Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.02.2020, RV/5101206/2017

Werbungskosten in Zusammenhang mit Aus- und Fortbildungsmaßnahmen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache Beschwerdeführer, Adresse_BF, vertreten durch Vertreter_1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Z. vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 zu Recht erkannt: 

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
    Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

     

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: BF) Beschwerdeführer gab in der am elektronisch eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015 Reisekosten iHv. EUR 3.995 an.

2. In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens der belangten Behörde teilte der BF mit, dass er einen von der Firma bezahlten „Meisterkurs Y.“ absolviert habe. Die damit zusammenhängenden Nächtigungskosten von EUR 2.700,- und das Kilometergeld iHv. EUR 3.931,20 (18 Hin- und Rückfahrten über 520 km) habe er als Werbungskosten angesetzt.

3. Am erging ein Einkommensteuerbescheid (Zustellung mit der Post) in dem Werbungskosten iHv. EUR 2.438,40 anerkannt wurden. Begründend wurde ausgeführt:
„Die Nächtigungen wurden für den Kurszeitraum ( - ) berücksichtigt. Daraus ergibt sich eine Anzahl von 74 Nächtigungen. Die Fahrtkosten stehen somit für eine Hin- und Rückfahrt zu (520 km).“
Die belangte Behörde anerkannte somit lediglich eine Hin- und Rückfahrt und kürzte die Nächtigungskosten aliquotiert auf den Kurszeitraum.

4. Mit Eingabe des steuerlichen Vertreters vom , eingelangt am selben Tag mittels Telefax, wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben, die Anerkennung von Werbungskosten iHv. EUR 6.763,20 und die Entscheidung durch den Senat in mündlicher Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt.
Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Der BF habe von bis einen Meisterkurs beim österreichischen Y-Verband absolviert. Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung habe er Werbungskosten iHv. EUR 2.700,- für die Anmietung eines Apartments für den Zeitraum bis sowie Kilometergeld für 18 Fahrten von seinem Heimatort X. nach Wien und retour geltend gemacht. Bei diesen Fahrten handelte es sich neben der erstmaligen Hinfahrt und der letztmaligen Rückfahrt um Heimfahrten an den kursfreien Wochenenden.
Der BF habe die kostengünstigste Möglichkeit der Nächtigung in Wien gewählt. Die Anmietung eines Apartments sei nur jeweils für einen vollen Kalendermonat möglich.
Die geltend gemachten Fahrtkosten für die Heimfahrten an den kursfreien Wochenenden hätten auch dazu gedient, über die Entwicklungen im elterlichen Betrieb auf dem Laufenden zu bleiben.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom Donnerstag wies die belangte Behörde die Beschwerde mit derselben Begründung wie im bekämpften Bescheid als unbegründet ab.

6. Mit Eingabe vom Dienstag, eingelangt mittels Telefax am selben Tag, beantragte der BF die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Ergänzend wurde Stellung bezogen, dass es keine Voraussetzung für die Anerkennung von Familienheimfahrten sei, dass am Wochenende am Fortbildungsort keine Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht. Gerade bei Wochenpendlern sei es typisch, dass die Kosten der Wohnung am Arbeitsort durchgehend anfallen. Im Übrigen werde auf den kausalen Werbungskostenbegriff verwiesen.

7. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung, da Nächtigungen außerhalb des Kurszeitraumes nicht durch die Ausbildung veranlasst seien. Da auch Nächtigungen an kursfreien Wochenenden berücksichtigt wurden, könnten daneben keine Heimfahrten an Wochenenden berücksichtigt werden.

