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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.01.2020, RV/5100146/2019

Vortäuschung einer Erwerbstätigkeit zur Erlangung von Differenzzahlungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, Slowakei, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Lilienfeld St. Pölten vom zu VNR über die Rückforderung zu Unrecht für das Kind K im Zeitraum von März 2013 bis Oktober 2017 bezogener Beträge an Kinderabsetzbeträgen und Ausgleichszahlungen gemäß Verordnung (EG) 883/2004 (Differenzzahlungen) in Höhe von insgesamt 9.599,28 € zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer beantragte am mit Formular Beih 38 die Gewährung von Differenzzahlungen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 für seinen am **.9.2007 geborenen Sohn K ab März 2013. In diesem Antrag gab der Beschwerdeführer an, dass er slowakischer Staatsbürger und am nach Österreich eingereist sei. Er wohne in Adr.1.

An dieser Adresse hatte der Beschwerdeführer laut Eintragungen im Zentralen Melderegister in der Zeit von bis einen Nebenwohnsitz gemeldet. Als Unterkunftgeber wurde A W (Siefvater des Beschwerdeführers) ausgewiesen.

Als Dienstgeber gab der Beschwerdeführer auf dem Formblatt vom seine Mutter M (Ehefrau des A W) an.

Diese war nach ihren Angaben anlässlich der Einvernahme durch die Finanzpolizei am bereits im Jahr 2005 zur Familie W gekommen und hatte zunächst H W (damalige Ehefrau des A W) bis zu deren Tod Ende des Jahres 2005 als Personenbetreuerin gepflegt. Sie sei von einer Agentur als Pflegerin vermittelt worden und 14-tägig mit einer anderen Pflegerin abgewechselt worden. Sie habe von der Agentur einen Tagessatz von 50,00 €, monatlich daher 700,00 € (50,00 € x 14 Tage) erhalten. Anschließend sei sie als „Haushaltshilfe“ und Lebensgefährtin bei A W geblieben, der damals noch keine Pflege benötigt hätte. Auf Drängen des A W habe sie diesen im August 2009 geheiratet. Ab dem Jahr 2012 habe sich dessen Gesundheitszustand in Form eines schleichenden Prozesses verschlechtert (Diabetes, Inkontinenz) und sie hätte ihn seitdem pflegen müssen. Da ihr die alleinige Pflege zu viel geworden sei, habe sie seit ca. 2015 eine slowakische Freundin gebeten, ihr bei der Pflege zu helfen, wenn ihr Sohn nicht da gewesen sei. In der Zeit zwischen der Heirat im Jahr 2009 und dem Beginn des „wirklich schlechten Gesundheitszustandes“ des A W im Jahr 2015 hätte sie mit diesem „ca. die Hälfte der Zeit“ auch in ihrer damaligen Wohnung in Slowakei gelebt. Ihr Sohn habe sie dabei von Adr1 nach Slowakei und zurück gefahren. Der Sohn des A W sei vielleicht einmal im Jahr für ein paar Stunden zu Besuch gekommen und habe keinerlei Unterstützung geleistet. Im November 2017 sei A W verstorben. Ihr Sohn wohne mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen dreijährigen Tochter T bei ihr in ihrer Wohnung in Slowakei. In diesem Jahr werde aber sein neu gebautes Haus fertig und er werde dort mit seiner Familie einziehen. Er habe sich im März 2013 als „Pfleger“ selbständig gemacht.

Weiter gab der Beschwerdeführer am Antragsformular an, dass sein Sohn bei seiner geschiedenen Frau LK in der Slowakei lebe und dort ab September 2014 die Grundschule besuche. Er bezahle monatlich an Alimenten 100,00 € und 200,00 € für „Sonstiges“.

Dem Antragsformular war ein zwischen dem Beschwerdeführer als Auftragnehmer (Gewerbetreibender) und seiner Mutter als Auftraggeberin abgeschlossener „Werkvertrag über Leistungen in der Personenbetreuung gemäß § 159 GewO“ vom betreffend die Betreuung des A W angeschlossen. Als Auftraggeber (und Vertragspartner) der selbständigen Betreuungsperson (Beschwerdeführer) wird nicht die betreuungsbedürftige Person selbst (A W), sondern dessen Ehefrau (Mutter des Beschwerdeführers) als „Sachwalterin im Namen der zu betreuenden Person“ angeführt. Dass die Mutter des Beschwerdeführers jemals zum Sachwalter ihres Ehegatten A W bestellt worden wäre, wurde weder vom Beschwerdeführer vorgebracht noch ist dies den vorliegenden Akten zu entnehmen.

