Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2020, RV/7100389/2019

Keine Anwendung des Beschäftigungsbegriffs des § 24 Abs. 3 KBGG für den Bereich des FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , betreffend Abweisung eines Antrags auf Ausgleichszahlung (Familienbeihilfe) ab Jänner 2018 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Aus der Aktenlage ist folgender Sachverhalt ersichtlich:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist slowakische Staatsbürgerin mit Familienwohnsitz in der Slowakei. Der Kindesvater ist in der Slowakei erwerbstätig.

Die Bf. war in Österreich von - nichtselbständig erwerbstätig (davor nur von 5.9.-) und hat am **10.2017 in der Slowakei ein Kind geboren. Von - hat sie in Österreich Wochengeld bezogen.

In der Slowakei erhält die Bf. für ihr Kind seit dessen Geburt das Kindergeld.

Von Oktober bis Dezember 2017 wurde ihr Familienbeihilfe in Form der Ausgleichszahlung gewährt.

Das Finanzamt hat den ab Jänner 2018 gestellten Antrag auf Ausgleichszahlung mit Bescheid vom mit dem Hinweis auf fehlende Unterlagen abgewiesen. In ihrer dagegen gerichteten Beschwerde reichte die Bf. die geforderten Unterlagen nach.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung:

"Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist.

Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

Sind die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, trifft die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen.

Sind die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, besteht dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004).

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht grundsätzlich nur für die Dauer einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit im Inland oder bei Bezug einer Geldleistung infolge dieser Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit.

Der Kindesvater ist in der Slowakei erwerbstätig.

Der Familienwohnort liegt in der Slowakei, daher kommt die Verordnung (EU) 883/04 nur dann zur Anwendung, wenn in Österreich eine Erwerbstätigkeit im Sinne des Art. 1 der VO nach den nationalen Rechtsvorschriften ausgeübt wird. bzw. eine einer Erwerbstätigkeit gleichgestellte Situation vorliegt.

Lt. österr. Krankenversicherungsrecht (§ 24 Abs 2 KBGG) sind Zeiten des Mutterschutzes und der Elternkarenz nur dann einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt, wenn unmittelbar vor der Schutzfrist durchgehend eine in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit von sechs Monaten ausgeübt wurde und das Dienstverhältnis aufrecht bleibt.

Da Sie nur vom - tatsächlich durchgehend in Österreich erwerbstätig waren und Sie sich von - in Mutterschutz befanden, liegt vor Beginn des Mutterschutzes keine sechsmonatige Beschäftigung vor.

Ihre Karenzzeit ist demnach nicht einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt. Somit kommt die EU-VO 883/2004 nicht zur Anwendung und es besteht im strittigen Zeitraum ab 01/2018 kein Anspruch auf Ausgleichszahlung in Österreich."

Dagegen richtet sich folgender Vorlageantrag:

"Das Finanzamt hat meinen Antrag auf Familienbeihilfe ab Jänner 2018 abgewiesen mit der Begründung, dass ich in Österreich vor dem Eintritt in den Mutterschutz keine 6 Monate beschäftigt gewesen sei.

Diese Begründung des Finanzamtes ist unzutreffend und rechtswidrig.

Seit 2011 bin ich in Österreich berufstätig, zuerst als Selbständige und dann als unselbständig Beschäftigte.

Seit bin ich in einem bis dato aufrechten Dienstverhältnis bei Gastronomiebetrieb (…).

Aufgrund der Geburt meines Kindes am war ich von bis in Mutterschutz.

Seither befinde ich mich in der gesetzlichen Karenz (siehe beigelegte Karenzbestätigung), für die ich bei der Gebietskrankenkasse einen Antrag auf Kinderbetreuungsgeld mit der Pauschalvariante Kinderbetreuungsgeldkonto (851 Tage) gestellt habe.

Das Finanzamt hat meinen Antrag auf Familienbeihilfe „ab Jänner 2018“ abgewiesen mit der Begründung, dass „lt. österr. Krankenversicherungsrecht (§ 24 Abs 2 KBGG) (sic!) sind Zeiten des Mutterschutzes und der Elternkarenz nur dann einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt, wenn unmittelbar vor der Schutzfrist durchgehend eine in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit von sechs Monaten ausgeübt wurde und das Dienstverhältnis aufrecht bleibt."

