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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.02.2020, RV/6100130/2016

Begünstigte Forschung nach § 108c EStG nicht für Prüfzentrum sondern für den Auftraggeber

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter

A

in der Beschwerdesache

BF,

vertreten durch

StB,

gegen

FA

vertreten durch

AB

wegen

behaupteter Rechtswidrigkeit des Bescheides vom , betreffend Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 zu Recht erkannt:  

1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Am beantragte die BF gemäß § 201 Abs. 3 Z. 1 BAO die bescheidmäßige Festsetzung der Forschungsprämie nach § 108c Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 für eigenbetrieblichen und experimentelle Entwicklung für das Jahr 2012 i.H.v. € 92.399,15.

Diesem Antrag war ein negatives Jahresgutachten der Forschungsförderungsgesellschaft m.b.H. (FFG) vom vorausgegangen, in dem die als prämienbegünstigt beantragten Tätigkeiten für „klinische Auftragsforschung“, „Forschung im Rahmen der medizinischen Simulation“ sowie die „nicht Projekt- oder schwerpunktbezogenen F&E Tätigkeiten“ der BF zur Gänze nicht als prämienbegünstigte F&E Tätigkeiten eingestuft worden waren.

Im weiteren Verfahren wurde nach Vorhalt durch das FA und Beantwortung dieses Vorhaltes durch die BF unter ausführlicherer Beschreibung der als prämienbegünstigt erachteten Tätigkeiten, sowie einer weiteren Stellungnahme der FFG vom die Forschungsprämie für 2012 mit € 13.858,83 für den Bereich „Forschung im Rahmen der medizinischen Simulation“ in der von der BF bekannt gegebenen Höhe von 15% der geltend gemachten Gesamtaufwendungen festgesetzt, die „klinische Auftragsforschung“ und die „nicht Projekt-oder schwerpunktbezogenen F&E Tätigkeiten“ wurden als nicht prämienbegünstigt eingestuft.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF binnen verlängerter Rechtsmittelfrist Beschwerde und bekämpfte die Nichtanerkennung der „klinischen Auftragsforschung“ als prämienbegünstigte Tätigkeit. Dabei wurde nochmals ausführlich beschrieben, dass der Prüfarzt der BF bei den von Pharmaunternehmen Auftrag gegebenen klinischen Studien neben seinen klinischen und forensischen Qualifikationen für die Erhebung, Interpretation und Berichterstattung der beobachteten Eigenschaften des zu erforschenden Arzneimittels somit für die für den Erkenntnisgewinn erforderliche Datenerhebung verantwortlich sei, auch wenn die Verwertungsrechte beim Auftraggeber („Sponsor“) lägen.

Zudem läge ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, da das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf Erlässe (konkret der Rz. 8208e EStR) geschützt sei, weswegen davon ausgegangen worden sei, dass F&E Tätigkeiten im Rahmen von klinischen Studien für sich alleine prämienbegünstigt seien und keine weiteren Regelungen in den Verträgen mit Sponsoren notwendig seien.

Das FA holte eine weitere Stellungnahme der FFG zu diesem Vorbringen ein. Die FFG führte dazu aus, dass im gegenständlichen Fall zwar das Forschungsvorhaben des Sponsors eine prämienbegünstigte Forschung im Sinne des § 108 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 darstelle, da dieser die Zielsetzung verfolge und verantworte durch die in Auftrag gegebenen klinischen Studien den Stand des Wissens zu vermehren und damit ebenso die Lösung einer „wissenschaftlichen und/oder technischen Unsicherheit“ verfolge und verantworte. Die bei der BF in Auftrag gegebenen Leistungen dienten zwar der Vermehrung des Standes des Wissens und würden unter Einsatz wissenschaftlicher Methodik durch Prüfärzte erfolgen, dieses Ziel werde jedoch vom Sponsor verfolgt. Vergleichbares gelte für das Vorliegen einer „wissenschaftlichen und/oder technischen Unsicherheit“. Die dafür benötigten Daten würden zwar von der BF erhoben, jedoch obliege sowohl die Aufgabe der Lösung dieser „wissenschaftlichen und/oder technischen Unsicherheit“ als auch die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Umsetzung der Studie eindeutig dem Sponsor.

In der Folge wies das FA die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Darauf beantragte die BF durch ihren ausgewiesenen Vertreter fristgerecht die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das BFG und beantragte dabei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat.

