Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 30.01.2020, RV/7105699/2018

Nachsicht bei behaupteter persönlicher Unbilligkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden R1, den Richter R2 und die weiteren Senatsmitglieder L1 und L in der Beschwerdesache Bf., Adr1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom betreffend Nachsicht § 236 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers Bf., der Amtsvertreterin AV in Beisein der Schriftführerin SF in der Sitzung am zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom ersuchte der Beschwerdeführer gemäß § 236 BAO um Nachsicht der Einhebung seiner Steuerschuld in der Höhe von € 23.947,46.

Zur Begründung wurde Folgendes vorgebracht:

„Die Einhebung dieser Abgabenschuld würde meine finanzielle, akademische und berufliche Existenz bedrohen. Ich mache gerade berufsbegleitend meinen Master an der Fachhochschule K in Tirol und arbeite Teilzeit als Softwareentwickler. Ich verdiene in meiner Funktion als Entwickler monatlich € 1.549,49 netto, wovon ich Miete, Studiengebühren, sowie sämtliche andere laufenden Kosten des Lebens trage. Wie sie aus meinen Steuerunterlagen entnehmen können, arbeite ich zwar schon seit ungefähr 10 Jahren immer in irgendeiner Funktion neben Schule und Studium, allerdings erst seit wenigen Jahren in einen Ausmaß, der mir volle Selbstständigkeit erlaubt. Ich besitze daher keine Ersparnisse. Der einzig nennenswerte Besitz, den ich habe und veräußern könnte ist mein Auto, das ich mir in meiner Zeit in Tirol zulegen musste. Der Wiederverkaufswert liegt derzeit bei ungefähr € 3.700. Den Kredit den ich damals dafür aufgenommen habe, bezahle ich noch ab. Ich beziehe keine etwaigen Förderungen oder sonstigen Ausgleichszahlungen. Das Existenzminimum beträgt aktuell € 909,00, sodass ich bei Pfändung meiner Bezüge im Monat maximal € 640,49 zahlen könnte, was eine Begleichung in rund 27 Monaten ermöglichen würde (ohne Zinsen und etwaige Abzüge zu berücksichtigen). Eine derartige finanzielle Belastung hätte zur Folge, dass ich mein Studium nicht abschließen könnte, meine akademische Laufbahn beenden müsste und meine Karriere um viele Jahre zurückgesetzt würde.

Die beiden größten Beträge stammen aus den Jahren 2011, in dem ich Schüler war und aus dem Jahr 2012, in dem ich meinen Präsenzdienst abgeleistet habe und danach zu studieren begann. Die nun zugerechneten Beträge sind niemals an mich geflossen, was ich gerne durch Vorlage meiner vollständigen Bankdaten beweisen werde. Es war auch im Gesellschaftsvertrag festgelegt, dass in den ersten 5 Jahren nach Unternehmensgründung keine Gewinne ausgeschüttet werden. Die mir nachverrechneten Gewinne stammen aus dem Ergebnis einer Betriebsprüfung, wo tatsächlich getätigte Aufwendungen nicht in voller Höhe anerkannt wurden.

Es tut mir sehr leid, dass es zu dieser Situation gekommen ist und ich Ihnen dieses Schreiben übermitteln muss. Ich hatte volles Vertrauen in die Buchhaltung des Unternehmens und die Richtigkeit der Aufwandsberechnungen. Mir ist bewusst, dass auch in familiären Betrieben ständige Kontrolle meinerseits von Nöten gewesen wäre und ich schlussendlich zu viel blindes Vertrauen entgegengebracht habe.“

Mit Bescheid vom wies die Abgabenbehörde den Antrag vom betreffend Nachsicht ab.

Zur Begründung wurde wie folgt ausgeführt:

„In Ihrem Ansuchen vom beantragen Sie die nachfolgend angeführten Abgaben nach § 236 BAO (Bundesabgabenordnung) nachzusehen (in Euro):


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E 2011
7.813,00
ZI 2011
594,05
E 2012
11.249,00
ZI 2012
765,79
E 2014
1.876,00
ZI 2014
65,62
E 2015
1.584,00

Bei Firma K-KG, bei welcher Sie beteiligt sind (Firmenbuchauszug), wurde eine Betriebsprüfung durchgeführt.

Das Steuerermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß abgewickelt und das Ergebnis dieser Prüfung ist rechtskräftig.

Ihre Einkünfte aus der Firma K-KG wurden bei den Bemessungsgrundlagen berücksichtigt, wodurch es zu oben angeführten Abgabennachforderungen kam.

Gemäß § 236 BAO (Bundesabgabenordnung) können fällige Abgaben auf Antrag des Abgabenpflichtigen ganz oder zum Teil mittels Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen - zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen.

Auf die Entscheidungen und fachliche Beurteilung in Ihrem Steuerermittlungsverfahren durch die Betriebliche Veranlagung wird hingewiesen.

Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers und dessen Familie (durch zwangsweise Exekution auf dessen Vermögen) gefährde.