§ 24 Abs. 2 KBGG ist in Zusammenhang mit der Familienbeihilfe nicht anwendbar.

Dass das so ist, erschließt sich aus dem ersten Satz in ebendiesem § 24 Abs. 2 KBGG:

„(2) Unter Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes versteht man die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen (kranken- und pensionsversicherungspflichtigen) Erwerbstätigkeit...“

Der Gesetzgeber hat ganz offensichtlich und explizit den Geltungsbereich der in § 24 Abs. 2 KBGG gegebenen Definition von Erwerbstätigkeit auf das Kinderbetreuungsgeldgesetz („im Sinne dieses Bundesgesetzes“) bzw. das Kinderbetreuungsgeld beschränkt wissen wollen.

Man wird dem Gesetzgeber wohl unterstellen können, ja müssen, dass er, für den Fall, dass die angesprochene Definition von Erwerbstätigkeit auch für die Familienbeihilfe oder andere Rechtsbereiche gelten hätte sollen, dies auch explizit formuliert bzw. in den entsprechenden Gesetzen (z.B. im FLAG) zum Ausdruck gebracht hätte.

Die Begründung des Finanzamtes geht somit absolut ins Leere.

Aber auch hinsichtlich des Kinderbetreuungsgeldes selbst sind die Bestimmungen des § 24 KBGG aufgrund ihrer diskriminierenden Wirkung für Beschäftigte aus dem Ausland im Vergleich zu im Inland ansässigen Beschäftigten europarechtswidrig.

§ 24 KBGG bezieht sich auf das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens. § 24 Abs. 1 KBGG legt als Erfordernis fest, dass für den Bezug des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes eine durchgehende 182-tägige Erwerbstätigkeit vor Eintritt des Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz („Mutterschutz“) notwendig ist. Diese Bestimmung trifft alle Beschäftigten gleichermaßen, sowohl mit deren Familien im Inland wohnende Beschäftigte, als auch Beschäftigte, deren Familien im Ausland wohnen.

Während aber der mit ihrer Familie im Inland wohnenden Beschäftigten aufgrund ihrer Ansässigkeit in Österreich als Alternative zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld die Pauschalvariante des Kinderbetreuungsgeldes (Kinderbetreuungsgeld-Konto) uneingeschränkt und ohne Erfüllung einer 182-täigen Erwerbstätigkeit vor Eintritt in den Mutterschutz als Wahlmöglichkeit zur Verfügung steht, muss die Beschäftigte, die mit ihrer Familie im Ausland wohnt, aufgrund des § 24 Abs. 2 KBGG auch für den Bezug des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes erst einmal das Erfordernis einer durchgehenden 182-tägigen Erwerbstätigkeit vor dem Eintritt in den Mutterschutz erfüllen.

Mit einer nationalen Bestimmung, dem § 24 Abs. 2 KBGG (sowie § 24 Abs. 3 KBGG), werden bzw. würden die übergeordneten Bestimmungen der EU-VO 883/2004 eingeschränkt und ausgehebelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (RIS-Justiz RS0109951 [T3]).

Demgemäß stellte der Oberste Gerichtshof mehrfach fest (10ObS117/14z, 10ObS135/16z) dass der Grundsatz nach Artikel 67 der EU-VO 883/2004, wonach eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats hat, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden, einer Einschränkung durch eine nationale Bestimmung wie dem § 24 Abs. 2 KBGG nicht zugänglich ist.

Das FLAG 1967 beinhaltet keine Definition von Erwerbstätigkeit.

Das Erfordernis einer „sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit von sechs Monaten“, um in den Genuss des Bezuges der Familienbeihilfe zu gelangen, ist im FLAG 1967 nicht enthalten.

Damit ist die Frage, ob in meinem Falle eine Beschäftigung vorliegt, allein im Lichte der EU-VO 883/2004 zu beurteilen.

Definition des Beschäftigungsbegriffs gemäß F1 Beschluss.

Zum Zwecke der Auslegung der Prioritätsregeln in Artikel 68 der EU-VO 883/2001 wird im F1 Beschluss der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom der Beschäftigungsbegriff definiert. Danach sind Zeiten der Mutterschaft und der Kindererziehung einer Beschäftigung gleichgestellt.

