Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.02.2020, RV/7104559/2016

Abendschule und Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RMS in der Beschwerdesache Bf , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt X vom , betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum März 2013 bis August 2013 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die volljährige Tochter T betreffend den Zeitraum März 2013 bis August 2013 wurde die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf.) unter Verweis auf § 26 Abs. 1 FLAG 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 EStG 1988 zur Rückzahlung von insgesamt 1.201,20 € verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bf. trotz Aufforderung die angeforderten Unterlagen nicht eingebracht habe und dadurch ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sei.

Gegen den angeführten Bescheid brachte die Bf. am Beschwerde ein und führte ins Treffen, ihre Tochter sei zwar im Sommersemester 2013 als ordentliche Studentin des Bundesgymnasiums für Berufstätige gemeldet gewesen, doch aufgrund der hohen Studierendenanzahl lediglich auf der Warteliste für Prüfungen gestanden und habe somit „keine Noten erwerben“ können. Dies betraf laut Angabe der Bf. folgende Module:

Modul 3 Geschichte und Sozialkunde

Modul 4 Chemie

Modul 5 Deutsch

Modul 5 Englisch

Modul 5 Mathematik

Modul 5 Psychologie und Philosophie

Modul 6 Physik

Der Beschwerde war eine mit datierte Bestätigung des Studienkoordinators der genannten Bildungseinrichtung beigefügt, wonach die Tochter der Bf. aufgrund der hohen Anzahl an Studierenden in den genannten Fächern auf der Warteliste gestanden und somit keine Noten erwerben habe können.

Auf der Homepage *** der von der Tochter der Bf. besuchten Schulform findet sich zu Schulplan und Bildungsinhalt Folgendes:

Die Schule ist die Oberstufen- und Abendform einer „Allgemeinbildenden Höheren Schule“ (AHS), sie schließt mit einer österreichischen Matura ab. Zielgruppe sind Menschen ab 17 Jahren, die zumindest einen Pflichtschulabschluss haben.

Das Abendgymnasium A hat keine Klassen. Der Unterricht ist in Modulen organisiert. Das volle Unterrichtsprogramm dauert 8 Semester (4 Jahre)….

Sie stellen sich Ihren Stundenplan modulweise selbst zusammen. Die meisten Module werden vermutlich aus der selben Semesterstufe stammen, aber das ist nicht unbedingt notwendig.

Vorteile des Modulsystems sind, dass absolvierte Leistungen punktgenau angerechnet werden und Sie damit schnellstmöglich zur Matura kommen. „Sitzenbleiben“ gibt es nicht mehr, bei Problemen werden nur mehr einzelne Module nachgelernt, geprüft und wiederholt….

Sie besuchen das Modul. Sie bringen die Leistung. Sie erhalten eine Abschlussnote. Eins bis vier bedeutet: positiv. Fünf bedeutet: negativ. Nicht beurteilt bedeutet: weder positiv noch negativ.

Im positiven Fall ist alles klar. Auf zu neuen Ufern.

Im anderen Fall haben Sie die Wahl: Entweder wiederholen Sie den Unterricht in diesem Modul im folgenden Semester. Oder Sie lernen noch einmal alleine den gesamten Stoff und machen eine Prüfung darüber…“  

Über Aufforderung des Finanzamtes übermittelte die Bf. mit Schreiben vom und vom jeweils vom Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und Wirtschaftskundliches Bundesrealgymnasium für Berufstätige ausgestellte Zeugniskopien und Schulbesuchsbestätigungen, aus denen sich folgende Daten ergeben:

Wintersemester 2012/2013

Schulbesuchsbestätigung (Schulform: AHS für Berufstätige) über inskribierte Module

[…] 

Zeugniskopie (AHS für Berufstätige achtsemestrig mit modularem Aufbau)

[…]

Wintersemester 2013/14

Schulbesuchsbestätigung 

[…] 

Zeugniskopie

[…]

Sommersemester 2014

Schulbesuchsbestätigung  

[…]

Zeugniskopie

[…]

Wintersemester 2014/15

Schulbesuchsbestätigung  

[…]

Zeugniskopie

[…]

Sommersemester 2015

Schulbesuchsbestätigung  

[…]

Zeugniskopie

[…]

Wintersemester 2015/16

Schulbesuchsbestätigung  

[…]

Zeugniskopie

[…]

