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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.02.2020, RV/7104405/2015

Keine Anerkennung von Betriebsausgaben mangels korrekter Empfängernennung; Wissen müssen von Betrug; branchenübliche Sorgfalt im Bauwesen; Prüfkriterien der WKÖ-Bundesinnung Bauwesen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Dr. Sebastian Pfeiffer LL.M. in der Beschwerdesache Bf., Adr._Bf., vertreten durch Mag. Inge Geisenberger-Tribelnig, Gobergasse 52, 1130 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , betreffend Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2008 und 2009 sowie Umsatzsteuer 2008 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:  

1.Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin Bf._vormals, nunmehr Bf. (in der Folge Bf.) führte im Streitjahr 2008 Renovierungen in verschiedenen Wohnungen durch. Die Bf. bediente sich dafür der X_GmbH (in der Folge X_GmbH).

Die belangte Behörde stellte im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens fest, dass die X_GmbH die Leistungen an die Bf. nicht erbracht hätte.  

Die belangte Behörde forderte die Bf. sodann zur Empfängerbenennung gemäß § 162 BAO auf. Als Antwort wurde der belangten Behörde die X_GmbH genannt.

Im Lichte dessen, versagte die belangte Behörde den Werbungskostenabzug (Fünfzehntel gemäß § 28 Abs. 3 EStG 1988) in den Streitjahren 2008 und 2009 sowie den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der X_GmbH im Streitjahr 2008.

II. Erwägungen

1. Sachverhalt

Die Bf. ließ im Streitjahr 2008 Renovierungen (Kategorieanhebungen von Kategorie D auf Kategorie A) in den Wohnungen Top 1, 1a (Waschküche), 7, 13, 14 und 16 im Objekt PLZ Ort, Adresse durchführen.

Die Bf. bediente sich zur Durchführung der notwendigen Arbeiten der X_GmbH. Die Leistungen wurden tatsächlich erbracht, nicht jedoch von der X_GmbH. Geschäftszweig der X_GmbH war die Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung. Vom bis war GF_1, ab GF_2 der Geschäftsführer der X_GmbH. Beide waren zu jeweils 100% Gesellschafter der X_GmbH.

Der Kontakt zwischen der X_GmbH und der Bf., vertreten durch GF (in der Folge GF) als Geschäftsführer, wurde über Herrn NT hergestellt. NT war GF durch Wohnungsverkäufe bekannt bzw. wohnte NT in einer weiteren, von GF betreuten Wohnung. GF wusste, dass NT Installateur war und vertraute ihm, weil er bereits mehrfach Arbeiten für den GF bzw. die Bf. erledigt hatte. NT empfahl GF die X_GmbH und stellte den Kontakt zwischen der Bf. und der X_GmbH her. Für die X_GmbH trat gegenüber der Bf. Herr P, tatsächlich HS, auf.

Im Zuge einer Zeugeneinvernahme der belangten Behörde wurde von NT folgende Aussage getroffen:

Ich lernte GF kennen als ich von ihm eine Eigentumswohnung gekauft habe. Im Zuge von Gesprächen erfuhr ich, dass GF Arbeiter bzw. eine Firma für Bauarbeiten im Adresse suchte.

Da ich im Cafe-Haus Herrn P kennenlernte und von diesem wusste, dass er eine Baufirma hat, habe ich GF an Herrn P verwiesen. Aufgrund dieser Zusammenführung hat mich Herr P bei der Firma X_GmbH als Arbeitnehmer angemeldet, ebenso meinen Bekannten AZ und wir arbeiteten im Auftrag der Firma X_GmbH auf der Baustelle im Adresse (Installationsarbeiten, Heizung, Kanal) sowie weitere 8-9 Arbeiter der Firma X_GmbH. Werkzeug und Material wurden von der Firma X_GmbH zur Verfügung gestellt. Stundenaufzeichnungen wurden nicht geführt. Mein Lohn wurde mir von Herrn P bar auf der Baustelle ausbezahlt; an der Geschäftsanschrift Anschrift_X_GmbH der X_GmbH war ich nie.

Aufgrund meiner eigenen Recherchen habe ich erfahren, dass mich die X_GmbH nie bei der Krankenkasse angemeldet hat, ich dafür aber bei einer Y angemeldet war [...]“.