Somit bin ich seit dem Beginn meiner Beschäftigung am bis heute durchgehend in Österreich beschäftigt oder in einer einer Beschäftigung gleichgestellten Situation, und es steht mir die Familienbeihilfe bzw. die Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe gemäß EU-VO 883/2004 zu."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist unstrittig; die Bf. war in Österreich von - nichtselbständig erwerbstätig und hat am **10.2017 in der Slowakei ein Kind geboren. Von - hat sie in Österreich Wochengeld bezogen. Von Oktober bis Dezember 2017 wurde ihr Familienbeihilfe in Form der Ausgleichszahlung gewährt.

Strittig ist, ob die daran anschließende Karenzzeit der Bf. nach einer knapp 5-monatigen durchgehenden Erwerbstätigkeit einer Beschäftigung in Österreich gleichgestellt ist.

 2. Rechtslage

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in § 2 Abs. 1 FLAG 1967 genanntes Kind hat nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl I Nr 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Nach § 53 Abs. 1 FLAG 1967 sind "Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ..., soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten."

Liegt ein Sachverhalt vor, der zwei oder mehr Mitgliedstaaten der Europäischen Union berührt, ist die Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl EU Nr L 166 vom in der durch ABl EU Nr L 200 vom berichtigten Fassung (im Folgenden: VO 883/2004) anzuwenden.

Art 2 VO 883/2004 („Persönlicher Geltungsbereich“) lautet:

„(1) Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

(2) (…)“

Gem Art 3 Abs. 1 lit. j VO 883/2004 umfasst der sachliche Geltungsbereich der VO ua alle Rechtsvorschriften, die den Zweig der sozialen Sicherheit „Familienleistungen“ betreffen. Der Begriff Familienleistungen wird in Art 1 lit z VO 883/2004 definiert als „alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I.“

Zu den im österreichischen Recht vorgesehenen Familienleistungen in diesem Sinn gehören unter anderem die im FLAG 1967 geregelte Familienbeihilfe, der im EStG 1988 geregelte Kinderabsetzbetrag sowie das Kinderbetreuungsgeld iSd KBGG (Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG² § 53 Rz 148f).

Da die Beschwerdeführerin slowakische Staatsbürgerin und damit Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ist, im Streitzeitraum einen Wohnort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hatte, und die Familienbeihilfe als Familienleistung iSd Art 3 Abs. 1 lit j VO 883/2004 qualifiziert ist, gilt die VO 883/2004 für sie sowie für ihre Familienangehörigen.

Art 7 VO 883/2004 („Aufhebung der Wohnortklauseln“) lautet:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.“

Demzufolge finden die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FLAG 1967, die für den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellt, des § 2 Abs. 8 FLAG 1967, die auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstellt, und des § 5 Abs. 3 FLAG 1967, das einen vom Wohnort abhängigen Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland vorsieht, gem Art 7 VO 883/2004 insoweit keine Anwendung.

Art 4 VO 883/2004 („Gleichbehandlung“) lautet:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“

Demnach finden die durch den Anwendungsvorrang dieser Bestimmung verdrängten Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 mit besonderen Voraussetzungen für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, auf die Beschwerdeführerin und ihre Familienangehörigen keine Anwendung.

Von den unter Kapitel 8 („Familienleistungen“) der VO 883/2004 angeführten Bestimmungen (Art 67 ff leg cit) sind im beschwerdegegenständlichen Fall die Art 67 und 68 leg cit maßgebend.

Art 67 VO 883/2004 („Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen“) lautet:

„Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. (…)“

Art 68 VO 883/2004 („Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen“) lautet:

„(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge:

an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) (...);

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) (...)“

Einer Anwendung der Art 67 und 68 VO 883/2004 vorgeschaltet ist zunächst die Prüfung, welcher Rechtsordnung die betreffende Person nach der Maßgabe der Art 11 ff VO 883/2004 unterliegt.

Art 11 VO 883/2004 lautet:

„(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

b) (…)

c) (…)

d) (…)

e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.