Im Werkvertrag werden die durchzuführenden Tätigkeit näher beschrieben (haushaltsnahe Dienstleistungen, Unterstützung bei der Lebensführung, Gesellschafterfunktion, Führung des Haushaltsbuches, praktische Vorbereitung der betreuungsbedürftigen Person auf einen Ortswechsel, Organistation von Personenbetreuung, sonstige Dienstleistungen wie Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme, Arzneimittelaufnahme, Körperpflege, Unterstützung bei der Benützung der Toilette einschließlich der Hilfestellung beim Wechsel von Inkontinenzprodukten) und der Beginn des Vertragsverhältnisses mit bestimmt. Der Werklohn wird mit 350,00 € pro Woche festgelegt und sei auf ein näher bezeichnetes Bankkonto des Beschwerdeführers bei der Raiffeisenbank zu leisten (auf dieses Konto wurden in weiterer Folge auch die Differenzzahlungen überwiesen).

Dem Antrag wurde eine Anmeldung des Gewerbes der Personenbetreuung durch den Beschwerdeführer mit Wirkung per bei der Bezirkshauptmannschaft BH angeschlossen.

Ferner wurden vom Beschwerdeführer an seine Mutter gelegte Honorarnoten für jeweils zweiwöchige Zeiträume im Betrag von 700,00 € vorgelegt, beginnend mit März 2013 für den Zeitraum bis .

Aktenkundig sind ausgefüllte Formulare E 401 (Familienstandbescheinigung) und E 411 (Anfragen betreffend den Anspruch auf Familienleistungen im Wohnmitgliedsstaat des Kindes).

Im Akt erliegt weiters das Urteil des Bezirksgerichtes Slowakei IV vom über die Scheidung des Beschwerdeführers von der Kindesmutter. Darin wird unter anderem die elterliche Vereinbarung, dass das Sorgerecht für den minderjährigen K für die Zeit nach der Scheidung (allein) auf die Mutter übertragen wird, bestätigt. Die Vertretung des Minderjährigen und dessen Vermögensverwaltung steht dagegen beiden Elternteilen zu. Der Beschwerdeführer verpflichtete sich, zum Unterhalt des Kindes mit einem Betrag von 100,00 € monatlich beizutragen.

Nach Beantwortung eines Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom gewährte das Finanzamt die beantragten Differenzzahlungen samt Kinderabsetzbeträgen.

Im Zuge der Überprüfung des Beihilfenanspruches (Überprüfungsbögen vom , und ) legte der Beschwerdeführer auch für die darin angeführten Zeiträume an seine Mutter gerichtete Honorarnoten für jeweils zweiwöchige Zeiträume im Betrag von 700,00 € vor. Die Honorarnoten sind zum Teil vom Beschwerdeführer und zum Teil von seiner Mutter unterschrieben. In Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom wurden für die Monate März 2015 bis April 2016 Honorarnoten vorgelegt, die von der Mutter des Beschwerdeführers unterschrieben worden waren; im Zuge der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom wurden die selben Honorarnoten (und auch jene für die Monate Mai 2016 bis November 2017), nunmehr unterschrieben vom Beschwerdeführer, vorgelegt. Ferner wurden Erklärungen der Kindesmutter vorgelegt, dass der Beschwerdeführer neben den Unterhaltszahlungen auch die „Kosten der Schule, Aktivitäten und Erhaltungsbeitrag“ für seinen Sohn trage.

Am langte auch beim Finanzamt folgende anonyme Anzeige, die an die Bezirkshauptmannschaft BH gerichtet war, ein:

„Hinweis auf Finanz- und Sozialbetrug

Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Zuge unserer Berufsausübung ist uns folgender Sachverhalt zur Kenntnis gelangt, der unserer Einschätzung nach länderübergreifenden Betrugscharakter trägt.

Eine Pflegerin pflegt den pensionierte Hauptschuldirektor A W und seine Ehefrau H aus Adr1 (24h ohne irgendeiner Form eines offiziellen Beschäftigungsverhältnis). Einige Jahre nach dem Tod der von H W heiratet die Pflegerin M (*1952) den Pflegefall A W.

BF (*1971) der Sohn der Pflegerin, löst nach der Eheschließung seiner Mutter mit Herrn W eine Gewerbeberechtigung als „selbständiger Personenbetreuer für die 24h Pflege“ und gibt an, die Pflegekraft von A W zu sein. BF meldet sein Gewerbe am Wohnsitz des Ehepaares MK in Adr.1 an, lebt aber weiterhin in der Slowakei. Er pflegte Herrn W zu keinem Zeitpunkt.

