Werbungskosten: Vertreterpauschale
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache des A, Adresse, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Oststeiermark vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2014 bis 2017 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2014 bis 2017 machte der Beschwerdeführer (neben Sonderausgaben) das so genannte Vertreterpauschale (pauschale Werbungskosten in der Höhe von 5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 Euro jährlich, aufgrund der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001) als Werbungskosten geltend.
Mit den Bescheiden vom wurde neben Sonderausgaben der Pauschbetrag in der Höhe von 132 Euro als Werbungskosten berücksichtigt. In den Begründungen wurde ausgeführt, die Topf-Sonderausgaben würden nur zu einem Viertel berücksichtigt und bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von mehr als 36.400 Euro eingeschliffen werden.
Dagegen richtete sich die Beschwerde vom . Der Beschwerdeführer brachte vor, wie aus den beiliegenden Bestätigungen hervorgehe, sei er überwiegend im Außendienst tätig. Diese Tätigkeit umfasse Geschäftsanbahnung, Vertragsverhandlung und Abschlüsse beim Kunden sowie Betreuung von bestehenden Kunden und Mitarbeitern vor Ort. Ebenso Vorstellungsgespräche mit Bewerbern bei zukünftigen Dienstgebern und Gespräche mit dem Arbeitsmarktservice und diversen Bildungseinrichtungen. Er lege zirka 40.000 Kilometer an betrieblichen Fahrten zurück.
Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Vorlage einer genauen Tätigkeitsbeschreibung, einer exakten Stellenbeschreibung durch die Arbeitgeber sowie um Fahrtenbücher und Reisekostenabrechnungen. In Beantwortung dieses Schreibens legte der Beschwerdeführer den am mit der B abgeschlossenen Dienstvertrag (einschließlich Funktionsbeschreibung) vor.
Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In den gleichlautenden Begründungen wurde Folgendes ausgeführt:
„§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen legt fest, dass für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt werden. § 1 Z 9 dieser BMF-Verordnung, BGBl. II Nr. 382/2001, bestimmt:
"Z 9 Vertreter
5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 Euro jährlich.
Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Vor der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."
Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind. Der Arbeitnehmer muss eine ausschließliche Vertretertätigkeit ausüben (vgl. zB ; sowie Fellner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer Kommentar, Band III, § 17 Tz 71, mwN). Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist, ist keine Vertretertätigkeit (zB Kontroll- oder Inkassotätigkeit, beratende Tätigkeit).
Das Erkenntnis des , enthält die Aussage, das in der Verordnung normierte Erfordernis einer "ausschließlich" ausgeübten Vertretertätigkeit könne auch noch erfüllt sein, wenn "in völlig untergeordnetem Ausmaß" zusätzlich auch eine andere Tätigkeit ausgeübt werde.
Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Dienstvertrag und die Funktionsbeschreibung eines Niederlassungsleiters weisen allerdings neben der Kundenakquisition zahlreiche Tätigkeiten aus, die die Leitung der Niederlassung und die Führung und Auswahl von Mitarbeitern betreffen und damit über die Agenden eines Vertreters hinausgehen. Diese weiteren Tätigkeiten (wie z.B. Unterstützung und Führung der Mitarbeiter in der Niederlassung, Überwachung und Kontrolle von Verkaufstätigkeit, Personalverantwortung der Niederlassungsmitarbeiter, Mitarbeiterselektion und Einstellung in Absprache mit der Geschäftsführung, Dokumentation und Entscheidungen bei Vertriebsfehlern und Reklamationen, Durchführung von Standortbesprechungen, Kontrolle der Auftragsübersicht und Personalübersicht, Jahresbudgeterstellung und -Verantwortung,) sind nicht vorrangig auf die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ausgerichtet und sind nicht mehr Bestandteil der Vertretertätigkeit. Des Weiteren erfolgen diese Tätigkeiten in keinem „völlig untergeordnetem Ausmaß".
