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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.02.2020, RV/5100476/2019

Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastungen bei 24h-Pflege

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0029. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/5100381/2021 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. NN in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt XYZ vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2013
Einkommen
13.939,68 €
Einkommensteuer
Anrechenbare Lohnsteuer
454,88 €
-2.424,00 €
Festgesetzte Einkommensteuer (Abgabengutschrift)
-1.969,00 €

Die Berechnung der Bemessungsgrundlagen und der Höhe der Abgabe ist dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Erkenntnisspruches bildet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt/Verfahren

Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2013.

In der am eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2013 beantragte der Beschwerdeführer tatsächliche Kosten aus der Behinderung seiner Ehefrau als außergewöhnliche Belastungen (ohne Selbstbehalt) in Höhe von 4.143,59 €.

Im Zuge der Überprüfung der im Rahmen einer Vorhaltsbeantwortung vorgelegten Unterlagen anerkannte das Finanzamt lediglich nachgewiesene Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners in Höhe von 3.011,96 € (Bescheid vom ). Auf die Bescheidbegründung wird verwiesen (Streichung folgender Kosten: Bekleidung für Akutgeriatrie 95,05 €; Hofer, Medizinschrank 19,99 €; Fahrtkosten der Tochter für Organisation 24h-Pflege, Arztbesuche, Apotheke, Einkaufen etc. 1.016,40 €).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am elektronisch Beschwerde und beantragte den Ersatz der Fahrtkosten in Höhe von 1.016,40 €, welche er seiner Tochter bezahlt habe. Es habe sich bei den Fahrten nicht um Besuchsfahrten sondern um notwendige Aktivitäten seiner Tochter im Zusammenhang mit der Organisation der 24h-Pflege für seine Gattin und um dabei unbedingt erforderliche Erledigungen gehandelt. Es handle sich daher bei diesen Fahrten nicht um Aufwendungen der privaten Lebensführung. Er verweise auf das als Beilage angehängte Urteil des BFG mit der GZ. RV/6100944/2015.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, ohne auf die Argumente des Beschwerdeführers einzugehen. Auf die Begründung, die von Besuchsfahrten ausgeht, wird verwiesen.

Mit elektronisch eingebrachtem Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung und verwies zur Begründung auf seine Bescheidbeschwerde.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Festgestellter Sachverhalt

Die Ehefrau des Beschwerdeführers erhielt im November und Dezember 2013 ein Pflegegeld von insgesamt 490,05 €.

Sie war vom 22.11. bis in Kurzzeitpflege (12 Tage). Ab 10. Dezember hatte sie eine 24h-Betreuerin (22 Tage).

Die Tochter organisierte die 24h-Pflege und legte lt. Fahrtkostenaufstellung 2.420 km zurück. Die Höhe der geltend gemachten Fahrtkosten beläuft sich auf 1.016,40 €, die sie vom Beschwerdeführer ersetzt erhielt.

Der Wohnort der Tochter liegt rd. 120 km vom Wohnort ihrer Eltern entfernt.

Beweiswürdigung

Die Höhe der strittigen Fahrtkosten sind durch eine Fahrtkostenaufstellung belegt. Für die Kostentragung durch den Beschwerdeführer liegen handschriftliche Bestätigungen vom und vor.

Rechtslage

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (Abs. 4 1. Satz).

Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden (Abs. 6):

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen (BudBG 2011, BGBl I 111/2010).

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung (§ 34 Abs. 6) geltend gemacht werden (Abs. 5).

Rechtliche Erwägungen

Strittig ist die Höhe der im Rahmen der Organisation der 24h-Pflege angefallenen Fahrtkosten.

Eine außergewöhnliche Belastung wegen Krankheitskosten iSd Abs. 6 (ohne Selbstbehalt) kommt nur in Betracht, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 34 vorliegen; es müssen auch die allgemeinen Merkmale der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit verwirklicht sein (vgl. Jakom/Baldauf EStG, 2015, § 34 Rz 53). Es liegen im gegenständlichen Fall sowohl die allgemeinen Merkmale der Außergewöhnlichkeit als auch der Zwangsläufigkeit vor. Der besondere Pflege- und Betreuungsbedarf der Ehefrau des Beschwerdeführers ist durch den Bezug von Pflegegeld nachgewiesen.

Hinsichtlich der bereits vom Finanzamt nicht gewährten Krankheitskosten (Bekleidung für Akutgeriatrie 95,05 €; Hofer, Medizinschrank 19,99 €) sieht das Bundesfinanzgericht keinen Änderungsbedarf, zumal diese Aufwendungen im Vorlageantrag nicht mehr enthalten sind.

Lediglich bei den geltend gemachten Fahrtkosten für die Organisation der 24h-Pflege vertritt das Bundesfinanzgericht eine gegenteilige Ansicht. Es entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass einer pflegebedürftigen Person Kosten im Zusammenhang mit der Organisation der 24h-Pflege, in der Beschaffung von Pflegemitteln und Medikamenten sowie für Fahrten zum Arzt entstehen. Unstrittig ist, dass diese Kosten typischerweise mit einer Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung einhergehen. Sie gehen bei pflegebedürftigen betagten Personen über die regelmäßig wiederkehrenden Kosten der Lebensführung hinaus, da sie jedenfalls anfallen. Im Gegensatz zu gesunden betagten Personen, die diese Leistungen noch selbst erbringen können, müssen pflegebedürftige Personen für diese Leistungen Geld in die Hand nehmen (). Der Organisationsaufwand bei der erstmaligen Einrichtung einer 24h-Pflege ist erheblich und konnte von der Tochter des Beschwerdeführers durchgeführt werden. Die von ihr geltend gemachten Fahrtkosten sind nicht besuchsbedingt, sondern ausschließlich krankheitsbedingt angefallen. Im Hinblick auf den erstmaligen Organisationsaufwand sind diese Kosten auch angemessen.

Im Jahr 2013 sind daher die Fahrtkosten in Höhe von 1.016,40 € als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird über geltend gemachte Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners abgesprochen. Zu den §§ 34 und 35 EStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von im Streitfall ausschließlich einzelfallbezogenen Sachverhaltsfragen ab. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100476.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at