Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.01.2020, RV/5100002/2020

Keine erstmalige Vorschreibung der Abgabe durch das BFG, wenn die Abgabenbehörde einen Antrag auf Festsetzung gemäß § 201 BAO zu Unrecht abgewiesen hat

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RI in der Beschwerdesache R-GmbH, ADR, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Josef Hofer, M.B.L.-HSG und Mag. Dr. Thomas Humer, LL.M., Dr.-Koss-Straße 2, 4600 Wels, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ERFNR, betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Aufgrund des Baurechtsvertrages vom wurde zugunsten der M GmbH & Co KG im Grundbuch die Baurechtseinlage EZ, KG, bestehend aus dem Grundstück XY im Ausmaß von 8.186 m², eröffnet. Durch Einbringung und Verschmelzung vom ist dieses Baurecht letztlich in das Vermögen der R-GmbH, Beschwerdeführerin, =BF, übergegangen. Dadurch wurde betreffend das Baurecht ein der Grunderwerbsteuer (GrESt) unterliegender Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG verwirklicht.

Am hat die BF die anfallende GrESt gemäß § 22 Abs. 5 Umgründungssteuergesetz (UmgrStG) vom zweifachen Einheitswert in Höhe von 20.643 € selbst berechnet.

Am hat die BF den gegenständlichen Antrag auf Festsetzung der Selbstberechnungsabgabe gemäß § 201 Abs. 3 BAOgestellt, weil § 22 Abs. 5 UmgrStG verfassungswidrig sei.

Diesen Antrag hat das Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel (GVG) mit Bescheid vom abgewiesen, weil sich für alle Einbringungsvorgänge gemäß § 12 UmgrStG als lex specialis die GrESt vom Zweifachen des Einheitswertes bemesse.

Im Rechtsweg ist schließlich auch das Bundesfinanzgerichtes (BFG) mit Erkenntnis vom , RV/5101027/2016, zu dem Ergebnis gelangt, dass die BF die GrESt für den Erwerb des Baurechtes im Zusammenhang mit der Einbringung vom gemäß § 22 Abs. 5 (UmgrStG) richtig vom Zweifachen des Einheitswertes selbst berechnet hat, sodass das GVG den Antrag auf Festsetzung der GrESt gemäß § 201 BAO zu Recht abgewiesen hat.

Dagegen hat die BF - gestützt auf § 144 B-VG - beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) Beschwerde erhoben, in der sie wiederum die Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 5 UmgrStG geltend macht.

Aus Anlass dieser Beschwerde hat der VfGH ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 5 UmgrStG in der Fassung BGBl. I 71/2003 eingeleitet.
Mit Erkenntnis vom , G 156/2019, hat der VfGH die Bestimmung in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung als verfassungswidrig aufgehoben, weil der Einheitswert (EW) mangels Aktualisierung zu vollkommen willkürlichen Bewertungen führe. Für Steuertatbestände, die an den EW anknüpfen, würden für den Steuerpflichtigen entlastende Effekte angesichts regionaler und individueller Unterschiede in der Wertentwicklung der Grundstücke nicht gleichmäßig auftreten. Vielmehr führten diese Entwicklungen im Zeitablauf zu massiven Verwerfungen und Unstimmigkeiten.

"Derartige Verwerfungen werden somit auch durch die Regelung des § 22
Abs. 5 UmgrStG bedingt. Der Verfassungsgerichtshof vermag dabei nicht zu erkennen, dass eine solche Regelung dem Sachlichkeitsgebot entsprechen würde:

Auch wenn der Gesetzgeber für Einbringungen von Grundstücken, auf die die
Regelungen des Umgründungssteuergesetzes Anwendung finden, wie im
Prüfungsbeschluss ausgeführt, grunderwerbsteuerliche Erleichterungen vorsehen
kann, darf eine solche Differenzierung gegenüber Umstrukturierungen, die nicht dem Umgründungssteuergesetz unterliegen und für die die Grunderwerbsteuer
somit vom gemeinen Wert zu bemessen ist, nur auf Basis verfassungsrechtlich
unbedenklicher Bemessungsgrundlagen erfolgen (VfSlg. 19.701/2012). Die Anknüpfung an Einheitswerte vermag aber eine sachgerechte Regelung für Umgründungen im Sinne des Umgründungssteuergesetzes nicht zu gewährleisten.

