Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.01.2020, RV/7105251/2019

Die Pfändung einer Forderung zur Sicherstellung einer Abgabe kann durch Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner vollzogen werden, noch ehe der Sicherstellungsauftrag dem Abgabenschuldner zugestellt worden ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache GmbH, Adresse, nunmehr AB als Masseverwalterin über das Vermögen der GmbH, Adresse2, über die durch RA, Adresse3, eingebrachte Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , betreffend Pfändung einer Geldforderung nach der am in Abwesenheit der Parteien und im Beisein der Schriftführerin S durchgeführten Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem an die GmbH (GmbH) ergangenen Bescheid vom ordnete das Finanzamt die Sicherstellung gemäß § 232 BAO für Abgabenansprüche in Höhe von € 356.946,63 betreffend Körperschaftsteuer 2016 und 2017 in Höhe von € 54.979,52 und € 106.019,39 sowie Kapitalertragsteuer 2016, 2017 und 2018 in Höhe von € 60.202,59, 116.620,94 und € 19.124,19 an.

Der Sicherstellungsauftrag wurde mit RSb-Brief versendet, der am von der steuerlichen Vertretung (V1) übernommen wurde.

Mit Bescheid vom pfändete das Finanzamt aufgrund des Sicherstellungsauftrages die der Bf. angeblich gegenüber der DS zustehenden Forderungen.

Mit Eingabe vom wurde gegen den Pfändungsbescheid eine Bescheidbeschwerde eingebracht, und ausgeführt, dass jede Exekution eines Exekutionstitels bedürfe. Als solche würden die "über Abgaben ausgestellte Rückstandsausweise" (§ 4 AbgEO) bzw. im Sicherungsverfahren Sicherstellungsaufträge gemäß § 232 BAO in Betracht kommen (§ 87 Abs. 1 AbgEO). Hier liege weder das eine noch das andere vor. Solcherart hänge die Pfändung mangels tauglichen Rechtstitels völlig in der Luft.

Wie sich aus den aktuellen Daten des Steuerkontos vom heutigen Tag ergebe, habe sich das Anfangsguthaben von € 1.326,38 minimal auf € 863,00 reduziert. Hinweise auf einen Steuerrückstand seien weit und breit nicht zu sehen.

Es werde um Aufhebung des angefochtenen Bescheides ersucht.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Grundlage für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren sei der über die vollstreckbaren Abgabenschulden von der Abgabenbehörde ausgestellte Exekutionstitel.

Im Zeitraum zwischen der Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO) und dem Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) könne die Abgabenbehörde, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen, einen Sicherstellungsauftrag erlassen; dieser sei Exekutionstitel sowohl für das finanzbehördliche als auch für das gerichtliche Sicherungsverfahren.

Dieser berechtige die Finanzbehörde zur Vollstreckung auf bewegliche körperliche Sachen und auf grundbücherlich nicht sichergestellte Geldforderungen. Vollstreckungshandlungen zur Sicherung einer Abgabenschuld seien zulässig, noch ehe der entsprechende Sicherstellungsauftrag dem Abgabenschuldner zugestellt worden (vgl. ) bzw. in Rechtskraft erwachsen () sei.

Der Sicherstellungsauftrag sei mit ausgefertigt worden. Die Pfändung sei mit erfolgt. Zum Zeitpunkt der Pfändung sei ein aufrechter Exekutionstitel vorhanden gewesen und somit entspreche die Pfändung den gesetzlichen Vorgaben.

Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

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Dagegen brachte die GmbH mit Eingabe vom einen Vorlageantrag ein.

§ 78 Abs 1 AbgEO habe in der für diesen Fall maßgeblichen Fassung zusammen mit den einleitenden Überschriften folgenden Wortlaut:

„II. TEIL.

Sicherung.

§ 78. (1) Auf Grund eines Sicherstellungsauftrages (§ 232 der Bundesabgabenordnung) kann zur Sicherung von Abgaben und Abgabenstrafen schon vor Eintritt der Rechtskraft oder vor Ablauf der für die Leistung bestimmten Frist die Vornahme von Vollstreckungshandlungen angeordnet werden.“

Daraus folge zusammengefasst:

• Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen sei der Rückstandsausweis (§ 4 AbgEO); im vorgelagerten Sicherungsverfahren sei es der Sicherstellungsauftrag (§ 78 Abs 1 AbgEO).

• Jede Exekution bedürfe eines bei ihrer Vornahme bereits vorhandenen Titels; eine Vollstreckungshandlung ohne Exekutionstitel sei nicht vorstellbar.

