Keine Familienbeihilfe bei fehlender Berufsausbildung
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/2100188/2019-RS1 | wie RV/7106413/2016-RS1 Wenn Tatsachenfeststellungen nicht getroffen werden können, trifft die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde: Die Abgabenbehörde hat damit die Beweislast für Tatsachen zu tragen, die den Abgabenanspruch begründen; der Steuerpflichtige für Tatsachen, die Begünstigungen, Steuerermäßigungen u.ä. begründen bzw. die den Abgabenanspruch einschränken oder aufheben oder eine (ihn treffende) gesetzliche Vermutung widerlegen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt AB vom , betreffend Familienbeihilfe (Abweisungsbescheid ab 10/2017) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Am stellte die Beschwerdeführerin (BF) (geboren am ttmmjj) einen Eigenantrag auf Familienbeihilfe ab 10/2017 aufgrund einer Ausbildung an der XAkademie Y..
Der Antrag wurde mit Abweisungsbescheid vom vom Finanzamt abgewiesen, da die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG nicht vorlägen. Der Lehrgang zur diplomierten Ernährungstrainerin nehme nicht die überwiegende Zeit der Antragstellerin in Anspruch (Lehrgang nur freitags von 14:00 bis 21:00).
In der Beschwerde vom führte die BF aus, dass die Bestätigung über den Aufwand von 20 Wochenstunden im Zuge der Ausbildung dem Finanzamt vorläge.
Am erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, wiederum mit dem Hinweis auf die fehlenden Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufsausbildung, da der Lehrgang nicht die Bindung der vollen Arbeitskraft der BF erfordert habe. Die behauptete zeitliche Intensität von 20 Wochenstunden bei einer wöchentlichen Unterrichtsdauer von 7 Stunden (freitags bei einer Anwesenheitspflicht von 80%) sei nicht nachvollziehbar. Eine Ausbildung sei dann anzunehmen, wenn diese über 2 Jahre dauere. Eine kürzere Ausbildung müsse jedenfalls in einem wesentlich intensiveren Zeitaufwand betrieben werden.
Gegen die Beschwerdevorentscheidung erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und führte im Wesentlichen begründend aus, dass das Finanzamt lediglich den Zeitaufwand für die Anwesenheitspflicht berücksichtigt habe. Ein großer Teil des Lehrganges bestehe jedoch aus reinem Selbststudium (Vorbereitung und Nachbereitung der Unterrichtsstunden, Vorbereitungen auf Prüfungen, Verfassen einer Diplomarbeit etc.). Um den Lehrgang erfolgreich abzuschließen, sei daher mit einem wöchentlichen Zeitaufwand von mindestens 20 Wochenstunden (unter Verweis auf die Bestätigung der XAkademie) zu rechnen, weshalb es der BF nur mit einem Kredit der Eltern möglich gewesen sei, den Lebensaufwand während der Dauer des Lehrganges zu bestreiten.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin besuchte im Zeitraum vom bis , also für 9 Monate, den jeweils freitags von 14:00 bis 21:00 Uhr stattfindenden Lehrgang zur „Diplomierten Ernährungstrainerin“ in Y., wobei sie die Mindestanwesenheitspflicht von 80 % erfüllte. Die mündliche Abschlussprüfung schloss sie positiv ab.
Ein Diplomzeugnis wurde nicht vorgelegt.
Für diesen Zeitraum wird Familienbeihilfe beantragt. Laut Bestätigung der XAkademie vom beträgt der wöchentliche Zeitaufwand mindestens 20 Stunden und umfasst einen Umfang von 1046 Einheiten (348 Einheiten Unterricht, 348 Einheiten Selbststudium, 250 Einheiten Diplomarbeit, 100 Einheiten Praktische Umsetzung).
Die BF finanziert sich ihren Unterhalt selbst und hatte in den Jahren 2017 und 2018 ein zu versteuerndes Einkommen von unter 10.000 Euro aus einer Beschäftigung im Gastgewerbe als Kellnerin.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.