8. In Beantwortung eines Vorhaltes des Bundesfinanzgerichts gab der steuerliche Vertreter mit E-Mail vom bekannt, dass es sich nur um 11 Hin- und Rückfahrten statt der irrtümlich erklärten 18 Fahrten handle. Aufzeichnungen zu diesen Fahrten würden keine existieren, die Fahrten würden sich jedoch „aufgrund der faktischen Gegebenheiten ergeben“. Der Beschwerdeführer wohne im Haus seiner Eltern, in welchem sich auch der Familienbetrieb befinde. Die berufliche Veranlassung für die wöchentlichen Heimfahrten hätten in der Mitarbeit bei Planungen bestanden. Der BF sei der einzige Mitarbeiter im Betrieb, der mit der Planungssoftware vertraut sei.

9. Mit am eingelangten Fax zog der steuerliche Vertreter den Antrag auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

II. Sachverhalt

1. Der in X. wohnhafte Beschwerdeführer absolvierte von bis in Wien einen Meisterkurs beim österreichischen Y-Verband.
Die Kursgebühren wurden vom elterlichen Betrieb getragen, bei dem er seit Dezember 2010 angestellt ist.
2. Die notwendige Unterkunft verschaffte sich der BF durch Anmietung eines Apartments für die Kalendermonate Feber, März und April, woraus ihm Kosten iHv. EUR 2.700 entstanden.
3. Bis und von 15.06. bis bezog der BF den Lohn vom elterlichen Betrieb.
Von 07.01. bis bezog der BF Arbeitslosengeld vom AMS.
Von 27.05. bis bezog der BF Notstandshilfe vom AMS.

 

III. Beweiswürdigung

Die insoweit unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten des Finanzamtes, der Vorhaltsbeantwortung des steuerlichen Vertreters und Abfragen im Abgabeninformationssystem.
Strittig sind allerdings die anteiligen Nächtigungskosten außerhalb der Zeit des Kurses und die Anzahl der beruflich bedingten Fahrten zwischen Wohnort und Ausbildungsort.

IV. Rechtliche Würdigung

Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Werbungskosten sind unter anderem nach Abs. 1 Z 10 erster Satz leg. cit. auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Für „Werbungskosten“ wie auch „Betriebsausgaben“ ist maßgeblich, dass der Aufwand durch die Einkünfteerzielung „veranlasst“ ist. Werbungskosten sind „Wertabgänge, die durch die auf die Erzielung außerbetrieblicher Einkünfte ausgerichtete Tätigkeit veranlasst sind“ („kausaler Werbungkostenbegriff“, ; ; , 2001, 528).

Die Notwendigkeit von Ausgaben oder Aufwendungen ist grundsätzlich keine Voraussetzung für die Anerkennung von Werbungskosten.
Sie bildet nach der Judikatur jedoch in Zweifelsfällen ein „verlässliches Indiz“ für die berufliche Veranlassung. Aufwendungen, die ihrer Art nach eine private Veranlassung nahelegen, gelten daher nur als Werbungskosten, wenn sich die Aufwendungen als für die berufliche Tätigkeit notwendig erweisen. Dem Abgrenzungskriterium der Notwendigkeit eines Aufwandes ist jedoch keine entscheidende Bedeutung beizumessen, wenn ein Aufwand seiner Art nach nur eine berufliche Veranlassung erkennen lässt (; , ​ 93/14/0195). Die Notwendigkeit ist also in typisierender Betrachtungsweise zu einem Instrument der Abgrenzung von Aufwendungen der Lebensführung geworden (Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG – Kommentar, 62. Lfg 2016, § 16 EStG, Rz 23).

Der gegenständliche Meisterkurs steht zweifellos in Zusammenhang mit der vom BF bereits seit Dezember 2010 ausgeübten Tätigkeit im Familienbetrieb, daher sind dadurch veranlasste Aufwendungen als Aus- und Fortbildungsmaßnahmen gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 abzugsfähig.