Mit Beschluss des GV-Ausschusses vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache der damit belasteten Gerichtsabteilung gemäß § 9 Abs. 9 BFGG abgenommen und am der derzeit damit befassten Gerichtsabteilung zugeteilt.

In dem am durchgeführten Erörterungstermin führten die Vertreter der Verfahrensparteien übereinstimmend aus, dass im gegenständlichen Verfahren die Frage zu klären sei, ob die Durchführung derartiger klinischer Studien ab dem Jahr 2012 generell nicht mehr prämienbegünstigt sei oder dies vom konkreten Sachverhalt bei der einzelnen klinischen Studie abhänge.

Nach Rücksprache des FA mit seiner Oberbehörde und Mitteilung des Ergebnisses dieser Besprechung an die beschwerdeführende Partei zog die Beschwerdeführerin mit Telefax vom den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat zurück.

Das BFG hat dazu erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 9 BFGG kann der Geschäftsverteilungsausschuss einer Einzelrichterin oder einem Einzelrichter oder Senat eine ihr oder ihm zufallende Rechtssache durch Verfügung abnehmen, wenn die Einzelrichterin oder der Einzelrichter oder Senat verhindert oder wegen des Umfangs ihrer oder seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist. Auf Grund des im Verfahrensgang dargestellten Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses ist sohin die nun zur Entscheidung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens berufene Gerichtsabteilung zuständig.

Im gegenständlichen Verfahren ist noch strittig, ob es sich bei den als „klinische Auftragsforschung“ bezeichneten Tätigkeiten um Tätigkeiten handelt, für die eine Forschungsprämie nach § 108c EStG 1988 zusteht.

Das BFG legt seiner Entscheidung den im Folgenden dargestellten Sachverhalt zu Grunde, der sich aus den Akten des Beschwerdeverfahrens und dem Vorbringen der Parteien und den Äußerungen der FFG in diesem Verfahren ergibt.

Gesellschafter der beschwerdeführenden GmbH sind zu je 50% die gemeinnützige B und die C. Gegenstand des Unternehmens ist die „ Konzeptionierung und Durchführung von klinischen Studien, Anwendungsbeobachtungen und Prüfungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten vor und nach erfolgter Zulassung inklusive Marketingstudien (Phase I-IV) und Beobachtungsstudien. Konzeptionierung und Durchführung von Trainings, Workshops, Lehrgängen und Kongressen in allen im obigen Zusammenhang relevanten Fragestellungen.“ Sie beschäftigte im Jahr 2012 im Schnitt 32 Arbeitnehmer. Dies ergibt sich aus dem Firmenbuch zur FNr der BF.

Der Personalaufwand im Jahr 2012 betrug € 1,517.599,13. Dies ergibt sich aus der KöSt Erklärung der BF für 2012.

Die BF führte – soweit dies im gegenständlichen Verfahren noch strittig ist - im Jahr 2012 folgende, als „klinische Auftragsforschung“ bezeichnete Tätigkeiten durch und beantragte dafür die Forschungsprämie:

Die Durchführung klinischer Studien für Pharmaunternehmen in Zusammenarbeit mit Universitätskliniken der C (Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, nichtinterventionelle Studien, epidemiologische Studien)

Die daraus resultierende Neuheit bestehe in der Prüfung neuer Arzneimittel und Medizinprodukte im Rahmen der klinischen Entwicklung sowie der Erhebung grundlagenwissenschaftlicher Daten. Dies wurde anhand der Vereinbarung zwischen einem Pharmaunternehmen (Sponsor) und der BF für die Durchführung von Studien zur Entwicklung eines Asthma Medikamentes dargestellt. Diese (Standard) Vereinbarung zwischen dem Sponsor und der BF zur Durchführung von Studien nach einem standardisierten Studiendesign wurde vom Sponsor mit 77 weiteren Prüfzentren geschlossen. Dies ergibt sich aus der vorgelegten Vereinbarung (Clinical trial protocol; 1. Synopsis, trial design)

Der Ablauf der Studie (Punkt 5. Investigational Plan) wurde zeitlich, inhaltlich hinsichtlich der Diagnose, der auszuwählenden Probanden und der Behandlung standardisiert festgelegt. Ebenso wurde zB standardisiert festgelegt, was als Komplikation definiert ist und wie diese an den Sponsor zu melden ist. (Punkt 6. Adverse Events)

