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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.01.2020, RV/7105760/2019

Werbungskosten einer Lehrerin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Barbara Wisiak in der Beschwerdesache
Beschwerdeführerin, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin, Frau A, ist als Lehrerin an der Volksschule in Wien tätig.

Im Zuge ihrer Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2012 hat sie unter anderem Werbungskosten in Höhe von

4.811,- Euro an Bildungskosten,

352,20 Euro an Reisekosten,

469,65 Euro für Fachliteratur,

1.263,27 Euro für Arbeitsmittel und

100,- Euro für einen Telefonkostenanteil als sonstige Werbungskosten (in Summe 6.996,62 Euro) geltend gemacht.

Im Einkommensteuerbescheid 2012 vom wurde nur der Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von 132 Euro berücksichtigt. Begründend führte das Finanzamt aus:

„Der Erwerb von Lebensmitteln und sonstigen Gebrauchsartikeln des täglichen Lebens ist gem.§ 20 EStG 1988 steuerlich nicht abzugsfähig.

Für alle übrigen, geltend gemachten Werbungskosten ist keine berufliche Notwendigkeit im Sinn des § 16 leg.cit. zu erkennen, sodass gleichfalls das Aufteilungsverbot des § 20 leg.cit. zur Anwendung kommt.

Auch in Bezug auf die so genannten Aus- bzw. Fortbildungskosten ist keine berufliche Notwendigkeit erwiesen.

Bezüglich der als Fachliteratur deklarierten Werke ist weder der Titel noch der Inhalt der in Rede stehenden Druckwerke ersichtlich, sodass eine Berufsbezogenheit nicht beurteilt werden kann.“

In der dagegen eingebrachten Beschwerde brachte sie vor, dass die berufliche Veranlassung der Werbungskosten bereits dem mit der Steuererklärung eingereichten Begleitschreiben zu entnehmen sei und dass sie nach Rücksprache mit dem Finanzamt einige Rechnungen eingereicht hätte.

Der Beschwerde beigelegt war eine Darstellung ihrer beruflichen Situation und der Anmerkung, inwieweit die Ausgaben ihren beruflichen Alltag betrafen.

Die Bf. arbeitete (auch nach den Angaben des Finanzamtes) im Schuljahr 2011/2012 als Vorschulklassenlehrerin. Sie betreute Flüchtlingskinder, Kinder mit Entwicklungsverzögerungen und Kinder nichtdeutscher Muttersprache. Zusätzlich hielt sie Freizeitkurse zum Thema Kultur, Kunst und Heimat entdecken. Ab Herbst 2012 war sie als Förderlehrerin für besonders schwache Schüler und Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache tätig. An den Nachmittagen arbeitete die Bf im Kreativatelier und hielt Kulturspaziergänge ab.

An Ausgaben sind laut Beschwerde insgesamt 6.961,68 Euro angefallen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Fortbildungskosten von 4.811,50 Euro und zwar:
 
Lehrgangsbeitrag SS 2012, FH Tirol, Akademische Atemtherapeutin
2.317,00
Lehrgangsbeitrag WS 2012/13, FH Tirol
2.317,50
Atemarbeit mit Kindern ADHS, München
160,00
Vokalatemraum, "Krähe" Westbahnstraße 7, 1070
17,00
Reisekosten von 431,60 Euro und zwar:
 
Ausbildung ATP, Seminare, Selbsterfahrung "Krähe" (Kosten lt handschriftlicher Zusammenstellung)
133,20
Lehreinzelunterricht, 1040 Wien, Sophie Rausch
35,20
Übungen Einzel- und Gruppenunterricht, Sophie Bauer
70,40
Wien Purkersdorf, München
108,80
2 Karten Wien
4,00
U-Bahnkarte München geschätzt
6,00
2 Fahrscheine Wien, "Krähe" Westbahnstraße 7, 1070 Wien
4,00
Übernachtungskosten München
70,00
Bücher im Wert von 469,65 Euro und zwar:
 