Neben Kursgebühren, Kosten für Kursunterlagen, Skripten und Fachliteratur sind zB auch Fahrt­kosten sowie Tagesgelder potentiell abzugsfähig. Aufwendungen für Nächtigungen sind hingegen mit dem den Bundesbe­diensteten zustehenden Nächtigungsgelds der Höchststufe bei Anwendung des § 13 Abs 7 RGV gedeckelt (Z 10 S 2); die Höchststufe beträgt gemäß § 13 Abs 1 RGV 1955 15 €. Erhöht um 600 % nach § 13 Abs 7 RGV beläuft sich der im Inland maximal abzugsfähige Betrag somit auf 105 € (Lenneis in Jakom EStG, 12. Aufl. 2019, § 16, Rz 53).

1.  Nächtigungskosten


Der BF hat für die Nächtigung iZm dem Meisterkurs ein Apartment angemietet. Die Anmietung war nur monateweise möglich und für den BF die günstigste Unterbringungsvariante. Die Kosten liegen weit unter der Höchststufe von EUR 105,-.
Diese Kosten können nicht in einen privat veranlassten und einen beruflich veranlassten Betrag aufgeteilt werden.
Eine private Veranlassung der Bevorzugung der monateweisen Anmietung, wodurch das Apartment einige Tage vor Beginn und nach Ende des Kurses zur Verfügung stand, gegenüber einer tageweisen Unterbringung jeweils nur an den Kurstagen ist nicht erkennbar. Daher sind die gesamten Kosten von EUR 2.700,- abzugsfähig.
 

2. Fahrtkosten

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Unter bestimmten Voraussetzungen können zusätzlich ein Pendlerpauschale oder Familienheimfahrten aufgrund einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Zu klären ist daher vorerst, ob der Ort, an dem der Kurs besucht wurde, eine Arbeitsstätte darstellt.
Der Verwaltungsgerichtshof entschied bei einem Vertragslehrer, welchem von seinem Dienstgeber unter Fortzahlung der Bezüge für Zwecke des Besuches eines zweisemestrigen Vorbereitungslehrganges für die Lehramtsprüfung Sonderurlaub gewährt worden war, dass schon die Tatsache der Beurlaubung zeige, dass der Kursbesuch zwar mit der nichtselbständigen Arbeit in Zusammenhang stehe, dieser aber nicht als Erbringung einer Dienstleistung gegenüber dem Dienstgeber anzusehen sei. Die Fortbildungsstätte sei daher nicht als Arbeitsstätte anzusehen (vgl. ).
Wird die Begründung einer neuen Arbeitsstätte am Fortbildungsort schon im Falle der Dienstfreistellung unter Fortzahlung der Bezüge negiert, so kann eine neue Arbeitsstätte am Fortbildungsort erst recht nicht begründet werden, wenn der BF die Fortbildung während einer Zeit der Ruhendstellung des Dienstverhältnisses (Weiterbildungsgeld durch AMS) absolviert hat.
Da der Ort, an dem der Meisterkurs besucht wurde aber nicht als Arbeitsstätte anzusehen ist, können die beruflich veranlassten Fahrtkosten im tatsächlich angefallenen Umfang als Werbungskosten Berücksichtigung finden und sind nicht bereits durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten.
Die Anzahl der beruflich veranlassten Fahrten wurde – abweichend von den beantragten 11 Fahrten laut E-Mail der steuerlichen Vertretung vom - mit 7 Hin- und Rückfahrten zu 520 km auf Basis des amtlichen Kilometergeldes geschätzt. Daraus errechnen sich Werbungskosten iHv. EUR 1.528,80.
In die Schätzung einbezogen wurden die Tatsachen, dass einerseits keine Reiseaufzeichnungen existieren und andererseits in einem Familienbetrieb üblicherweise ein Mitarbeiter nur schwer für mehrere Wochen entbehrt werden kann, ohne dass die Arbeitsabläufe gestört werden.

 

V. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage der beruflichen Veranlassung von Fahrt- und Nächtigungskosten anlässlich einer Aus- oder Fortbildung, ist eine im Wege der Beweiswürdigung zu beantwortende Tatfrage, die zugrundeliegenden Rechtsfragen sind durch die zitierte Rechtsprechung gedeckt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101206.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at