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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.02.2020, RV/2100648/2018

Bestellung einer siebzigjährigen Miteigentümerin zur Vertreterin einer aus 21 Mitgliedern bestehenden Grundstücksgemeinschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter X. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde - Finanzamt Graz-Stadt - vom , StNr. betreffend Vertreterbestellung nach § 81 Abs. 2 BAO zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Im angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin (Bf.) gemäß § 81 Abs. 2 BAO als Vertreterin mit Wirkung für die Gesamtheit der Miteigentümer des im Betreff angeführten Grundbesitzes hinsichtlich der Feststellung des Einheitswertes und des Grundsteuermessbetrages bestellt, da dem Finanzamt für die Eigentumsgemeinschaft bisher keine vertretungsbefugte Person benannt worden sei. Die Vertreterbestellung gelte solange, als nicht von der Gesamtheit der Miteigentümer eine andere Person der Miteigentumsgemeinschaft oder ein steuerlicher Vertreter der Abgabenbehörde genannt werde. Bei Namhaftmachung einer anderen Person als Vertreter gegenüber dem Finanzamt sei die Zustimmung aller Miteigentümer durch deren Unterschrift nachzuweisen.

In ihrer Beschwerde wandte sich die Bf. gegen ihre Bestellung und begründete diese folgt: Sie sei Pensionistin, Jahrgang 1949, nicht rechtskundig, habe sich als Hausfrau um die Erziehung ihrer Kinder bemüht und verfüge infolge mehrerer Augenoperationen nicht über den besten Gesundheitszustand. Sie sei nicht immer aus unterschiedlichen Gründen zugegen und auf die Mithilfe ihrer erwachsenen Kinder angewiesen, die nicht bei ihr wohnhaft seien. Sie sehe sich daher nicht imstande, diese Bestellung und damit verbundenen Aufgaben für die Vertretung einer Personenvereinigung gewissenhaft wahrnehmen zu können. Es gebe Miteigentümer, die noch lange erwerbstätig sind und damit wesentlich besser geeignet wären. Sie habe lediglich einen Anteil an der Liegenschaft von 1/24.

Ihr sei nur bekannt, dass die im Grundbuch stehenden Miteigentümer längst nicht mehr aktuell sind (manche auch verstorben) und habe selbst keine Möglichkeit, auf die tatsächlichen Eigentümer zuzugehen. Ich wisse gar nicht, wer die Eigentümer und in manchen Fällen die Rechtsnachfolger seien, könne nicht deren Kontaktdaten erheben und nicht Vertreter für jemanden sein, den sie gar nicht kenne und zu dem sie keinen Zugang habe.

Im Übrigen sei es durch die gleichzeitige Zustellung des Bescheides und der Information an die Miteigentümer, wovon einige an der Liegenschaftsadresse wohnen, zu einer Unruhe gekommen, die ihr große Mühe und Sorge bereitet hätte. Mehrere Miteigentümer hätten sie unmittelbar angesprochen und gefragt, was diese Information zu bedeuten habe und wie sie dazu komme, sie vor der Behörde zu vertreten.

In ihrer Beschwerdevorentscheidung führte die belangte Behörde kurz aus, die Gründe für die Ablehnung der Vertreterbestellung seien nicht ausreichend. Es bestehe jedoch die Möglichkeit mit Einverständniserklärung der Mehrheit der Eigentümer jemand anderen als Zustellbevollmächtigten zu bestellen.

In ihrem Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht beeinspruchte die Bf. die von der belangten Behörde erlassene Beschwerdevorentscheidung mit den Hinweis, ihr sei die lapidare Ablehnung völlig unverständlich und wiederholte die in der Beschwerde angeführten Gründe. Sie sehe sich zwar imstande, was ihr eigenen persönlichen Angelegenheiten betreffe, einwandfrei geschäftsfähig zu sein, sie sei aber nicht in der Lage, als Vertreterin der Eigentümergemeinschaft eingesetzt zu werden.