Der Bf. wurden von der X_GmbH folgende Leistungen im Streitzeitraum 2008 in Rechnung gestellt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechnung Nr
Datum
Betrag netto
USt
Brutto
Zahlungsart
41-1/Okt-08
20.000
4.000
24.000
50% bar; 50% Überweisung
42-1/Okt-08
10.000
2.000
12.000
Überweisung
46-1/Nov-08
10.000
2.000
12.000
Überweisung
51-1/Nov-08
8.000
1.600
9.600
Überweisung
52-1/Nov-08
20.000
4.000
24.000
14.000 bar; 10.000 Überweisung
53-1/Nov-08
8.000
1.600
9.600
Überweisung
57-1/Dez-08
10.000
2.000
12.000
Bar
61-1/Dez-08
10.000
2.000
12.000
Bar
Summe
 
96.000
19.200
115.200
 

An der auf der Rechnung ersichtlichen Adresse der X_GmbH, Adresse_X_GmbH, war diese nie bekannt. Ein Mietvertrag war mit der X_GmbH nie abgeschlossen.

Im Rahmen einer Vernehmung von HS („Herr P“) und VR wurde zu Protokoll gegeben, dass dieser unter Verwendung des Namens der X_GmbH Rechnungen schrieb, Bankgeschäfte abwickelte und für diese Tätigkeiten Provisionen kassierte. Die von der X_GmbH durch HS in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wurde weder erklärt noch abgeführt.

Die belangte Behörde forderte die Bf. gemäß § 162 BAO zur Empfängerbenennung auf. Die Bf. beantwortete die Aufforderung zur Empfängerbenennung mit der X_GmbH.

Dem streitgegenständlichen Bauauftrag lag eine mündliche Vereinbarung zu Grunde. Ein schriftliches Angebot über die durchzuführenden Arbeiten liegt nicht vor. Als Entgelt wurde eine Pauschalsumme vereinbart. Eine Aufgliederung in verschiedene Gewerke wurde nicht vorgenommen. Eine Verschriftlichung der mündlichen Vereinbarung hinsichtlich des tatsächlichen Umfangs der Arbeiten liegt nicht vor. Die Arbeiten wurden von GF beaufsichtigt und überwacht.

Um seriöse Anbieter in der Baubranche zu erkennen, werden unter anderem folgende Prüfkriterien durch die Wirtschaftskammer Österreich, Bundesinnung Bau vorgeschlagen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
Prüfkriterium
Überprüfungsmöglichkeit
1.
Ist eine Gewerbeberechtigung vorhanden? Werden die konkreten Arbeiten davon abgedeckt?
Firmen A-Z, Gewerberegister, Dienstleistungsregister
2.
Wer ist gewerberechtlicher und wer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer?
Firmen A-Z, Gewerberegister, Dienstleistungsregister, Firmenbuch
3.
Wie lange existiert die Firma schon? Wurde die Firma nach einer Insolvenz umgegründet und unter anderem Namen weitergeführt?
Firmen A-Z, Gewerberegister, Dienstleistungsregister, Firmenbuch
4.
Referenzen, Vergleichsbaustellen, Termintreue, Arbeitssicherheit, Sauberkeit, unkomplizierte Mängelbehebung
Referenzliste der Firma, Erkundigungen bei anderen Bauherrn, Behörde, ANKÖ, Firmenwebsite.
5.           
Firmenstandort
Prüfung vor Ort, ob am angegebenen Firmenstandort tatsächlich ein Geschäftsbetrieb vorhanden ist (Briefkastenfirmen!)
6.
Bonitätsauskünfte
Kreditschutzverbände (kostenpflichtig)
7.
Bei Zweifel an finanzieller Zuverlässigkeit
Anzahlung nur gegen Sicherheiten (Bankgarantie, Versicherung und dgl.)
8.
Hat die Baufirma bei der Sozialversicherung (SV) Beitragsschulden?
HFU-Liste der Gebietskrankenkasse
9.
SV-Anmeldung, Beschäftigungsbewilligung für Arbeitnehmer
Firma, Arbeitnehmer
10.
Schriftlicher Bauvertrag vorhanden?
Bauvertrag
11.
Wer ist der konkrete Ansprechpartner?
Firma
12.
Betriebshaftpflicht-, Bauwesenversicherung vorhanden?
Firma
13.
Ausreichendes Personal vorhanden? Leiharbeitskräfte? Subunternehmen
Firma
14.
Qualitätssicherungsmaßnahmen vorhanden?
Firma
15.
Außergerichtliche Schlichtungsklausel?
Bauvertrag

Die Bf. überprüfte die auf den Rechnungen angeführte UID-Nummer der X_GmbH nicht über Finanzonline. Eine Überprüfung der UID-Nummer über die Homepage der Europäischen Kommission kann von der Bf. nicht nachgewiesen werden. Die auf der Rechnung angeführte Adresse der X_GmbH wurde von der Bf. bzw. GF nicht besichtigt. Eine Überprüfung, ob HS („Herr P“) tatsächlich Geschäftsführer oder Angestellter der X_GmbH war, wurde von der Bf. bzw. GF nicht durchgeführt. Weitere Nachforschungen, ob HS ("Herr P") in Verbindung mit der X_GmbH steht bzw. ob dieser zum Abschluss von Geschäften befugt war, wurden nicht angestellt. Gewerbeberechtigungen der X_GmbH wurden von der Bf. oder von GF nicht überprüft. Bonitätsauskünfte wurden von der Bf. über die X_GmbH nicht eingeholt. Eine Abfrage, ob die X_GmbH bei der Sozialversicherung Beitragsschulden hat (HFU-Liste), wurde von der Bf. nicht durchgeführt.  Ebenso wurde nicht überprüft, ob die X_GmbH beim Finanzamt Steuerrückstände hat.