(4) (…)“

Demnach ist im beschwerdegegenständlichen Fall zunächst zu prüfen, ob bzw für welche Zeiträume gem Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004 eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt, die zur Anwendbarkeit des österreichischen Rechts führt. Liegt eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit nicht vor, sind gem Art 11 Abs. 3 lit e VO 883/2004 – unter der Prämisse, dass die Spezialbestimmungen der lit b bis d nicht zur Anwendung gelangen – die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates (hier: Slowakei) anwendbar.

Art. 1 lit. b der VO 883/2004 definiert den Begriff der Beschäftigung als „jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt“.

Daneben fingiert Art. 11 Abs. 2 VO 883/2004 unter den dort genannten Umständen das Vorliegen einer Beschäftigung bzw selbstständigen Erwerbstätigkeit, wenn infolge der Beschäftigung bzw selbständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung bezogen wird. Diese Fiktion bewirkt, dass auch während des kurzfristigen Bezuges von Geldleistungen der sozialen Sicherheit bei vorübergehender Einstellung der Tätigkeit (zB Krankengeld) weiterhin von einer Ausübung der Tätigkeit auszugehen ist.

Während die Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 VO 883/2004 nach der Rsp des OGH einen Kernbereich des unionsrechtlichen Begriffs „Beschäftigung“ bzw „selbstständige Erwerbstätigkeit“ darstellt und somit der Bezug von Leistungen, die unter diese Bestimmung zu subsumieren sind, unabhängig vom nationalen Recht des jeweiligen Mitgliedstaates als Ausübung einer Beschäftigung bzw selbstständigen Erwerbstätigkeit zu werten ist, ist im Übrigen zur Präzisierung der Begriffsdefinition auf die nationalen Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit zurückzugreifen (vgl. 10 Ob S 117/14z; 10 Ob S 51/17y).

Einheitliche europarechtliche Begriffsbestimmungen existieren somit – außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 11 Abs. 2 VO 883/2004 – in Bezug auf die in Rede stehende, der Ausübung einer Tätigkeit gleichgestellte Situation nicht. Die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden: die Verwaltungskommission) hat allerdings mit Beschluss eine weitere Konkretisierung des in Art 68 VO 883/2004 verwendeten Begriffs „Beschäftigung“ bzw „selbständige Erwerbstätigkeit“ vorgenommen (Beschluss Nr. F1 vom zur Auslegung des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Prioritätsregeln beim Zusammentreffen von Familienleistungen [2010/C 106/04], ABl EU Nr. C 106 vom ; im Folgenden: Beschluss Nr. F1). Dies vor dem Hintergrund, dass nach den Rechtsvorschriften verschiedener Mitgliedstaaten die Zeiten des Ruhens oder der Unterbrechung der tatsächlichen Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit (zB wegen Urlaubs, Arbeitslosigkeit etc) zum Teil unterschiedlich behandelt werden (vgl Erwägungsgrund 2 zum Beschluss Nr. F1).

Nach Z 1 des Beschlusses Nr. F1 gelten für die Zwecke des Art 68 VO 883/2004 „Ansprüche auf Familienleistungen insbesondere dann als ‚durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst‘, wenn sie erworben wurden

a) aufgrund einer tatsächlichen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit oder auch

b) während Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung einer solchen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit

i) wegen Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Arbeitslosigkeit, solange Arbeitsentgelt oder andere Leistungen als Renten in Zusammenhang mit diesen Versicherungsfällen zu zahlen sind, oder

ii) durch bezahlten Urlaub, Streik oder Aussperrung oder

iii) durch unbezahlten Urlaub zum Zweck der Kindererziehung, solange dieser Urlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist.“

Zwar bezieht sich der Beschluss Nr. F1 auf die Prioritätsregeln des Art 68 VO 883/2004; da die Prioritätsregeln aber an die anzuwendenden Rechtsvorschriften anknüpfen, ist nach der im Schrifttum vertretenen Ansicht davon auszugehen, dass der Begriff „Beschäftigung“ bzw „selbstständige Erwerbstätigkeit“ des Art. 11 VO 883/2004 jenem des Art. 68 VO 883/2004 entsprechend zu interpretieren ist (vgl Felten in Spiegel [Hrsg], Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [59. Lfg] Art 68 VO 883/2004 Rn 6 mwH). Vor diesem Hintergrund ist der Beschluss Nr. F1 maßgebend für die Begriffsdefinitionen in Art. 1 lit. a und lit. b VO 883/2004 im Allgemeinen – unabhängig davon, ob die Begriffsdefinition im konkreten Fall für die Auslegung des Art. 11 VO 883/2004 oder des Art. 68 VO 883/2004 von Bedeutung ist.