Yoga - Anatomie der Muskulatur
25,70
Biologie Anatomie Physiologie
33,90
Olsen: Körpergeschichte, Niddendorf, Der Erfahrene Atem
59,40
Der menschliche Körper
36,00
Spitzer: Musik im Kopf, Fingerabdrücke (Kunst)
35,90
Atemlehre in der Grundschule Ruhe und Bewegung, Kraft der Seele – Selbstheilung
28,75
Du hast angefangen - Streitkultur
6,12
Stimme von Kopf bis Fuß, Lehrbuch Atmung + Stimme
35,88
Atem und Bewegung
35,00
Hello Kitty Deutschkurs - Sprechimpulse
14,60
Bilderbücher mit ersten Wörtern als Impulse zum Deutschsprechen
40,60
Klimtprojekt im Atelier Kunsterziehung
29,00
Klimtprojekt im Atelier Kunsterziehung
39,00
Klimtprojekt im Atelier Kunsterziehung
34,80
Heimatkunde "Landstr. Spaziergänge"
15,00
Arbeitsmittel iHv 1.248,93 Euro und zwar:
 
Hängemappe zum Einordnen der Arbeitsblätter
6,38
Post
5,00
Kopien
0,60
Schneerosen Anschauungsmaterial Naturbetrachtung in der Klasse
21,90
Mappen Ausbildung
30,47
Klassenschmuck
5,90
Osterhase
2,99
Ostersüßigkeiten
11,23
Ostersüßigkeiten
10,94
Mannerschnitten
1,89
Primeln für die Klasse
3,80
Massageliege für die Ausbildung
119,00
Station Schmecken
5,97
Gesunde Jause
2,99
Traubenhyazinthen für die Klasse, Natur erleben
2,00
Eis Einladung Schulschluss
23,00
Riesenradfahrt
21,00
Liliputbahn
20,40
Blumen für Kollegin zum Schulschluss
3,50
Kopien Studium
1,56
Kopien Studium
3,08
Batterien Karte-SD Ausbildung
19,98
Stoff für Kunstprojekt
32,00
Papierkorb Schule, Fotohalter für Klassendeko
26,43
SW-Druck Ausbildung
5,50
Arbeitsmaterial Ausbildung, Mappen, Textmarker
8,95
Kopie Ausbildung
0,41
Perlen, Garn für Deutschkurs
6,50
Finger Monster Deutschkurs
12,00
Tablett mit Gestell für Klasse als Schautisch
45,00
Gummibänder bunt
5,00
Karten für Kunstunterricht
14,40
Collegeblöcke Ausbildung
9,37
Dose zum Aufbewahren von Bildkarten Deutschkurs
1,99
Batterien Ausbildung
4,99
Arbeitsmaterial Deutschkurs
11,53
Anschauungsmaterial Deutschkurs
14,90
Deutschkurs Aufbewahrung von Arbeitsmaterial
5,77
Klassendekoration
8,94
Magnete für Tafel
4,00
Halloween Party Schule
10,61
Adventkalender Weihnachtssüßigkeiten Schule Deutschkurs
13,94
Gesunde Jause, Nikolo, Deutschkurs
18,01
Confetti Ball Deutschkurs
4,50
Kopien Ausbildung
5,40
Süßigkeiten Deutschkurs
18,65
Weihnachtsstern als Klassendeko, Naturerlebnis Deutschkurs
20,00
Süßigkeiten Deutschkurs
15,90
Dankeskarten zu Weihnachten Deutschkurs
2,98
Kekse Nikolo Deutschkurs
5,17
Wir trinken Tee statt Limo Deutschkurs
6,28
Schulabschlussparty Vorschulklasse
6,98
Klemmschienen für Ausbildung
13,36
Kopien für Studium
3,00
Netbook für Studium und Schule, da Deutschkurs keinen PC hat
341,84
Weihnachtskarten für Deutschkurs als Anschauung
9,25
Internetanteil 40 %
211,80
Anteilige Telefonkosten von insg. 325,78
100,00

Die Differenz zwischen Antrag und Auflistung in der Beschwerde beträgt 65,06 Euro zu Gunsten der Bf.
Unabhängig vom ursprünglichen Antrag ist die hier widergegebene Auflistung für das weitere Verfahren als Grundlage heranzuziehen, da im Beschwerdeverfahren kein Neuerungsverbot gilt.

Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom folgte das Finanzamt den Einwendungen der Bf. zum Teil und setzte Werbungskosten iHv 3.318,25 Euro an. Begründend wird dazu ausgeführt:

„Die Reisekosten der Fortbildung wurden zu den Studienkosten hinzugerechnet und berücksichtigt. Für weitere Reisekosten bzw. Fortbildungskosten wurden keine Belege übermittelt.