Die Bf. ließ die in der Baubranche übliche Sorgfalt außer Acht. Die Bf. hätte wissen müssen, dass sie in einen betrugsverfangenen Umsatz einbezogen ist.

2. Beweiswürdigung

   2.1. Allgemeines

Dass die Bf. Renovierungsarbeiten durchführen ließ, ist aktenkundig. Für das Bundesfinanzgericht ist auf Grundlage der Feststellungen der belangten Behörde, der schriftlichen Erklärungen der Bf. sowie der Aussagen des GF im Rahmen der mündlichen Verhandlung klar, dass die Renovierungsleistungen tatsächlich erbracht wurden. Dies bestätigt die belangte Behörde ebenfalls. Ebenso steht es für das Bundesfinanzgericht fest, dass die Bf. die durchgeführten Arbeiten für ihre steuerpflichtigen Zwecke verwendet hat (Vermietungstätigkeit zu Wohnzwecken), sowie dass die Arbeiten selbst von einem anderen (umsatzsteuerlichen) Unternehmer durchgeführt wurden.

Dass sich die Bf. zur Durchführung der Renovierungsarbeiten der X_GmbH bediente, ergibt sich aus der aktenkundigen Sachverhaltsdarstellung des GF betreffend der Firma X_GmbH vom sowie aus den aktenkundigen Rechnungen der X_GmbH an die Bf.

Der Geschäftszweig sowie die Geschäftsführer der X_GmbH ergeben sich aus einem Firmenbuchauszug.

Dass tatsächlich nicht die X_GmbH die Leistungserbringerin war, sondern HS („Herr P“) die X_GmbH zur Rechnungslegung und zum Inkasso der strittigen Beträge verwendete, ergibt sich aus der Einvernahme des HS vom . Dass die durch die X_GmbH in Rechnung gestellte Umsatzsteuer weder erklärt noch abgeführt wurde, ergibt sich aus dem aktenkundigen Bericht gemäß § 100 Abs. 2 Z 4 StPO der Steuerfahndung an die Staatsanwaltschaft Wien vom sowie aus der niederschriftlich festgehaltenen Erklärung der belangten Behörde im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Da der gesamte Bericht der Steuerfahndung an die Staatsanwaltschaft sowie die Einvernahme von HS von der Akteneinsicht ausgenommen wurde, wurden die Teile, die das Verfahren der Bf. betreffen, im Rahmen der mündlichen Verhandlung verlesen und niederschriftlich festgehalten.

Dass NT den Kontakt zwischen GF sowie HS („Herr P“) herstellte, ergibt sich aus der aktenkundigen Sachverhaltsdarstellung des GF betreffend der Firma X_GmbH vom , aus dem Vernehmungsprotokoll des NT vom und wird vom GF im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt.

Die Rechnungen der X_GmbH an die Bf. sind aktenkundig. Unstrittig ist, dass die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge entweder per Banküberweisung oder per Barzahlung bezahlt wurden.

Dass an der auf den Rechnungen angeführten Adresse die X_GmbH nicht bekannt war, ergibt sich aus der aktenkundigen Bestätigung des Eigentümers der Liegenschaft Adresse_X_GmbH, Herr Dr. Eigentümer, vom .

Dass zwischen der Bf. und der X_GmbH eine mündliche Vereinbarung geschlossen wurde, ein schriftliches Angebot über die Leistungen nicht vorliegt bzw. keine Aufgliederung in verschiedene Gewerke vorgenommen wurde sowie dass die Überwachung und Beaufsichtigung der Arbeiten durch GF erfolgte, ergibt sich aus der aktenkundigen Sachverhaltsdarstellung des GF betreffend der Firma X_GmbH vom . Dass lediglich mündliche Verträge und ein Pauschalpreis vereinbart wurde, fußt darauf, dass GF NT vertraute und bereits andere Arbeiten von ihm erledigen ließ (vgl. die niederschriftlich festgehaltene Aussage des GF im Rahmen der mündlichen Verhandlung).

