Kohleabgabe ist keine Verbrauchsteuer im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO - somit fünfjährige Verjährungsfrist
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache X AG, Deutschland, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom , betreffend Festsetzung der Kohleabgabe für das Kalenderjahr 2014, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe:
Das Finanzamt hat den Bescheid über die Festsetzung der Nachzahlung von Kohleabgabe für das Kalenderjahr 2014 in Höhe von € 66.773 wie folgt begründet:
"Angesetzte Mengen laut Ihrer Mitteilung (zusätzlich 1.335,46 Tonnen).
Laut Bundesweitem Fachbereich ist die X AG der Kohleabgabenschuldner, da der Handel mit Kohle bei der Y Handelsgesellschaft mbH & Co KG nicht zur gewöhnlichen gewerblichen Tätigkeit gehört, sondern nur zum Zweck der Weiterlieferung an einen einzigen Abnehmer, nämlich der Schwestergesellschaft, stattgefunden hat.
Laut derselben Information des Bundesweiten Fachbereichs an den Haftungspflichtigen beträgt die Verjährungsfrist für die Energieabgabe Kohleabgabe 5 Jahre, nicht 3 Jahre."
Dagegen hat die Beschwerdeführerin (Bf.) Beschwerde erhoben und in der Begründung ausgeführt:
Gemäß § 207 Abs. 2 BAO betrage die Verjährungsfrist bei Verbrauchsteuern drei Jahre und bei allen anderen Abgaben fünf Jahre.
Im Rahmen der eingereichten Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG vom sei eine Kohleabgabe-Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO von drei Jahren berücksichtigt worden, da die Kohleabgabe eine Verbrauchsteuer sei (gleiche Auffassung: Ritz in BAO-Kommentar, 6. Auflage, III. Verjährungsfrist, Rz 11-13 und Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 207 BAO, S. 570) und weder die Y Handelsgesellschaft mbH & Co KG noch die Bf. eine Abgabenhinterziehung begangen hätten.
Sie beantrage daher die nachträgliche Festsetzung der Kohleabgabe für 2014 in Höhe von € 66.773 aufzuheben.
Das Finanzamt hat die Beschwerde mit folgender Begründung als unbegründet abgewiesen:
"Aufgrund einer Selbstanzeige vom , im Zuge derer die Kohleabgabe für die Zeiträume 2015 bis 09/2018 nacherklärt wurde, erfolgte am die bescheidmäßige Festsetzung der Kohleabgabe basierend auf den bekannt gegebenen Zahlen. Mit Bescheid vom wurde zudem die Kohleabgabe für das Jahr 2014 festgesetzt (ausgehend von den von der Beschwerdeführerin am bekannt gegebenen Mengen), da die Behörde (anders als von der Beschwerdeführerin vertreten) von einer fünfjährigen Verjährungsfrist iSd § 207 Abs. 2 BAO ausging. Gegen diese Festsetzung für das Jahr 2014 richtet sich die gegenständliche Beschwerde. In dieser wird vorgebracht, es käme gegenständlich die Verjährungsfrist von drei Jahren zur Anwendung, da es sich bei der Kohleabgabe um eine Verbrauchsteuer iSd § 207 Abs. 2 BAO handle und eine Abgabenhinterziehung nicht vorliege. Aufgrund Verjährung werde daher um Aufhebung der Festsetzung der Kohleabgabe für 2014 gebeten.
Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Gemäß Abs. 2 leg. cit. beträgt die Verjährungsfrist u.a. bei den Verbrauchsteuern drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist für die Energieabgaben, wie hier gegenständlich die Kohleabgabe, nicht die dreijährige, sondern die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 BAO einschlägig. Die dreijährige Verjährungsfrist gilt u.a. für Verbrauchsteuern, nicht jedoch für Energieabgaben, die nicht dem Verbrauchsteuerregime unterliegen. Zu den Verbrauchsteuern zählen Biersteuer, Tabaksteuer, Mineralölsteuer, Alkoholsteuer und Schaumweinsteuer, für die besondere Zuständigkeiten (Zollamt) und Anzeigepflichten bestehen (vgl. dazu Ritz, BAO6, § 122 Tz 2 und § 28 AVOG Tz 2). Auch laut Doralt/Ruppe, Steuerrecht II5, Tz 290 ff zählen zu den speziellen Verbrauchsteuern nur die Mineralöl-, Tabak-, Alkohol-, Bier- und Schaumweinsteuer. Entsprechend wird im Erkenntnis des -F/10) konkret für die Auslegung des § 207 Abs. 2 BAO davon ausgegangen, dass nur jene Steuern, die im Gesetz als Verbrauchsteuern bezeichnet werden (Mineralöl-, Tabak-, Alkohol-, Bier- und Schaumweinsteuer), auch Verbrauchsteuern iSd § 207 Abs. 2 BAO darstellen.