Rechtslage / Erwägungen
Strittig ist, ob der BF für die Zeit von 10/2017 bis 07/2018 die Familienbeihilfe zusteht.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 6 Abs. 5 iVm Abs, 3 bis 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten zu leisten ist und für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist. Weiters wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden und die Einkommensgrenze von 10.000 Euro in einem Kalenderjahr nicht überschreiten.
Da die BF im Mai 2018 das 24. Lebensjahr vollendete, steht ihr für Juni und Juli 2018 die Familienbeihilfe jedenfalls nicht zu.
Für die Monate davor ist zu prüfen, ob sie sich in Berufsausbildung befand.
Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. , ).
Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO iVm § 2a BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 "alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird" (vgl. ; ). Somit kann auch ein Lehrgang Berufsausbildung iSd FLAG 1967 sein, auch wenn sich dieser als Fort- und Weiterbildung eignet.
"Noch nicht berufstätig" ist so zu verstehen, dass die auszubildende Person noch nicht in dem Beruf tätig ist, für den sie sich ausbildet. Eine gewisse Berufstätigkeit etwa zur Finanzierung des Lebensunterhalts während des Besuchs des Lehrganges schadet nicht.
Die Abgrenzung ist hier über die zeitliche Inanspruchnahme zu treffen.
Hinsichtlich der Ausbildungsziele und der Tätigkeitsfelder eines Ernährungstrainers/Trainerin ist der Homepage der XAkademie (www) zu entnehmen, dass Kompetenzen vermittelt werden, Menschen über die Vorteile gesunder, ausgewogener Ernährung zu informieren und dieses Wissen methodisch/didaktisch aufzubereiten. Dies beruht auf der Basis fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse. Alternative Sichtweisen werden dabei ebenfalls betrachtet und deren möglicher Wert für eine gesunde Ernährung eingeschätzt. Zudem werden auch Themen wie Werte, Prioritäten und Gewohnheiten berücksichtigt. In Form von Vorträgen, Gesundheitsprojekten, Kochkursen, Workshops, Gruppen- und Einzelseminaren wird das im Kurs erworbene Wissen weitergegeben. Der Lehrgang zum Ernährungstrainer/Trainerin richtet sich an Personen, die sich durch eine Zusatzqualifikation neue berufliche Chancen sichern möchten, sich beruflich neu orientieren und haupt- oder nebenberuflich als selbstständige/r Ernährungstrainer/in, Ernährungspädagoge/-pädagogin arbeiten möchten oder die ein umfassendes Grundlagenwissen aufgrund von persönlichem Interesse erwerben möchten.
Jede Berufsausbildung iSd FLAG 1967 weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch der zeitliche Umfang (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 36; uva).
Eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 liegt in zeitlicher Hinsicht in etwa dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von ungefähr 30 Stunden für Kurse und Vorbereitung auf eine Prüfung entfällt (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 40; ; , uva). Jedenfalls sollte der Aufwand für die Ausbildung die volle Zeit des Kindes binden.
Von einer Berufsausbildung kann auch dann ausgegangen werden, wenn es in Österreich keinen "gesetzlich festgesetzten Ausbildungsweg" gibt. Selbst wenn für bestimmte Ausbildungsrichtungen oder Zweige eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl. ).
Dieses zeitliche Element liegt im beschwerdegegenständlichen Fall nicht vor. Aus der Aktenlage lässt sich nicht ableiten, dass der Lehrgang die volle Arbeitskraft der BF in Anspruch genommen hätte.
Erwiesen ist lediglich, dass der Lehrgang über neun Monate einmal wöchentlich 7 Stunden dauerte, wobei sogar eine Anwesenheit von 80 % insgesamt ausreichte, um ein Teilnahmezertifikat zu erhalten. Es ist zwar davon auszugehen, dass für Vorbereitung und Abschlussprüfung zusätzlich Zeit aufzuwenden war, jedoch wurden keine konkreten Nachweise zum tatsächlichen zeitlichen Erfordernis vorgelegt.