Beim Sozialministeriumsservice wird um Förderung für die 24-Stunden Pflege angesucht.

Im Zuge seiner fingierten gewerblichen Tätigkeit beantragt BF Familienbeihilfe beim Finanzamt und Alleinerzieherabsetzbetrag, obwohl er weder mit seinen Kindern zusammenlebt, noch seine Kinder betreut. Die Kinder K und T leben bei ihren Müttern in Slowakei bzw im Gemeindegebiet G. Die Familienbeihilfe leitet BF nicht an die obsorgenden Mütter weiter. Unterhalt zahlt er nicht.

Im November 2017 stirbt Herr W. BF stellt sein Personenbetreuungsgewerbe nicht ruhend, obwohl er über die Pflicht der Stilllegung informiert ist. Seinen Angaben nach möchte er die Familienbeihilfe in Österreich nicht verlieren und strebt weitere Versicherungszeiten in Österreich an. Nun plant er seine Mutter als Pflegefall zu deklarieren. Die Frau ist selbstverständlich kein Pflegfall. Der Plan ist es eine schlechter überprüfbare Diagnose, nämlich die Psyche der Frau als Pflegegrund anzugeben.

Herr BF lebt mit relativ großer Wahrscheinlichkeit überwiegend an folgender Adresse: Adr.2. Gemeldet ist er an dieser Adresse nicht. Er betreibt diverse Finanzdienstleistungen in der Slowakei. Angeblich ist er wegen betrügerischer Krida in der Slowakei vorbestraft.

Seine Mutter bezieht eine Witwenpension in der Slowakei aus der Ehe mit JK. Herr BF hat ihr geraten, der pensionsauszahlenden Stelle in der Slowakei die Eheschließung mit Herrn W nicht zu melden. In Österreich wurde nach dem Tod von Herrn W ebenfalls ein Antrag auf Auszahlung der Hinterbliebenenversorgung bei der BVA gestellt. Frau M hat einige Male Namenswechsel beantragt. Sie nennt sich auch MT und MK.“

Daraufhin wurden von der Finanzpolizei im Zusammenwirken mit der zuständigen Polizeiinspektion Erhebungen eingeleitet, da die anonyme Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft eingebracht worden war.

Der zuständige Beamte dieser Polizeiinspektion gab gegenüber der Finanzpolizei fernmündlich an, dass A W seines Wissens von seiner Frau gepflegt worden sei. Deren Sohn (der Beschwerdeführer) sei immer nur sporadisch da gewesen. A W habe er sicher nicht gepflegt. Seit dessen Tod sei er seines Wissens überhaupt nicht mehr da gewesen.

Eine weitere Auskunftsperson bestätigte diese Angaben gegenüber der Finanzpolizei und gab an, dass der Beschwerdeführer auch nie in Österreich gewohnt habe. Dieser habe mit seiner Lebensgefährtin in der Nähe von Slowakei ein Haus gebaut.

Ein Angestellter der Hausverwaltung (betreffend die Wohnung in der Adr.1) gab an, dass die Mutter des Beschwerdeführers A W gepflegt habe. Ihren Sohn (den Beschwerdeführer) habe man eigentlich kaum gesehen, er selbst kenne ihn nur vom Sehen. Er habe den Eindruck gehabt, dass alles seine Mutter mache. Wenn der Beschwerdeführer A W tatsächlich gepflegt hätte, hätte er ihn sicherlich in regelmäßigen Abständen sehen müssen, das sei aber nicht der Fall gewesen. Er habe den Beschwerdeführer seit 2013 vielleicht zwei oder drei Mal pro Jahr in Adr1 gesehen. Dessen Mutter habe er dagegen zwei bis drei Mal pro Monat beim Spazierengehen oder im Supermarkt getroffen. Es sei offensichtlich gewesen, dass sie A W gepflegt habe. Sie habe ihm vor einiger Zeit gesagt, dass sie die Wohnung aufgeben möchte. Da es bereits einen Nachmieter gebe, der möglichst bald einziehen möchte, habe sie daher zugesagt, die Wohnung bis zu räumen.