Mit Schreiben des Bundesfinanzgerichts wurde die belangte Behörde aufgefordert näher zu begründen, warum gerade die Bf. als Vertreterin der Eigentümergemeinschaft auserkoren wurde, zumal auf Grund der vorgelegten Akten die Ermessensentscheidung nicht ansatzweise nachvollzogen werden kann, zumal von den 21 Miteigentümern nicht einmal das Geburtsdatum bekannt sei. Die Beschwerdevorentscheidung begegnet dem Beschwerdevorbringen lediglich mit der Behauptung des Vorliegens „nicht ausreichender Gründe“.

Die belangte Behörde bemerkt in ihrer Äußerung vom Folgendes:
„ …
Dabei ist es nicht Aufgabe der Abgabenbehörde, erst alle Miteigentümer zu befragen und den geeignetsten herauszufinden bzw. hierfür die als Vertreter in Frage kommenden Personen einer Miteigentümergemeinschaft einer Eignungsprüfung zu unterziehen (vgl unter Verweis auf ).
Die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe Jahrgang 1949", „nicht rechtskundig", „Pensionistin", „möglicherweise aus unterschiedlichen Gründen über einen längeren Zeitraum nicht zugegen", „Witwe", „mehrere Augen-Operationen" sind nach Ansicht des Finanzamtes nicht geeignet, einer Vertreterbestellung entgegenzutreten.
Betreffend die Ortsabwesenheit wird bloß auf die „Möglichkeit" einer solchen verwiesen und wird nicht näher ausgeführt, aus welchen Gründen und wie lange eine solche dauern könnte. Dies kann auf jeden anderen Miteigentümer ebenso zutreffen, beispielsweise infolge einer plötzlich auftretenden Krankheit, eines Unfalles etc.
Auch der Umstand, dass die Bf. Witwe ist, kann nach Ansicht des Finanzamtes nicht ausschlaggebend dafür sein, die Vertreterbestellung zu widerrufen, zumal darin keinerlei Zusammenhang mit der Stellung als Vertreter zu erkennen ist.
Ebenso geht auch der Hinweis auf die nicht vorhandene Rechtskunde nach Ansicht des Finanzamtes ins Leere, da die Textierung sowohl der Beschwerden als auch der Vorlageanträge sehr wohl auf eine solche schließen lassen. So wird beispielsweise im Vorlageantrag vom explizit auf einzelne Bestimmungen der BAO Bezug genommen und werden diese zitiert. Gerade aus den Beschwerden (Formulierungen, Erwägungen etc.) kann daher nach Ansicht der Abgabenbehörde die Eignung der gewählten Vertreterin abgeleitet werden und stehen dieser damit auch das angeführte Alter und die Augenoperationen offenbar nicht entgegen.
Der Hinweis, dass die Bf. die anderen Miteigentümer nicht kennt und aus diesem Grund nicht auf sie zugehen kann, würde zudem jegliche Vertreterbestellung eines anderen Miteigentümers ausschließen. Selbiger Grund müsste dann wohl auch für die anderen Miteigentümer gelten, denen die Bf. unbekannt sein müsste, was - nehme man dies als geeigneten Grund an - auch die Bestellung eines anderen Miteigentümers als Vertreter ausschließen würde. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die übrigen Miteigentümer (zum Teil) nicht zu kennen, gleichzeitig aber zu beurteilen, dass andere Miteigentümer als Vertreter geeigneter seien, beinhaltet zudem auch einen gewissen Widerspruch.
Nach Ansicht des Finanzamtes stellt sich die Bf. daher durchaus als geeignete Vertreterin dar. Unter Umständen noch geeignetere Vertreter könnten allenfalls anhand des Geburtsdatums ermittelt werden, was jedoch für sich genommen die Geeignetheit nicht mit Sicherheit belegen kann. Jegliche weiteren Schritte hin zur Suche eines geeigneteren Vertreters würden konkrete Befragungen der einzelnen Miteigentümer erforderlich machen, was - wie oben dargelegt - aber gerade nicht Aufgabe der Abgabenbehörde sein kann (vgl ; ). Dem tritt wohl auch Ritz, BAO6 nicht entgegen, wenn er zu den genannten Entscheidungen des BFG ohne weitere Ausführungen bloß anmerkt, dass diese „den Eindruck" erwecken, „dass nach Ansicht des BFG weder § 115 Abs. 1 noch dessen Abs. 2 im Bestellungsverfahren zu beachten sei". Zudem wird darauf hingewiesen, dass das Parteiengehör der bestellten Vertreterin im Zuge des Beschwerdeverfahren gewahrt wurde und sie ausreichend darlegen konnte, aus welchen Gründen sie sich als nicht geeignet erachtet, als Vertreterin zu agieren.“