Dass die Bf. keine Überprüfung der UID-Nummer der X_GmbH über Finanzonline durchführte, ergibt sich durch die Einsichtnahme in die durchgeführten Bestätigungsverfahren der Bf. Dass die UID-Nummer über das Portal der Europäischen Kommission überprüft wurde, wurde von der Bf. nicht nachgewiesen.

   2.2. Zur branchenüblichen Sorgfalt und zum Wissen und Wissen müssen

     2.2.1. Branchenübliche Sorgfalt

§ 162 BAO dient nach hA vornehmlich dem Ziel, Besteuerungskomponenten, die sich bei einem Abgabepflichtigen steuermindernd auswirken, beim Empfänger steuerlich zu erfassen (vgl. Ritz, BAO6, § 162 Rn 5 mwN). § 162 BAO beruht auf dem Grundsatz, dass das, was bei dem einen Abgabepflichtigen abzusetzen ist, bei dem anderen versteuert werden muss, wenn nicht steuerpflichtige Einnahmen unversteuert bleiben sollen. Es kann daher die Absetzung von Betriebsausgaben trotz feststehender sachlicher Berechtigung abgelehnt werden, solange nicht die Möglichkeit, die entsprechenden Einnahmen beim Empfänger zu versteuern, dadurch sichergestellt ist, dass der Steuerpflichtige den Empfänger konkret genannt hat (vgl. , Rn 33). Es dürfen allerdings dem Steuerpflichtigen keine offenbar unerfüllbaren Aufträge zum Nachweis der Empfänger erteilt werden. „Offenbar unerfüllbar“ sind derartige Aufträge aber nur dann, wenn eine unverschuldete, tatsächliche Unmöglichkeit, die Empfänger der geltend gemachten Betriebsausgaben namhaft zu machen, vorliegt. Es darf nicht in der Macht des Steuerpflichtigen gestanden sein, die tatsächlichen Umstände, die ihn an der Bezeichnung der Empfänger hindern, abzuwenden (vgl. , Rn 32 mit Verweis auf ).

Im Lichte der Rechtsprechung des VwGH (vgl. , Rn 38 mwN) ist für die Sorgfaltswidrigkeit im Zusammenhang mit der Empfängerbenennung nach § 162 BAO darzulegen, inwieweit bestimmte Überprüfungen in der Baubranche üblich sind.

Die Prüfkriterien, die die Wirtschaftskammer Österreich, Bundesinnung Bauwesen vorrangig für Bauherren herausgegeben hat, um die Suche nach seriösen Anbietern zu erleichtern, sind im Internet abrufbar (vgl. https://www.wko.at/branchen/gewerbe-handwerk/bau/checkliste-baufirmen-auswahl.pdf). Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass die dort umschriebenen Prüfkriterien auch im zwischenunternehmerischen Bereich des Bauwesens branchenüblich für die Beurteilung heranzuziehen sind, ob der Auftraggeber die ihm auferlegte Sorgfalt walten hat lassen. So dient doch die von der Wirtschaftskammer publizierte Checkliste dazu, „seriöse Firmen vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber unseriösen Anbietern zu bewahren“. Weiters soll die Checkliste helfen, Qualitätsmängeln vorzubeugen und Bauherren vor finanziellen Risiken zu schützen. Dass die in der Checkliste angeführten Prüfkriterien branchenüblich sind, wird auch durch die niederschriftlich festgehaltenen Aussagen der Betrugsbekämpfungskoordinatorin XYZ, deren Schwerpunkt in der Baubranche liegt, gestützt. Diese gibt zu Protokoll, dass im Regelfall Dienstnehmeranmeldungen und Firmensitz überprüft, sowie Identitäten der Geschäftsführer und sonstiger im Bauvorhaben beteiligter Personen festgehalten werden. Die Wirtschaftskammer Österreich, Bundesinnung Bau sah von einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ab und verwies auf die publizierte Checkliste sowie die Standesregeln für das Gewerbe der Baumeister, BGBl. II Nr. 226/2008 (vgl. das aktenkundige E-Mail vom ).

Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die übliche Sorgfalt im Bereich der Baubranche unter anderem umfasst, dass die Geschäftslokalitäten des Geschäftspartners aufgesucht werden, dass Gewerbeberechtigungen überprüft werden und allenfalls weitere Nachforschungen betrieben werden, wenn ein branchenfremdes Geschäft vorliegt. Ebenso entspricht es der üblichen Sorgfalt im Bereich der Baubranche, dass sich Auftraggeber vom Auftragnehmer Bestätigungen über Steuerrückstände geben lassen (Unbedenklichkeitsbescheinigung) und sich bei der Sozialversicherung über Rückstände erkundigen. Auch die Feststellung der Identität der Geschäftsführer bzw. der handelnden Personen entspricht der branchenüblichen Sorgfalt. Allenfalls entspricht es der branchenüblichen Sorgfalt festzustellen, ob die Person, mit der der Auftraggeber in Kontakt tritt, tatsächlich eine Funktion in der auftragnehmenden Gesellschaft inne hat bzw. zum Abschluss von Geschäften befugt ist. Ebenso entspricht es der branchenüblichen Sorgfalt, die Anmeldung von Dienstnehmern zu überprüfen und festzuhalten.