Da für die Anerkennung des Pauschales geforderte Ausschließlichkeit der Vertretertätigkeit nicht gegeben ist, ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.“
Dagegen richtete sich der Vorlageantrag vom . Der Beschwerdeführer brachte vor, er sei mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit im Außendienst tätig. Bis zu drei Stunden im Außendienst würden keine Aufwandsentschädigungen beim Dienstgeber beantragt werden. Er sei zwar Niederlassungsleiter, aber auch Kundenbetreuer und als einziger zuständig für Anbahnung von Geschäften sowie für die Betreuung der Kunden und Mitarbeiter vor Ort. Allein diese Tätigkeit beanspruche mehr als die Hälfte seiner täglichen Arbeitszeit. Weiters teile er mit, es seien insgesamt zwei Mitarbeiter beschäftigt, welche ausschließlich Innendiensttätigkeiten verrichteten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Aufgrund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen seiner Arbeitgeber, des vorgelegten Dienstvertrages (einschließlich der Funktionsbeschreibung) sowie aufgrund der dem Finanzamt übermittelten Lohnzettel stand unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer in den verfahrensgegenständlichen Jahren bei Unternehmen mit dem Geschäftszweig Personalgestellung/Personaldienstleistung tätig war. Im Jahr 2014 und im Zeitraum bis war er bei der C als Kunden- und Personalbetreuer beschäftigt. Im Zeitraum bis war er bei der B und ab bei der D als Niederlassungsleiter angestellt.
Zu den Aufgaben eines Kunden- und Personalbetreuers gehören die Betreuung bestehender Kunden, das laufende Recruiting und Führen von Bewerbungsgesprächen, die qualitative Besetzung der Personalanforderungen, der Ausbau bestehender Kundenbeziehungen, die Akquisition von Neukunden, die Betreuung der eingesetzten Dienstnehmer beim Kunden sowie administrative Tätigkeiten.
Zu den Aufgaben eines Niederlassungsleiters gehören die Kundenberatung (Betreuung Schlüsselkunden, Hilfestellung bei Preisverhandlungen, Rückgewinnung verlorener Kunden, Gewinnung strategisch wichtiger Kunden, Vertrags- und Preisgestaltung), Trouble Shooting (Dokumentation diverser Verfahrensfehler, Verbesserungen, Entscheidung über Rekalmationen, etc.), die Personalverantwortung (Durchführung von Kundenbesuchen und Kontrolle der Kundenbesuche der Mitarbeiter, Zu- und Abgang von Mitarbeitern, Entscheidung über Urlaube, Verantwortung für die Schulung, Prüfung der Stundenscheine und Anwesenheiten, etc.) und die Steuerungsverantwortung (Jahresbudgeterstellung, Erstellung der quantitativen und qualitativen Ziele, Vorschläge für Werbung, Abhalten von Standortbesprechungen, Kontrolle Auftragsübersicht und Personalübersicht, etc.) für die Niederlassung sowie sonstige Tätigkeiten (Koordination und Erfahrungsaustausch mit anderen Niederlassungen, Marktbeobachtung, Rechnungsprüfung der Bestellaufträge, Inventurplanung, Inventurabnahme, Überwachung der Versorgung der Niederlassung mit Büromaterial, Werkzeug, Bekleidung sowie Sicherheitsausrüstung, Überwachung der Ordnung, Reinigung sowie baulichen Zustand der Niederlassung, Planung von Renovierungen, etc).
Gemäß dem im Abgabenverfahren vorherrschenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO) genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ).