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 81 BAO lautet auszugsweise:
(1) Abgabenrechtliche Pflichten einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind von den zur Führung der Geschäfte bestellten Personen und, wenn solche nicht vorhanden sind, von den Gesellschaftern (Mitgliedern) zu erfüllen.
(2) Kommen zur Erfüllung der im Abs. 1 umschriebenen Pflichten mehrere Personen in Betracht, so haben diese hiefür eine Person aus ihrer Mitte oder einen gemeinsamen Bevollmächtigten der Abgabenbehörde gegenüber als vertretungsbefugte Person namhaft zu machen; diese Person gilt solange als zur Empfangnahme von Schriftstücken der Abgabenbehörde ermächtigt, als nicht eine andere Person als Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht wird.
Solange und soweit eine Namhaftmachung im Sinn des ersten Satzes nicht erfolgt, kann die Abgabenbehörde eine der zur Erfüllung der im Abs. 1 umschriebenen Pflichten in Betracht kommenden mehreren Personen als Vertreter mit Wirkung für die Gesamtheit bestellen. Die übrigen Personen, die im Inland Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz haben, sind hievon zu verständigen.
(3) Sobald und soweit die Voraussetzungen für die Bestellung eines Vertreters durch die Abgabenbehörde nachträglich weggefallen sind, ist die Bestellung zu widerrufen. Ein Widerruf hat auch dann zu erfolgen, wenn aus wichtigen Gründen eine andere in Betracht kommende Person von der Abgabenbehörde als Vertreter bestellt werden soll.

(7) Werden an alle Gesellschafter (Mitglieder) einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dieser ihrer Eigenschaft schriftliche Ausfertigungen einer Abgabenbehörde gerichtet, so gilt der nach Abs. 1 bis 5 für die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) Zustellungsbevollmächtigte auch als gemeinsamer Zustellungsbevollmächtigter der Gesellschafter (Mitglieder). Ergehen solche schriftliche Ausfertigungen nach Beendigung einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, so gilt die nach Abs. 6 vertretungsbefugte Person auch als Zustellungsbevollmächtigter der ehemaligen Gesellschafter (Mitglieder), sofern ein solcher nicht eigens namhaft gemacht wurde. Die Bestimmung des Abs. 6 über die Erhebung eines Widerspruches gilt sinngemäß.
..."

Unter der Wortfolge "Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind in der BAO ua. die Miteigentümergemeinschaften zu verstehen (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 81 Anm 1).

Bei Miteigentumsgemeinschaften sind alle Mitglieder (im Zusammenwirken) zur Führung der Geschäfte befugt. Die Bestellung des Vertreters iSd § 81 BAO erfolgt daher bei einer solchen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) nach der Regelung des Abs. 2 des § 81 BAO. Die sich an die amtswegige Vertreterbestellung nach § 81 Abs. 2 BAO anschließenden Zustellakte sind nur unter der Voraussetzung wirksam, dass eine Benachrichtigung aller Gesellschafter (Mitglieder) erfolgt ist ().

Sinn und Zweck von § 81 BAO ist es sicherzustellen, dass der Miteigentumsgemeinschaft verfahrenswirksam die Erfüllung ihrer Verpflichtungen wie auch die Wahrnehmung ihrer Befugnisse ermöglicht wird. Zudem wird gewährleistet, dass die Abgabenbehörde stets und in allen Stadien des Lebens dieser Vereinigung mit tauglichen Verfahrenspartnern in Verbindung treten kann, diesen mit Wirkung für die Gesellschaft Pflichten auferlegen und eingeräumte Rechtsansprüche der Gesellschaft gegenüber wirksam erfüllen kann. Diesem verfahrensökonomisch unabdingbaren Interesse trägt § 81 BAO Rechnung (Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 81, Seite 237 mit Hinweis auf Stoll, BAO-Kommentar, 797 f).

