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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.01.2020, RV/3100916/2019

Abänderung eines Einkommensteuerbescheides nach § 295 Abs. 1 BAO bei unwirksamem Feststellungsbescheid nach § 188 BAO

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100916/2019-RS1
Die Abänderung nach § 295 Abs. 1 BAO ist nur zulässig, wenn der Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Streitjahr vom Feststellungsbescheid abzuleiten ist. Ist der Bescheid betreffend gesonderte Feststellung von Einkünften für das Streitjahr ins Leere gegangen, so fehlt ein tauglicher Feststellungsbescheid für eine Abänderung nach § 295 Abs. 1 BAO (vgl. ).

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. A in der Beschwerdesache Dr. **** D als Masseverwalter im Insolvenzverfahren des Gemeinschuldners Franz S, Straße, Stadt, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei U-G, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt E vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2017 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1) Franz S bezog im Jahr 2017 von zwei Arbeitgebern (Amt der Tiroler Landesregierung und M K (Gasthof zur P)) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben gründete er gemeinsam mit M K im Jahr 2007 die Gasthof zur P OG.

2) Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom wurde über das Vermögen von Franz S das Insolvenz-(Konkurs)verfahren (Aktenzeichen xxx) eröffnet. Als Masseverwalter wurde der nunmehrige Beschwerdeführer (Bf) bestellt.

3) Nachdem Franz S für das Beschwerdejahr 2017 beim Finanzamt keine Einkommensteuererklärung eingereicht hatte, führte das Finanzamt mit dem an den Bf als Masseverwalter im Insolvenzverfahren Franz S adressierten Bescheid vom für das Jahr 2017 eine Einkommensteuerveranlagung (Pflichtveranlagung) nach § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 durch, bei der nur die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst worden sind und die zu einer Abgabennachforderung von 17 € geführt haben.  

4) Aufgrund einer Mitteilungen vom über die gesonderte Feststellung der durch die Gasthof zur P OG erzielten Einkünfte, erließ das Finanzamt gegenüber dem Bf mit Ausfertigungsdatum gemäß § 295 Abs. 1 BAO einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017, in dem die Einkünfte, entsprechend der Mitteilung, mit 20.000 € angesetzt wurden, das gegenüber dem Erstbescheid zu einer Abgabennachforderung von 6.792 € führte.

5) In der gegen diesen Bescheid vom Bf als Masseverwalter erhobenen Beschwerde vom wurde eingewendet, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO würden nicht vorliegen. Im Einkommensteuerbescheid für 2017 werde darauf Bezug genommen, dass eine Änderung gemäß § 295 BAO aufgrund der bescheidmäßigen Feststellung des Finanzamtes zur StNr. 000/1111 vom erfolgt sei. Die diesbezüglichen Ausführungen seien für den Bf als Masseverwalter nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen würden, über welche ein Feststellungsbescheid vorliege. Vor diesem Hintergrund seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb unrichtigerweise mit einem Betrag von 20.000 € angesetzt worden. Dementsprechend habe es inhaltlich bei dem Einkommensteuerbescheid vom zu bleiben.

6) Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte dazu aus, würden einen Bescheid Entscheidungen zugrunde liegen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden seien, so könne gemäß § 252 BAO der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend seien.

7) Im Vorlageantrag vom verwies der Bf auf sein bisheriges Vorbringen und führte ergänzend aus, dass kein Feststellungsbescheid vorliege, auf welchen in der Beschwerdevorentscheidung begründend Bezug genommen werde. Aus den dargestellten Gründen sei der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 Folge zu geben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

II. Sachverhalt:

1) Franz S und M K haben mit Gesellschaftsvertrag vom die „Gasthof zur P OG“ mit Sitz und Geschäftsanschrift in A-Straße 163, 9999 B-Dorf gegründet, die mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom ins Firmenbuch eingetragen worden ist. Als vertretungsbefugte Person zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten gegenüber dem Finanzamt wurde nach § 81 BAO der Mitgesellschafter M K namhaft gemacht.

2) Mit Vereinbarung vom ist der Gesellschafter M K aus der Gesellschaft ausgeschieden und der Betrieb mit allen Aktiven und Passiven unter Verzicht auf eine Liquidation gemäß § 142 UGB vom Gesellschafter Franz S übernommen und als Einzelunternehmen fortgeführt worden.

3) Auf Antrag der beiden Gesellschafter vom ist die Gesellschaft im Firmenbuch, mit Vermerk der Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB durch Franz S, am für aufgelöst und gelöscht erklärt worden.

4) Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen 2017 für die Gesellschaft (StNr. 81 000/1111), wurden vom Finanzamt in dem am erlassenen Feststellungsbescheid nach § 188 BAO die Besteuerungsgrundlagen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2017 gemäß § 184 BAO im Schätzungswege mit 40.000 € ermittelt, wobei auf den Bf als Masseverwalter im Insolvenzverfahren Franz S ein Anteil von 20.000 € entfiel.

5) Dieser Bescheid ist an die „Gasthof zur P OG, z.Hd. M, A-Straße153, 9999 B-Dorf“ gerichtet. Die Übermittlung des Bescheides wurde vom Finanzamt durch die P zu eigenen Handen (RSa) und mit Zustellnachweis veranlasst. Das Schriftstück wurde nach einem Zustellversuch am bei der zuständigen Geschäftsstelle der P hinterlegt und nachdem das Schriftstück innerhalb der Abholfrist nicht behoben worden ist, am an das Finanzamt zurückgesandt.