Die Arbeitsmittel wurden ebenso nicht belegmäßig nachgewiesen und konnten somit nicht steuermindernd berücksichtigt werden.

Die restlichen Aufwendungen wurden steuermindernd berücksichtigt.“

Welche Kosten genau davon betroffen sind, lässt sich weder der Beschwerdevorentscheidung noch den vorgelegten Unterlagen entnehmen.

Im Vorlageantrag monierte der steuerliche Vertreter der Bf., „dass unsere Mandantin nachweislich alle Belege 2012 am in der Einlaufstelle abgegeben hat (vgl. Beilage).

Im o.a. Bescheid wird in der Begründung u.a. ausgeführt, dass die Arbeitsmittel nicht belegmäßig nachgewiesen wurden. Diese Ausführungen im Bescheid widersprechen jedoch dem Umstand, dass die Unterlagen wie o.a. am vollständig in der Einlaufstelle abgegeben wurden.

Die Nachfrage der Mandantin am in der Einlaufstelle bei Frau B hat weiters ergeben, dass seitens der Finanzverwaltung bestätigt wurde, dass alle Rechnungen eingescannt wurden.“

Im Vorlagebericht ergänzte das Finanzamt unter anderem, dass die Bf. über das gesamte Jahr 2012 hinweg im Besitz einer Jahreskarte für die Kernzone Wien war (der Nachweis wurde im Rahmen einer Vorhaltsbeantwortung erbracht).

Zu den Fortbildungskosten bemerkte das Finanzamt zum Sachverhalt:

Beim Lehrgang für Atempädagogik und bei der Fortbildungsveranstaltung, zum Thema Vokalatemraum mit Haiku, handle es sich um keine berufsspezifische Fortbildung einer Volksschullehrerin. Es liege auch keine berufliche Notwendigkeit vor.

Der Direktor der Schule hat nur bestätigt, dass die Bf beauftragt worden ist, den Lehrgang zu absolvieren, es wurden der Bf aber keine Kurskosten ersetzt.

Der Lehrgang richtet sich, nach den Angaben auf der Homepage der FH Gesundheit in Innsbruck ( https://www.fhgtirol.ac.at/page.cfm?vpath=studium/akad/atempaedagogik), an Personen aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen, auch der Inhalt der Lehrveranstaltungen stellte nicht nur auf Probleme des Schulalltags bzw. auf Probleme mit Kindern ab.“

Die Kosten in Höhe von 160,00 für den Einführungskurs Atemtherapie mit Kindern, Atemtherapie und ADHS ist nach Meinung des ho Finanzamtes hingegen als berufsspezifische Fortbildung anzusehen.

Auf die Bitte des BFG, sich zu diversen Feststellungen im Vorlagebericht (unter anderem zu den Abzugsverboten des § 20 EStG) zu äußern, reichte die Bf. eine Bestätigung der Direktorin betr. die Notwendigkeit der Ausbildung zur Atempädagogin, eine Erklärung einer Kollegin betr. die Effizienz der Krisenintervention nach den Regeln der Atemausbildung sowie eine Aufstellung der im Zusammenhang mit der Ausbildung stehenden Reisekosten und Arbeitsmittel ein.

Die Ausbildung zur Atempädagogin sei deshalb berufsspezifisch, weil es sich an Berufsgruppen richtet, die viel mit Menschen zu tun haben (wie Lehrer) bzw. mit Atem arbeiten (wie Musiklehrer im Speziellen). Da ihre Stelle nicht schulfest sei, habe sie Fortbildungen iZH mit Krisenintervention, die von der Schulleitung ausdrücklich begrüßt wurden, gemacht, die aufgrund des knappen Budgets leider nicht ersetzt wurden.

In der Schule selbst habe sie „Atemkids“-Kurse für Problemkinder abgehalten.

Insgesamt verhält es sich mit der Atemtherapie wie mit einem Medizinstudium: Bevor man sich als Kinderarzt spezialisieren kann, muss man das allgemeine Medizinstudium absolvieren. Für die Atemtherapie gelte dasselbe: Zunächst musste die (steuerlich bisher nicht anerkannte) allgemeine Ausbildung zur Atemtherapeutin absolviert werden bevor die (steuerlich anerkannten) ergänzenden Spezialkurse absolviert werden konnten.