Auch die Datengewinnung und Übermittlung an den Sponsor war standardisiert geregelt. Ebenso die Geheimhaltung der Daten der Studie, die ohne Genehmigung des Sponsors nicht verwendet werden durften. (Punkt 10.4. Disclosure and Confidentiality)

Das primäre Ziel der Studie (Punkt 4. Trial Objectives) , das ist die Klärung der Frage, welche Auswirkung eine dreijährige Medikamentengabe auf das Risiko eines Kindes habe Asthma zu entwickeln, wurde ebenso vom Sponsor vorgegeben, wie die „Nichtziele“ der Studie (z.B. die Entwicklung der Asthmaerkrankung und deren Behandlung; 3.3. Trial Rationale)

Die Ergebnisse der Studien wurden dem Sponsor bekanntgegeben und von diesem weiter verwertet.

Der Sponsor veranlasste, organisierte und verantwortete die Durchführung der klinischen Studie und trug damit das gesamte Risiko. Dies wird sowohl durch die im ICH-GCP E6 Kap. 5 angeführten Verantwortlichkeiten des Sponsors als auch durch das AMG § 2a (16) („Sponsor“ ist jede physische oder juristische Person, die die Verantwortung für die Planung, die Einleitung, die Betreuung und die Finanzierung einer klinischen Prüfung übernimmt“) untermauert.

Die vom Sponsor in Auftrag gegebenen Leistungen der BF dienten der Vermehrung des Standes des Wissens. Diese Tätigkeiten der BF wurden unter Einsatz wissenschaftlicher Methodik durch die Prüfärzte durchgeführt. Es lag jedoch keine eigenbetriebliche F&E Tätigkeit der BF vor. Das Ziel den Stand des Wissens zu vermehren wurde vom Sponsor verfolgt, die Eigenbetrieblichkeit der Forschung lag daher beim Sponsor und nicht bei der BF.

Die Erhebung der benötigten Daten für ein weiteres Kriterium für die zu fördernde „Forschung und Entwicklung“, das Vorliegen einer „wissenschaftlichen und/oder technischen Unsicherheit“ (Frascati-Manual 2002, 2.3.1, Abs. 84) erfolgte durch die BF, allerdings lagen sowohl die Aufgabe der Lösung einer „wissenschaftlichen und/oder technischen Unsicherheit“ (Untersuchung der Wirksamkeit im Menschen; Evaluierung der Sicherheit des Medikaments im Menschen; Feststellen von Nebenwirkungen des Pharmazeutikums etc.) als auch die Verantwortung für die ordnungsgemäße Umsetzung der klinischen Studie eindeutig beim Sponsor, der das gesamte Risiko des Vorhabens trug.

Die Erhebung der Wirkungen, sowie der Nebenwirkungen im Menschen wurde durch die Prüfärzte durchgeführt und die Prüfärzte waren für die Durchführung der klinischen Prüfung in einer Prüfstelle verantwortlich. Das Ziel der Klärung der Sicherheit, der Feststellung der Wirksamkeit im Menschen, sowie möglicher Nebenwirkungen wurde jedoch hauptverantwortlich vom Sponsor verfolgt und ist aufgrund der im AMG §2a verankerten Verantwortlichkeiten diesem zuzuordnen. Hinweise auf das Vorliegen eigenbetrieblicher forschungsprämienbegünstigter F&E durch die beschriebenen Aufgaben der Prüfärzte der BF lagen nicht vor.

Die BF verantwortete die ordnungsgemäße und qualifizierte Erbringung der vom Sponsor vorgegebenen und beauftragten Leistungen. Die Prüfärzte verfügten über die notwendigen Qualifikationen und trugen die Verantwortung für die korrekte und qualitativ hochwertige Durchführung der vom Sponsor vorgegebenen Tätigkeiten, die innerhalb der Studie vorgesehen sind (nach den allgemein gültigen GCP Vorgaben), die BF trug aber nicht die Verantwortung für die klinische Studie an sich. Sowohl das zugrundeliegende produktspezifische Know-How als auch die Organisation, Veranlassung und Verantwortung für die Umsetzung der klinischen Studie und der Lösung einer wissenschaftlichen Unsicherheit (Nebenwirkungen, Wirksamkeit, Sicherheit) lagen beim Sponsor (siehe AMG § 2a (16); ICH-GCP E6 Kap. 5, z.B. Der Sponsor ist für eine ständige Bewertung der Sicherheit des/der Prüfpräparate(s) verantwortlich“).