Für den beschwerdegegenständliche Fall ist wesentlich, dass der Beschluss Nr. F1 „unbezahlten Urlaub zum Zweck der Kindererziehung, solange dieser Urlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist“, während Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit der tatsächlichen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichsetzt. Offen bleibt damit jedoch, inwieweit ein solcher unbezahlter Urlaub nach den einschlägigen (nationalen) Rechtsvorschriften einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt sein muss.

Diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH besteht bisher nur zur Vorgängerverordnung zur VO 883/2004. Für den Anwendungsbereich der Vorgängerverordnung (EWG) 1408/71 war die Frage, ob der betroffene Mitgliedstaat für die Gewährung von Familienleistungen weiterhin zuständig bleibt und diese Leistungen als durch eine Beschäftigung ausgelöst gelten, in dem Beschluss der Verwaltungskommission Nr. 207 vom , ABl 2006, L 175/83, näher geregelt. Danach galt unter anderem ein unbezahlter Urlaub zum Zweck der Kindererziehung als „Ausübung der Erwerbstätigkeit“, solange dieser Erziehungsurlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt war.

Der EuGH verwies in seiner Entscheidung vom in der Rechtssache C-516/09, Borger, auf seine frühere Rechtsprechung (, Dodl und Oberhollenzer), wonach eine Person – trotz des Ruhens des Arbeitnehmerstatus wegen eines unbezahlten Urlaubes im Anschluss an die Geburt eines Kindes und für die Erziehung dieses Kindes – dann Arbeitnehmereigenschaft iSd VO (EWG) 1408/71 besitze, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art. 1 lit. a dieser VO genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom aufrechten Bestehen eines Arbeitsverhältnisses.

In seiner Folgeentscheidung zum Urteil des EuGH in der Rs Borger vertrat der OGH (10 ObS 35/11m) die Ansicht, dass die Arbeitnehmereigenschaft iSd Art. 1 lit a VO (EWG) 1408/71 iSd Rsp des EuGH auch während des Zeitraums einer sechsmonatigen Verlängerung der Karenz gegeben sei, weil während dieser Zeit nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit g ASVG eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung bestand. Die Voraussetzung der Erziehung eines Kindes in den ersten 48 Lebensmonaten im Inland liege vor, weil das Erfordernis einer Erziehung im Inland zur Vermeidung einer Diskriminierung so zu verstehen sei, dass auch eine Erziehung des Kindes in der Schweiz unschädlich ist. Gleiches gilt für die Erziehung eines Kindes in einem anderen EU-Mitgliedstaat (vgl 10 Ob S 117/14z).

Nach der von Rief (Zuständigkeit für Familienleistungen – aktuelle EuGH-Judikatur und die neue Rechtslage, DRdA 2011, 480 [484]) vertretenen Ansicht sei die zur VO (EWG) 1408/71 ergangene EuGH-Rechtsprechung auch auf die VO 883/2004 zu übertragen, da sich die allgemeinen Zuständigkeitsregelungen in Art. 13 Abs. 2 lit. a und f der VO (EWG) 1408/71 inhaltlich kaum von jenen in Art. 11 Abs. 3 lit a und e der VO 883/2004 unterscheiden würden.

Auch die Verwaltungskommission stellt in Erwägungsgrund 5 zum Beschluss Nr. F1 Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rs C-543/03, Dodl und Oberhollenzer fest: „Ein solcher unbezahlter Urlaub [gemeint: unbezahlter Urlaub im Anschluss an die Geburt eines Kindes für die Erziehung dieses Kindes] muss daher auch als Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit gemäß Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gelten.“

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass eine Teilversicherung (insbesondere in der Pensionsversicherung) während Zeiten einer Karenz nach dem MSchG oder VKG grundsätzlich genügt, damit iSd Art. 1 lit. b VO 883/2004 eine einer Beschäftigung gleichgestellte Situation vorliegt, die iVm Art. 11 VO 883/2004 zu einer Anwendung der österreichischen Rechtsvorschriften führt (vgl. auch 10 Ob S 117/14z).