Die Direktorin bestätigte, dass die Bf., an der Schule die unverzichtbare Tätigkeit der Krisenintervention und des Umgangs mit unterstützungsbedürftigen Kindern ausübt. Dabei habe sich die Atemtherapie als probates Mittel erwiesen, die Kinder so zu stabilisieren, dass sie wieder am Unterricht teilnehmen können.

Dieses Ergebnis wird auch von einer Kollegin bestätigt.

Die Reisekosten iZH mit der Fortbildung konkretisierte die Bf. wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Ausbildung ATP: 68 Fahrten U-Bahn
133,20
Lehreinzelunterricht: 18 Fahrten U-Bahn
35,20
Übungen: 16 Fahrten U-Bahn
70,40
Wien Purkersdorf, München
108,80
2 Karten Wien
4,00
U-Bahnkarte München lt Internet (korr. von 6 auf 5,60 Euro)
5,60
2 Fahrscheine Wien
4,00
Übernachtungskosten München
70,00

Als Nachweis für die Fahrtkosten in Wien legte die Bf. den Beleg über die Jahreskarte in Wien vor und setzte als Kosten offenbar den Preis der Streifenkarte zum jeweiligen Zeitpunkt an.

Hinsichtlich der Arbeitsmittel legte die Bf. eine Auflistung der Aufwendungen vor, die im Zusammenhang mit der Atemtherapie-Ausbildung standen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kopien
0,60
Mappen Ausbildung
30,47
Massageliege für die Ausbildung
119,00
Kopien Studium
1,56
Kopien Studium
3,08
Batterie, SD Karte für Fotoapparat für Demo Griffe
19,98
SW-Druck Ausbildung
5,50
Arbeitsmaterial Ausbildung, Mappen, Textmarker
8,95
Kopie Ausbildung
0,41
Collegeblöcke Ausbildung
9,37
Batterien Ausbildung
4,99
Kopien Ausbildung
5,40
Klemmschienen für Ausbildung
13,36
Kopien für Studium
3,00
Netbook für Studium und Schule, da Deutschkurs keinen PC hat 341,84, davon 60% beruflich
205,10
Summe
430,77

Hinsichtlich der weiteren Aufwendungen machte die Bf. ausdrücklich keine weiteren Einwendungen.

Rechtslage

§ 16 EStG 1988:

(1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:

(…)

Z 7. Ausgaben für Arbeitsmittel (zB Werkzeug und Berufskleidung).

(…)

Z 10. Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen. Aufwendungen für Nächtigungen sind jedoch höchstens im Ausmaß des den Bundesbediensteten zustehenden Nächtigungsgeldes der Höchststufe bei Anwendung des § 13 Abs. 7 der Reisegebührenvorschrift zu berücksichtigen.

§ 20 EStG 1988:

(1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.

2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

b) Betrieblich oder beruflich veranlaßte Aufwendungen oder Ausgaben, die auch die Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren, und zwar insoweit, als sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung unangemessen hoch sind. Dies gilt für Aufwendungen im Zusammenhang mit Personen- und Kombinationskraftwagen, Personenluftfahrzeugen, Sport- und Luxusbooten, Jagden, geknüpften Teppichen, Tapisserien und Antiquitäten.

(…)

Das BFG hat erwogen

Als Werbungskosten können grundsätzlich alle Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen gewinnmindernd angesetzt werden (vgl. § 16 Abs 1 EStG 1988).

Während der Begriff der „Einnahmen“ ein Zufließen von Geld oder geldwerten Vorteilen bedingt (vgl § 15 Abs 1 EStG 1988), setzt der Begriff der Werbungskosten einen Abfluss von Geld oder geldwerten Vorteilen voraus; wirtschaftlich muss es sich tatsächlich in einer Verminderung des Vermögens des Abgabepflichtigen auswirken. Der Abzug „fiktiver“ Werbungskosten, also der Abzug von Aufwendungen, die tatsächlich nicht angefallen sind, ist nicht möglich (vgl. )