Auch wenn vom Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit auszugehen sei, wäre im Rahmen der in diesem Fall nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände (pünktliche Meldung und Entrichtung der Selbstbemessungsabgaben, rechtzeitige Abgabe der Steuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen, Auskunftserteilung und Vorlage von Unterlagen, Zahlungen an sämtliche Gläubiger, etc.) zu treffenden Ermessensentscheidung eine Nachsicht nicht zu gewähren.

Ihr Ansuchen um Nachsicht ist abzuweisen.“

Mit Beschwerde vom brachte der Bf Folgendes vor:

„Nachsicht gem. § 236 BAO kann aus sachlicher oder persönlicher Unbilligkeit gewährt werden.

Persönliche Unbilligkeit liegt dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein (Hinweis E , 95/13/0243). Eine Unbilligkeit ist dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht an der Existenzgefährdung nichts ändert (Hinweis E , 95/15/0053).

Meine finanzielle Situation war vor Erlassung der Einkommensteuerbescheide zwar nicht sehr gut, aber auch nicht so schlecht, dass durch die Einhebung der Abgaben nicht persönliche Unbilligkeit vorliegen würde. Der Vorwurf hinsichtlich nicht pünktlicher Abgabe von Erklärungen, Nichtabgabe von Steuererklärungen etc. geht ins Leere, da ich als Kommanditist dafür gar nicht zuständig bin und sämtliche Abgaben und Erklärungen überdies stets rechtzeitig abgeben wurden. Auch die Gewinnzuteilung an mich wurde rechtzeitig und vollständig an das Finanzamt übermittelt, von diesem aber gar nicht gebucht.

Durch die Einhebung der Abgaben würde sich meine finanzielle Situation so verschlechtern, dass ich nicht einmal mein Studium beenden könnte und damit auch in Zukunft keinen besseren Verdienst erzielen könnte. Es liegt also ganz klar Existenzgefährdung vor, weswegen durchaus ganze oder teilweise Nachsicht aus persönlichen Gründen gem. § 236 BAO gewährt werden kann.“

Mit Bescheid vom - Mängelbehebungsauftrag - hielt die Abgabenbehörde dem Bf vor, dass die Beschwerde vom gegen die Abweisung eine Nachsicht vom hinsichtlich der Form (§ 85 Abs. 2 BAO) die nachfolgenden Mängel aufweise:

Fehlen der Unterschrift gemäß § 85 Abs. 2 BAO

Die angeführten Mängel seien beim Finanzamt Wien 2/20/21/22 gemäß § 85 Abs. 2 BAO bis zum zu beheben. Bei Versäumung dieser Frist gelte die Beschwerde als zurückgenommen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom betreffend die Beschwerde vom gegen die Abweisung einer Nachsicht vom entschied die Abgabenbehörde, dass die Beschwerde vom gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gelte, und begründete die wie folgt:

§ 85 Abs. 2 BAO lautet: "Formgebrechen von Eingaben wie auch das Fehlen einer Unterschrift berechtigen an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht".

Da der Beschwerdeführer die Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages, zugestellt am mittels RSb, mit welchem die Aufforderung erging, den Mangel hinsichtlich fehlender Unterschrift in Bezug auf die Beschwerde betreffend Abweisung einer Nachsicht zu beheben unterlassen hat, ist die Beschwerde gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen zu erklären.“

Mit an das Finanzamt Innsbruck gerichteter Eingabe vom beantragte der Bf - da er letzten Monat nach Innsbruck übersiedelt sei und damit in dessen Zuständigkeitsbereich - betreffend die Berufungsvorentscheidung die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht Außenstelle Innsbruck.

Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

„In der Berufungsvorentscheidung wird fälschlicherweise behauptet, dass dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen wurde. Tatsächlich wurde die Verbesserung mit Einschreiben vom an das Finanzamt gesandt und laut Auskunft der Post von diesem auch am übernommen (durch H). Ich lege eine Kopie der Nachforschung bei. Der Antrag ist daher nicht zurückgezogen.

Dass das entgegengenommene Schreiben nicht beachtet wurde, erscheint mir doch befremdlich. Ich gehe davon aus, dass Sie bei einsprechenden Suchen das Schriftstück finden. Es wäre auch für beide Seiten hilfreich, wenn Sie diesen Fehler korrigieren und daher auch den Vorlagebericht vom 25.9 von Amtswegen richtigstellen und dem BFG erneut übermitteln. Sollte das nicht sehr zeitnah erfolgen, so bleibt mir nur der Weg zum Verwaltungsgerichtshof.

Weiters beantrage ich eine mündliche Verhandlung vor dem BFG und die Zuständigkeit des gesamten Senats.“

Mit Vorlagebericht vom beantragte die Abgabenbehörde die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 299 Abs. 1 BAO, da im Zuge einer nochmaligen Recherche nach Einlangen des Vorlageantrages vom festgestellt wurde, dass dem Mängelbehebungsauftrag mit , somit rechtzeitig entsprochen worden sei.

