Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.02.2020, RV/5100336/2019

Werbungskosten für ein am Parkplatz des Arbeitgebers durch einen umstürzenden Baum beschädigtes Fahrzeug der Arbeitnehmerin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Ri über die Beschwerde vom der Beschwerdeführerin Bf gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Einkommensteuer 2017 zu Recht:

I)
Der Einkommensteuerbescheid 2017 wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Einkommensteuer sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang

Mit der am beim Finanzamt eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2017 machte die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz BF) u.a. Werbungskosten für einen Unfall mit dem eigenen Kfz in Höhe von € 1.620,00 geltend. Bei einem Bereitschaftsdienst wäre ihr Pkw auf dem Parkplatz des Arbeitgebers infolge eines durch einen Sturm umstürzenden Baumes so stark beschädigt worden, dass ein Totalschaden eingetreten sei. Der Zeitwert des Autos Honda Civic habe € 2.500,00 betragen. Der Verkaufspreis mit Totalschaden habe € 880,00 betragen. Eine entsprechende Werbungskostenaufstellung, eine Bestätigung betreffend den Bereitschaftsdienst des Arbeitgebers, der Kaufvertrag sowie eine Skizze des Unfallortes wurden nach einem Vorhalteverfahren vorgelegt.

Mit Datum vom wurde vom Finanzamt der Einkommensteuerbescheid für 2017 erlassen, wobei die beantragten Werbungskosten nicht anerkannt wurden, da trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen vorgelegt worden seien.

Mit der am beim Finanzamt eingereichten Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 beantragte die BF nochmals die geltend gemachten Werbungskosten anzuerkennen und verwies darauf, dass die Unterlagen nachweislich am beim Finanzamt eingelangt seien.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass im Falle einer beruflichen Verwendung bei einem Totalschaden oder einer beträchtlichen Wertminderung eine Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung vorgenommen werden könne. Dabei sei ausgehend von den Anschaffungs- oder Herstellkosten ein rechnerischer "Restwert" durch Ansatz einer gewöhnlichen Absetzung für Abnutzung bis zum Schadenseintritt zu ermitteln. Die Höhe der gewöhnlichen Absetzung für Abnutzung zur Ermittlung des fiktiven Restbuchwertes richte sich nach der bisherigen Nutzungsdauer und der vor dem Schadenseintritt noch zu erwartenden Restnutzungsdauer. Die Erstzulassung für das betreffende Kfz sei im September 2005 erfolgt. Die Nutzungsdauer eines Pkw betrage 8 Jahre. Im Jahr 2017 könnten somit keine Werbungskosten aufgrund eines Totalschadens des PKW berücksichtigt werden. Überdies gehöre der Pkw dem Vater der BF.

Mit Schreiben vom brachte die BF einen Vorlageantrag ein. Ergänzende vorgebracht wurde seitens der BF, dass in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung nur auf ein Fahrzeug im betrieblichen Bereich eingegangen werde und dies auf einen Pkw im Privatbereich nicht anzuwenden wäre. Die BF habe das Fahrzeug selbst gekauft, der Pkw sei nur deshalb auf den Namen des Vaters angemeldet worden, weil dieser in einer viel günstigeren Versicherungsstufe gewesen sei. Für eine Beurteilung des Wertverlustes müsse immer der Zeitwert des Pkw im Unfallzeitpunkt angesetzt werden, von dem dann der Schrottwert abzuziehen sei.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die BF auf, die entsprechende Rechnung und den Zahlungsnachweis betreffend den Erwerb des Honda Civic im Jahr 2008 vorzulegen. Weiters wurde die BF aufgefordert, anhand schlüssiger Unterlagen nachzuweisen, wie der von ihr angesetzte Zeitwert des Pkw im Jahr 2017 ermittelt worden war.