6) Die Feststellungen zur Gründung, der Vermögensübernahme und der Löschung der Gesellschaft (Gasthof zur P OG) gründen sich aus dem Firmenbuchauszug der Gesellschaft zu FN ZZZ, sowie auf die in der Urkundensammlung des Firmenbuchgerichts hinterlegten Urkunden, nämlich dem Antrag auf Eintragung einer Offenen Gesellschaft vom und dem Antrag auf Löschung der Gesellschaft (Geschäftsübernahme nach § 142 UGB) vom samt Ergänzungsantrag vom .

7) Die Feststellungen zur Erlassung des Bescheides betreffend Feststellung der Einkünfte nach § 188 BAO und der dazu vorgenommen Bescheidadressierung ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt sowie einer Einsichtnahme in den vom Finanzamt unter der StNr. 000/1111 für die Gasthof P OG geführten Veranlagungsakt.

III. Rechtslage:

1) Gemäß § 188 Abs. 1 lit. b BAO werden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt, wenn an diesen Einkünften - wie bei einer Offenen Gesellschaft - mehrere Personen beteiligt sind. Gegenstand dieser Feststellung ist auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber (§ 188 Abs. 3 BAO). Die in einem solchen Feststellungsbescheid enthaltenen Feststellungen werden den Einkommensteuerbescheiden der Teilhaber zugrunde gelegt (§ 192 BAO).

2) Gemäß §  93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

3) Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO haben nach § 191 Abs. 1 lit. c BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind, zu ergehen.
Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat der Bescheid gemäß §  191 Abs. 2 BAO an diejenigen zu ergehen, denen in den Fällen des Abs. 1 lit. c leg.cit. gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

4) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er gemäß § 295 Abs. 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben.

5) § 142 Abs. 1 UGB zum Übergang des Gesellschaftsvermögen normiert:
Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation. Das Gesellschaftsvermögen geht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über.

IV. Erwägungen

1) Die Wirkung eines Feststellungsbescheides nach § 188 BAO tritt nur beim kumulativen Vorliegen folgender Voraussetzungen ein (, mwN):
1. der Bescheid muss in seinem Spruch seinen Adressaten gesetzmäßig bezeichnen (§ 191 Abs. 1 lit. c bzw. § 191 Abs. 2 BAO iVm § 93 Abs. 2 BAO);
2. der Bescheid muss seinem Adressaten zugestellt sein oder kraft Zustellfiktion ihm gegenüber als zugestellt gelten (§ 97 Abs. 1 BAO iVm § 101 Abs. 3 und 4 BAO).
Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen steht der Wirksamkeit einer behördlichen Erledigung als Bescheid entgegen.

2) Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Gesamtrechtsnachfolge liegt insbesondere bei einer Übernahme gemäß § 142 UGB vor (; Ritz, BAO6, § 19 Tz 1 ).

3) Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beeinträchtigt die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft (wie im gegenständlichen Fall einer OG) und ihre Löschung im Firmenbuch die Parteifähigkeit so lange nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten (also auch zum Finanzamt als Abgabengläubiger) noch nicht abgewickelt sind.
Allerdings trifft dies nicht zu, wenn die Personenhandelsgesellschaft beendet wird und ein Gesamtrechtsnachfolger vorhanden ist, wie es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa bei einer Vermögensübernahme nach § 142 UGB der Fall ist (vgl. , mwN).
Verbleibt nach Ausscheiden des vorletzten Gesellschafter nur noch ein Gesellschafter, so geht das Gesellschaftsvermögen im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über.

Eine Geschäftsübernahme gemäß § 142 UGB bewirkt somit die Vollbeendigung der Personengesellschaft, deren Geschäft durch den übernehmenden Gesellschafter ohne Liquidation fortgeführt wird (; , mwN).

4) Im gegenständlichen Fall ist der Betrieb der Gesellschaft (Gasthof zur P OG) mit dem Ausscheiden des Gesellschafters M K (Vereinbarung vom im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 142 UGB auf Franz S übergegangen. Diese Gesamtrechtrechtsnachfolge von Franz S hatte die Vollbeendigung der OG zur Folge. 

5) Damit hätte der Bescheid über die Feststellung von Einkünften für das Jahr 2017 vom im Sinne des § 191 Abs. 2 BAO (dem Gebot der Einheitlichkeit für Grundlagenbescheide nach § 188 BAO entsprechend) an beide ehemals Beteiligten der Gesellschaft gerichtet werden müssen. Als Bescheidadressierung käme im gegenständlichen Fall (während des aufrechten Insolvenzverfahrens gegen Franz S) z.B. "An den Bf als Masseverwalter im Insolvenzverfahren Franz S und an M K als ehemalige Gesellschafter der X-OG" in Betracht .
Tatsächlich ist der Feststellungsbescheid vom aber an die „Gasthof zur P OG“ ergangen. Diese Gesellschaft und damit diesen Bescheidadressaten hat es zum Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides nicht mehr gegeben. Mangels Existenz des Bescheidempfängers ist dieses Dokument rechtlich nicht wirksam geworden (§ 97 BAO). Der Feststellungsbescheid vom ging somit ins Leere.

6) Die Abänderung nach § 295 Abs. 1 BAO ist nur zulässig, wenn der Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Streitjahr vom Feststellungsbescheid abzuleiten ist. Ist der Bescheid betreffend gesonderte Feststellung von Einkünften für das Streitjahr ins Leere gegangen, so fehlt ein tauglicher Feststellungsbescheid für eine Abänderung nach § 295 Abs. 1 BAO (vgl. ).

7) Der nach § 295 Abs. 1 BAO abgeänderte Einkommensteuerbescheid für 2007 vom war daher mangels eines wirksam erlassenen Feststellungsbescheides aufzuheben. Der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 vom tritt damit wieder in den Rechtsbestand.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall waren keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen. Die hier zu lösende Rechtsfrage ist durch die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärt. Für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision besteht daher kein Anlass.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 188 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 142 Abs. 1 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100916.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at