Am wurde von der Finanzpolizei Nachschau im Haus Adr.1 gehalten und ein weiterer Mieter dieses Hauses befragt. Auch dieser gab an, dass A W von seiner Frau (Mutter des Beschwerdeführers) gepflegt worden sei. Den Sohn (Beschwerdeführer) habe er kaum gesehen. Der sei vielleicht einmal monatlich nach Adr1 gekommen, wenn er seine Mutter aus der Slowakei mit dem PKW hergebracht hatte. Der sei aber am selben Tag wieder abgereist. Dass dieser A W gepflegt hätte, könne er sich nicht vorstellen.

Die Finanzpolizei nahm am auch mit dem Meldeamt der Gemeinde fernmündlich Kontakt auf. Auch die Mitarbeiterin der Gemeinde bestätigt, dass die Mutter des Beschwerdeführers A W gepflegt habe. Dass es da einen Sohn (den Beschwerdeführer) gäbe, habe sie nicht gewusst.

Die Finanzpolizei wurde von der Hausverwaltung informiert, dass die Übergabe der Wohnung von der Mutter des Beschwerdeführers an den Nachmieter am stattfinde. Beamte der Finanzpolizei waren daher am ab 11:05 Uhr vor Ort, denen eine Besichtigung der Wohnung durch den Vertreter der Hausverwaltung und den Nachmieter gestattet wurde. Dabei wurden offensichtlich auch die aktenkundigen Fotos aus dieser Wohnung angefertigt. Kurz darauf erschienen der Beschwerdeführer und dessen Mutter in der Wohnung. Beide wurden ersucht, am selben Tag am Finanzamt zur persönlichen Befragung zu erscheinen, was von diesen auch zugesagt wurde.

Die Mutter des Beschwerdeführers machte bei ihrer Einvernahme am im Wesentlichen die bereits eingangs zitierten Angaben.

Der Beschwerdeführer selbst gab am bei seiner Einvernahme durch die Finanzpolizei an:

„Ich habe mich glaublich im Jahr 2013 scheiden lassen. Ich habe mit meiner Exfrau einen 10-jährigen Sohn, K. Laut Gerichtsbeschluss müsste ich 100,- € Unterhalt bezahlen, ich war damals aber arbeitslos. Ungefähr zur gleichen Zeit habe ich meine jetzige Lebensgefährtin kennen gelernt. Ich habe mit dieser eine 3-jährige Tochter und wohne mit meiner Familie in der Wohnung meiner Mutter in Slowakei. Das gemeinsame Haus befindet sich ca. 50 km außerhalb von Slowakei. Das Geld für das Haus stammt zum Großteil von meiner Lebensgefährtin. Sie ist Diplomingenieurin in der Slowakei und verdient ca. 1.000,- monatl. Sie hat z.B. ihre Wohnung verkauft und erhält auch Unterstützung von ihren Eltern. Die Gesamtkosten des Hausbaues werden sich auf max. 100.000,- € belaufen.

Im März 2013 habe ich mich als Pfleger selbständig gemacht. Ich habe 14-tägig bei A gewechselt. A war noch nicht so schwer krank, aber meine Mutter brauchte aufgrund ihrer Krankheit Unterstützung. Ich bin auch manchmal je nach Bedarf zwischenzeitlich nach Anfrage meiner Mutter nach Adr1 gekommen. Ich habe seit März 2013 keine anderen Personen gepflegt und hatte auch keine andere Arbeit.

Ich habe im Monat 700 € von A für meine Pflegedienste erhalten. Ich habe davon 400 aufs Konto bekommen, 300 habe ich bar erhalten. Das hat A mit mir so abgemacht. Zwischenzeitlich hat meine Mutter den A gepflegt und hat sie dabei auch immer wieder Unterstützung von ihrer slowakischen Freundin erhalten.

Wenn ich 14 Tage zur Pflege in Adr1 war, habe ich auf der Wohnzimmer-Couch geschlafen. Ich habe auch einen eigenen Kasten gehabt. Ich habe die vollständige Pflege übernommen. Ich habe die Körperpflege bei A durchgeführt, die Windeln gewechselt, gekocht, Einkauf erledigen usw.

Ich habe damals für K die Familienbeihilfe bekommen. Mein Sohn hat damals nicht mehr bei mir im gemeinsamen Haushalt gelebt, sondern bei meiner Exfrau gelebt. Die Vormundschaft hat meine Exfrau. Ich besuche meinen Sohn ca. 3 - 4 mal monatlich. Die Exfrau wohnt mit K im Haus der Eltern in Slowakei. Seit Okt. 2017 erhalte ich keine Familienbeihilfe für K. Ich weiß nicht, warum nicht und ich verstehe es nicht. Für meine Tochter bekomme ich die Familienbeihilfe seit ihrer Geburt laufend.