Mit einer am beim Bundesfinanzgericht eingelangten Vorhaltsbeantwortung wurden von der BF der Kfz-Kaufvertrag vom , ein Auszug aus einem auf die BF lautenden Sparbuch, eine Bestätigung des Vaters der BF, wonach er der BF im November 2008 € 7.000,00 in bar geliehen habe, und eine Fahrzeugbewertung für das streitgegenständliche Fahrzeug von der Homepage "Auto Scout 24" vorgelegt. Ergänzend ausgeführt wurde von der BF, dass sie am für den Fahrzeugkauf € 4.700,00 von ihrem Sparbuch abgehoben habe und dass ihr ihr Vater den Restbetrag geliehen habe. Der Zeitwert des Fahrzeuges sei von ihrem Steuerberater im Jahr 2018 anhand der Autodaten der Internetplattform Autoscout 24 ermittelt worden. Bei einer momentanen Bewertung durch dieselbe Plattform würde sich immer noch ein Durchschnittswert von € 2.700,00 ergeben (siehe vorgelegte Beilage).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

2. Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Die BF erzielt nichtselbständige Einkünfte aus der Tätigkeit als Krankenschwester in einem Krankenhaus in Deutschland. Die BF versteuert die nichtselbständigen Einkünfte aus dieser Tätigkeit aufgrund der Grenzgängerregelung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland in Österreich.

Während eines Bereitschaftsdienstes in der Nacht vom 18.08. auf wurde ihr auf dem Parkplatz des Arbeitgebers abgestellter Pkw Honda Civic infolge eines durch einen Sturm umstürzenden Baumes so stark beschädigt, dass ein Totalschaden am Fahrzeug eingetreten ist.

Die erstmalige Zulassung des Fahrzeuges fand am statt. Das Fahrzeug wurde von der BF mit Kaufvertrag vom um einen Betrag von € 12.800,00 erworben. Am wurde das Fahrzeug auf den Vater der BF Herrn R zugelassen.

Der Zeitwert des Fahrzeuges im August 2017 betrug € 2.500,00. Am verkaufte der Vater der BF das Fahrzeug an einen österreichischen Autohändler um einen Kaufpreis von € 880,00.

3. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der BF sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes und ist insoweit unstrittig.

Der Zeitwert des gegenständlichen Fahrzeuges im Zeitpunkt des Schadens wurde von der BF aufgrund einer durchgeführten Fahrzeugbewertung über eine Internetplattform mit € 2.500,00 ermittelt. Das Bundesfinanzgericht hegt keine Bedenken gegen die von der BF solcherart ermittelte Wertermittlung, da aufgrund der anzunehmenden Restnutzungsdauer des Fahrzeuges (Baujahr 2005) ab Schadenseintritt der geschätzte Wert durchaus plausibel erscheint. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass seitens des Finanzamtes in der Stellungnahme vom der Anerkennung des Unfallschadens in Höhe von € 1.620,00 als Werbungskosten ausdrücklich zugestimmt wurde.

4. Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 sind Werbungskosten auch die Ausgaben für Arbeitsmittel (zB Werkzeug und Berufskleidung). Ist die Nutzungsdauer der Arbeitsmittel länger als ein Jahr, ist Z 8 anzuwenden.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 sind Werbungskosten auch die Absetzungen für Abnutzungen und für Substanzverringerungen (§§ 7 und 8 EStG 1988).

Gemäß § 8 Abs. 4 EStG 1988 sind Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung zulässig.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Werbungskosten auch die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Ausgaben sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988 durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1 EStG 1988) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Nach den von der Rechtsprechung erarbeiteten und von der Verwaltungspraxis getragenen, aus § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 abgeleiteten Regeln kann ein Kraftfahrzeug als Arbeitsmittel und können die Fahrzeugbetriebskosten als Werbungskosten nur dann zum Abzug zugelassen werden, wenn die Verwendung des Fahrzeugs beruflich veranlasst ist (). Trifft dies nicht zu, sind die Fahrzeugbetriebskosten einschließlich AfA den nicht abzugsfähigen Kosten für die Lebensführung im Sinn des § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zuzuweisen (vgl. Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar, 65. Lfg (Dezember 2017), § 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 Tz 21). Aufwendungen im Zusammenhang mit einem auf einer beruflich veranlassten Fahrt erlittenen Verkehrsunfall können unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten darstellen. Dies gilt jedenfalls für einen unverschuldeten Unfall.

