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Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.01.2020, RS/3100005/2019

1. Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde wegen Akteneinsicht 2. Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens trotz verspäteter Bescheiderlassung durch die belangte Behörde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerde­sache A, vertreten durch Dr. Florian Legit, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 26, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde Finanzamt FA betreffend
a) Antrag auf Akteneinsicht vom ,
b) Antrag auf Einstellung des Exekutionsverfahrens vom und
c) Beschwerde vom gegen den Rückstandsausweis vom 11. bzw.
beschlossen:

1. Die Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich des Antrages auf Akteneinsicht vom wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Hinsichtlich des Antrages auf Einstellung des Exekutionsverfahrens vom und der Beschwerde vom gegen den Rückstandsausweis vom 11. bzw. wird das Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO eingestellt.

3. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:
 

In der Säumnisbeschwerde vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , brachte der Beschwerdeführer unter Anschluss mehrerer Beilagen im Wesentlichen vor, zu StNr. X sei der Vollstrecker mit Vollstreckungsaufträgen des Finanzamtes FA vom und vom beauftragt worden, wegen in Rückstandsausweisen vom und vom bezeichneten Rückständen und wegen Gebühren und Barauslagen Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Dem Beschwerdeführer seien diese Rückstandsausweise nicht bekannt. Mit Bescheid des Finanzamtes FA vom sei infolge einer vorgenommenen Pfändung eine zu entrichtende Pfändungsgebühr festgesetzt worden.

Dagegen habe der Beschwerdeführer folgende "Rechtsmittel" ergriffen:

  • Antrag auf Akteneinsicht vom , verbunden mit dem Antrag auf Einstellung des Exekutionsverfahrens hinsichtlich des Fahrzeuges X-Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen xxx

  • Beschwerde vom gegen den Rückstandsausweis vom bzw.

Dazu sei von Seiten des Finanzamtes FA bis dato trotz Urgenzen noch keine Reaktion ergangen. Die Behörde sei seit September 2019 säumig.

Der Beschwerdeführer beantragte, das Bundesfinanzgericht möge dem Finanzamt FA auftragen, unverzüglich über die Anbringen des Beschwerdeführers vom und zu entscheiden, in eventu möge das Bundesfinanzgericht die jeweiligen Sachentscheidungen selbst vornehmen.

Mit Beschluss vom , dem Finanzamt FA zugestellt am , trug das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt gemäß § 284 Abs. 2 BAO auf, binnen zwei Monaten ab Zustellung des Beschlusses zu entscheiden und eine Abschrift der Bescheide samt Zustellnachweis dem Bundesfinanzgericht vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Mit (Sammel-)Bescheid vom , dem Beschwerdeführer zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters zugestellt am , hat das Finanzamt FA dem Antrag auf Akteneinsicht stattgegeben und den Rechtsvertreter ersucht, sich mit einem näher genannten Sachbearbeiter zwecks Terminvereinbarung in Verbindung zu setzen. Angeschlossen war eine Ausfertigung des Rückstandsausweises vom .

Weiters hat das Finanzamt FA in diesem Bescheid dem Antrag auf Einstellung der Pfändung bezüglich des KFZ X-Kfz stattgegeben und das diesbezügliche Pfändungsverfahren eingestellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , dem Beschwerdeführer zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters zugestellt am , hat das Finanzamt FA die Beschwerde vom betreffend Rückstandsausweise vom und zurückgewiesen.

Rechtslage:
 

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97 BAO) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

Gemäß § 284 Abs. 2 BAO hat das Verwaltungsgericht der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

Gemäß § 284 Abs. 3 BAO geht die Zuständigkeit zur Entscheidung erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

1. Zur Säumnisbeschwerde hinsichtlich des Antrages auf Akteneinsicht vom :
 

Gemäß § 90 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich ist.

Gemäß § 90 Abs. 3 BAO ist gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Die Gewährung der Akteneinsicht bedarf keines Bescheides (). Die Gestattung der Akteneinsicht ist ein Realakt, der nicht einer besonderen Genehmigung bedarf. Demgegenüber hat die (gänzliche oder teilweise) Verweigerung der Akteneinsicht durch eine Abgabenbehörde stets durch Bescheid zu erfolgen ().

Das Begehren des Beschwerdeführers betreffend Akteneinsicht vom richtete sich auf ein konkret umschriebenes tatsächliches Verhalten der belangten Behörde, nämlich die Übermittlung des Rückstandsausweises vom zu Handen des ausgewiesenen Vertreters des Beschwerdeführers. Aus der Erledigung der belangten Behörde vom betreffend „Antrag auf Akteneinsicht“, wonach die beantragte Akteneinsicht im beantragten Umfang gewährt wurde, ist ersichtlich, dass keine (gänzliche oder teilweise) Verweigerung dieser Akteneinsicht durch die Behörde zu erfolgen hatte und damit die Voraussetzungen für eine bescheidmäßige Erledigung dieses Antrages nicht gegeben waren.