Hinsichtlich der Leistungen im Sommersemester 2013 führte die Bf. erneut aus, dass die Tochter aufgrund der hohen Studierendenzahlen auf der Warteliste für die in der Beschwerde genannten Module gestanden habe. Die Tochter habe sich in dieser Zeit vorbereitet und die Module absolviert, sobald es ihr möglich gewesen sei, einen Platz zu erhalten. Zudem wurde ein Schreiben der Schule vom übermittelt, wonach die angebotene Ausbildung acht Semester umfasse und mit einer Reifeprüfung abschließe. Im Sommersemester 2016 habe die Tochter der Bf. die Module Deutsch 8 und Englisch 8 besucht. Die Module Chemie 5, Bildnerische Erziehung 7, Musikerziehung 7 und Ökonomie 8 seien mittels Kolloquien abgeschlossen worden. Es sei davon auszugehen, dass die Tochter der Bf. bei zielstrebigem Schulbesuch die Reifeprüfung im Sommersemester 2016 abschließen könne.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. Neben der Darstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des Vorliegens einer Berufsausbildung wurde die Abweisung damit begründet, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen einer zielstrebigen und ernsthaften Berufsausbildung erst ab dem Sommersemester 2014 erfüllt gewesen seien. Vom Wintersemester 2012/13 bis inklusive Wintersemester 2013/14 seien lediglich drei positive Prüfungen mit insgesamt zehn Wochenstunden nachgewiesen worden. Zudem führte die Behörde folgendes ins Treffen:

„Damit steht aber fest, dass ihr Kind – unabhängig davon, dass es im Sommersemester 2013 für manche Fächer auf der Warteliste stand und ob nicht Prüfungen aus den im Vorsemester nicht beurteilten Fächern hätte absolvieren können – nicht etwa mit nur mit einzelnen vorgesehenen Prüfungen durch einige Zeit in Verzug geraten ist, sondern dass zahlreiche vorgesehene Prüfungen über lange Zeit nicht abgelegt wurden bzw. zu diesen gar nicht angetreten wurde.“

Im Vorlageantrag vom führte die Bf. aus, dass die Tochter die Berufsausbildung ernsthaft und zielstrebig verfolgt habe und verwies diesbezüglich auf die Beschwerde vom .

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die mit angefochtenem Bescheid vorgeschriebene Rückforderung der betreffend März 2013 bis August 2013 zunächst ausbezahlten Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die volljährige Tochter der Bf. zu Recht erfolgte.

§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967), BGBl. Nr. 376/1967 (alle angegebenen Gesetzesstellen sind jeweils in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung angeführt), lautet auszugsweise:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,…

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Nach § 10 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Laut § 33 Abs. 3 erster Satz Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Der Familienbeihilfenanspruch für volljährige Kinder hat nach der Gesetzesbestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zur Voraussetzung, dass das Kind in Berufsausbildung steht.

Was unter Berufsausbildung grundsätzlich zu verstehen ist, ist zwar nicht im Gesetz definiert, lässt sich aber aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ableiten. Danach ist es das Ziel einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um Ausbildungserfolg gegeben sein, das sich etwa im Antreten zu Prüfungen manifestiert (, , 97/15/0111; , 2003/13/0157).

Neben dem laufenden Besuch von Unterrichts- oder Lehrveranstaltungen (vgl ) gehört daher regelmäßig auch der Nachweis des Ausbildungserfolges dazu, vom Vorliegen einer Berufsausbildung ausgehen zu können.

Für die Qualifikation als Berufsausbildung kommt es nicht darauf an, ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Auch der Besuch eines Abendgymnasiums kann demnach dem Grunde nach eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellen.

Folgender Sachverhalt steht unstrittig fest:

Die Tochter Bf. hat seit dem Wintersemester 2012/13 die Schulform „Realgymnasium für Berufstätige“ als ordentliche Studierende besucht. Aus den Schulzeugnissen der Abendschule ergeben sich folgende Leistungsfeststellungen:

Im Wintersemester 2012/13 hat sie 7 Module im Ausmaß von insgesamt 23 Wochenstunden inskribiert, wobei sämtliche Module nicht beurteilt wurden. 