     2.2.2. Wissen und wissen müssen

Ob der Abnehmer von einem Umsatzsteuerbetrug wusste oder wissen musste, ist eine Tatfrage, die in freier Beweiswürdigung zu beurteilen ist (vgl. ). Zu prüfen ist, ob der Abnehmer die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet hat (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5 (2017) § 12 UStG Rz 95).

Welche Maßnahmen vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (vgl. , PPUH Stehcemp, Rn 51 mwN). Maßgeblich sind nicht die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Unternehmers, sondern abzustellen ist auf einen objektiven Maßstab, wobei der Sorgfaltsmaßstab nach Geschäftszweigen differieren kann (Tumpel/Prechtl, Vorsteuerabzug und EG-rechtlicher Gutglaubensschutz, SWK 31/2006, 872 (877)). Hierbei gilt allgemein, dass die Sorgfaltspflicht des Unternehmers umso höher sein muss, je ungewöhnlicher ein Sachverhalt im Vergleich zu den Usancen der betreffenden Branche gelagert ist (Achatz, Formale Voraussetzungen, materielle Berechtigung und Gutglaubensschutz, in Seer (Hrsg), Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt – Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Band 32 (2009) 461 (484)). Schließt der Unternehmer bei Vorliegen untypischer Verhältnisse das Geschäft ohne weitere Nachforschungen ab und zeigen die weitergehenden Ermittlungen der Finanzverwaltung, dass ein Fall von Steuerbetrug vorliegt, ist ein Gutglaubensschutz regelmäßig ausgeschlossen (vgl. dazu Tumpel/Prechtl, SWK 2006, S 872 ; Laudacher, SWK 2009, S 671).

     2.2.3. Zum Vorliegen der branchenüblichen Sorgfaltswidrigkeit sowie zur Feststellung, dass die Bf. vom Betrug wissen musste

Der Geschäftsführer der Bf. gibt an, dass er bereits zahlreiche Wohnungssanierungen geplant, organisiert und überwacht habe.

Für das Bundesfinanzgericht ist der Abschluss des streitgegenständlichen Bauauftrages jedenfalls ungewöhnlich und entspricht nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, der bereits zahlreiche Wohnungssanierungen geplant, organisiert und überwacht hat. Der mündliche Abschluss eines Auftrages, ohne Verschriftlichung der wesentlichen Gewerke in Form einer Bau- und Ausstattungsbeschreibung ist als solches schon hinsichtlich der Kontrolle der Arbeiten vollkommen unüblich. Dies gilt umso mehr, als die durchgeführten Arbeiten eine Reihe von verschiedenen Professionen umfassen (Estriche, Elektriker- und Installateurarbeiten, Verputzen und Verspachteln, Fliesenlegerarbeiten, Malerarbeiten, Bodenverlegung). Zu Beweissicherungszwecken in Gewährleistungsfällen und zur Überprüfung, ob die beauftragten Gewerke tatsächlich in der beauftragten Qualität durchgeführt wurden, wird der Auftraggeber nach einem schriftlichen Auftrag trachten. Dies umso mehr, als es sich beim gegenständlichen Auftragnehmer um eine Gesellschaft handelte, mit der die Bf. noch keine vorherige Geschäftsbeziehung pflegte. Da zudem ein Pauschalpreis vereinbart wurde, ist es unüblich, nicht bereits im Vorhinein bestimmte Qualitäts- und Preisansprüche abzustecken (zB hinsichtlich der zu verwendenden Fliesen und Böden, Verwendung von Baumarkt- oder Markenbadartikeln bzw. WCs, etc.), da die Preise dieser Artikel je nach verwendeter Ware sehr weit differieren. Sofern der GF im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf verweist, dass eine Verschriftlichung des Auftrages nicht notwendig war, weil NT als Vertrauensperson ebenfalls auf der Baustelle arbeitete, muss dem entgegenhalten werden, dass der Auftragnehmer der Bauleistungen nicht NT, sondern die X_GmbH war. Eine Gesellschaft, mit der die Bf. vorher keine Geschäftsbeziehung unterhielt.