Das Verwaltungsgericht kann aus dem Titel der Verletzung der Entscheidungspflicht nur dann angerufen werden, wenn eine Behörde mit einer gegenüber der Partei zu erlassenden Sachentscheidung in Verzug geblieben ist. Das Verlangen nach Setzung eines tatsächlichen Vorganges für sich genommen löst keine Verpflichtung der Behörde zur Erlassung einer Sachentscheidung aus.

Da hinsichtlich des auf einen Realakt gerichteten Antrages auf Akteneinsicht die behauptete Verletzung einer Entscheidungspflicht (§ 284 Abs. 1 BAO) nicht eingetreten ist, ist die Säumnisbeschwerde vom in diesem Umfang gemäß § 284 Abs. 7 lit. b iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die belangte Behörde – neben dem Realakt der Übersendung des Rückstandsausweises vom zu Handen des ausgewiesenen Vertreters, womit sie dem diesbezüglichen Ansuchen vom vollinhaltlich nachgekommen ist – letztlich (auch) eine bescheidmäßige Erledigung dieses Antrages auf Akteneinsicht (Bescheid vom ) vorgenommen hat. Wie oben dargestellt bestand keine Verpflichtung der belangten Behörde zur Erlassung dieses dem Antrag auf Akteneinsicht stattgebenden Bescheides, weshalb auch keine diesbezügliche Säumnis eingetreten sein konnte.

2. Zur Säumnisbeschwerde hinsichtlich des Antrages auf Einstellung des Exekutionsverfahrens vom sowie Beschwerde vom gegen den Rückstandsausweis vom bzw. :
 

Erlässt die belangte Behörde den Bescheid und teilt dies dem Verwaltungsgericht mit, ist das Verfahren einzustellen.

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Ein Bescheid gehört (erst) mit seiner Erlassung dem Rechtsbestand an (). Vor Bekanntgabe entfaltet ein Bescheid keinerlei Rechtswirkungen (Ritz, BAO6, § 97 Tz. 1).

Liegt ein wirksam nach Ablauf der gemäß § 284 Abs. 2 BAO gesetzten Frist erlassener Bescheid der Abgabenbehörde vor, darf das Verwaltungsgericht nicht mehr in der Sache entscheiden (). Durch den Ablauf der Frist geht zwar die Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 284 Abs. 3 BAO auf das Verwaltungsgericht über, diese Zuständigkeit endet aber, wenn die säumige Behörde – obwohl sie sachlich hiezu nicht mehr zuständig ist – den betreffenden (versäumten) Bescheid erlässt (Fischerlehner, Abgabenverfahren2 [2016], § 284 Anm. 7). Ein solcherart verspätet erlassener Bescheid ist daher keineswegs nichtig, sondern wirksam und rechtsmittelfähig.

Die der belangten Behörde gemäß § 284 Abs. 2 BAO gesetzte Frist endete am (§ 108 Abs. 2 und 3 BAO). Der rechtswirksam ergangene Bescheid betreffend den Antrag vom auf Einstellung der Pfändung sowie die rechtswirksam ergangene Beschwerdevorentscheidung betreffend Beschwerde vom gegen den Rückstandsausweis vom bzw. wurden dem Beschwerdeführer am zugestellt. Auch wenn sie von der säumigen belangten Behörde erst nach Übergang der Entscheidungspflicht an das Bundesfinanzgericht ergangen sind, sind der Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung dennoch wirksam.

Hinsichtlich des Antrages auf Einstellung des Exekutionsverfahrens vom sowie der Beschwerde vom gegen den Rückstandsausweis vom 11. bzw. ist das Säumnisbeschwerdeverfahren daher gemäß § 284 Abs. 2, letzter Satz BAO einzustellen.

Unzulässigkeit einer Revision:
 

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die zu klärenden Rechtsfragen bereits durch den Verwaltungsgerichtshof entschieden wurden, liegt im konkreten Fall keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Beschluss folgt der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Auf die zitierten höchstgerichtliche Erkenntnisse wird verwiesen. Eine Revision ist somit nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 90 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 90 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Schlagworte
Säumnisbeschwerde
Akteneinsicht
Erlassung
Bekanntgabe
Verweise




Fischerlehner, Abgabenverfahren² (2016), § 284 Anm. 7
Ritz, BAO, 6. Aufl., § 97 Tz. 1
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RS.3100005.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at