aufgrund dessen möchte der Bf. das Eigenheim in Ungarn auch nicht veräußern. Eine nachgewiesene Absicht oder Vorbereitungshandlungen zur Aufnahme einer Tätigkeit in Ungarn liegen nicht vor. Das Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber, X GmbH, wurde auf unbefristete Zeit abgeschlossen.

2. Beweiswürdigung

Die Staatsangehörigkeit und die Einkünfte des Bf. im Streitzeitraum sind aktenkundig.

Dass der Bf. verheiratet ist, ergibt sich aus der vom Bf. beigebrachten Heiratsurkunde vom Datum. Dass der Bf. im Streitzeitraum einen Sohn hat, ergibt sich aus der Geburtsurkunde vom Datum des Sohnes. Die Schwangerschaft der Ehefrau im Streitzeitraum ergibt sich aus der aktenkundigen Bestätigung des Frauenarztes über das Vorliegen der Schwangerschaft.

Dass das Haus im Eigentum des Bf. steht, ergibt sich aus dem Vorlageantrag vom . Dass das Haus in Ungarn der Familienwohnsitz ist, ergibt sich aus § 4 Abs. 1 der Pendlerverordnung (BGBl. II Nr. 276/2013) .

Das Einkommen der Ehefrau ergibt sich aus der Stellungnahme samt der beigebrachten Einkommensnachweise der Ehefrau vom . Der durchschnittliche Wechselkurs von Forint zu Euro im Streitjahr ergibt sich aus einer Abfrage bei der Österreichischen Nationalbank (https://www.oenb.at/zinssaetzewechselkurse/zinssaetzewechselkurse). Dass die Ehefrau ein abgeschlossenes Studium hat, ergibt sich aus der Bestätigung der Karoli Gaspar Universität vom .

Die einfache Wegstrecke von Wien zum Familienwohnsitz sowie deren Dauer ergibt sich aus einer Abfrage des Routenplaners Google Maps (https://maps.google.at).

Die vom Bf. vorgelegten Tankrechnungen sind aktenkundig. Der Umrechnungskurs ergibt sich den tagesgenauen Fremdwährungs-Referenzkursen der ÖNB (abzurufen unter https://www.oenb.at/zinssaetzewechselkurse/zinssaetzewechselkurse?mode=zeitreihenzumeuro).

Für das Bundesfinanzgericht sind die wöchentlichen Fahrten von Wien zum Familienwohnsitz und zurück glaubhaft. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ausländische Arbeitnehmer, deren Familie und Kinder im Ausland leben, an Wochenenden zurück zur Familie fahren. Zudem stehen die aktenkundigen Tankrechnungen im zeitlichen Zusammenhang mit wöchentlichen Fahrten. Kosten in Höhe von 1.221,31 Euro sind durch Tankrechnungen nachgewiesen.

Dass das Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber auf unbefristete Zeit abgeschlossen wurde, ergibt sich aus dem vom Arbeitgeber am übermittelten Dienstvertrag vom .

3. Erwägungen

   3.1. Zu Spruchpunkt 1: Abänderung

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 normiert:

§ 20. (1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

[...]

e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (vgl. ). Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann die verschiedensten Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. etwa ); die Unzumutbarkeit ist aus Sicht der jeweiligen Streitjahre zu beurteilen ().

Nur dann, wenn die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Tätigkeitsort unzumutbar ist, sind Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall ist daher zuerst zu prüfen, ob dem Bf. die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Tätigkeitsort unzumutbar ist.

Der Bf. sieht die Unzumutbarkeit der Familienwohnsitzverlegung dadurch begründet, dass er in Österreich nur einige Jahre arbeiten möchte. Im Lichte der Rechtsprechung des VwGH kann die Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar sein, wenn der Verbleib am Tätigkeitsort nur von (nach den Umständen gemessen) kurzer Dauer sein wird, weil das Beschäftigungsverhältnis zeitlich befristet ist und nach den Umständen des Einzelfalles von einer Rückkehr an den Familienwohnsitz auszugehen ist (vgl. ). Das Dienstverhältnis des Bf. wurde auf unbefristete Zeit abgeschlossen. Zudem wurden keine Gründe vorgebracht, die belegen, dass die Tätigkeit nach einer gewissen Tätigkeit in Ungarn ausgeführt werden soll. Das vom Bf. vorgebrachte Argument ist daher zu verwerfen.

Der Bf. sieht die Unzumutbarkeit der Familienwohnsitzverlegung zudem dadurch begründet, weil er sein Eigenheim in Ungarn nicht veräußern möchte. Dazu genügt es auszuführen, dass die Tatsache, dass der Familienwohnsitz ein Eigenheim ist, als persönliche Vorliebe einzustufen ist und damit nicht zur Unzumutbarkeit der Familienwohnsitzverlegung führt (vgl. ).