Die Bf. verweist zur von ihr beachteten Sorgfalt darauf, dass eine Firmenbuchabfrage durchgeführt wurde und damit feststand, dass die X_GmbH eine bestehende Kapitalgesellschaft war. Dem muss entgegengehalten werden, dass weder ein Herr P noch ein HS als Geschäftsführer im Firmenbuch angeführt sind, obwohl dem GF Herr HS („Herr P“) als Geschäftsführer der X_GmbH vermittelt wurde (vgl. Sachverhaltsdarstellung vom , Seite 1 sowie die niederschriftlich festgehaltene Aussage des GF im Rahmen der mündlichen Verhandlung). Eine weitergehende Überprüfung, ob HS ("Herr P") überhaupt in Beziehung zur X_GmbH stand bzw. ob er zum Abschluss von Geschäften berechtigt war, unterblieb (vgl. die niederschriftlich festgehaltenen Aussagen des GF im Rahmen der mündlichen Verhandlung). Die Bf. bzw. der GF verlangten weder einen Ausweis des mutmaßlichen Geschäftsführers der X_GmbH, noch wurde eine Kopie dessen angefertigt (vgl. die niederschriftlich festgehaltene Aussage des GF im Rahmen der mündlichen Verhandlung). Aus der Abfrage des Firmenbuchs hätte die Bf. erkennen können, dass der Geschäftszweig der X_GmbH die Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung war. Daraus hätten sich für die Bf. Zweifel ergeben müssen, weil Bautätigkeiten in diesem Fall branchenfremde Geschäfte darstellen (vgl. Kaiser/Gurtner, Vorsteuerabzug: Schutz vor Umsatzsteuerbetrug, PStR 2014, 122 ff). Dass die Gewerbeberechtigung der X_GmbH nicht abgefragt wurde, sowie dass keine Bonitätsauskünfte eingeholt wurden und dass keine Abfrage von Rückständen bei der Sozialversicherung und dem Finanzamt erfolgte, ergibt sich aus den niederschriftlich festgehaltenen Aussagen des GF im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Dem branchenüblichen Sorgfaltsmaßstab entspricht es zu überprüfen, ob eine Gewerbeberechtigung vorhanden ist bzw. ob die konkreten Arbeiten von dieser Gewerbeberechtigung abgedeckt werden (vgl. Checkliste der WKÖ; Kaiser/Gurtner, PStR 2014, 122 ff; Madauß, Steuerhinterziehung des Leistungsempfängers bei Einbindung in eine Steuerhinterziehung – Kriterien der Gut- bzw. Bösgläubigkeit, NZWiSt 2017, 178). Ebenso entspricht es dem branchenüblichen Sorgfaltsmaßstab festzustellen, wer gewerberechtlicher und wer handelsrechtlicher Geschäftsführer ist bzw. wer der konkrete Ansprechpartner ist (vgl. Checkliste der WKÖ; Madauß, NZWiSt 2017, 179). Dass HS (Herr P), der der Bf. bzw. GF als Geschäftsführer der X_GmbH vermittelt wurde, als solcher nicht im Firmenbuch aufscheint, hätte ein Warnsignal sein müssen und begründet weitere Überprüfungspflichten (Kaiser/Gurtner, PStR 2014, 122 ff). Der branchenüblichen Sorgfalt entspricht es auch den Firmenstandort zu prüfen, ob tatsächlich ein Geschäftsbetrieb vorhanden ist (vgl. dazu die Checkliste der WKÖ; Kaiser/Gurtner, PStR 2014, 122 ff; Madauß, NZWiSt 2017, 177 (179)). Dem allgemeinen unternehmerischen Sorgfaltsmaßstab entspricht es, die UID-Nummer des Geschäftspartners zu überprüfen (Kaiser/Gurtner, PStR 2014, 122 ff; Madauß, NZWiSt 2017, 178).

Die Bf. hat keine Überprüfungen durchgeführt, die im Rahmen der obigen Feststellungen als branchenüblich anzusehen sind.

Aus dem Vorbringen der Bf., wonach die Kontaktaufnahme zur X_GmbH über NT erfolgte und dass NT angab, bei der X_GmbH angestellt zu sein, ist für die Bf. hinsichtlich der zu beachtenden branchenüblichen Sorgfalt nichts zu gewinnen. Ebenso kann von der Bf. für das Beachten der branchenüblichen Sorgfalt nicht ins Treffen geführt werden, dass AZ durch die X_GmbH bei der Sozialversicherung angemeldet war. Denn ein Nachweis oder eine Kopie dieser Sozialversicherungsmeldung konnte nicht vorgelegt werden.

Im Lichte dieser Umstände gelangt das Bundesfinanzgericht einerseits zur Ansicht, dass die Bf. den branchenüblichen Sorgfaltsmaßstab sowie die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns außer Acht gelassen hat und andererseits, dass die Bf. wissen hätte müssen, dass die an sie ausgeführten Leistungen betrugsverfangen sind.

