Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 05.02.2020, VH/7500002/2020

Parkometerabgabe; Antrag auf Verfahrenshilfe; Abweisung wegen Sachverhaltsfrage

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. über den Antrag des Antragsteller, Wien, vom , auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers, gegen das Straferkenntnis  des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , MA67/000/2019, beschlossen:

Der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers wird abgewiesen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Bundesfinanzgericht belangte Behörde nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Antragsteller wurde vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67,mit Straferkenntnis vom , MA67/000/2019, schuldig erkannt, das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna am zwischen 10:19 Uhr und 10:26 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1180 Wien, X-Straße ggü, abgestellt zu haben, wobei der elektronische Parkschein Nr. 1 (15-Minuten-Parkschein), gebucht um 10:05 Uhr, mit dem elektronischen Parkschein Nr. 2 (15-Minuten-Parkschein), gebucht um 10:22 Uhr, in zeitlich unmittelbarer Aufeinanderfolge kombiniert worden sei.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 9 Abs. 2 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung iVm § 4 Abs. 3 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe iHv € 60,00 und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt. Zudem wurde gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz ein Betrag von € 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass den „Handyparken Buchungen" zu entnehmen gewesen sei, dass für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug am um 10:05 Uhr unter der Bestätigungsnummer 1 ein 15-Minuten-Parkschein gebucht und um 10:22 Uhr unter der Bestätigungsnummer 2 ein weiterer 15-Minuten-Parkschein aktiviert worden sei. Ende der eine 15-Minuten-(Gratis) Parkschein um 10:20 Uhr und sei der nachfolgende 15-Minuten-(Gratis) Parkschein ab 10:22 Uhr an gültig gewesen, dann sei eine zeitlich unmittelbare Aufeinanderfolge von 15-Minuten(Gratis)-Parkscheinen offenkundig und liege - wenn dazwischen kein Ortswechsel vorgenommen werde - eine Verletzung der Rechtsvorschriften des § 9 Abs. 2 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung iVm § 4 Abs. 3 Wiener Parkometergesetz 2006 vor.

Die Behörde ging nach zeugenschaftlicher Einvernahme des Meldungslegers in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der Beschwerdeführer - entgegen seiner Ausführungen - zwischen der elektronischen Aktivierung der 15-Minuten-Parkscheine keinen Ortswechsel vorgenommen hat. Der Bf. habe weder taugliche Beweismittel angeboten noch vorgelegt, welche den gegenständlichen Tatvorwurf zu widerlegen im Stande gewesen wären.

In der Beschwerde bestreitet der Bf., zwischen dem Ablauf des alten 15-Minuten-Gratisparkscheine (10:20 Uhr) und der Aktivierung des neuen 15-Minuten-Gratisparkscheines (10:22 Uhr) keinen Ortswechsel vorgenommen zu haben.

Der Bf. stellte im Zuge seiner Beschwerde - ohne nähere Begründung und ohne Vorlage eines Nachweises seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse - einen Antrag auf Verfahrenshilfe.

Über den Antrag wurde erwogen:

Gesetzliche Grundlage:

§ 40 Abs. 1 VwGVG idF ab normiert:

"Ist ein Beschuldigter außerstande, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, so hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich und auf Grund des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist."

Rechtliche Beurteilung:

§ 40 VwGVG in der angeführten Fassung entspricht weitgehend der mit Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 33/2013 (am ) außer Kraft getretenen Bestimmung des § 51a Verwaltungsstrafgesetz - VStG, sodass die zu dieser Gesetzesbestimmung ergangene hg. Judikatur auf die oben genannte Rechtslage nach dem VwGVG übertragen werden kann (vgl. , unter Verweis auf ).

Hinsichtlich der Kriterien für die Zuerkennung von Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafverfahren ist auch durch die Novellierung des § 40 Abs. 1 VwGVG durch das BGBl I 2017/24 keine inhaltliche Änderung eingetreten (vgl 1255 BlgNR XXV. GP).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung der Interessen der Rechtspflege vor allem auf die zweckentsprechende Verteidigung Bedacht zu nehmen. Als Gründe für die Beigebung eines Verteidigers sind besondere Schwierigkeiten der Sachlage oder Rechtslage, besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei (wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohenden Strafe) zu berücksichtigen, wobei die Beigabe eines Verfahrenshelfers nur dann vorgesehen ist, wenn beide in § 51a Abs. 1 VStG (nunmehr: § 40 Abs. 1 VwGVG) genannten Voraussetzungen (Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes, Interesse der Rechtspflege) kumulativ vorliegen (vgl.  unter Verweis auf Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, zweite Auflage, Seiten 245 f, 249; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Ergänzungsband, § 64 ZPO Anm. 10; MGA ZPO, 14. Auflage, § 64 E 5, ).