Hinzu kommt, dass - anders als in VfSlg. 19.196/2010 - verwaltungsökonomische
Gründe die Bemessung vom Zweifachen des Einheitswertes nicht zu rechtfertigen vermögen, ist doch gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG nicht eine bloße Anknüpfung an den jeweiligen Einheitswertbescheid, sondern eine auf den Zeitpunkt des
Erwerbsvorgangs erfolgende Ermittlung eines für die Umgründung besonderen
Einheitswertes unter sinngemäßer Anwendung der Grundsätze für Fortschreibungen oder Nachfeststellungen vorgesehen.

Die in § 22 Abs. 5 UmgrStG, BGBI. 699/1991, in der Fassung BGBI. I 71/2003
normierte Anknüpfung steht somit im Widerspruch mit dem Ziel einer sachgerechten Bewertung von Grundstückseinbringungen im Rahmen des Umgründungssteuergesetzes, für die im Zuge der Prüfung auch keine sachliche Rechtfertigung gefunden werden konnte.

§ 22 Abs. 5 UmgrStG, BGBI. 699/1991, in der Fassung BGBI. | 71/2003 verstößt
daher gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz."

Weil das BFG in seinem Erkenntnis vom , RV/5101027/2016, somit eine für die Partei nachteilige, verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet hat, war die VfGH Beschwerde der BF begründet. Mit Erkenntnis ebenfalls vom , E 1086/2018, hat daher der VfGH das bekämpfte Erkenntnis des BFG aufgehoben.

Damit gilt die Beschwerde der BF vom wiederum als unerledigt und hat das BFG im gegenständlichen, fortgesetzten Verfahren über die Beschwerde der BF vom betreffend Festsetzung der GrESt neuerlich abzusprechen.

Rechtslage

§ 201 BAO lautet:

Abs. (1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
Abs. (3) Z 1 Die Festsetzung hat zu erfolgen, wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht (außer in den Fällen des § 278 BAO) immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 279 Abs. 2 BAO tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

Erwägungen

Ist die Selbstberechnung einer Abgabe gestattet (§ 11 GrEStG), muss im Falle eines fristgerechten Antrages gemäß § 201 BAO die erstmalige Festsetzung der GrESt mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Mit Erkenntnis vom , G 156/2019, hat der VfGH § 22 Abs. 5 UmgrStG als verfassungswidrig aufgehoben (siehe oben).

Der VfGH hat durch seine Aufhebung der gesetzlichen Bestimmung und des BFG Erkenntnisses somit klargestellt, dass die Selbstberechnung der GrESt durch die BF vom 2-fachen Einheitswert gemäß der Sonderregelung des § 22 Abs. 5 UmgrStG unrichtig und der fristgerechte Festsetzungsantrag berechtigt war.

Das GVG hat daher den Antrag der BF auf Festsetzung der GrESt im Sinne des § 201 BAO zu Unrecht mit Bescheid vom abgewiesen.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" war die (Nicht-)Festsetzung der GrESt. Das BFG darf aber nicht - im Sinne des § 201 BAO - in seinem Erkenntnis die erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid vornehmen.

Siehe Ritz, BAO5, § 279 Tz 11:

Die Änderungsbefugnis ("nach jeder Richtung") ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (zB VwGH 29.7.2010,2009/15/0152; 27.9.2012, 2010/16/0032; 25.4.2013, 2012/15/0161).

Daher darf ein Erkenntnis beispielsweise nicht

  • eine Abgabe erstmals vorschreiben (zB ; , 96/15/0118; , 2010/17/0128; , 2010/17/0196), etwa durch Umwandlung eines Bescheides, mit dem der Antrag auf Festsetzung abgewiesen wird, in ein die Abgabe festsetzendes Erkenntnis (vgl. ).

Im Ergebnis war daher der gegenständlichen Beschwerde vom stattzugeben und der angefochtene Bescheid, mit welchem der Antrag auf Erlassung eines Abgabenbescheides abgewiesen wurde, ersatzlos aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Die Entscheidung ist in Umsetzung des angesprochenen VfGH Erkenntnisses erfolgt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100002.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at