3. Würdigung

   3.1. Zu Spruchpunkt 1: Abweisung

     3.1.1. Einkommensteuer

§ 162 BAO normiert:“

§ 162. (1) Wenn der Abgabepflichtige beantragt, daß Schulden, andere Lasten oder Aufwendungen abgesetzt werden, so kann die Abgabenbehörde verlangen, daß der Abgabepflichtige die Gläubiger oder die Empfänger der abgesetzten Beträge genau bezeichnet.
(2) Soweit der Abgabepflichtige die von der Abgabenbehörde gemäß Abs. 1 verlangten Angaben verweigert, sind die beantragten Absetzungen nicht anzuerkennen.

§ 162 BAO dient nach hA vornehmlich dem Ziel, Besteuerungskomponenten, die sich bei einem Abgabepflichtigen steuermindernd auswirken, beim Empfänger steuerlich zu erfassen (vgl. Ritz, BAO6, § 162 Rn 5 mwN). § 162 BAO beruht auf dem Grundsatz, dass das, was bei dem einen Abgabepflichtigen abzusetzen ist, bei dem anderen versteuert werden muss, wenn nicht steuerpflichtige Einnahmen unversteuert bleiben sollen. Es kann daher die Absetzung von Betriebsausgaben trotz feststehender sachlicher Berechtigung abgelehnt werden, solange nicht die Möglichkeit, die entsprechenden Einnahmen beim Empfänger zu versteuern, dadurch sichergestellt ist, dass der Steuerpflichtige den Empfänger konkret genannt hat (vgl. , Rn 33).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist mit der Nennung von Personen, die als Empfänger bezeichnet werden, der Aufforderung nach § 162 BAO dann nicht entsprochen, wenn maßgebliche Gründe die Vermutung rechtfertigen, dass die benannten Personen nicht die tatsächlichen Empfänger der abgesetzten Beträge sind. Hat die namhaft gemachte Person eine Leistung nicht erbracht, sei es, dass es sich dabei um eine "Briefkastenfirma", d. h. um ein Unternehmen handelt, das keinen geschäftlichen Betrieb hat und deswegen keine Leistung erbringen kann, sei es aus anderen Gründen, so kann diese Person auch nicht als Empfänger im Sinne des § 162 BAO angesehen werden (vgl. ; ; , Rn 15).

Es dürfen allerdings dem Steuerpflichtigen keine offenbar unerfüllbaren Aufträge zum Nachweis der Empfänger erteilt werden. „Offenbar unerfüllbar“ sind derartige Aufträge aber nur dann, wenn eine unverschuldete, tatsächliche Unmöglichkeit, die Empfänger der geltend gemachten Betriebsausgaben namhaft zu machen, vorliegt. Es darf nicht in der Macht des Steuerpflichtigen gestanden sein, die tatsächlichen Umstände, die ihn an der Bezeichnung der Empfänger hindern, abzuwenden (vgl. , Rn 32 mit Verweis auf ). Für das Bundesfinanzgericht ergibt sich auf Basis der Beweiswürdigung nicht, dass es der Bf. unverschuldet tatsächlich unmöglich war, die Empfänger der geltend gemachten Betriebsausgaben namhaft zu machen. Die Bf. ließ die branchenübliche Sorgfalt außer Acht. Der Bf. wäre es anhand der vorliegenden Umstände möglich gewesen zu erkennen, dass nicht die X_GmbH die wahre Empfängerin der Beträge ist.

Die Bf. bringt vor, dass es sich bei der X_GmbH um eine existierende (inländische) GmbH handele. Der Empfängerbenennung sei daher Genüge getan. Im Lichte der Rechtsprechung des VwGH ist aber die "formelle Existenz" im Rechtssinn etwa einer ausländischen (oder inländischen) Gesellschaft ebenso wenig ausreichend, wie deren formelle Funktion als Empfängerin der strittigen Zahlungen oder bloße Rechnungslegerin, um als Empfänger iSd § 162 BAO angesehen zu werden (vgl. ; ).

Der Umstand, dass die benannten Personen nicht die tatsächlichen Empfänger der behaupteten Zahlungen sind, steht einer Absetzung der geltend gemachten Zahlungen als Betriebsausgaben iSd § 162 BAO selbst dann entgegen, wenn vom tatsächlichen Vorliegen - an unbenannt gebliebene Empfänger - geleisteter Zahlungen auszugehen ist (vgl. z.B. ; ; sowie , Rn 11).

Da die X_GmbH nicht Empfängerin der behaupteten Zahlungen war, und dies der Bf. nicht unverschuldet unmöglich zu erkennen war, weil sie die branchenübliche Sorgfalt außer Acht ließ, ist der Empfängerbenennung gemäß § 162 BAO nicht entsprochen worden. Die Beschwerde ist in diesem Punkt daher als unbegründet abzuweisen.