Ich bin derzeit arbeitslos. Ich habe den Gewerbeschein nicht zurückgelegt, weil ich auf der Suche nach einer pflegebedürftigen Person in Österreich bin. Ich habe dzt. nur 150,- € "eigenes" Einkommen aus der Familienbeihilfe zur Verfügung. Die Lebenskosten bezahlt meine Lebensgefährtin und unterstützt sie auch meine Mutter.“

Dem Beschwerdeführer wurde der Inhalt der anonymen Anzeige nochmals vorgehalten, und insbesondere auf den Vorwurf hingewiesen, dass er A W nicht gepflegt habe. Weiters wurden ihm die Aussagen der Zeugen, die ihn kaum in Adr1 gesehen haben wollen, vorgehalten.

Der Beschwerdeführer gab dazu an: „Das stimmt einfach nicht, ich habe ihn so gepflegt, wie ich es erzählt habe.“

Seine Mutter gab noch an: „Ich kann nur die Aussagen meines Sohnes bestätigen. Wir haben auch öfter gemeinsam mit A Ausflüge gemacht. Da haben die Leute auch meinen Sohn sehen müssen.“

Aufgrund der Erhebung der Finanzpolizei forderte das Finanzamt mit Bescheid vom die im Zeitraum März 2013 bis Oktober 2017 dem Beschwerdeführer zu Unrecht für seinen Sohn K gewährten Differenzzahlungen im Sinne der Verordnung (EG) 883/2004 und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 9.599,28 € zurück. Begründet wurde dies damit, dass das Kind im genannten Zeitraum nie im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer, sondern immer bei der Kindesmutter gelebt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er dem Finanzamt „jedes Jahr“ (gemeint offenbar anlässlich der jährlichen Überprüfungen des Beihilfenanspruches) alle von ihm verlangten Dokumente übergeben habe. Aus diesem Grund sei sicher alles in Ordnung gewesen. Dem Finanzamt sei auch von Anfang an das Scheidungsurteil (Scheidung des Beschwerdeführers von der Kindesmutter) bekannt gewesen, demzufolge die Obsorge geteilt würde. Das Kind „schläft bei mir, lernt bei mir, tut essen bei mir“ und habe auch eine gute Beziehung zu seiner (neuen) Lebensgefährtin und seiner Schwester. Er betreue seinen Sohn ordentlich und finanziell als sein Vater. Er sei bei ihm, so oft es möglich sei. Die Familienbeihilfe habe er immer der Kindesmutter übergeben. Seit dem Verhör durch die Finanzpolizei verstehe er nicht, worum es eigentlich gehe. Er sei aber sicher, dass er keine Fehler gemacht habe. Er lehne es ab, die Folgen und Konsequenzen zu tragen, dass jemand am Finanzamt Fehler gemacht habe, ihm die Differenzzahlungen gewährt worden seien und nunmehr nach fünf Jahren wieder zurückgefordert würden.

Die Beschwerde war mit einem Schriftzug, der unschwer als „BF.“ lesbar ist, unterschrieben. Die bisherigen Eingaben des Beschwerdeführers waren dagegen nur mit einem nicht lesbaren, dem Beschwerdeführer aber eindeutig zuordenbaren Schriftzug unterfertigt, der sich etwa auch auf den der Finanzpolizei zur Identitätsfeststellung vorgelegten Ausweisen findet.

Das Finanzamt nahm diesen Umstand zum Anlass für die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages vom , mit welchem dem Beschwerdeführer aufgetragen wurde, das „Fehlen der eigenhändigen Unterschrift“ auf der Beschwerde bis zu beheben. Bei Versäumung dieser Frist gelte die Beschwerde als zurückgenommen.

Ein Zustellnachweis zu diesem (ungerechtfertigten) Mängelbehebungsauftrag ist nicht aktenkundig, ebenso wenig eine „Behebung“ des – wie die weiteren Erhebungen durch das Bundesfinanzgericht ergeben haben –  tatsächlich gar nicht vorliegenden „Mangels“ innerhalb der gesetzten Frist.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom erklärte das Finanzamt die Beschwerde gemäß § 263 iVm § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen.