Der Sponsor beauftragte damit die BF mit der Durchführung der klinischen Studie, doch handelte es sich hierbei nicht um forschungsprämienrelevante Auftragsforschung bzw. Forschungsleistungen im Sinne von Auftragsforschung. Vielmehr handelte es sich um eine Dienstleistung unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden. Im Gegensatz zu forschungsprämienrelevanter Auftragsforschung musste der Sponsor bei klinischen Studien keine zusätzliche Abgeltung für den Übertrag von generiertem IP (Intellectual Property) des Auftragnehmers (Prüfzentrum) verrichten, welche aufgrund einer vom Auftragnehmer erbrachten Forschungsleistung anfallen könnte.

Solche Tätigkeiten, wenn tatsächlich im Rahmen der klinischen Studie IP durch den Auftragnehmer generiert wird, würden Ausnahmefälle darstellen (beispielsweise die Entdeckung neuer Biomarker oder die Entwicklung neuer statistischer Methoden und verbesserter Verfahren) und wären entsprechend den geltenden Kriterien forschungsprämienwürdig, wurden jedoch von der BF nicht angeführt.

Dies ergibt sich aus den Ergänzungen zum Gutachten der FFG vom und vom .

Somit ergibt sich der dargestellte Sachverhalt aus den von der BF vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der von der BF vorgelegten Unterlage zur beantragten „klinischen Auftragsforschung“ (Clinical Trial Protocol). Dieser Teil ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten. Strittig ist, ob die oben beschriebenen Tätigkeiten bzw. die Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen dem Sponsor und der BF eine prämienbegünstigte Forschungstätigkeit der BF im Sinne des § 108 c EStG 1988 darstellen und ob allenfalls eine solche Begünstigung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu gewähren wäre.

Für den angenommenen Sachverhalt und die Aufgabenverteilung zwischen Sponsor und BF folgte das BFG im Wesentlichen der Darstellung der FFG, insbesondere in der Ergänzung des Gutachtens vom . Diese Darstellung basiert auf den von der BF vorgelegten Unterlagen. Die Beurteilung der FFG deckt sich dabei aus Sicht des BFG mit den zuvor dargestellten, kurz zusammengefassten Punkten der von der BF vorgelegten Vereinbarung über die von der BF im Auftrag durchgeführten medizinischen Studie. Das BFG hat keine Bedenken, den Darstellungen der für diese Fragen sachverständigen FFG insbesondere im Hinblick auf die Aufgabenverteilung und die Verteilung der Verantwortlichkeiten zu folgen.

In rechtlicher Hinsicht ist vorab zum Vorwurf des Verstoßes der belangten Behörde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben Folgendes zu sagen:

Gemäß § 114 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Sie haben alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.

Dieses Legalitätsprinzip steht im Einzelfall möglicherweise dem allgemeinen, auch im Steuerrecht (zB VwGH 14.7.1994, 91/17/0170; 10.10.1996, 95/15/0208, 0209; Ehrke-Rabel in Doralt/ Ruppe, Steuer­recht II 7, Tz 38) geltenden Grundsatz entgegen, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben ( VwGH 15.3.2001, 2001/16/0063; 16.11.2006, 2002/14/0010 und 0122; 22.11.2012, 2008/15/0265; Ehrke-Rabel in Doralt/ Ruppe, Steuer­recht II 7, Tz 38). (ausführlich in Ritz BAO6 § 114 Tz.6)

Konkret müssen dafür jedoch nach der Judikatur des VwGH besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Finanzverwaltung unbillig erscheinen lassen (zB VwGH 24.5.2007, 2005/15/0052; 28.10.2009, 2008/15/0049), wie dies zB der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt (zB VwGH 24.5.2007, 2005/15/0052; 22.3.2010, 2007/15/0256; 23.9.2010, 2010/15/0135; 15.9.2011, 2011/15/0126). (ausführlich in Ritz BAO6 § 114 Tz.9)