• Das werde auch von der Judikatur so gesehen; Die Vornahme von  Vollstreckungshandlungen erfordere nur das Bestehen eines Sicherstellungsauftrages (§ 232 BAO). Entscheidend sei, dass ein solcher Bescheid - weil Grundlage und Titel des Vollstreckungsverfahrens (VwGH26.7.1995,94/15/0228) - vorliege (,0103).

Auf dieser Linie liege auch die Judikatur zur Parallelbestimmung des Art 370 EO. Dazu habe der OGH in seinem Beschluss vom , 3 Ob 2359/96z, SZ 69/244 = RIS-Justiz RS0106423, klargestellt:

„Auch bei einer Exekution zur Sicherstellung ist - ausgenommen den Fall eines aufgrund eines Widerspruches aufgehobenen Versäumungsurteiles (§§ 371 Z 1, 373 EO) - grundsätzlich das Vorliegen eines Exekutionstitels Voraussetzung für die Bewilligung der Exekution (Heller/Berger/Stix 2642 f, 2673; Pollak, System**2 43,1055 ff; Schimik, Exekution zur Sicherstellung 32; vgl SZ 15/194; Münzberg in Stein/Jonas21 Bz 18 zu § 704 ZPO)“

Der Exekutionstitel müsse - an sich selbstverständlich - bereits zugestellt worden sein (Angst/Jakusch/Mohr-EO15Art 370 E 4 unter Hinweis auf

• OGH 1,4.1924, 1 Ob 243/24, SZ 6/127 = RIS-Justiz RS 0004613: „Unzulässigkeit einer Exekution zur Sicherstellung mit Zustellung des Urteils an den Beklagten“;

, RIS-Justiz RS 0004613: „Bei der Sicherungsexekution gilt der Grundsatz, daß der Exekutionsbewilligung die Wirksamkeit des Titels vorgehen muss."

3 Ob 2397/O6p, SZ 70/117 = RlS-Justiz RS 0004611: „ Auf Grund eines noch nicht zugestellten Wechselzahlungsauftrages darf die Exekution zur Sicherstellung nicht bewilligt werden.“

Das treffe auch hier den Punkt. Solcherart hätte der angefochtene Pfändungsbescheid mangels eines bereits zugestellten und deshalb wirksamen Sicherstellungsauftrages richtigerweise unterbleiben müssen.

Diese Grundvoraussetzung (conditio sine qua non) sei hier ganz eindeutig nicht erfüllt: Der Sicherstellungsauftrag trage zwar ein im Verhältnis zum angefochtenen Pfändungsbescheid vom früheres Ausfertigungsdatum (19.7.), doch sei er erst danach zugestellt worden. Er sei also bei dieser Vollstreckungshandlung - einer Forderungspfändung - noch nicht vorgelegen. Dazu im Einzelnen:

Gemäß § 97 Abs 1 lit a BAO würden Erledigungen erst dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben würden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt seien. Die Bekanntgabe erfolge

a) bei schriftlichen Erledigungen [... ] durch Zustellung;

b) (…)

Ein Bescheid gehöre erst mit seiner Erlassung dem Rechtsbestand an (; , 2008/08/0210), vor seiner Bekanntgabe entfalte er keinerlei Rechtswirkungen (Ritz, BAO § 97 Tz 1). Ein "Noch-Nicht-Bescheid" könne deshalb von der Behörde jederzeit zurückgenommen, abgeändert oder durch eine andere Erledigung ersetzt werden (z.B. ; 272.1995, 94/16/0010-0012). Bis zu ihrer rechtswirksamen Zustellung sei eine als Bescheid beabsichtigte Erledigung rechtlich nicht existent geworden (, VwSlg 7000/F).

Bezogen auf diesen Fall: Der Sicherstellungsauftrag vom  sei bis zu seiner Zustellung am ein "Noch-Nicht-Bescheid" iS einer noch nicht ergangenen und solcherart rechtlich unwirksamen Erledigung. Damit fehle es an einem bereits bei Ergehen des Pfändungsbescheids vom vorhandenen Exekutionstitels, wie die Zustelldaten schlüssig aufzeigen würden:

- Zustellung des Pfändungsbescheids:

- Zustellung des Sicherstellungsauftrages; .

Das zitierte Erkenntnis des , VwSlg 687/F, sei unzutreffend:

Zum einen sei ein Bescheid - auch ein Sicherstellungsauftrag - bis zu seiner Zustellung ein rechtsunwirksamer und wirkungsloser "Noch-Nicht-Bescheid". Eine Exekution ohne Titel könne so nicht gemeint sein. Zum anderen sei dieses Erkenntnis bis heute - durch 67 Jahre hindurch - vereinzelt geblieben. Es sei durch keine einzige Folgeentscheidung bestätigt worden; das sage alles.