Dagegen richtet sich der als „Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung“ bezeichnete Vorlageantrag vom . Darin brachte der Beschwerdeführer Gründe vor, warum er dem Mängelbehebungsauftrag nicht rechtzeitig entsprechen habe können. Weiters monierte er, dass von der Wohnung ohne seine Erlaubnis Fotos angefertigt worden wären. Ferner wurde das Beschwerdevorbringen wörtlich wiederholt und dem Vorlageantrag eine Ausfertigung der Beschwerde angeschlossen, welche mit einem nach Ansicht des Finanzamtes für die Unterschrift des Beschwerdeführers üblichen Schriftzug unterfertigt wurde.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

In Beantwortung eines Vorhaltes des Bundesfinanzgerichtes vom teilte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom ergänzend im Wesentlichen mit, dass die Unterschrift auf der Beschwerde vom von ihm stamme (Unterschriftsproben wurden geleistet). Die Zugehörigkeit seines Sohnes zum Haushalt seiner Exfrau (Kindesmutter) habe er nie in Abrede gestellt. Als sein Sohn noch in den Kindergarten gegangen sei, wäre er auch oft nach Adr1 mitgekommen. Die Sommerferien verbringe sein Sohn nunmehr zur Hälfte immer bei ihm. Sein Sohn habe auch eine sehr gute Beziehung zu seiner nunmehrigen Lebensgefährtin und seiner Tochter. Im dritten Schuljahr sei sein Sohn erkrankt (Verdacht auf Asperger Syndrom) und er habe die Arztbesuche gemeinsam mit seiner Exfrau absolviert. Er sei immer da, wenn ihn sein Sohn brauche. Sodann wiederholte der Beschwerdeführer sein bereits erstattetes Vorbringen, dass er dem Finanzamt immer alle angeforderten Unterlagen vorgelegt und alle Auskünfte erteilt habe. Die Finanzpolizei habe die Fotos von der Wohnung ohne gerichtliche Erlaubnis angefertigt. Wo er gelebt oder gewohnt habe, sei sekundär, er habe sich immer um seinen Sohn gekümmert. Er selbst habe ab November 2018 (näher geschilderte) gesundheitliche Probleme bekommen. Zur Frage der überwiegenden Kostentragung gab der Beschwerdeführer an, dass er von seiner Mutter immer um 100,00 € weniger von den Monatslöhnen (gemeint offenkundig: den in den Honorarnoten an seine Mutter verrechneten Beträgen) bekommen habe und diese dann von ihrem Konto die monatlichen Unterhaltszahlungen geleistet habe, weil er kein Bankkonto in der Slowakei gehabt habe. Die übrigen Unterhaltszahlungen habe seine Exfrau immer bar auf die Hand haben wollen. Dem Vorhalt, dass nach den Feststellungen der Finanzpolizei davon auszugehen sei, dass er in Österreich im beschwerdegegenständlichen Zeitraum tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, sondern die Anmeldung des Gewerbes der Personenbetreuung nur zum Schein erfolgte, um in Österreich Familienbeihilfe für seine Kinder zu erhalten, hielt der Beschwerdeführer entgegen, dass sich der leibliche Sohn des A W oder sonstige österreichische Verwandte nie um diesen gekümmert hätten. Er habe dagegen verschiedene Ausflüge mit diesem gemacht. Wenn die von der Finanzpolizei angeführten Personen ihn (den Beschwerdeführer) nicht gesehen hätten, so bedeute dies doch nicht, dass er sich nicht um A W gekümmert habe. Er weiß nicht, ob ihn diese Menschen überhaupt gekannt haben. Hätten diese ihn gesehen, wenn er A W gewaschen, geduscht, die Windeln gewechselt, ihm Essen gemacht, ihm Medikamente gegeben, Zucker gemessen und Insulin gespritzt habe? Er und natürlich seine Mutter hätten mit den Ärzten gesprochen, wenn A W im Krankenhaus gewesen sei.

Beweiswürdigung

Im gegenständlichen Fall ist in sachverhaltsmäßiger Hinsicht die grundlegende Frage zu klären, ob der Beschwerdeführer im Zeitraum März 2013 bis Oktober 2017 in Österreich tatsächlich der behaupteten Erwerbstätigkeit als Personenbetreuer nachgegangen ist, da nur in diesem Fall (nach den unten dargestellten Bestimmungen) ein Anspruch auf Gewährung von Differenzzahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bestand.