Schließlich beruft sich der Bf. in seinem Vorlageantrag darauf, dass im gemeinsamen Haushalts ein unterhaltsberechtigtes und betreuungsbedürftiges Kind wohnt, und eine Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Grundsätzlich wurde eine derartige Argumentation vom Bundesfinanzgericht in anderen Fällen akzeptiert (vgl. ). Im dortigen Fall bestand für das Bundesfinanzgericht aufgrund des Einkommens des Bf. (dort 14.000 Euro) und die vierköpfige Familie kein Zweifel an der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Familienwohnsitzverlegung. Im vorliegenden Fall ist – im Streitjahr – ein unterhaltspflichtiges und betreuungsbedürftiges Kind am Familienwohnsitz. Fraglich ist daher, ob eine Übersiedlung der Familie (Ehefrau und Sohn) aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Der Bf. hat im Streitzeitraum ein Jahreseinkommen in Höhe von ca. 22.500 Euro. Dies liegt – im Lichte der Erhebung der Statistik Austria – rund 5.000 Euro unter dem österreichischen Medianeinkommen im Jahr 2017 (vgl. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/personen-einkommen/jaehrliche_personen_einkommen/020054.html). Das Einkommen des Bf. entspricht jedoch dem Einkommen anderer Branchen (zB Handel: vgl. https://www.wko.at/service/kollektivvertrag/KV-Angestellte-Lehrlinge-Handelsbetriebe-2017.html#19). Die Ehefrau des Bf. hat ein abgeschlossenes Studium und arbeitet in Ungarn. Warum daher eine Familienwohnsitzverlegung des Bf. aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar sein soll, ist unter Berücksichtigung dieser Umstände nicht ersichtlich.

Vor dem Bundesfinanzgericht bringt der Bf. jedoch nunmehr erstmals vor, dass seine Ehefrau in Ungarn selbst ein Einkommen bezieht. Im Lichte der Rechtsprechung des VwGH ist die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Tätigkeitsort dann unzumutbar, wenn der Ehepartner am Ort des Familienwohnsitzes berufstätig ist (vgl. ; ). Voraussetzung ist jedoch, dass die Einkünfte des Ehepartners im Vergleich zum Bf. nicht vernachlässigbar sind (vgl. ). Die Finanzverwaltung erkennt eine steuerliche Relevanz ab einer Höhe von mehr als 6.000 Euro an (vgl. LStR 2002 Rz 344). Unabhängig von dieser Grenze, die im Lichte der Rechtsprechung des VwGH zur Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes keine normative Wirkung entfaltet (vgl. wiederum ), ist davon auszugehen, dass die Einkünfte der Ehefrau in Höhe von 5.213 Euro im Streitjahr 2017 nicht vernachlässigbar sind. Denn das Einkommen des Bf. beträgt im Streitjahr 2017 22.500 Euro. Die Einkünfte der Ehefrau sind daher im Lichte des Einkommens des Bf. nicht vernachlässigbar, weil sie deutlich über einem Zehntel der Einkünfte des Bf. liegen (vgl. wiederum ; Hammerl, Berufsbedingter Doppelwohnsitz: 2.200-Euro-Grenze überholt, RdW 2004, 756; Kofler, Die steuerliche Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung, taxlex 2008, 8 (11); Zorn/Engelmann, in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg) EStG19 (2017) § 4 Rz 347).

Für den Bf. ist daher die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Tätigkeitsort im Streitjahr 2017 unzumutbar. Neben der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes, muss auch die tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz unzumutbar sein. Eine tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz bei einer Fahrtstrecke von ca. 205 Straßenkilometer und einer Dauer von ca. 2 Stunden 30 ist unzumutbar (vgl. ; Zorn/Engelmann, in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg) EStG19 (2017) § 4 Rz 348).

Als Fahrtkosten sind jene Aufwendungen anzuerkennen, die tatsächlich anfallen. Aufwendungen für Familienheimfahrten sind bei einem steuerlich anerkannten Doppelwohnsitz insoweit abzugsfähig, als sie innerhalb angemessener Zeiträume, also in angemessener Frequenz, erfolgen. Es bestehen keine gesetzlichen Regelungen über die Häufigkeit der Familienheimfahrten (vgl ). Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen sind idR wöchentliche Familienheimfahrten zu berücksichtigen (vgl. ).

Im Rahmen der Feststellungen sind Kosten für wöchentliche Familienheimfahrten in Höhe von 1.211,31 Euro nachgewiesen worden, die von der belangten Behörde im Erstbescheid nicht berücksichtigt wurden. Damit ist der Einkommensteuerbescheid 2017 abzuändern.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

   2.2. Zu Spruchpunkt 2: Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des VwGH zur Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes (vgl. ; ; ) und zu Familienheimfahrten (vgl. ). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Die Revision ist unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at