Dazu würden noch die Mängel des Sicherstellungsauftrages kommen, die aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens seien. Auf sie sei nur der Vollständigkeit halber pauschal hingewiesen.

Das BFG möge den Pfändungsbescheid nach durchgeführter mündlicher Verhandlung aufheben.

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Am ergingen die Ladungen zu der am anberaumten mündlichen Verhandlung.

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Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum**** wurde über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet und Frau AB zur Masseverwalterin bestellt.

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Die Parteien sind trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladungen zu der am um 9:45 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Die Verhandlung fand daher in Abwesenheit der Parteien statt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Gemäß § 233 Abs. 1 BAO ist der Sicherstellungsauftrag Grundlage für das finanzbehördliche und gerichtliche Sicherungsverfahren.

Gemäß § 233 Abs. 2 BAO hat das Gericht auf Grund eines Sicherstellungsauftrages auf Antrag der Abgabenbehörde ohne Bescheinigung der Gefahr und ohne Sicherheitsleistung die Exekution zur Sicherstellung des Abgabenbetrages bis zu dessen Vollstreckbarkeit zu bewilligen. Der Sicherstellungsauftrag kann zusammen mit der Verständigung von der gerichtlichen Exekutionsbewilligung zugestellt werden.

Gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekannt zu geben.

Gemäß § 65 Abs. 3 AbgEO ist die Pfändung mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen.

§ 78 AbgEO lautet:

(1) Auf Grund eines Sicherstellungsauftrages (§ 232 der Bundesabgabenordnung) kann zur Sicherung von Abgaben und Abgabenstrafen schon vor Eintritt der Rechtskraft oder vor Ablauf der für die Leistung bestimmten Frist die Vornahme von Vollstreckungshandlungen angeordnet werden.

(2) Zur Sicherung kann nur die Pfändung und Verwahrung beweglicher körperlicher Sachen und die Pfändung grundbücherlich nicht sichergestellter Geldforderungen und von Ansprüchen auf Herausgabe und Leistung beweglicher körperlicher Sachen vorgenommen werden. Wäre mit der Verzögerung der Geltendmachung der gepfändeten Forderung oder des gepfändeten Anspruches eine Gefährdung der Einbringlichkeit oder der Verlust von Regressrechten gegen dritte Personen verbunden, so kann die Überweisung zur Einziehung ausgesprochen werden. Auf Grund der verfügten Einziehung eingehende Beträge oder herausgegebene oder geleistete Sachen sind vom Finanzamt in Verwahrung zu nehmen. Eine Verrechnung auf die Abgabenschulden und eine Verwertung der Sachen ist erst nach Eintritt der Vollstreckbarkeit und Wegfall von Einbringungshemmnissen (§ 230 BAO) zulässig. § 41a bleibt unberührt.

(3) Im übrigen sind die Bestimmungen des I. Teiles sinngemäß anzuwenden. Das Bundesministerium für Finanzen kann hinsichtlich der Gebühren und Kosten des Sicherstellungsverfahrens von den Grundsätzen des § 26 abweichende Anordnungen über die Voraussetzungen des Eintrittes der Zahlungspflicht treffen.

Dem zitierten Gesetzeswortlaut folgend kommen als Vollstreckungshandlungen im finanzbehördlichen Sicherungsverfahren nur die Pfändung und Verwahrung beweglicher körperlicher Sachen und die Pfändung grundbücherlich nicht sichergestellter Geldforderungen und von Ansprüchen auf Herausgabe und Leistung beweglicher körperlicher Sachen in Betracht. Damit wird klargestellt, dass das Sicherungsverfahren mit der Pfändung (bzw. Verwahrung) der im Gesetz erschöpfend aufgezählten Vermögenswerte eines Abgabenschuldners sein Ende findet, und bei Pfändung von Geldforderungen insbesondere eine Überweisung an die Republik Österreich zur Einziehung unzulässig ist.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsbescheides () der Sicherstellungsauftrag zwar erlassen war, die Zustellung jedoch erst am darauf folgenden Tag () erfolgte.