Der Abzug von Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen wird durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 begrenzt: Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung sind, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringen und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, nicht abzugsfähig.
Die wesentliche Aussage dieser Gesetzesbestimmung besteht darin, dass Aufwendungen mit einer privaten und einer betrieblichen Veranlassung, zur Gänze nicht abzugsfähig sind. Im Interesse der Steuergerechtigkeit soll dadurch vermieden werden, dass ein Steuerpflichtiger auf Grund der Eigenschaft seines Berufes eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und somit Aufwendungen der Lebensführung steuerlich abzugsfähig machen kann. Dies wäre ungerecht gegenüber jenen, die eine Tätigkeit ausüben, welche eine solche Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen nicht ermöglicht und derartige Aufwendungen aus ihrem bereits versteuerten Einkommen tragen müssen (Werner/Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, EStG 1988, § 20 Tz 278; Quantschnigg/Schuch, ESt-HB § 20 Tz 10)

Diese Abgrenzung gilt auch dort, wo im § 16 Abs. 1 EStG 1988 Werbungskosten einzeln angeführt werden, wie etwa § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988.

Bei der Abgrenzung beruflich bedingter Aufwendungen von den Kosten der Lebensführung ist eine typisierende Betrachtungsweise derart anzuwenden, dass nicht die konkrete tatsächliche Nutzung, sondern die typischerweise zu vermutende Nutzung als allein erheblich angesehen werden muss ( ).

1. Fortbildungskosten

Im Beschwerdefall sind die Kosten für den Lehrgang für Atempädagogik, die Fortbildung „Vokalatemraum mit Haiku“ und der Lehrgang Atemarbeit mit Kindern ADHS strittig.

Aufwendungen für Fortbildung können nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn sie im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten beruflichen Tätigkeit stehen (vgl Lenneis in Jakom, EStG, 2019, § 16 Rz 48). Zu Fortbildungen zählen auch Universitätsstudien ( G 8/04).

Um eine berufliche Fortbildung handelt es sich daher, wenn der Abgabepflichtige seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessert, um im bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Auch für Ausbildungsmaßnahmen ist ein Veranlassungszusammenhang zur konkret ausgeübten oder einer damit verwandten Tätigkeit für die Anerkennung als Werbungskosten erforderlich (vgl. Hofstätter/Reichel, § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Tz. 2). Die Kausalität einer Ausbildungsmaßnahme mit der ausgeübten Tätigkeit besteht dann, wenn die erworbenen Kenntnisse für den ausgeübten Beruf von Nutzen sind und die dadurch verbesserten Fähigkeiten konkret im Rahmen dieser Tätigkeiten auch verwertet werden können (vgl. Doralt, EStG13, § 16 Tz. 203/4/1).

Eine begünstigte Bildungsmaßnahme liegt jedenfalls vor, wenn die Kenntnisse im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit verwertet werden können ().

Dementsprechend hat das BFG auch das Psychologiestudium einer Volksschullehrerin als abzugsfähige Fortbildungskosten beurteilt (), weil das Berufsbild des Lehrers über die Aufgabe der reinen Wissensvermittlung hinaus auch persönlichkeitsbildende Komponenten beinhaltet.

Bei der Beurteilung von Fortbildungskosten als Werbungskosten kommt es auch nicht darauf an, ob die Fortbildungskosten unvermeidbar sind oder freiwillig auf sich genommen werden, wenn die Aufwendungen die berufliche Bedingtheit einwandfrei erkennen lassen (; ; ).

Der Umstand, dass die Bf. die Ausbildung im Wesentlichen freiwillig, nur mit „Billigung“ des Dienstgebers (keine Kostentragung) auf sich genommen hat, hindert die Abzugsfähigkeit nicht.

Im Beschwerdefall gilt, dass eine Kausalität der Atempädagogik mit der ausgeübten Tätigkeit als Lehrerin in einer Brennpunktschule mit Zusatzaufgaben jedenfalls besteht, da die erworbenen Kenntnisse für den ausgeübten Beruf unstrittig von Nutzen sind (siehe dazu auch die Darstellung einer Krisenintervention durch eine Kollegin) und die verbesserten Fähigkeiten der Bf. konkret im Rahmen dieser Tätigkeiten als Lehrerin verwertet werden.

Auch das Finanzamt hat den Zusammenhang der Atemtherapie mit dem Beruf einer Lehrerin bejat indem es die Weiterbildungen " Atemtherapie mit Kindern und Atemtherapie und ADHS" im Vorlagebericht als beruflich bedingt angesehen hat. 