Die Regelungen des § 81 Abs. 1 bis 8 zielen darauf ab, dass für eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit nach Möglichkeit eine vertretungsbefugte Kontaktperson zur Abgabenbehörde vorhanden ist, ohne dass dadurch die Beeinträchtigung der Rechte der an der Personengesellschaft (Personengemeinschaft) beteiligten oder beteiligt gewesenen Personen erfolgt (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 81 Anm 18).

Solange und soweit eine solche Namhaftmachung eines Vertreters seitens der Miteigentumsgemeinschaft nicht erfolgt, ist die Abgabenbehörde berechtigt, mit Bescheid eine der nach § 81 Abs. 1 BAO in Betracht kommenden Personen als Vertreter zu bestellen, wobei das Wort "kann" im Gesetzestext vielmehr ein bedingtes Müssen im Sinne des Gesetzeszweckes für die Abgabenbehörde bedeutet, um die ihr vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben wahrzunehmen und auch rechtlich wirksame Bescheide erlassen zu können.

Das Gesetz lastet die Verpflichtung zur Erfüllung der Pflichten einer Personenvereinigung (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) vorrangig den Personen an, die von der Personenvereinigung hierfür vorgesehen und bestimmt sind, nämlich den von der Personenvereinigung "zur Führung der Geschäfte bestellten Personen" und folgt damit dem Willen der Mitglieder. Nur wenn nach dieser Regel mehrere Personen in Betracht kommen, so ist aus der Mitte der Mitglieder oder ein gemeinsamer Bevollmächtigter (Drittorgan) der Abgabenbehörde gegenüber als Vertretungsbefugter namhaft zu machen. Es ist aber auch zulässig, dass eine andere Person als der in Betracht kommende Vertreter als Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht wird. Für die Abgabenbehörde muss jedenfalls die Möglichkeit bestehen, mit der Personenvereinigung wirksam in Verhandlung treten zu können und die Personenvereinigung als solche wirksam verpflichten zu können.
Das Abgabenrecht begnügt sich nicht mit einer bloßen Duldungsvollmacht oder Anscheinsvollmacht. Die vertretungsbefugte Person ist vielmehr ausdrücklich zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, hat die Abgabenbehörde eine solche Person bescheidmäßig zu bestellen ().
Wurde nämlich der Abgabenbehörde gegenüber kein Geschäftsführer (im weiteren Sinn gemeint) als Vertreter benannt, so ist die gesetzliche Verpflichtung aufrecht, der Abgabenbehörde gegenüber jedenfalls einen (und nur einen) Vertreter namhaft zu machen. Diesem gesetzlichen Auftrag, eine vertretungsbefugte Person der Abgabenbehörde gegenüber zu benennen, ist die beschwerdegegenständliche Miteigentumsgemeinschaft nicht nachgekommen.

Diese Verpflichtung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, es bedarf daher dazu keiner weiteren, ausdrücklichen Benachrichtigung oder Aufforderung durch die Abgabenbehörde.
Die Abgabenbehörde kann demnach unter der Voraussetzung des Absatzes 2, zweiter Satz, ohne erst alle Mitglieder ermitteln und befragen zu müssen, nach ihrem Ermessen einen Beteiligten herausgreifen und als Bevollmächtigten behandeln. Die Ermessensübung darf aber nicht den offenkundigen Interessen der Mitglieder zuwiderlaufen (vgl. unter Hinweis auf Stoll, BAO-Kommentar, 800 f).

Die Bestimmung des § 81 Abs. 2 BAO verpflichtet die Abgabenbehörde nicht, unter den als Vertreter in Frage kommenden Personen einer Miteigentümergemeinschaft eine Eignungsprüfung durchzuführen und diese zu begründen. Es reicht vielmehr aus, dass die Behörde eine von mehreren in Betracht kommenden Personen als Vertreter mit Wirkung für die Gesamtheit bestellt. Voraussetzung für eine solche Bestellung ist lediglich, dass die Miteigentümergemeinschaft ihrer Verpflichtung nach § 81 Abs. 2 BAO, erster Satz, nicht nachgekommen ist (vgl. , -F/12, ).