Der Verwaltungsgerichtshof führt im Erkenntnis vom , 2527/50, aus:

"Für die Entscheidung darüber, ob diese Beschwerde sachlich begründet ist, sind die einander ergänzenden Bestimmungen der §§ 16 Abg.E.G. und § 78  AbgEO grundlegend. Die erstgenannte Bestimmung lautet in ihrem hier maßgeblichen Teil:

"§ 16 (1) Das Finanzamt kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Verpflichtung zur Entrichtung einer Abgabe knüpfen, noch bevor die Abgabenschuld dem Ausmasse nach feststeht und vollstreckbar geworden ist (§ 11) einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen.

(3) Auf Grund des Sicherstellungsauftrages (Abs. 1) hat das Gericht auf Antrag des Finanzamtes ohne Bescheinigung der Gefahr und ohne Sicherheitsleistung die Exekution zur Sicherstellung des Abgabenbetrages (Abgabenstrafbetrages) zu bewilligen. Die Zustellung des Sicherstellungsauftrages kann zusammen mit der Verständigung von der gerichtlichen Exekutionsbewilligung erfolgen.

§ 78 (1) der AbgEO bestimmt im Zusammenhang damit: "Auf Grund eines Sicherstellungsauftrages (§ 16...AbgEG) kann zur Sicherung von Abgaben und Abgabenstrafen schon vor Eintritt der Rechtskraft oder vor Ablauf der für die Leistung bestimmten Frist die Vornahme der Vollstreckungshandlungen angeordnet werden."

Das Gesetz knüpft also das Recht der Behörde zur Vornahme von Vollstreckungshandlungen wohl an die Voraussetzung, dass auch ein Sicherstellungsauftrag erlassen wird, allein es enthält keine Bestimmung, dass eine Forderungspfändung dem Drittschuldner erst zugestellt und damit vollzogen werden dürfte, wenn der Sicherstellungsauftrag schon zuvor dem Abgabenschuldner zugestellt worden ist, und zwar offenkundig in der Erwägung, dass  diesem sonst die Möglichkeit geboten wäre, eine wirksame Forderungspfändung dadurch zu vereiteln, dass er sich der Zustellung des Sicherstellungsauftrages entzieht. Daher besagen auch die Erläuterungen betreffend "die Einbringung der öffentlichen Abgaben" von Lind - Gapp, Auflage 1950, auf Seite 145 mit Recht: "Der Vollzug der sicherungsweisen Pfändung ist von der vorherigen Zustellung des Sicherstellungsauftrages nicht abhängig."

Durch dieses Erkenntnis wird verdeutlicht, dass die Forderungspfändung zur Sicherung einer Abgabenschuld nur die Erlassung eines entsprechenden Sicherstellungsauftrages, nicht aber dessen bereits vollzogene Zustellung an den Abgabenschuldner, geschweige denn dessen Rechtskraft bedingt.

Da ein Sicherstellungsauftrag  eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme ist , die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre, würde es dem Zweck der Bestimmung zuwider laufen, wenn das Finanzamt erst den Nachweis der Zustellung, somit das Einlangen des Rückscheines abwarten müsste, um die Pfändung beim Drittschuldner durchzuführen.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass gemäß § 4 AbgEO die über Abgaben ausgestellten Rückstandsauweise als Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen in Betracht kommen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach der Bestimmung des § 229 BAO lediglich die Ausfertigung eines Rückstandsausweises als Grundlage für die Einbringung im Vollstreckungsverfahren erforderlich. Eine Zusendung desselben an den Abgabepflichtigen ist demgegenüber nicht vorgesehen (vgl. ).

Aus den Ausführungen ergibt sich, dass im abgabenrechtlichen Exekutionsverfahren der Exekutionstitel im Zeitpunkt der abgabenrechtlichen Pfändung nicht zugestellt sein muss.

Im Erkenntnis des  wird ausgeführt: 

"Bei der Bewilligung der Exekution aufgrund eines Exekutionstitels im Sinn des § 1 Z 13 EO hat das Exekutionsgericht die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des Exekutionstitels nicht zu überprüfen" (RIS-Justiz RS0000210).

Gemäß § 1 Z 13 EO sind Exekutionstitel im Sinne des gegenwärtigen Gesetzes die nachfolgenden im Geltungsgebiete dieses Gesetzes errichteten Akte und Urkunden:

die über direkte Steuern und Gebühren sowie über Landes-, Bezirks- und Gemeindezuschläge ausgefertigten, nach den darüber bestehenden Vorschriften vollstreckbaren Zahlungsaufträge und Rückstandsausweise.

Gemäß Angst, Jakusch, Pimmer, Exekutionsordnung12, Anm. 34, betrifft dies insbesondere die §§ 229 und 233 BAO.

