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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.01.2020, RV/7100261/2020

Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme eines Beihilfenverfahrens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Rechtsanwalt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO hinsichtlich der Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder im Zeitraum vom bis zum  erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der mit  datierte Antrag der Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei Kinder ab dem abgewiesen, wobei die belangte Behörde begründend auf dem Umstand verwies, dass - trotz entsprechender Aufforderung - kein Nachweis über den rechtmäßigen Aufenthalt, der nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Kinder erbracht worden sei.

In der Folge erwuchs vorgenannter Bescheid in Rechtskraft. 

Mit Eingabe vom beantragte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. das mit Bescheid vom abgeschlossene Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufzunehmen, respektive der Bf. Familienbeihilfe ab dem zuzuerkennen. In der Begründung des Antrages wurde ausgeführt, dass mittlerweile feststehe, dass  die, die x Staatsbürgerschaft besitzende Bf. sich bereits ab dem rechtmäßig in Österreich aufhalte, zumal sie ab nämlichem Zeitpunkt freiberuflich tätig, respektive bei der SVA versichert gewesen sei. Nach Art 7 Abs. 2 RL 2004/38 EG hätten sich somit auch die Kinder der Bf. - ohne der Notwendigkeit des Nachweises einer behördlichen Bescheinigung - rechtmäßig in Österreich aufgehalten, mit der Folge, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe ab dem bestanden habe. 

In der Folge wurde der Antrag mit der Begründung, dass der Wiederaufnahmetatbestand des § 303 Abs. 1 lit. b BAO, sprich ein Neuhervorkommen von Tatsachen nicht verwirkt ist, da sich die Bf. einerseits samt uns sonders auf bereits im Zeitpunkt der Erlassung des mit datierten Abweisungsbescheides offenkundig bekannte -, seitens der Abgabenbehörde jedoch rechtlich abweichend beurteilter - Tatsachen Bezug nimmt, andererseits die auf nämlicher "Falschbeurteilung" basierende inhaltliche Rechtswidrigkeit des in Rechtskraft erwachsenen Abweisungsbescheides moniert, mit Bescheid vom abgewiesen.

In der gegen vorgenannten Bescheid erhobenen Beschwerde vom verweist der rechtsfreundliche Vertreter darauf hin, dass die Behörde ob der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung, der gemäß der Sachverhalt - sprich der rechtmäßige Aufenthalt der Bf. und ihrer Kinder im Zeitpunkt am erfolgten Erlassung bekannt gewesen sei, schlussendlich die inhaltliche Rechtswidrigkeit der Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab dem eingesteht. Nämlicher Rechtswidrigkeit könne - so  die weiteren Ausführungen des rechtsfreundlichen Vertreters der Bf. - nur via Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens und Auszahlung der Familienbeihilfe ab dem wirksam begegnet werden.

Am erließ die belangte Behörde eine, das Rechtsmittel der Bf. abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) nachstehenden Inhalts:

"Sachverhalt:

Sie haben am Familienbeihilfe für die Kinder 1, 2 und 3 ab Juli 2016 beantragt. Sie besitzen die x und ihre Kinder die y Staatsbürgerschaft.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurden Sie aufgefordert, u.a. Nachweise über den rechtmäßigen Aufenthalt Ihrer Kinder ab Juli 2016 vorzulegen. Da Sie dieser Aufforderung nicht folgten, wurde ihr Antrag mit Bescheid vom für den Zeitraum ab Juli 2016 abgewiesen. Der Bescheid wurde nicht behoben und durch Hinterlegung am zugestellt.

Am beantragten Sie abermals die Familienbeihilfe für Ihre Kinder. Vorgelegt wurden die am ausgestellten Aufenthaltskarten der Kinder als Angehörige eines EU-Bürgers.

Da das Feld, ab wann Familienbeihilfe beantragt wird, nicht ausgefüllt war, wurde Ihrerseits auf eine rückwirkende Beantragung verzichtet. Die Familienbeihilfe wurde am ab Eingangsdatum Jänner 2018 gewährt.

Am 27.07,2018 brachten Sie einen Antrag auf Wiederaufnahme des Familienbeihilfeverfahrens ab Juli 2016 ein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen.

Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 13 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) hat das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der antragstellenden Person zuständige Finanzamt über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG wird Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 303 Abs. 2 BAO hat der Wiederaufnahmeantrag zu enthalten

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird und

b) die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird.

Würdigung:

Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes ist grundsätzlich die Klärung der Frage, ob Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, jeweils für den einzelnen Monat zu treffen, wobei eine diesbezügliche Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen immer ein zeitraumbezogener Anspruch ist. Ein derartiger Ausspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des betreffenden Bescheides ( ZI. 2007/15/0067; vgl. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 13 Rz 24).

Mit dem Bescheid vom wurde Ihr Familienbeihilfeantrag "ab Juli 2016" abgewiesen. Mangels eines Enddatums im Spruch des Bescheides gilt der Ausspruch jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides - also bis inklusive August 2018.

Mit ungenütztem Ablauf der Frist zur Einbringung einer Beschwerde trat die formelle Rechtskraft des Abweisungsbescheides vom (gleichbedeutend mit Unanfechtbarkeit im ordentlichen Rechtsmittelverfahren) ein. Aus dieser formellen Rechtskraft leitet sich die materielle Rechtskraft der Entscheidung ab. Dies bedeutet, dass der Bescheid von der Behörde nicht mehr aufgehoben oder abgeändert werden kann. Die Rechtskraftwirkungen sind mit Bescheiden verbunden, die dem Rechtsbestand angehören, unabhängig davon, ob die Bescheide richtig sind oder nicht (Stoll, BAO, 943; ).