Die von der Finanzpolizei befragten Auskunftspersonen gaben übereinstimmend an, dass der Beschwerdeführer nach ihrer Wahrnehmung nur sporadisch in Adr1 aufhältig gewesen sei. Dies ist im Hinblick darauf, dass er nach seinen Angaben bereits im Jahr 2013 seine nunmehrige Lebensgefährtin kennen gelernt hatte, mit dieser und der gemeinsamen Tochter in der Slowakei lebt und dort ein Haus errichtet hat, auch nicht ungewöhnlich. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass es nicht darauf ankommen könne, wer ihn wie oft in Adr1 gesehen habe, um zu beurteilen, ob er A W gepflegt habe, trifft zwar grundsätzlich zu. Allerding ist es sehr wohl ein Indiz gegen diese Behauptung, wenn eine Betreuungsperson (der Beschwerdeführer), die nach ihren Angaben die Betreuungsleistungen zur Hälfte (14-tägig) erbringt, von den befragten Personen kaum gesehen wurde, die andere Betreuungsperson, welche die Betreuungsleistungen im selben Ausmaß erbringt, dagegen regelmäßig. So wurde der Beschwerdeführer etwa vom befragten Angestellten der Hausverwaltung nur zwei oder dreimal pro Jahr in Adr1 gesehen, seine Mutter dagegen zwei oder dreimal pro Monat.

Gegen die Verantwortung des Beschwerdeführers spricht auch der mit seiner Mutter als Auftraggeberin abgeschlossene Werkvertrag vom . Diese wird darin als „Sachwalterin“ der zu betreuenden Person bezeichnet, in deren Namen der Betreuungsvertrag abgeschlossen wurde. Tatsächlich war die Mutter des Beschwerdeführers aber ausweislich der vorliegenden Akten nie als Sachwalterin des A W bestellt. Dieser hätte daher den Betreuungsvertrag mit dem Beschwerdeführer selbst abschließen können, wenn ein solcher tatsächlich vorgelegen wäre. Der Umstand, dass dies nicht der Fall war, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die angebliche Personenbetreuung durch den Beschwerdeführer von diesem im Zusammenwirken mit seiner Mutter nur fingiert wurde.

Zweifel an der behaupteten Personenbetreuung durch den Beschwerdeführer bestehen auch angesichts der vorgelegten Honorarnoten. In Beantwortung des Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom wurden für die Monate März 2015 bis April 2016 Honorarnoten vorgelegt, die von der Mutter des Beschwerdeführers unterschrieben worden waren; im Zuge der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom wurden die selben Honorarnoten - nunmehr unterschrieben vom Beschwerdeführer - vorgelegt. Dies ist ein Indiz dafür, dass es sich dabei nur um Pro-forma-Honorarnoten handelte, die je nach Bedarf allein für Zwecke der Vorlage beim Finanzamt angefertigt wurden, um eine Erwerbstätigkeit im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vorzutäuschen.

Ungewöhnlich ist auch der Umstand, dass die Höhe des Honorars über den gesamten mehrjährigen Zeitraum unabhängig vom Gesundheitszustand der betreuten Person und dem damit verbundenen Betreuungsaufwand unverändert geblieben ist. Darüber hinaus hatte nach den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers diese bis zum Beginn des „wirklich schlechten Gesundheitszustandes“ des A W erst im Jahr 2015 mit diesem „ca. die Hälfte der Zeit“ in ihrer Wohnung in Slowakei gelebt. Ungeachtet dessen wird vom Beschwerdeführer behauptet, dass er bereits ab März 2013 jeden Monat vierzehntägige Betreuungsleistungen erbracht habe; die fingierten Honorarnoten beginnen ab dem Monat März 2013 für den Zeitraum bis .

Die anonyme Anzeige vom , welche dem Beschwerdeführer anlässlich seiner Einvernahme durch die Finanzpolizei vorgehalten worden war, enthält zahlreiche persönliche und familieninterne Umstände, die nur eine die Lebensumstände des Beschwerdeführers und der Familie W sehr gut kennende Person haben konnte. Die Angaben in dieser Anzeige sind in sich schlüssig und nachvollziehbar, decken sich mit den oben angeführten, gegen eine tatsächliche Personenbetreuung durch den Beschwerdeführer sprechenden Umstände und wurden von diesem lediglich damit abgetan, dass sie „einfach nicht stimmen“. Gründe, warum eine Person den Beschwerdeführer zu Unrecht des Sozialbetruges bezichtigen sollte, wurden von diesem nicht vorgebracht und sind auch für das Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich.

Das Bundesfinanzgericht geht daher in freier Würdigung der vorliegenden Beweis davon aus, dass der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum tatsächlich keine Erwerbstätigkeit im Sinne der Verordnung (EG) 883/2004 in Österreich ausgeübt hat.

