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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.02.2020, RV/7200001/2020

Aussetzungszinsen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache A, Adresse, über die nicht datierte beim Zollamt Wien am eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Wien vom , Zahl: aaaa, betreffend die Festsetzung von Aussetzungszinsen zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Das Zollamt Wien hat für den Beschwerdeführer (kurz: Bf) A mit Bescheid vom Aussetzungszinsen gemäß Art. 244 ZK iVm § 212a Abs. 9 BAO für näher genannte Zeiträume mit näher genannten Beträgen festgesetzt.
Es hat dem an den Bf nach der Aktenlage am zugestellten Bescheid die Berechnungsblätter für die näher genannten Zeiträume mit den näher genannten Beträgen angeschlossen.

Dagegen wendet sich die nicht datierte und beim Zollamt Wien am form- und fristgerecht eingelangte Beschwerde. Im Wesentlichen meint der Bf, er werde in seiner Strafsache beim Strafgericht Wien einen Wiederaufnahmeantrag stellen und rechne mit einem erfolgreichen Ausgang.

Das Zollamt Wien hat die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (kurz: BVE) vom , Zahl: bbbb, als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese dem Bf nach der Aktenlage am zugestellte Beschwerde wendet sich dieser mit dem beim Zollamt Wien am eingelangten Vorlageantrag vom . Im Wesentlichen meint der Bf, er werde in seiner Strafsache beim Strafgericht Wien einen Wiederaufnahmeantrag stellen und rechne mit einem erfolgreichen Ausgang. Der in seinem Verfahren Mitbeschuldigte B habe bereits Verfahrenshilfe beantragt und sei ihm die auch bewilligt worden. Auch dieser werde die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen.

Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem vom Zollamt Wien vorgelegten Verwaltungsakt.

Rechtslage:

§ 212a Abs. 9 BAO:
Für Abgabenschuldigkeiten sind
a) solange aufgrund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über die noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder
b) […]
Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5 oder 5a) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.

§ 230 Abs. 6 BAO:
Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212 a Abs. 1, 2 lit. b und 3 letzter Satz betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.

§ 279 Abs. 1 BAO:
Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Erwägungen:

Nach Stellung eines Aussetzungsantrages dürfen Einbringungsmaßnahmen bis zu seiner Erledigung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden. Die Wirkung der Aussetzung besteht gemäß § 212a Abs. 5 erster Satz BAO in einem Zahlungsaufschub (siehe dazu Ritz, BAO6, § 212a Tz 20 und Tz 25).

Ist eine meritorische Erledigung zulässig (liegt vor allem kein Grund zur Zurückweisung oder Erlassung eines Zurücknahmebescheides gemäß § 85 Abs. 2 BAO vor), so ist dem Antrag ganz oder teilweise stattzugeben bzw. ist er abzuweisen (siehe dazu Ritz, BAO6, § 212a Tz 24).

Aussetzungszinsen sind nicht nur für die Dauer des (sich aus einem Aussetzungsbescheid ergebenden) Zahlungsaufschubes zu entrichten, sondern bereits für die Zeit, in der nach § 230 Abs. 6 aufgrund des Aussetzungsantrages Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Aussetzungszinsen stellen ein Äquivalent für den tatsächlich in Anspruch genommenen (jederzeit durch Entrichtung gemäß § 212a Abs. 8 BAO beendbaren Zahlungsaufschub) dar (siehe dazu Ritz, BAO6, § 212a Tz 32 und die dort zitierte Judikatur).

Der Aussetzungszinsenanspruch entsteht dem § 4 Abs. 1 BAO zufolge während jener Zeit, in der der Zahlungsaufschub in Anspruch genommen wird. Bemessungsgrundlage der Aussetzungszinsen ist der in Betracht kommende Abgabenbetrag bzw. die im Aussetzungsantrag angeführte Abgabenschuldigkeit (siehe dazu Ritz, BAO6, § 212a Tz 33 du die dort zitierte Judikatur).

Eine nachträgliche Herabsetzung der Abgabenschuld ist zu berücksichtigen. Daher fallen grundsätzlich keine Aussetzungszinsen an, soweit der Beschwerde stattgegeben wird. Eine rückwirkende Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages (iSd § 212a Abs. 9 dritter Satz) hat von Amts wegen zu erfolgen (siehe dazu Ritz, BAO6, § 212a Tz 34).

Mit Bescheid vom , Zahl: cccc, hat das Zollamt Wien beim Bf gemäß Art. 201 ZK iVm Art. 220 ZK eine Einfuhrzollschuld in der Höhe von insgesamt € 533.177,29 geltend gemacht. Weil buchmäßig nur Eingangsabgaben im Betrage von lediglich € 47.017,19 erfasst wurden, werde - so das Zollamt Wien weiter - der Differenzbetrag in der Höhe von € 486.163,97 weiterhin gesetzlich geschuldet und sei nach zu erheben. Als Folge dessen sei gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung im Betrage von € 55.100,33 zu entrichten.