Dass die Bestellung gerade der Bf. im maßgeblichen Interesse der Miteigentümer wäre, lässt sich dem angefochtenen Bescheid und den Ausführungen der belangten Behörde nicht entnehmen, zumal diese mit keinem Wort erwähnt, warum von über 20 Miteigentümern gerade die Bf. die Interessen der Miteigentümergemeinschaft am ehesten wahrnehmen könne. Bei der strittigen Liegenschaft handelt es sich entsprechend dem Grundbuchsauszug um eine „Straßenverkehrsanlage“, die offenbar den Eigentümern der angrenzenden Liegenschaften als Zu- und Abfahrtsweg dient. Der erhöhte Einheitswert wurde mit 1.700 € festgesetzt und ist bezogen auf eine Fläche von 1.390 m2 wertmäßig als relativ gering einzusehen.

Es ist zwar nicht die Aufgabe des Finanzamtes, bei Unstimmigkeiten innerhalb der Miteigentümergemeinschaft einen Konsens hinsichtlich der Bestellung im Sinne einer bestgeeigneten Vertretung herzustellen. Im gegenständlichen Falle ist auf Grund der in der Vergangenheit durchgeführten Eigentümerwechsel sachverhaltsmäßig überhaupt nicht klar, ob die intabulierten Miteigentümer noch leben und wie diese erreicht werden können. Auf diese Umstände wies die Bf. in ihrer Beschwerde gegen den Einheitswertbescheid ausdrücklich hin. M.a.W. möchte die belangte Behörde indirekt der möglicherweise ältesten Miteigentümerin die Klärung der Eigentumsverhältnisse überantworten.

Aus Gründen der Verwaltungsökonomie wird es auch im Interesse des Finanzamtes liegen, dass es mit voll einsatzfähigen Vertragspartner in Verbindung treten kann und man von dieser Person auch auf Grund des Alters davon ausgehen kann, dass die Bestellung zur Vertretung der Gemeinschaft auch für einen längeren Zeitraum aufrecht bleibt. Das fortgeschrittene Alter und auch die referierten Gründe der mangelnden Erreichbarkeit der grundbücherlichen Eigentümer infolge Ablebens oder Wegzuges ins Ausland sind maßgeblich, die gegen eine Bestellung zur Vertretung einer Miteigentümergemeinschaft gegenüber der Abgabenbehörde sprechen. Abgesehen davon spricht gegen eine Bestellung, dass die Bf. mit Schenkungsvertrag vom ihren Miteigentumsanteil von 2/24 auf drei weitere Miteigentümer im Ausmaß von je 1/36 übertragen hat und nun nicht mehr Miteigentümerin ist.

Unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Dabei ist unter dem Gesetzesbegriff Billigkeit nach ständiger Rechtsprechung Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und unter dem Begriff Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung von Abgaben zu verstehen.
Im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts ist das Ermessen eigenverantwortlich zu üben (Ritz, BAO6, § 20, Rz 11). Mit Rücksicht auf das abgabenbehördliche Rechtsmittelverfahren beherrschende Gebot der prinzipiell meritorischen Entscheidung über ein Rechtsmittel geht auch das Recht und die Pflicht zur Ermessensübung auf die Berufungsbehörde über. Im Rechtsmittelverfahren hat somit die Rechtsmittelbehörde die Ermessensentscheidung im eigenen Namen und unter eigener Verantwortung zu treffen, von sich aus inhaltlich zu gestalten und zu vertreten (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 213 f). Die Abgabenbehörde hat sich bei der Begründung des Ermessens im Sachverhalt eher zurückhaltend geäußert und kaum mehr geeignete Informationen von sich gegebenen als in die in Literatur vertretenen Rechtsmeinungen über die behördliche Vertreterbestellung. Gemäß § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass das Finanzamt nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend gehandelt hat, indem es die Bf. als eine von vielen geeigneten Personen zur Vertreterin nach eigenem Gutdünken bestellte.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 81 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100648.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at