Da Sie den Abweisungsbescheid vom nicht mittels Beschwerde bekämpft haben, ist dieser in Rechtskraft erwachsen.

Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen; sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen ().

Bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist das Neuhervorkommen von Tatsachen laut VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0058 aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen:  „Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Damit setzt aber diese Bestimmung voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist..."

Da die Aufenthaltstitel der Kinder am ausgestellt wurden, ist die tatbestandsmäßige Voraussetzung der fehlenden Kenntnis von den Wiederaufnahmegründen bei Ihnen nicht gegeben.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der Abweisungsbescheid vom jedenfalls bis inklusive August 2018 wirkt und („aus der Sicht des Antragstellers") keine neuen Tatsachen vorgelegt wurden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

In dem mit datierten Vorlageantrag betonte der rechtsfreundliche Vertreter unter grundsätzlicher Bezugnahme auf das bisherige Beschwerdevorbringen, dass die belangten Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des Abweisungsbescheides vom über alle entscheidungsrelevante, sprich den aus der selbständigen Tätigkeit der Bf. resultierenden rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich Informationen verfügt habe, dessen ungeachtet jedoch pflichtwidriger Weise von der nach der Rechtsprechung des BFG () gebotenen eigenständigen Beurteilung der Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts abgesehen habe und die Abweisung des Antrages rein auf die Nichtvorlage der Aufenthaltskarten gestützt habe. Zusammenfasend seien im Rahmen der Erlassung des Abweisungsbescheides vom gesetzliche Bestimmungen schlichtweg ignoriert, worden und käme nach dem Dafürhalten der Bf. selbst bei Nichtvorliegen des Wiederaufnahmetatbestandes nach § 303 Abs. 1 lit b. jedenfalls jener nach lit. a leg. cit. zum Tragen. 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt und Streitgegenstand

1.1. Sachverhalt

In der Folge legt das BFG seinem Erkenntnis nachstehenden sich aus der Aktenlage ergebenden, seitens der Bf. im bisherigen Verwaltungsverfahren unwidersprochen gebliebenen Sachverhalt zu Grunde:

Im Rahmen eines auf Grund eines mit datierten Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für drei, die y Staatsbürgerschaft besitzenden Kinder ab dem durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde die, die x Staatsbürgerschaft besitzende Bf. mit Ergänzungsersuchen vom  unter anderem um Vorlage eines Einkommensnachweises sowie um Vorlage von Nachweisen betreffend den rechtmäßigen Aufenthalt der Kinder ersucht, wobei diesem Ersuchen vermittels der am erfolgten Vorhaltsbeantwortung evidenter Maßen nicht entsprochen wurde.

In der Folge wurde der mit datierte Abweisungsbescheid via Hinterlegung am (= erster Tag der Abholfrist der postalisch hinterlegten Sendung) zugestellt und erwuchs dieser mangels Erhebung einer Beschwerde in Rechtskraft.

Im Rahmen einer am erfolgten Antragstellung auf Gewährung von Familienbeihilfe legte die Bf. betreffend ihrer Kinder mit datierte, diese als Angehörige eines EU-Bürgers ausweisende Aufenthaltskarten vor. 

Ihren mit datierten Antrag das Verfahren betreffend die Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum vom bis zum wiederaufzunehmen begründet die Bf. mit dem auf Unionsrecht basierenden, bereits seit Juli 2016 rechtmäßig bestehenden und ergo dessen weder für ihre Person noch für ihre Kinder durch Belege nachzuweisenden Aufenthalt in Österreich.

1.2. Streitgegenstand

In Anbetracht einer zulässigen, fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom hat das Verwaltungsgericht - ausschließlich, sprich sohin ohne Prüfung nach dem etwaigen Vorliegen der in den lit. a und c des § 303 Abs. 1 BAO determinierten Wiederaufnahmegründen - über die Rechtmäßigkeit des mit der Nichtverwirkung des Tatbestandes nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO begründeten, den Wiederaufnahmeantrag der Bf. abweisenden Bescheides vom zu befinden. 

2. Rechtliche Würdigung

Nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO  in der ab geltenden Fassung (FVwGG 2012) kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung „im abgeschlossenen Verfahren“ bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ). 

Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat - bei Geltendmachung des Wiederaufnahmetatbestandes der neu hervorgekommenen Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel „neu hervorgekommen sind“. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem derartigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (vgl.  ; und ).

Für die Stattgabe eines Antrags auf Wiederaufnahme müssen daher die bereits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existierenden Tatsachen oder Beweismittel aus der Sicht des Antragstellers später neu hervorgekommen sein. Hatte der Antragsteller im Bescheiderlassungszeitpunkt bereits Kenntnis von diesen Tatsachen oder Beweismitteln, ist der Antrag auf Wiederaufnahme abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall kann aus der Sicht der antragswerbenden Bf. von einem Neuhervorkommen von Tatsachen keine Rede sein, da im Zeitpunkt der Erlassung des, den Antrag vom  abweisenden, mit datierten Bescheides sowohl deren einkommensrechtlichen Verhältnisse als auch die Tatsache, der am   erfolgten Ausstellung der Aufenthaltskarten für ihre Kinder bekannt waren. 

Aus vorstehenden Gründen kann daher seitens des BFG der Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme mangels Verwirkung des Tatbestandes nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. 

Es war daher wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes der - an oberer Stelle ausreichend zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100261.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at