Bereits das FH-Studium der akademischen Atemtherapie lässt die berufliche Bedingtheit durch eine Volksschullehrerin einwandfrei erkennen, da die Kenntnisse im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit verwertet werden können (vgl. nochmals ).  Zu dieser Beurteilung gelangt man auch bzw. insbesondere, wenn man den von der Bf. angestellte Vergleich mit dem Medizinstudium und der Facharztausbildung heranzieht: Ohne das allgemeine Studium der Atempädagogik könnte die Bf. die Spezialausbildungen, die für die berufliche Tätigkeit unstrittig notwendig sind, gar nicht machen. Dementsprechend besteht bereits zwischen dem Grundstudium und dem Beruf eine Kausalität.

Abzugsfähigen Werbungskosten liegen im Beschwerdefall jedenfalls in Höhe des Lehrgangsbeitrages von 4.634,50 Euro vor. Weiters abzugsfähig sind – wie auch vom Finanzamt anerkannt – die Aufwendungen für Atemarbeit mit Kindern ADHS (160 Euro) und „Vokalatemraum“ (17 Euro).

Zu den Fortbildungskosten zählen weiters die Reisekosten zu den Fortbildungsveranstaltungen. Dabei gilt allerdings, dass nur solche Fahrtkosten abzugsfähig sind, die auch tatsächlich angefallen sind.

Die Bf. verfügt über eine Netzkarte Wien, die sie offenbar auch für den Weg zur Arbeit nutzt. Diese Kosten sind durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten (§ 16 Abs 1 Z 6 lit a EStG 1988).

Da die Bf. als Nachweis für die hier geltend gemachten U-Bahnfahrten (68 zur Ausbildung, 18 zum Einzelunterricht, 16 zu Übungen und 2 mal 2 nicht näher bezeichnete Fahrten) die Netzkarte vorgelegt hat, ist ihr aus den Fahrten tatsächlich kein zusätzlicher Aufwand entstanden. Die diesbezüglichen Beträge (insg. 246,80 Euro) sind nicht abzugsfähig.

Dasselbe muss für die U-Bahnkarte in München gelten: Die Bf. kann den Aufwand nicht belegen (die Geltendmachung erfolgt e„laut Internet“) weshalb der Abzug ausgeschlossen ist.

Abzugsfähig sind demgegenüber (wie auch vom Finanzamt lt. Vorlagebericht) die Kosten für die Bahnfahrt nach München (108,80 Euro) und die Übernachtungskosten in München (70 Euro).

Als Fortbildungskosten sind daher insgesamt 4.990,30 Euro abzugsfähig.

2. Arbeitsmittel


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Kopien
0,60
Mappen Ausbildung
30,47
Massageliege für die Ausbildung
119,00
Kopien Studium
1,56
Kopien Studium
3,08
Batterie, SD Karte für Fotoapparat für Demo Griffe
19,98
SW-Druck Ausbildung
5,50
Arbeitsmaterial Ausbildung, Mappen, Textmarker
8,95
Kopie Ausbildung
0,41
Collegeblöcke Ausbildung
9,37
Batterien Ausbildung
4,99
Kopien Ausbildung
5,40
Klemmschienen für Ausbildung
13,36
Kopien für Studium
3,00
Netbook für Studium und Schule 341,84, davon 60% beruflich
205,10
Summe
430,77

Da das Studium der Atempädagogik beruflich bedingt ist, sind grundsätzlich auch Arbeitsmittel, die für das Studium benötigt werden, beruflich bedingt und damit abzugsfähig.

Im Vorlagebericht hat auch das Finanzamt den beruflichen Anteil des Netbooks im beantragten Ausmaß von 60% als schlüssig beurteilt weshalb die Aufteilung in beruflichen und privaten Anteil unbedenklich erscheint.

Hinsichtlich der Massageliege (119 Euro) und der Batterien für den Fotoapparat (19,98 Euro) ist allerdings das Abzugsverbot des § 20 EStG 1988 zu beachten: Obwohl die Bf. angibt, dass sie diese Gegenstände konkret tatsächlich für die Ausbildung genutzt hat, eignen sich eine Massageliege und ein Fotoapparat in der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise (vgl ) besonders für eine Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung. Im Interesse der Steuergerechtigkeit ist bei einer Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen der Abzug zu versagen.