IdR wird durch den Grundsatz von Treu und Glauben kein Vertrauen in die Richtigkeit von Erlässen des BMF ( VwGH 20.9.1995, 95/13/0011; 21.11.1995, 95/14/0035; 31.5.2000, 94/13/0045; 22.5.2002, 99/15/0119; 2.2.2010, 2007/15/0253), sondern nur von Auskünften im Einzelfall geschützt, wobei aber mit zu berücksichtigen ist, wenn sich der Abgabepflichtige im Vertrauen auf die Erlasslage sich erlasskonform verhalten hat (vgl hiezu Sutter, AnwBl 2004, 258). (Ritz BAO6, § 114 Tz 10)

Betrachtet man nun die von der BF angeführte erlassmäßige Regelung, auf die sie sich für das Vorliegen von Treu und Glauben im Wirtschaftsjahr 01.01.- beruft, so ist diese im gegenständlichen Fall schon deswegen nicht tragfähig, da sich die angesprochene Rz. 8208e EStR 2000 dezitiert auf Wirtschaftsjahre bezieht, die vor dem beginnen und in denen eine Beurteilung der prämienbegünstigten Tätigkeiten und der damit verbundenen Aufwendungen durch die FFG nicht vorgeschrieben war. Eine Anerkennung der in Frage stehenden Prämien unter dem Aspekt von Treu und Glauben ist daher schon aus diesem Grund nicht möglich.

Damit kann auch eine weitere Überprüfung der Argumentation der BF zu Treu und Glauben dahingestellt bleiben. Es darf jedoch zusammengefasst ausgeführt werden, dass die BF nach dem Verständnis des BFG keine realistische Möglichkeit gehabt hätte in einer europaweit angelegten Studie, deren gesamter Ablauf, deren Ziel und deren Verantwortlichkeiten vom Sponsor vorgegeben wurden, eine individuell andere Vereinbarung mit dem Sponsor für die Durchführung dieser Studie zu schließen, die allenfalls eine andere Beurteilung des Sachverhaltes in Bezug auf die Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten bedingen könnten.

Zur Frage des Vorliegens einer prämienbegünstigen Auftragsforschung ist in rechtlicher Hinsicht Folgendes auszuführen:

Gemäß § 108 c Abs. 1, 1. TS EStG 1988 in der im Jahr 2012 geltenden Fassung können Steuerpflichtige, …, Prämien für eigenbetriebliche Forschung und Auftragsforschung im Sinne des Abs. 2 von jeweils 10% der Aufwendungen (Ausgaben) geltend machen.

Gemäß § 108 c Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 sind eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung, die systematisch und unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden durchgeführt wird, prämienbegünstigt. Zielsetzung muss sein, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Die Forschung muss in einem inländischen Betrieb oder einer inländischen Betriebsstätte erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Kriterien zur Festlegung der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) mittels Verordnung festzulegen.

Gemäß § 108 c Abs. 7 EStG 1988 ist Voraussetzung für die Gewährung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung ein vom Steuerpflichtigen bei der FFG anzuforderndes Gutachten (Abs. 8), welches die Beurteilung zum Gegenstand hat, inwieweit eine Forschung und experimentelle Entwicklung unter Zugrundelegung der vom Steuerpflichtigen bekanntgegebenen Informationen die Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 erfüllt. Liegt bereits eine diesbezügliche bescheidmäßige Bestätigung nach § 118a der Bundesabgabenordnung vor, genügt die Glaubhaftmachung, dass die durchgeführte Forschung und experimentelle Entwicklung der der Bestätigung zu Grunde gelegten entspricht oder davon nicht wesentlich abweicht.

Gemäß § 108 c Abs. 8 EStG 1988 gilt für die Erstellung von Gutachten durch die FFG Folgendes:

          1. Die FFG hat Gutachten ausschließlich auf Grundlage der vom Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellten Informationen zu erstellen und – vorbehaltlich der Z 4 – deren Richtigkeit und Vollständigkeit nicht zu beurteilen.

          2. Die FFG hat in ihrem Gutachten nicht zu beurteilen, ob und in welchem Umfang Aufwendungen oder Ausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklung Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie sind.

….

           7. Die BundesministerIn für Finanzen wird ermächtigt, die Durchführung der Gutachtenserstellung sowie den Inhalt und das Verfahren der elektronischen Anforderung und Übermittlung von Gutachten mit Verordnung festzulegen.