Auch aus § 233 Abs. 2 zweiter Satz BAO ergibt sich, dass die Zustellung des Sicherstellungsauftrages zusammen mit der Verständigung von der gerichtlichen Exekutionsbewilligung zugestellt werden kann.

Angesichts dieser Ausführungen erweist sich der Beschwerdeeinwand, dass bei der Exekution im Rahmen einer Sicherstellung der Exekutionstitel zugestellt worden sein muss, im Bereich der Steuern und Gebühren als unzutreffend.

Schon aus diesem Grunde liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes kein Grund vor, von der zitierten Rechtsprechung des abzuweichen, da dies im Bereich der Steuern zu einer Ungleichbehandlung dahingehend, ob die Exekution finanzbehördlich oder gerichtlich erfolgt, führen würde.

Für die Durchführung der Sicherung einer Geldforderung gelten auf Grund des Verweises im dritten Absatz des § 78 AbgEO auf den I. Teil dieses Bundesgesetzes (§§ 4 bis 77 AbgEO) die im finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahren anzuwendenden Grundsätze. Gemäß § 65 Abs. 1 zweiter Satz AbgEO sind im Bescheid betreffend Pfändung einer Geldforderung die Höhe der Abgabenschuld und der auf Grund der Pfändung entstandenen Gebühren und Auslagenersätze (§ 26 AbgEO) anzugeben. Sofern nicht die - im Beschwerdefall nicht in Betracht kommende - Bestimmung des § 67 leg.cit. zur Anwendung kommt, erfolgt die Pfändung dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Nach Absatz 2 leg.cit. ist dem Drittschuldner und dem Abgabenschuldner mitzuteiIen, dass die Republik Österreich ein Pfandrecht an der betreffenden Forderung erworben hat. Die Zustellung des Zahlungsverbotes ist zu eigenen Handen vorzunehmen. Gemäß Absatz 3 leg.cit. ist die Pfändung der Geldforderung mit der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen. Der Pfändungsbescheid kann sowohl vom Drittschuldner (§ 65 Abs. 4 AbgEO) als auch vom Abgabenschuldner (kein Rechtsmittelausschluss laut diesbezüglich erschöpfender Aufzählung im § 77 AbgEO) angefochten werden ().

Abgesehen vom Vorliegen eines nach den Grundsätzen des § 232 BAO erlassenen Sicherstellungsauftrages, setzt die Pfändung einer Geldforderung zur Sicherstellung von Abgaben einen den vorstehenden Anordnungen entsprechenden Pfändungsbescheid und im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner zumindest eine dem Grunde nach entstandene Geldforderung voraus (Reeger - Stoll, Abgabenexekutionsordnung, S 155; ).

Da die Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner somit der konstitutive Akt der Pfandrechtsbegründung ist (, 0114, 0115), wogegen die Zustellung des entsprechenden Verfügungsverbotes an den Abgabenschuldner nur deklarative Wirkung hat (Liebeg, Abgabenexekutionsordnung, § 65 Tz 17; ), kommt erstgenannter Zustellung somit im Hinblick auf die Frage, ob ein Pfandrecht wirksam begründet wurde oder nicht, regelmäßig entscheidende Bedeutung zu. War die Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner nämlich rechtsunwirksam, dann wurde damit wegen Fehlens des konstitutiven Aktes auch kein entsprechendes Pfandrecht begründet.

Im vorliegendem Fall hat die Abgabenbehörde den Pfändungsbescheid vom  eigenhändig als RSb - Sendung, dem Drittschuldner zugestellt. Auf Grund wirksamer Zustellung des Zahlungsverbotes hat die Republik Österreich somit im finanzbehördlichen Sicherungsverfahren gegen der GmbH an diesem Tag ein Pfandrecht an dessen Bankguthaben iHv. € 356.946,63 rechtswirksam erworben. Der gegenständlichen Forderungspfändung bzw. dem bekämpften Pfändungsbescheid haftet aus dargestellten Entscheidungsgründen insgesamt daher keine Rechtswidrigkeit an, weshalb der dagegen eingebrachten Beschwerde spruchgemäß keine Folge zu geben war.

Der Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass das Finanzamt in der Folge mit Bescheid vom die mit (dem hier gegenständlichen) Bescheid vom durchgeführte Vollstreckung (Pfändung) gemäß § 16 AbgEO eingestellt und die vollzogenen Vollstreckungsschritte aufgehoben hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes  nicht ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierte Entscheidung), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 232 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 233 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 233 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 65 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 65 Abs. 3 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 78 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 1 Z 13 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105251.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at