Im gegenständlichen Fall wurde das Fahrzeug während des Dienstes der BF auf dem Parkplatz des Arbeitgebers infolge eines durch einen Sturm umstürzenden Baumes beschädigt. Der Schadensfall ereignete sich während der Arbeit.

Nachdem es sich auch bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte um beruflich veranlasste Fahrten (vgl. ; ) handelt, steht fest, dass auch der sich nach der Fahrt zur Arbeitsstätte ereignende Schadensfall auf dem Parkplatz des Arbeitgebers der BF beruflich veranlasst war.

Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und allenfalls Pendlerpauschale und Pendlereuro sind nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988 alle typischen Ausgaben der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für ihre (täglichen) Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten, unabhängig davon, wie hoch sie tatsächlich sind, welches Verkehrsmittel benutzt wird und wie oft solche Fahrten im Lohnzahlungszeitraum unternommen werden. Unfallkosten gehören dagegen nicht zu den typischen Ausgaben und sind daher - über die Beträge des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988 hinaus - grundsätzlich als Werbungskosten absetzbar (; ; vgl. auch Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar, 58. Lfg (Jänner 2015), § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 Tz 35).

Aufwendungen wegen eines auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erlittenen Verkehrsunfalls können somit grundsätzlich zu Werbungskosten führen. Führt die berufsbedingte Verwendung des Kraftfahrzeugs aufgrund eines Unfalles einen Schaden herbei (und ist der Unfall nicht privat veranlasst), stellt die Wertminderung (Totalschaden, beträchtliche Wertminderung) im Jahr des Schadenseintrittes als Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung einen zu berücksichtigenden Aufwand dar ().

Für die Frage eines möglichen Werbungskostenabzugs für Aufwendungen aufgrund eines Verkehrsunfalls im Rahmen einer beruflichen Fahrt ist die Prüfung einer privaten Veranlassungskomponente entscheidend. Hintergrund dieser Abgrenzung ist das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 für (beruflich mitveranlasste) Aufwendungen für die Lebensführung.

Im gegenständlichen Fall war das Fahrzeug während der Arbeit der BF am Parkplatz des Arbeitgebers abgestellt. Es handelt sich somit um einen unverschuldeten Schaden, sodass eine private Veranlassung der BF auszuscheiden ist.

Bei der Ermittlung der Wertminderung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) - ausgehend von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten - zunächst ein fiktiver Restbuchwert durch Ansatz einer gewöhnlichen AfA (auch Halbjahres-AfA) bis zum Schadenseintritt zu ermitteln. In Fällen, in denen der Steuerpflichtige eine (anteilige) Absetzung für Abnutzung bisher nicht in tatsächlicher Höhe geltend gemacht hat, richtet sich die Höhe der gewöhnlichen AfA zur Ermittlung des fiktiven Restbuchwertes nach der bisherigen Nutzungsdauer und der vor dem Schadenseintritt noch zu erwartenden Restnutzungsdauer. Vom fiktiven Restbuchwert sind der nach dem Schadensfall verbleibende Zeitwert (zB Verkaufserlös des Wracks) und allfällige Versicherungsersätze in Abzug zu bringen. Der Differenzbetrag kann als Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung geltend gemacht werden (vgl. auch Doralt, EStG, § 16 Tz 220, Stichwort "Unfallkosten").

Aufgrund des vom Bundesfinanzgericht festgestellten fiktiven Restbuchwertes von € 2.500,00 ist der nach dem Schadenseintritt verbleibende Zeitwert des Fahrzeuges von € 880,00 in Abzug zu bringen, sodass ein Betrag von € 1.620,00 als Werbungskosten (Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung) anzusetzen ist.

4.1. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Auf Grund der oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz und sind auch durch die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Linz, am

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