Als Arbeitsmittel sind daher 291,79 Euro abzugsfähig.

3. Fachliteratur

Literatur, die für einen nicht abgegrenzten Teil der Allgemeinheit bestimmt ist, befriedigt im allgemeinen ein im Privatbereich gelegenes Bedürfnis und führt daher zu nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung (; ). Der Umstand, dass aus der Literatur Ideen für die berufliche Tätigkeit gewonnen werden können, bewirkt nicht eine völlige Zurückdrängung der privaten Mitveranlassung (vgl Peyerl in Jakom, EStG 2018, § 20 Rz 90 „Literatur“ unter Verweis auf ; in diesem Sinne auch ).

In Fällen von Aufwendungen, die ihrer Art nach eine private Veranlassung nahe legen, darf die Veranlassung durch die Einkunftserzielung nur dann angenommen werden, wenn sich die Aufwendungen als für die betriebliche bzw. berufliche Tätigkeit notwendig erweisen. Die Notwendigkeit bietet in derartigen Fällen das verlässliche Indiz der betrieblichen bzw. beruflichen im Gegensatz zur privaten Veranlassung ().

Im Sinne dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass für die Bücher, die die Bf. im Rahmen des Kunstunterrichts verwendet, jedenfalls eine private Mitveranlassung und damit ein Abzugsverbot gegeben ist.

Auch diejenigen Bücher, die eine allgemeine Auseinandersetzung mit dem Körper, dem Atem und der Stimme zum Inhalt haben, sind für einen interessierten, uU höher gebildeten Teil der Allgemeinheit interessant und damit nicht abzugsfähig.

Betroffen davon sind folgende Bücher:


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Yoga - Anatomie der Muskulatur
25,70
Olsen: Körpergeschichte, Niddendorf, Der Erfahrene Atem
59,40
Der menschliche Körper
36,00
Spitzer: Musik im Kopf, Fingerabdrücke (Kunst)
35,90
Klimtprojekt im Atelier Kunsterziehung
29,00
Klimtprojekt im Atelier Kunsterziehung
39,00
Klimtprojekt im Atelier Kunsterziehung
34,80
Heimatkunde "Landstr. Spaziergänge"
15,00
Summe
274,80

Demgegenüber sind folgende Bücher für die Ausbildung notwendig oder erweisen sich als für die Tätigkeit als Volksschullehrerin als notwendig und sind als Werbungskosten abzugsfähig:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Biologie Anatomie Physiologie
33,90
Atemlehre in der Grundschule Ruhe und Bewegung, Kraft der Seele – Selbstheilung
28,75
Du hast angefangen - Streitkultur
6,12
Stimme von Kopf bis Fuß, Lehrbuch Atmung + Stimme
35,88
Atem und Bewegung
35,00
Hello Kitty Deutschkurs - Sprechimpulse
14,60
Bilderbücher mit ersten Wörtern als Impulse zum Deutschsprechen
40,60
Summe
194,85

4. Sonstige Werbungskosten

Für die als „sonstige Werbungskosten“ geltende gemachten Aufwendungen gilt, dass diese Aufwendungen ihrer Art nach eine private Veranlassung nahelegen. Obwohl sie im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen mögen, erweisen sie sich nicht als für die betriebliche bzw. berufliche Tätigkeit notwendig, da sie - wie Aufwendungen für Klassenschmuck, Mistkübel u.ä. – nur das Arbeitsumfeld angenehmer gestalten oder - wie Ostersüßigkeiten, Blumen für Kollegen u.v.m. – lediglich die menschlichen Kontakte pflegen.

Dem Finanzamt ist allerdings zu folgen, wenn (wie im Vorlagebericht dargelegt) ein Internetanteil von 40 % (211,80 Euro) sowie anteilige Telefonkosten von 100 Euro als schlüssig beruflich bedingt und damit abzugsfähig beurteilt werden.

Insgesamt sind damit bei der Bf. folgende Aufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig:


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Fortbildungskosten
4.990,30
Arbeitsmittel
291,79
Fachliteratur
194,85
Sonstige Werbungskosten
311,80
Summe
5.788,74

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ist die zitierte Rechtsprechung des VwGH zu § 20 EStG 1988 erschöpfend. Die Beurteilung durch das BFG erfolgt auf Sachverhaltsebene weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. 

Graz, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at