Gemäß § 4 Abs. 1 ForschungsprämienVO BGBl II, 515/2012 hat die FFG zur Geltendmachung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung auf Anforderung des Steuerpflichtigen ein Jahresgutachten zu erstellen. Das Jahresgutachten hat sich auf alle Forschungsschwerpunkte / Forschungsprojekte und nicht forschungsschwerpunkt- oder forschungsprojektbezogen zugeordnete Investitionen zu beziehen, aus denen für die Forschungsprämie maßgebliche Aufwendungen resultieren.

Gemäß § 14 ForschungsprämienVO BGBl II, 515/2012 ist diese Verordnung mit Ausnahme des § 2 erstmalig auf Forschungsprämien anzuwenden, die Wirtschaftsjahre betreffen, die nach dem beginnen. § 2 dieser Verordnung tritt mit in Kraft. Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Kriterien zur Festlegung förderbarer Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (-ausgaben) gemäß § 4 Abs. 4 Z 4a bzw. § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988, BGBl. II Nr. 506/2002, ist letztmalig auf Forschungsprämien anzuwenden, die Wirtschaftsjahre betreffen, die vor dem beginnen.

Die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes ergibt sich aus dem zuvor dargestellten Sachverhalt, bei dem das BFG im Wesentlichen den Ausführungen der FFG folgte.

Die zwei wesentlichen Kriterien auf deren Grundlage diese Feststellungen beruhen, sind die Zielsetzung, den Stand des Wissens zu vermehren und die Lösung einer „wissenschaftlichen und/oder technischen Unsicherheit“ anhand einer klinischen Studie. Diese Ziele werden auch aus Sicht des BFG in erster Linie vom Sponsor verfolgt und verantwortet.

Bei der Durchführung von klinischen Studien“ durch die BF als „Prüfzentrum“ handelt es sich nicht per se um forschungsprämienbegünstigte, angewandte F&E. Klinische Forschung der Phase I-III kann laut Frascati-Manual 2002 („…clinical trial phases 1, 2 and 3 can betreated as R&D“) als F&E anerkannt werden, stellt aber nicht per se angewandte Forschung dar.

Die in der Rz 8208e EStR dargestelllte Rechtsmeinung der Finanzverwaltung (Klinische Studien der Phasen I bis III, stelleneine "angewandte Forschung" im Sinne des § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 dar) zur Geltendmachung einer Forschungsprämie im Bereich der pharmazeutischen Forschung gilt auch nach Ansicht der Finanzverwaltung für Wirtschaftsjahre, die vor dem enden, bezieht sich somit aus Sicht des BFG nicht auf das vorliegende Jahresgutachten der FFG und enthält auch keine Detailabgrenzungen zu den strittigen Fragestellungen.

Somit kann der Einschätzung der BF, dass auch ohne vorgelagerte Produktentwicklung die Tätigkeiten der BF forschungsprämienrelevante F&E sind“, „die Zusicherung der Verwendungsrechte des Sponsors unerheblich sind“ und die „Durchführung der klinischen Studie für sich genommen eigenbetriebliche F&E und keine Dienstleistung an den Sponsor darstellt“, nicht gefolgt werden.

Das Forschungsvorhaben des Sponsors, im Zuge dessen auch die klinische Studie durchgeführt wird, stellt somit zwar forschungsprämienbegünstigte eigenbetriebliche F&E gemäß § 108c Abs. 2 Z1 EStG 1988 dar, nicht jedoch die Tätigkeiten der BF.

Das BFG folgt damit auch in diesem Punkt der FFG, wonach bei forschungsprämienrelevanter Auftragsforschung ein Erkenntnisgewinn für das eigene Unternehmen vorliegen muss. Ein im Zuge der durchgeführten klinischen Studien erzielter Wissensgewinn für das eigene Unternehmen müsste entsprechend der oben angeführten Beispiele (neue Biomarker, neue statistische Methoden etc.), ausdrücklich unter Ausweis des Anteils dargestellt werden. Dies ist jedoch nicht erfolgt.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Für die Frage der Beurteilung, ob die BF zur Geltendmachung einer Forschungsprämie für die durchgeführte "klinische Auftragsforschung" nach § 108c EStG 1988 berechtigt ist, waren im Wesentlichen Sachverhaltsfragen über die konkrete Ausgestaltung bzw. Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Sponsors und der BF von Belang. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Zurechnung der Forschung an Auftraggeber
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100130.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at