Voraussetzung für eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung ist gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 lit. g ASVG die bisherige Pensionsversicherung nach dem ASVG. Dies war im beschwerdegegenständlichen Fall gegeben, da die Beschwerdeführerin bis zum Bezug des Wochengeldes der Pflichtversicherung gem ASVG unterlag.

Soweit die belangte Behörde ins Treffen führt, dass Voraussetzung für die Gleichstellung der Kindererziehungszeiten in den ersten 48 Monaten nach der Geburt mit einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit sei, dass dem Wochengeldbezug unmittelbar vorangehend für einen durchgehenden Zeitraum von 182 Tagen eine tatsächliche ausgeübte Erwerbstätigkeit vorlag, ist dem zu entgegnen, dass eine derartige Voraussetzung weder dem Unionsrecht noch den Bestimmungen des ASVG oder des FLAG 1967 zu entnehmen ist. Eine derartige Voraussetzung wird ausschließlich im sachlichen Anwendungsbereich des KBGG normiert. So wurde mit der KBGG-Novelle BGBl I 2011/139 § 24 Abs. 2 KBGG dahingehend ergänzt, dass (nur) Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung einer zuvor mindestens sechs Monate andauernden sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit unter anderem während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG oder während der Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder VKG als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellte Zeiten gelten. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 4) sollte durch diese Ergänzung, dass die Gleichstellungsbestimmung nur durch die mindestens sechsmonatige durchgehend andauernde tatsächliche Ausübung der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes ausgelöst werden kann, eine Missbrauchsbekämpfung durch Verhinderung von (kurzfristiger) Scheinerwerbstätigkeit in Österreich erfolgen.

Mit BGBl I 53/2016 wurden in § 24 Abs. 1 und 2 KBGG Wartefrist von sechs Monaten auf 182 Tage abgeändert; die Bestimmung ist im Übrigen inhaltlich unverändert geblieben. 

Auch in den Gesetzesmaterialen zu dieser Novellierung des § 24 KBGG wird darauf hingewiesen, dass die in § 24 Abs. 2 KBGG festgelegten einschlägigen nationalen Gleichstellungserfordernisse im Hinblick auf die Anwendung des Art. 68 VO 883/2004 für das Kinderbetreuungsgeld gelten (ErläutRV 1110 BlgNR XXV. GP 11). Dafür, dass der Gesetzgeber mit § 24 Abs. 2 KBGG einen über den sachlichen Anwendungsbereich des KBGG hinausgehenden Begriff der Beschäftigung bzw selbständigen Erwerbstätigkeit – insbesondere auch für Zwecke der Familienbeihilfe – definieren wollte, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Diese Rechtsansicht vertritt auch :

"Wie sich aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 KBGG („im Sinne dieses Bundesgesetzes“) und den Materialien ergibt, soll die Definition aber offensichtlich nur für den Bereich des KBGG Geltung haben, nicht aber einen allgemein - auch außerhalb des KBGG - gültigen bzw anwendbaren Beschäftigungsbegriff festlegen."

Aufgrund der obigen Ausführungen (insbesondere des Beschlusses F1 und der Rechtsprechung des EuGH und des OGH und aufgrund der Teilversicherung in der Pensionsversicherung) ist im beschwerdegegenständlichen Fall in den ersten 48 Kalendermonaten nach der Geburt insoweit auch vom Vorliegen einer Beschäftigung und einer selbständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellten Situation iSd Art. 1 lit. b VO 883/2004 auszugehen; dies sowohl in Zusammenhang mit Art. 11 als auch mit Art. 68 VO 883/2004.

Der angefochtene Bescheid war somit aufzuheben.

3. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall gegeben, da zur Frage, ob der Beschäftigungsbegriff des § 24 Abs. 2 KBGG nur für dieses Gesetz anwendbar ist, zwar Judikatur des OGH (s. ), nicht aber des VwGH vorliegt.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 53 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Beschluss 2010/C 106/04, ABl. Nr. C 106 vom S. 11
§ 24 Abs. 2 KBGG, Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl. I Nr. 103/2001
Verweise
10 Ob S 117/14z
10 Ob S 51/17y

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100389.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at