In dem erst jüngst ergangenen Erkenntnis vom , Ro 2018/08/0008, führt der Verwaltungsgerichtshof zur Beigebung eines Verfahrenshelfers aus, dass hinsichtlich der Frage, wann in den Verfahren der Verwaltungsgerichte auf Grund der Schwierigkeiten des Falles die Beigebung eines Verfahrenshelfers erforderlich sei, die Ausgestaltung des Verfahrens nach dem VwGVG zu berücksichtigen sei. Dazu habe bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss darauf hingewiesen, dass durch die in § 9 VwGVG normierten Anforderungen an eine Beschwerde, die nach den Gesetzesmaterialien (AB 2112 BlgNR 24. GP, 7) so gestaltet worden seien, dass sie auch "ein durchschnittlicher Bürger (...) ohne Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter erfüllen kann", bzw. durch die im Verfahren der Verwaltungsgerichtsgerichte gemäß § 17 VwGVG iVm. § 13a AVG iVm. § 17 VwGVG anzuwendende Manuduktionspflicht für nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertretene Parteien dem rechtspolitischen Anliegen eines auch für unvertretene Parteien einfach handhabbaren Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten Rechnung getragen worden sei.

Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Verfahren der Verwaltungsgerichte - anders als der Zivilprozess in allgemeinen Streitsachen - gemäß § 17 VwGVG iVm. § 37 und § 39 Abs. 2 AVG vom Grundsatz der materiellen Wahrheit beherrscht würden. Demnach habe das Gericht, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der im AVG enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen und den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen (Verweis auf ). Dabei habe das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteienvorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge dürfe sich das Verwaltungsgericht nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Das Verwaltungsgericht habe freilich die Partei eines Verfahrens, wenn sie nicht nur ganz allgemein gehaltene, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen aufgestellt habe, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich seien, vorerst zu einer Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens sowie zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die dem Verwaltungsgericht nach allfälligen weiteren Ermittlungen die Beurteilung des Vorbringens ermöglichen (vgl. Verweis auf ).

Vor diesem Hintergrund - der Manuduktionspflicht, der auch für nicht rechtkundige Bürger grundsätzlich zu bewältigenden Einhaltung der Formvorschriften und des Amtswegigkeitsprinzips - sowie der durch § 8a Abs. 1 VwGVG angeordneten ausdrücklichen Beschränkung der Gewährung der Verfahrenshilfe auf Fälle, in denen dies nach Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC geboten ist, komme der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer im Verfahren der Verwaltungsgerichte Ausnahmecharakter zu. Sie könne jedoch im Einzelfall im Sinn der dargestellten Kriterien erforderlich sein (vgl. Verweis auf ).

Der Verwaltungsgerichtshof brachte mit diesem Erkenntnis deutlich zum Ausdruck, dass es nicht erforderlich ist, Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren. Vielmehr bedürfe es einer Prüfung im Einzelfall.

Ob es im vorliegenden Fall im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, erforderlich und im Sinne des Art. 6 Abs. 1 und 3 lit. c EMRK geboten war, dem Antragsteller Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu gewähren, stellt eine Rechtsfrage des Einzelfalls dar, deren Beurteilung nur dann revisibel ist, wenn diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt ist (vgl. ).

Im vorliegenden Fall liegt keine Rechtsfrage, und damit auch keine zu lösende Rechtsfrage, von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Es handelt sich um eine reine Sachverhaltsfrage, da ausschließlich strittig ist, ob der Antragsteller nach Ablauf der Gültigkeit des alten 15-Minuten-Parkscheines und vor Aktivierung des neuen 15-Minuten-Parkscheines einen Ortswechsel vorgenommen hat.

Der Antragsteller hat kein Vorbringen erstattet, wozu er die Beigebung eines Verteidigers für erforderlich hält.

Auf Grund der Beschwerdeausführungen kann davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller, ein Diplomingenieur, im Umgang mit Behörden keiner Unterstützung bedarf (vgl. ).

Der Bf. hat auch keinerlei Angaben über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemacht.

Von einer besonderen Tragweite des Falles für den Antragsteller kann nicht gesprochen werden.

Die Höhe der dem Antragsteller drohenden Strafe von € 70,00 (Geldstrafe € 60,00, Beitrag gemäß § 64 VStG von € 10,00 zu den Kosten des Strafverfahrens), gebietet für sich allein nicht die Beigebung eines Verteidigers, darf doch gemäß § 42 VwGVG in einem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes keine höhere Strafe verhängt werden als im (dann) angefochtenen Bescheid.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist die Beigebung eines Verteidigers im Interesse der Rechtspflege im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob der Antragsteller außer Stande ist, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des für zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts zu tragen.

Der Antrag war sohin abzuweisen.

Unzulässigkeit der Revision:

Eine Revision wegen Verletzung in Rechten ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und überdies im Erkenntnis eine Geldstrafe von nicht mehr als 400 Euro verhängt wurde.

Eine Angelegenheit, die einen Antrag zum Gegenstand hat, der mit einem Verwaltungsstrafverfahren untrennbar verbunden ist, stellt eine Verwaltungsstrafsache iSd § 25a Abs. 4 VwGG dar und kommt daher der Revisionsausschluss zum Tragen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 9 Abs. 2 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung, ABl. Nr. 33/2008
§ 4 Abs. 3 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
§ 40 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
Art. 6 Abs. 1 lit. c EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention, BGBl. Nr. 210/1958
§ 51a Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
Verweise
Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389

§ 40 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:VH.7500002.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at