Das jeweilige Aufgabengebiet des Beschwerdeführers ergab sich aus der Funktionsbeschreibung, die gemäß Punkt III Bestandteil des zwischen ihm und der B abgeschlossenen Dienstvertrages ist, sowie aus den von der C beschriebenen Tätigkeiten eines Kunden- und Personalberaters (aa). Die in diesen Unterlagen aufgezählten Tätigkeiten decken sich mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen der Arbeitgeber. Die C bestätigte, dass zu den Aufgaben eines Kunden- und Personalberaters „unter anderem die Anbahnung neuer Geschäftsbeziehungen sowie die Aufrechterhaltung von bestehenden Geschäftsbeziehungen“ gehören. Damit brachte der ehemalige Dienstgeber des Beschwerdeführers klar und deutlich zum Ausdruck, dass zu den Aufgaben des Beschwerdeführers auch andere Tätigkeiten als die Anbahnung neuer sowie die Aufrechterhaltung bestehender Geschäftsbeziehungen gehörten (argumentum: "… unter anderem …"). Das Bundesfinanzgericht erachtete daher den vorstehenden Sachverhalt als erwiesen. Stütze fand die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes durch die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift und im Vorlageantrag. Danach zählten die Betreuung von Mitarbeitern, Vorstellungsgespräche mit Bewerbern, sowie Gespräche mit dem Arbeitsmarktservice und diversen Bildungseinrichtungen, etc. auch zu seinen Tätigkeiten.
Gemäß § 17 Abs. 6 EStG 1988 können zur Ermittlung von Werbungskosten vom Bundesminister für Finanzen Durchschnittssätze für Werbungskosten im Verordnungswege für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt werden.
Gemäß § 1 Z 9 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen (BGBl. II Nr. 382/2001) ist für Vertreter ein Werbungskostenpauschale von 5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 Euro jährlich festgelegt. Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden.
Eine nähere Definition des Vertreterbegriffs ist der Verordnung nicht zu entnehmen, sodass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf die Verkehrsauffassung abzustellen ist (). Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind. Der Arbeitnehmer muss eine ausschließliche Vertretertätigkeit ausüben. Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist (wie zum Beispiel, Kontrolltätigkeit, beratende Tätigkeit, etc.) ist keine Vertretertätigkeit ().
Es steht zwar die Ausübung einer völlig untergeordneten anderen Tätigkeit der Inanspruchnahme des Vertreterpauschales nicht entgegen (), jedoch stand aufgrund der vom Beschwerdeführer verrichteten Tätigkeiten als Kunden- und Personalberater sowie als Niederlassungsleiter fest, dass andere Tätigkeiten als Anbahnung und Abschluss von Geschäften sowie Kundenbetreuung nicht eine völlig untergeordnete Rolle spielten. Im Gegenteil, aus den Tätigkeitsbeschreibungen und Bestätigungen der Arbeitgeber ließ sich ableiten, dass der Beschwerdeführer neben anderen vielen Tätigkeiten auch für die Anbahnung neuer Geschäftsbeziehungen und Aufrechterhaltung bestehender Geschäftsbeziehungen zuständig war. Die anderen Aufgaben des Beschwerdeführers stellten somit nicht völlig untergeordnete Tätigkeiten dar. Selbst der Beschwerdeführer führte im Vorlageantrag aus, dass die Anbahnung von Geschäften, die Betreuung der Kunden und Mitarbeiter vor Ort lediglich mehr als die Hälfte seiner täglichen Arbeitszeit ausmache. Damit brachte dieser klar und deutlich zum Ausdruck, dass selbst bei Einrechnung der Mitarbeiterbetreuung ein beträchtlicher Teil seiner Arbeitszeit auf andere Tätigkeiten als auf Vertretertätigkeiten entfiel.
Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer ausschließlich oder überwiegend im Außendienst tätig war, vermochte an der Beurteilung nichts zu ändern. Die in der Verordnung vorgesehene Einschränkung auf Personen, die überwiegend im Außendienst tätig sind, gilt nur dann, wenn die geforderte Voraussetzung einer ausschließlichen Vertretertätigkeit erfüllt ist.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Im Gegenteil, die Entscheidung stützt sich auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.
Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 17 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 Z 9 Durchschnittssätze für Werbungskosten, BGBl. II Nr. 382/2001 |
Verweise | VwGH, Ra 2015/15/0030 VwGH, Ro 2015/13/0009 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100687.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at