Für die Energieabgaben (wie gegenständlich die Kohleabgabe iSd Kohleabgabegesetzes 2003), die nicht zu den Verbrauchsteuern im oben angeführten Sinn zählen, kommt daher die allgemeine Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO von fünf Jahren zur Anwendung. Folglich war zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am das Jahr 2014 noch nicht verjährt, sodass die Festsetzung zu Recht erfolgte und die Beschwerde abzuweisen war."
Dagegen hat die Bf. unter Hinweis auf die Ausführungen in der Bescheidbeschwerde vom den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Zufolge § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.
Unter "Verbrauchsteuern" im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO fallen die Mineralölsteuer, Alkoholsteuer, Biersteuer, Schaumweinsteuer und Tabaksteuer [siehe Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 207, Anm. 16 (Stand , rdb.at) und Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Wien 2017, § 122, Tz 2].
Unter Bedachtnahme auf die dargestellte Rechtslage konnte der Beschwerde aus nachstehenden Erwägungen kein Erfolg beschieden sein:
Strittig ist im gegenständlichen Verfahren ausschließlich die Frage, ob die Kohleabgabe nach dem Kohleabgabegesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, unter Verbrauchsteuer im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO zu subsumieren und damit von einer dreijährigen Verjährungsfrist auszugehen ist.
Der Unabhängige Finanzsenat hat in der Berufungsentscheidung vom , RV/0097-F/10, im Zusammenhang mit den Verjährungsfristen im Rahmen des § 207 Abs. 2 BAO Nachstehendes ausgeführt:
"Eine gesetzliche Definition des Begriffes Verbrauchsteuern liegt nicht vor. Die Verbrauchsteuern erfassen den Verbrauch bestimmter Güter im Inland. Der Einzelne soll nach Maßgabe seines Verbrauches belastet werden (). Bemessungsgrundlage ist daher in der Regel die Menge oder das Gewicht der Waren. Zuständig für die Erhebung der Verbrauchsteuern sind die Zollbehörden (§ 14 Abs. 3 AVOG).
Zu den Verbrauchsteuern im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO zählen jene Steuern, die im Gesetz als Verbrauchsteuern bezeichnet werden. Das sind die Mineralöl-, Tabak-, Alkohol-, Bier- und Schaumweinsteuer. Jeweils in § 1 Abs. 1 dieser Steuergesetze wird explizit darauf hingewiesen, dass die davon betroffenen Steuergegenstände einer Verbrauchsteuer unterliegen. Ebenso werden nach der Lehre nur die oben genannten Steuern zu den speziellen Verbrauchsteuern gezählt (vgl. Doralt/Ruppe, Steuerrecht II5, Tz 290 ff). Auch gemeinschaftsrechtlich unterliegen nach der Richtlinie 92/12 des Rates vom "über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren" (sog. Systemrichtlinie) nur Mineralöle, Tabakwaren, Alkohol und alkoholische Getränke einer Verbrauchsteuer (siehe Leitgeb, das neue Verbrauchsteuerrecht, ÖStZ 1994, 341 ff). Österreich hat dieses Gemeinschaftsrecht in den oben genannten Verbrauchsteuergesetzen (MinStG, TabStG, AlkStG, BierStG, SchwStG) umgesetzt.
Die Normverbrauchsteuer zählt somit nicht zu den Verbrauchsteuern und unterliegt daher auch nicht der verkürzten Verjährungsfrist von drei Jahren, sondern der allgemeinen Verjährungsfrist von fünf Jahren (vgl. Ritz, § 207, Tz 11; )."
Das Bundesfinanzgericht schließt sich dieser Rechtsansicht des Unabhängigen Finanzsenates an. Im Übrigen ist ergänzend Folgendes festzustellen:
Wenn der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes 1995, Tabaksteuergesetzes 1995, Alkohol - Steuer und Monopolgesetzes 1995, Biersteuergesetzes 1995 und Schaumweinsteuergesetzes 1995 explizit darauf hinweist, dass die betroffenen Steuergegenstände einer Verbrauchsteuer unterliegen, dann kann das nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nur so interpretiert werden, dass sich die Zuordnung einer Abgabe zum Sammelbegriff "Verbrauchsteuern" aus dem jeweiligen Abgabengesetz ergibt. Somit kann im Sinne der Einheit der Rechtsordnung der Begriff "Verbrauchsteuern" im Rahmen des § 207 Abs. 2 BAO wohl nur in diesem Sinne verstanden werden.
Da im Kohleabgabegesetz 2003 nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Steuergegenstand Kohle einer Verbrauchsteuer unterliegt, stellt demnach diese Abgabe keine Verbrauchsteuer im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO dar und war somit, wie vom Finanzamt zutreffend erkannt, von der fünfjährigen Verjährungsfrist auszugehen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da bezüglich der Streitfrage, ob die Kohleabgabe nach dem Kohleabgabegesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, eine Verbrauchsteuer im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO darstellt und demnach von der dreijährigen Verjährungsfrist auszugehen wäre, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, ist die Revision zuzulassen.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | -F/10 |
Zitiert/besprochen in | Bieber in BFGjournal 2020, 99 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101366.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at