Das im Rechtszug angerufene Bundesfinanzgericht (kurz:  BFG) hat mit Erkenntnis vom , GZ. RV/7200231/2013, den im Rechtszug angefochtenen Bescheid des Zollamtes Wien vom abgeändert und die Nachforderung rechtskräftig auf € 49.253,96 an Zoll und € 166.554,24 an Einfuhrumsatzsteuer herabgesetzt sowie die Abgabenerhöhung mit € 18.370,22 neu ausgemessen.

Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen ist damit die aus den soeben genannten Abgabenbeträgen gebildete Summe von € 234.178,42. 

Im nun bekämpften Bescheid wurden jeweils ausgehend von Abgaben im Gesamtbetrag von € 234.178,42 als Bemessungsgrundlage  
1) für den Zeitraum vom bis zum  Aussetzungszinsen im Betrage von € 610,79,
2) für den Zeitraum vom bis zum  Aussetzungszinsen im Betrage von € 442,82,
3) für den Zeitraum vom bis zum Aussetzungszinsen im Betrage von € 7.460,99,
4) für den Zeitraum vom bis zum  Aussetzungszinsen im Betrage von € 361,85 und
5) für den Zeitraum vom bis zum  Aussetzungszinsen im Betrage von € 18.714,26 
festgesetzt.

Aus der Begründung der im Gegenstand ergangenen BVE vom , auf die verwiesen wird, ergeben sich detailliert die Zeiträume, in denen Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt wurden.

Für den oben unter 1) genannten Zeitraum beispielsweise wurden Maßnahmen zur Einbringung wegen des in der Beschwerde vom gestellten Antrages auf Aussetzung von diesem Tag an bis zum , an dem der Antrag auf Aussetzung mit Bescheid zur Zahl: 100000/65074/2011-5, abgewiesen wurde, weder eingeleitet noch fortgesetzt.

Es ist zulässig, im Rahmen der Begründung eines Bescheides zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen auf die  Begründung eines anderen, der Partei zugestellten Bescheides zu verweisen (z.B. ).

Anzumerken ist, dass vom Bf weder die genannten Zeiträume noch die jeweilige Höhe der diesbezüglich festgesetzten Aussetzungszinsen bekämpft werden.

Ferner ist an dieser Stelle grundsätzlich anzumerken, dass aus verwaltungs- oder finanzstrafrechtlicher Sicht "subjektive und objektive" Tatbestandselemente erfüllt sein müssen. Aus abgabenrechtlicher Sicht hingegen müssen im Gegenstand lediglich objektive Tatbestandselemente erfüllt sein, weil die im Spruch des Bescheides vom , Zahl: cccc, angeführten gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere Art. 201 Abs. 1 ZK und Art. 220 Abs. 1 ZK, nicht mit subjektiven Tatbestandselementen ausgestattet sind.

Grundsätzlich besteht eine Bindung an Entscheidungen der Gerichte und an Entscheidungen der Verwaltungsbehörden. Eine solche Bindung ist Ausdruck der Rechtskraft der Entscheidung (zB ).

Bei Freisprüchen hingegen besteht nach ständiger Rechtsprechung keine solche Bindung (siehe Ritz, BAO6, § 116, Tz 14 und die dort zitierte Judikatur).

Der Bf strebt nach seinen eigenen Angaben in der Beschwerde und im Vorlageantrag eine Wiederaufnahme in dem gegen ihn mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , GZ. dddd, rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren an, wonach er im Wesentlichen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit B im Zeitraum vom 22. Juni bis durch Vorlage wertmäßig unrichtiger, nämlich zu niedriger und gefälschter Fakturen aus China, vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Anzeige- und Offenlegungspflicht eine Verkürzung von Eingangsabgaben in dort genannter Höhe bewirkt hat, wobei es ihm dabei auf eine gewerbsmäßige Begehung ankam.

Selbst wenn ihm die Wiederaufnahme gelingen und er darüber hinaus freigesprochen werden sollte, wäre für ihn aus abgabenrechtlicher Sicht nichts gewonnen, weil nach der oben dargestellten ständigen Judikatur bei freisprechenden Urteilen keine Bindung besteht.

Weil das vom Zollamt Wien gegen den Bf angestrengte Abgabenverfahren betreffend die Geltendmachung einer Einfuhrzollschuld rechtskräftig abgeschlossen ist, ist die Festsetzung und Erhebung der Aussetzungszinsen als Äquivalent für den tatsächlich in Anspruch genommenen Zahlungsaufschub die vom Gesetz vorgesehene rechtmäßige Rechtsfolge.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des BFG ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das BFG stützt seine Entscheidungen auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und auf die im Erkenntnis zitierte einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind keine Rechtsfragen aufgeworfen worden, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt, sodass eine Revision nicht zugelassen wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 212a Abs. 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 230 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Aussetzungszinsen
Äquivalent
Einbringungsmaßnahmen
Herabsetzung
Bindung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7200001.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at