Anträge an das BFG auf Gewährung von Wiederaufnahmen von Verfahren nach § 303 BAO von Beschwerdefolgejahren
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter RI hinsichtlich der an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung gerichteten Anträge der Bf., vertreten durch STB, auf Gewährung von Wiederaufnahmen von Verfahren gemäß § 303 BAO betreffend Schätzungsbescheide 2010 und 2011 (Umsatzsteuer 2010 und 2011, Körperschaftsteuer 2010 und 2011), beschlossen:
Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird aufgrund Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes eingestellt.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach § 25a Abs. 2 VwGG unzulässig.
Begründung
§ 303 BAO zur Wiederaufnahme des Verfahrens lautet:
§ 303. (1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen.
§ 305 BAO lautet:
§ 305. Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des nach § 307 Abs. 1 aufzuhebenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.
Für die Abgabenjahre 2007 bis 2011 wurden wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer die Besteuerungsgrundlagen regelmäßig vom Finanzamt (FA) nach § 184 BAO geschätzt. Vorhalte wurden nicht beantwortet. Unterlagen wurden nicht übermittelt. Zwangstrafen und Verspätungszuschläge wurden regelmäßig festsetzt. Wegen Unterlassungen der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgten Festsetzungen der Umsatzsteuer regelmäßig durch das FA nach § 21 Abs. 3 UStG. Auf die Einhaltung abgaberechtlicher Verpflichtungen und allfällige finanzstrafrechtliche Konsequenzen wurde vom FA mehrmals hingewiesen (vgl. u.a. Körperschaftsteuerbescheid 2011 vom ). Gegen die Schätzungsbescheide wurden seitens der Beschwerdeführerin (Bf.) regelmäßig Einsprüche erhoben. Steuererklärungen wurden nachträglich eingereicht. Beim BFG sind Einsprüche (Beschwerden) gegen den Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbescheid 2009 nach erfolgter Schätzung durch das FA anhängig. In diesem Verfahren blieb u.a. ein Vorhalt (Ergänzungsersuchen) des FA seitens der Bf. unbeantwortet. Der Bf. wurde vom BFG nochmals Gelegenheit gegeben, das unbeantwortete Ergänzungsersuchen des Finanzamtes zu beantworten und weiterführende Unterlagen vorzulegen.
Ein Antwortschreiben der steuerlichen Vertretung, datiert mit , erfolgte. Diverse Unterlagen wurden von der Bf. übermittelt. Im letzten Absatz dieses Schreibens wurde hinsichtlich der Schätzungsbescheide der Beschwerdefolgejahre 2010 und 2011 (somit Umsatzsteuer 2010 und 2011, Körperschaftsteuer 2010 und 2011) an das Bundesfinanzgericht folgendes Begehren gerichtet:
Wir hoffen, dass es Ihnen möglich ist, mit diesen Informationen und Unterlagen diesen Fall für das Jahr 2009 abzuschließen. Gleichzeitig erlauben wir uns, Sie im Namen von … darum zu ersuchen, für die Jahre 2010 und 2011, für die Schätzungsbescheide ergangen sind, eine Wiederaufnahme zu gewähren. Eine Wiederaufnahme durch Abgabe von Steuererklärungen wurden seitens der ehemaligen steuerlichen Vertretung zwar beantragt, jedoch zu einem verspäteten Zeitpunkt, sodass diese abgewiesen wurde. Unsere Mandantin sieht sich nun mit Forderungen seitens der Finanz konfrontiert, die die finanziellen Möglichkeiten der nicht mehr operativ tätigen Gesellschaft übersteigen und die auf Basis von Versäumnissen der ehemaligen steuerlichen Vertretung bzw. der damaligen Geschäftsführung entstanden sind.
Wiederaufnahme von Verfahren, wie auch Wiedereinsetzungen und Beschwerden sind in der BAO im 7. Abschnitt (Rechtsschutz) enthalten.§ 305 BAO regelt die grundsätzliche Zuständigkeit für Wiederaufnahmen von Verfahren nach der Bundesabgabenordnung (§ 303 BAO). Die Kompetenzverteilung zwischen Behörden und dem BFG zur Entscheidung über Anträge auf Wiederaufnahmen von Verfahren ist in der BAO, FinStrG und VwGVG unterschiedlich geregelt. Anders wie u.a. im Falle von Anträgen auf Wiederaufnahmen nach § 32 VwGVG oder nach § 165 Abs. 4 FinStrG in Verbindung mit § 166 Abs. 1 FinStrG in Bezug auf die jeweilige Zuständigkeit und Einbringung von Wiederaufnahmeanträgen, ist im Falle von Anträgen auf Wiederaufnahmen nach § 303 BAO zum Großteil die Behörde und nicht das Verwaltungsgericht zuständig (Ausnahmen, vgl. Ritz: BAO-Kommentar, 6. Auflage, Tz 1 bis 3 zu § 305 BAO). Dies gilt auch dann, wenn das wiederaufzunehmende Verfahren durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossen wäre (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, zu § 305 BAO Tz 1).
Der Antrag der Bf. auf Gewährung von Wiederaufnahmen durch das BFG betreffend Schätzungsbescheide 2010 und 2011 kann somit vom BFG nicht behandelt werden, da für Wiederaufnahmen von Verfahren gemäß § 303 BAO (Bundesabgabenordnung) in Verbindung mit § 305 BAO, bei hier nicht zutreffenden Ausnahmen der Zuständigkeit des BFG bei Wiederaufnahmen (vgl. § 287 Abs. 2 BAO in Bezug auf § 303 BAO), in der vorliegenden Sache die Abgabenbehörde zuständig ist (vgl. auch , ).
Eine Zuständigkeit des BFG für die "Gewährung" obiger Wiederaufnahmeanträge betreffend Schätzungsbescheide 2010 und 2011 kann auch nicht aufgrund der vor dem BFG anhängigen Beschwerdeverfahren gegen die Schätzungsbescheide des Vorjahres 2009 entstehen bzw. ist daraus nicht ableitbar.
Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO sind grundsätzlich bei jener Behörde einzubringen, die den Bescheid erlassen hat und somit für die Wiederaufnahme zuständig ist (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Auflage, § 303 Tz 48 und § 305 Tz 2). Das Schreiben mit dem Begehren auf Gewährung von Wiederaufnahmen der Schätzungsbescheide 2010 und 2011 wurde vom BFG im Jänner 2020 an das FA Wien 1/23 zur Wahrnehmung allfälliger Zuständigkeiten mit verfahrensleitendem Beschluss übermittelt.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100403.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at