Die Teilnahmebestätigung, die einen wöchentlichen Zeitaufwand von mindestens 20 Stunden bestätigt, muss als reine und hoch gegriffene Grobschätzung gewertet werden.
So findet sich auf der Homepage der XAkademie zu "FAQs" die Frage: "Mit welchem zeitlichen Aufwand muss ich rechnen?" die Antwort: "Die Anzahl der Lerneinheiten ist sehr individuell und als Durchschnittswert kann man pro Unterrichtsstunde eine Stunde Lernzeit einplanen.
Wenn man die erforderliche Anwesenheit im Unterricht und die Prüfungen erfolgreich absolviert, erhält man ein Zertifikat.
Für die Zuerkennung eines Diploms sind zusätzlich ein Praktikum zu absolvieren und die Diplomarbeit zu verfassen. Für das Verfassen der Diplomarbeit werden pauschal 250 Einheiten geschätzt.
Sowohl der Praktikumsnachweis als auch die Diplomarbeit können bis zu sechs Monate nach erfolgter Abschlussprüfung abgegeben werden. Erst dann erhalten Sie das Diplom."
Die BF wurde sowohl in der Beschwerdevorentscheidung (BVE) als auch im zugestellten Vorlagebericht (beide haben Vorhaltscharakter; vgl. zum Vorhaltscharakter einer Beschwerdevorentscheidung beispielsweise mwN) mit der Feststellung des Finanzamtes konfrontiert, dass die angegebene zeitliche Intensität der Ausbildung von ungefähr 20 Wochenstunden bei einer wöchentlichen Unterrichtsdauer von 7 Stunden nicht nachvollziehbar sei.
Grundsätzlich trifft die Beweislast die Behörde, doch wird in Verfahren, die die Gewährung von Begünstigungen zum Gegenstand haben und nur auf Antrag der interessierten Partei durchgeführt werden, und in deren Verlauf auch das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen ist, eine Beweislast des Antragstellers anzunehmen sein (vgl. VwGH zu § 39 Abs. 2 AVG vom , 96/19/0256; , 94/12/0298; zu § 236 BAO vom , 2004/15/0150). Die Beweislast für Tatsachen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe begründen, hat die Antragstellerin (vgl. ; ).
Trotzdem hat die BF im Vorlageantrag (vom , also Monate nach Ende des Lehrganges) lediglich ihre Behauptungen wiederholt und die bloße Teilnahmebestätigung vorgelegt, ohne den Aufwand anhand einer persönlichen Aufstellung oder unter näheren Ausführungen etwa auch zur Diplomarbeit darzulegen. Nicht einmal das Diplom wurde als Beweismittel nachgereicht oder eine genauere Angabe zu den absolvierten Praktika (wann, wo und mit welchem zeitlichen Aufwand?).
Für das BFG ist somit nicht gesichert, ob überhaupt und wenn ja, wann die Diplomarbeit fertiggestellt wurde und ob die nötigen Praktika in der Zeit von 10/2017 bis 05/2017 tatsächlich absolviert wurden. Der behauptete zeitliche Aufwand von 20 Wochenstunden lässt sich auch für das BFG nicht erkennen.
Im Übrigen entspricht eine Unterrichtseinheit nicht dem Gegenwert von einer Stunde und liegen selbst bei einem (lediglich und großzügig geschätzten) Gesamtaufwand von cirka 20 Wochenstunden für den Lehrgang die quantitativen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufsausbildung iSd § 2 FLAG 1967 nicht vor.
Der Lehrgang präsentiert sich vielmehr vom zeitlichen Ablauf und Aufwand her eher als eine nebenberuflich zu absolvierende Ausbildung, die nicht die volle Arbeitskraft der Absolvierenden bindet und auch von Berufstätigen mit besonderem Interesse an den Vorträgen besucht werden kann.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Sachverhaltsfragen sind einer Revision nicht zugänglich, im Übrigen wurde der ständigen Rechtsprechung des VwGH gefolgt.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100188.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at