Rechtslage und Erwägungen

1) Mängelbehebungsverfahren des Finanzamtes

Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Die Beschwerde vom weist als Unterschrift einen Schriftzug auf, der unschwer als „BF.“ lesbar ist. Die bis dahin getätigten Eingaben des Beschwerdeführers waren dagegen nur mit einem nicht lesbaren, dem Beschwerdeführer aber zuordenbaren Schriftzug unterfertigt, der sich etwa auch auf den der Finanzpolizei zur Identitätsfeststellung vorgelegten Ausweisen findet. Das Finanzamt hegte daher Zweifel daran, ob die der Beschwerde vom beigesetzte Unterschrift echt ist, also tatsächlich vom Beschwerdeführer stammt. Zweifelsfragen dieser Art sind durch entsprechende Erhebungen (wie die diesbezügliche Anfrage des Bundesfinanzgerichtes an den Beschwerdeführer) zu klären, dürfen aber nicht als Formmängel im Sinne des § 85 Abs. 2 BAO mit der Folge behandelt werden, dass deren Nichtbehebung zur Zurückweisung der Eingabe führt (Stoll, BAO, 862 mit Hinweis auf ; ebenso ).

Der Mängelbehebungsauftrag vom war daher unzulässig, weshalb sich auch die mit Beschwerdevorentscheidung vom erklärte Zurücknahme der Beschwerde als rechtswidrig erweist.

2) Entscheidung in der Sache

Nationales Recht

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter den in lit. a bis l genannten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige bzw. volljährige Kinder.

§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 bestimmt, dass die Person Anspruch auf Familienbeihilfe hat, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt ist.

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,

b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,

c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, daß die Mutter den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1 FLAG).

In diesen Fällen kann der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteiles verzichten. Der Verzicht kann auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde. Der Verzicht kann widerrufen werden (§ 2a Abs. 2 FLAG).

Nach § 3 Abs. 1 und 2 FLAG haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten, und für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann, wenn sich diese nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Gemäß § 53 Abs. 1 FLAG sind Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Unionsrecht

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit bestimmt auszugsweise:

Art. 2 (1): Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Art. 4: Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Art. 7: Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.

Art. 11: (1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

Art. 67: Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

Art. 68 trifft folgende Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen, wenn für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren sind:

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Grundlegende Voraussetzung für die Gewährung von Differenzzahlungen im Sinne des Art. 68 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 883/2004 ist, dass von mehreren Mitgliedsstaaten Familienleistungen zu gewähren sind, was nur dann der Fall ist, wenn die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedsstaaten anzuwenden sind. Die österreichischen Rechtsvorschriften wären im vorliegenden Fall nur dann zur Anwendung gekommen, wenn der Beschwerdeführer im beschwerdegegenständlichen Fall in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre. In diesem Fall wäre der Beschwerdeführer gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004 den österreichischen Rechtsvorschriften unterlegen; die Kindesmutter unterliegt unbestritten den slowakischen Rechtsvorschriften. Da der Beschwerdeführer jedoch in Österreich tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, sondern eine solche allein zum Zweck der ungerechtfertigten Erlangung der Differenzzahlungen vorgetäuscht wurde, scheidet im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ein Anspruch auf Differenzzahlungen von vornherein aus, da Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gar nicht zur Anwendung gelangt.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG sind zu Unrecht bezogene Beträge (hier: Differenzzahlungen) an Familienbeihilfe zurückzuzahlen. Gleiches gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG iVm § 26 FLAG für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Rz 3 mit Hinweis auf ). Nach der Regelung des § 26 Abs. 1 FLAG stünde es der Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden wäre. Aus dem Einwand des Beschwerdeführers, dass er dem Finanzamt immer alle angeforderten Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, wäre daher selbst dann nichts zu gewinnen, wenn die offen gelegten Umstände den Tatsachen entsprochen hätten, was hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer Erwerbstätigkeit in Österreich aber ohnehin nicht der Fall war. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft; ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist ebenso unerheblich ( mit Hinweis auf , und ; ).

Insgesamt gesehen erging daher der angefochtene Rückforderungsbescheid zu Recht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall war ausschließlich im Rahmen der Beweiswürdigung zu klären, ob der Beschwerdeführer in Österreich einer Erwerbstätigkeit als Personenbetreuer tatsächlich nachgegangen ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung wirft daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (z.B. mwN). Eine ordentliche Revision ist daher im gegenständlichen Fall nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 68 Abs. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100146.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at