Über die Beschwerde betreffend Abweisung der Nachsicht werde nach Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom seitens des Finanzamtes gesondert entschieden.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung führte der Bf ergänzend aus, dass die zugrunde liegenden Gewinne aus der Personengesellschaft dem Bf nie zugeflossen seien.

Sein Studium sei abgeschlossen, das Auto sei noch immer das gleiche (VW Fox Bj. 2010), sein monatliches Einkommen betrage € 2.550,00. Neben der Finanzamtsschuld habe er keine Verbindlichkeiten. Seine Lebensgefährtin sei derzeit leider erwerbslos und komme der Bf für ihren Unterhalt auf. Miete und Betriebskosten für die Wohnung sowie Kosten wie Auto beliefen sich auf ca. € 2.000,00.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 4 AVOG berührt der Übergang der Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde nicht die Zuständigkeit der bisher zuständig gewesenen Abgabenbehörde im Beschwerdeverfahren betreffend von ihr erlassene Bescheide.

Nach Pkt. 3.1 der Geschäftsverteilung des BFG ist jede einlangende Rechtsangelegenheit nach dem Sitz der belangten Behörde und dem ausgewiesenen Fachgebiet der Region zuzuweisen, die nach dem Sitz der belangten Behörde (also in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland - Region 11) zuständig ist.

Laut Schreiben der Österreichische Post AG vom über den Nachforschungsauftrag des Bf vom betreffend die Briefsendung mit dem Aufgabedatum an das Finanzamt Wien 2/20/21/22 wurde die Sendung am zugestellt. Die Abgabe erfolgte an H, Angestellter, Finanztower/Poststellenmanagement.

Entsprechend dem Vorlagebericht vom wurde dem Mängelbehebungsauftrag somit rechtzeitig entsprochen worden sei.

Die von der Abgabenbehörde beantragte Vorgangsweise, nämlich die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 299 Abs. 1 BAO und Entscheidung über die Beschwerde betreffend Abweisung der Nachsicht nach Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom durch das Finanzamt übersieht, dass nach § 299 BAO die Abgabenbehörde einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben kann und gemäß § 279 Abs. 1 erster Satz BAO das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden hat.

Gemäß § 278 BAO kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Eine Aufhebung nur der Beschwerdevorentscheidung wäre unzulässig. Sie wäre keine Erledigung der Bescheidbeschwerde (vgl Ritz, BAO6, § 278 Tz 8; Ritz, RdW 2002, 566; Langheinrich/Ryda, FJ 2004, 338).

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein.

Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und - verglichen mit ähnlichen Fällen - zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber. Im Nachsichtsverfahren ist es Sache des Nachsichtswerbers, im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann ().

Wenn das Antragsvorbringen des Nachsichtswerbers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.

Mit dem Einwand, dass die nun zugerechneten Beträge niemals an ihn geflossen seien, macht der Bf eine Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () dient eine Nachsicht nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe, insbesondere Berufungen, nachzuholen. Der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO stellt nicht auf die Festsetzung, sondern auf die Einhebung einer Abgabe ab. Auf die Behauptung der Unbilligkeit im Sinn von inhaltlicher Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides kann daher ein Nachsichtsansuchen grundsätzlich nicht mit Erfolg gestützt werden.

Das Vorbringen, die Einhebung der Abgabenschuld bei einem Nettoverdienst von monatlich € 1.549,49 (nunmehr:  € 2.550,00), wovon er Miete, Studiengebühren, sowie sämtliche andere laufenden Kosten des Lebens zu tragen habe, bedrohe seine finanzielle, akademische und berufliche Existenz, da eine derartige finanzielle Belastung zur Folge hätte, dass er sein Studium nicht abschließen könnte, seine akademische Laufbahn beenden müsste und seine Karriere um viele Jahre zurückgesetzt würde, vermag nicht unter Ausschluss jeglichen Zweifels darzutun, dass die Einhebung der Abgabe die Existenz des Beschwerdeführers gefährden würde.

Dem Bf steht die Möglichkeit eines Antrages auf Zahlungserleichterung (Ratenzahlung) nach § 212 BAO offen, er bezieht ein Arbeitseinkommen und besitzt überdies nach seinem Hinweis auf den Gesellschaftsvertrag einen Geschäftsanteil an der die Gewinne ausschüttenden Gesellschaft (vgl. ).

Können Zahlungserleichterungen Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () keiner Abgabennachsicht.

Der Bf bringt selbst vor, dass er bei Pfändung seiner Bezüge im Monat maximal € 640,49 zahlen könnte, was eine Begleichung in rund 27 Monaten ermöglichen würde.

Selbst wenn dabei die Tilgungszeit über 20 Jahre betragen würde, vermag dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () noch keine persönliche Unbilligkeit zu begründen.

Mangels Darlegung des Vorliegens der Voraussetzung der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles des § 236 BAO konnte die beantragte Nachsicht somit nicht gewährt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105699.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at