Betreffend das Sommersemester 2013 war die Tochter der Bf. aufgrund der hohen Studierendenzahlen auf Warteliste hinsichtlich der Module „Geschichte und Sozialkunde 3“, „Chemie 4“, „Deutsch 5“, „Englisch 5“, „Mathematik 5“, „Psychologie und Philosophie 5“ und „Physik 6“.

Im Wintersemester 2013/14 wurden 3 Module im Ausmaß von 10 Wochenstunden positiv beurteilt.

Im Sommersemester 2014 sind 6 Module von insgesamt 17 Wochenstunden positiv abgeschlossen wurden.

Im Wintersemesters 2014/15 wurden 9 Module im Ausmaß von 28 Wochenstunden positiv abgeschlossen.

Für das Sommersemester 2015 hat die Tochter einen Nachweis über erfolgreich absolvierte Module im Ausmaß von 16 Wochenstunden erbracht. Zudem hat sie die Teilprüfung zur Reifeprüfung in Mathematik (schriftlich) positiv abgelegt.

Vor dem Hintergrund der obigen Darstellung kann im Beschwerdefall keine Rede davon sein, dass die Tochter der Bf. zumindest in den ersten beiden Semestern die für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 und damit die für den Erhalt der Familienbeihilfe erforderliche Zielstrebigkeit an den Tag gelegt hat.

Schließlich hat die Tochter in diesem Zeitraum keine einzige Prüfung abgelegt. So ist es etwa im Wintersemester 2012/13 zu keiner Beurteilung der inskribierten Module gekommen, weshalb in diesem Zeitraum weder positive noch negative Ergebnisse vorgewiesen werden konnten. Auch im Sommersemester 2013 ist die Tochter nicht zu Prüfungen angetreten.

Das Ablegen von Prüfungen ist jedoch essentieller Bestandteil für das Vorliegen einer Berufsausbildung. Im Falle des Besuches einer Maturaschule manifestiert sich dieses Bemühen um den Ausbildungserfolg zweifellos im Antreten zu den erforderlichen Modulprüfungen. So muss der Maturaschüler zumindest durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (siehe neuerlich und , 2009/15/0089).

Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Tochter aufgrund der hohen Studierendenanzahl im Sommersemester 2013 lediglich auf der Warteliste stand. Zwar kann ihr dieser Umstand per se nicht zur Last gelegt werden. Doch ist nicht einzusehen, wieso es der Tochter nicht möglich gewesen wäre, stattdessen andere Module zu besuchen oder Modulprüfungen des ersten Semesters zu absolvieren und sich solcherart um einen Studienfortschritt zu bemühen.

Fakt ist hingegen, dass ein Teil der im ersten Semester inskribierten Module (Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung 3“ und „Biologie und Umweltkunde 2“) erst im Wintersemester 2013/14 positiv beurteilt worden sind. Zwei weitere Module („Deutsch 4“ und „Englisch 4“) des ersten Semesters wurden gar erst im Sommersemester 2014 und die übrigen noch später benotet und damit erst mehr als eineinhalb Jahre später.

Das Argument, die Tochter habe sich in dieser Zeit auf Module vorbereitet hilft hier nicht weiter, weil die abschließende Beurteilung eben jener Module in keinem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vorgenommen worden ist, sondern erst im Wintersemester 2013/2014 oder noch später. Das Aneignen eines bestimmten Wissenstandes für sich alleine stellt nämlich noch keine Berufsbildung dar, solange nicht in angemessener zeitlicher Nähe auch ein Erfolg hinzutritt.

Aus der Gesamtschau lässt sich daher im Zeitraum vom Wintersemester 2012/13 bis inklusive Sommersemester 2013 kein erkennbares Bemühen um Ausbildungserfolg erkennen.

Die obige Darstellung zeigt vielmehr auf, dass die Tochter der Bf. erst im Wintersemester 2013/14 mit einer ernstlichen Zielstrebigkeit vorgegangen ist.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist daher die Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen, die nur den Zeitraum davor (März 2013 bis August 2013) umfasst, zu Recht erfolgt.

Nichtzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall schon deshalb nicht erfüllt, weil das vorliegende Erkenntnis primär die Klärung einer auf den Einzelfall bezogenen Sachverhaltsfrage zum Gegenstand hatte und im Rahmen der rechtlichen Würdigung nicht von der bisher zum Thema "Berufsausbildung nach FLAG 1967" ergangenen und oben zitierten Rechtsprechung des VwGH abgegangen worden ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. 

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104559.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at