     3.1.2. Umsatzsteuer

Sowohl im Bericht über die Außenprüfung, als auch in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung verweist die belangte Behörde darauf, dass der Bf. ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen nicht zustehe, da diese Rechnungsmängel aufwiesen. Unter anderem verweist die belangte Behörde darauf, dass an der auf der Rechnung ausgewiesenen Adresse der X_GmbH keine Geschäftstätigkeit entfaltet wurde, dass eine unzureichende Leistungsbeschreibung vorläge und dass bei einigen Rechnungen die UID-Nummer der X_GmbH fehle.

Artikel 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG (in der Folge MwSt-RL) normiert:“

Artikel 168

Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

§ 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 in der anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 99/2007 normiert:

§ 12 (1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft;

[...]

Im Lichte der Rechtsprechung des EuGH gehört zu den materiellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug, „dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden müssen und dass diese Gegenstände oder Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden müssen“ (vgl. ua. , Barlis 06, Rn 40 mwN). Eine Rechnung, die den Voraussetzungen des Art 226 MwSt-RL genügt, ist als formelle Voraussetzung anzusehen (vgl. ua. , Barlis 06, Rn 41).

Im Rahmen der Beweiswürdigung kommt das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges grundsätzlich erfüllt sind. Formale Rechnungsfehler führen grundsätzlich nicht zur Versagung des Vorsteuerabzuges (vgl. ua. , Barlis 06, Rn 42 mwN; , Rn 12; , Rn 20; , Rn 18 ff). Damit kann von einer weitergehenden Auseinandersetzung mit den von der belangten Behörde angeführten Rechnungsmängeln sowie der Erwiderung im Rahmen der Beschwerde durch die Bf. abgesehen werden.

Trotz Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges, ist das Recht auf Vorsteuerabzug jedoch ausgeschlossen, wenn die Bf. wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz in eine vom Rechnungsaussteller oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer in der Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war (vgl. mwN; stellvertretend für viele verb. Rs C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen u.a., Rn 54; , verb. Rs  C-439/04 und C- 440/04, Kittel und Recolta Recycling, Rn 49).

Das Bundesfinanzgericht kommt im Rahmen der Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass die Bf. wissen musste, dass der betreffende Umsatz in eine Steuerhinterziehung einbezogen war. Damit ist das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

Die Bf. bringt abschließend vor, dass bereits im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen 11/2008 und 12/2008 intensiver Kontakt mit dem Finanzamt bestand. Dabei wurde der belegmäßige Nachweis der geltend gemachten Vorsteuern überprüft sowie Zahlungsnachweise abverlangt. Im Anschluss daran seien die Vorsteuern ausgezahlt worden. Es sei daher davon auszugehen, dass auf Grundlage der Prüfung keine Mängel an den Rechnungen festgestellt wurden bzw. dass bereits das Finanzamt erkennen hätte können, dass die X_GmbH betrügerisch agiert.

Sofern die Bf. darauf hinweist, dass durch die Überprüfung des Innendienstes im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen eine Rechnungskontrolle (Belegnachweise, Zahlungsnachweise) stattfand, genügt es darauf hinzuweisen, dass allenfalls formale Fehler der Rechnung den Vorsteuerabzug im Lichte der Rechtsprechung des VwGH und EuGH nicht ausschließen (dazu bereits oben). Sofern die Bf. aus der Überprüfung der Belege und Zahlungsnachweise einen Schutz nach Treu und Glauben ableiten möchte, ergibt sich dazu: Treu und Glauben ist eine allgemeine, ungeschriebene Rechtsmaxime, die auch im öffentlichen Recht, somit auch im Steuerrecht zu beachten ist. Dies bedeutet, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (vgl. ). Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit (vgl. ; ).  Der Umstand, dass eine in der Vergangenheit erfolgte Überprüfung durch die Behörde eine bestimmte Vorgangsweise des Abgabepflichtigen unbeanstandet gelassen hat, hindert die Behörde nicht, diese Vorgangsweise als rechtswidrig zu beurteilen (vgl. , mwN; ). Durch die Auszahlung der Vorsteuer nach Überprüfung der Belege und Zahlungsnachweise ergibt sich für die Bf. daher keine durch Treu und Glauben geschützte Rechtsposition.

Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt abzuweisen.

   3.2. Zu Spruchpunkt 2: Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des VwGH hinsichtlich Empfängerbenennung (vgl. ) und Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug bei Wissen und Wissenmüssen (vgl. ). Dass die Bf. die branchenübliche Sorgfalt außer Acht ließ sowie dass die Bf. wissen musste, dass der an sie ausgeführte Umsatz in einem Betrug eingebettet ist, ergibt sich aus der Beweiswürdigung.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 162 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 168 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104405.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at