Kein Familienbeihilfenanspruch für die Kindesmutter, wenn die Kinder beim Kindesvater haushaltszugehörig sind.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt A. vom , betreffend die Verwehrung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeteräge zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensablauf:
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin (kurz Bf.), datiert mit auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre beiden Kinder B. und C. hinsichtlich des Zeitraums Juli und August 2015 ab. Unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 2 FLAG führt die Abgabenbehörde in dieser Entscheidung sinngemäß aus, dass die Kinder in den vorgenannten Monaten überwiegend vom Kindesvater betreut worden seien und demnach die Antragstellerin die Voraussetzungen für eine Gewährung der Beihilfe nicht erfüllt hätte.
In ihrer, gegen den vorgenannten Bescheid erhobenen Beschwerde vom bringt die Bf. im Wesentlichen zusammengefasst vor, das sie für die gesamte Familie (4 Personen) auch in den Monaten Juli und August 2015 den kompletten Unterhalt allein bestritten hätte. Da ihr damaliger Noch-Ehemann seit Jänner 2015 seine Unterhaltsbeitragspflicht zur Aufrechterhaltung des gemeinsamen Haushalts nicht erfüllt habe, sei die Bf. schließlich nicht mehr in der Lage gewesen die finanzielle Belastung zu tragen. Aus diesem Grund habe auch der Mietvertrag mit aufgelöst werden müssen. Der gemeinsame Haushalt an der Adresse in D/E sei jedoch bis Ende August 2015 aufrecht gewesen. Die Bf. vertrete daher die Ansicht, dass ihr für die beiden hier relevanten Monate die Beihilfe für ihre zwei Kinder zustehe. Ergänzend führt die Bf. in diesem Schriftsatz aus, dass mit rechtkräftig die Scheidung mit dem Kindesvater vollzogen worden sei. Eine gerichtliche Entscheidung über die Obsorgeregelung von B. und C. stünde noch aus. Betont wird von der Bf. in diesem Schreiben, dass ihre beiden Söhne auch bei der Kindesmutter Wochen verbringen würden, in denen die Bf. auch sämtliche Leistungen für das Wohlbefinden der Kinder trage.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung verweist die Abgabenbehörde darauf, dass die Bf. im Juni 2015 aus dem gemeinsamen Haushalt in D/E ausgeszogen sei, weshalb für die beiden Monate Juli und August 2015 kein Beihilfenanspruch für sie bestanden hätte. Folglich sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.
Im Vorlageantrag vom bringt die Bf. vor, dass die bisherigen Aussagen nur mündlich vorliegen würden und diese nicht der Wahrheit entsprächen. Außerdem habe sich die Bf. nicht rechtfertigen können, weil ihr einstiger Ehemann alles hinter ihrem Rücken entschieden habe und sie darüber auch nicht informiert worden wäre.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt den gegenständlichen Beihilfenakt - mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde - zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vor.
II. Sachverhalt:
Dem anhängigen Verfahren wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:
Die Bf. bezog für ihre beiden minderjährigen Kinder bis einschließlich Juni 2015 die Familienbeihilfe. Im Juni 2015 zog die Bf. als Kindesmutter aus dem gemeinsamen Haushalt in D/E aus, weswegen der Kindesvater für seine beiden in seinem Haushalt verbliebenen Kinder die Zuerkennung der Beihilfe im Juni 2015 beantragte und ihm auch vom Finanzamt ab Juli 2015 gewährt wurde. Mit stellte die Bf. ebenfalls bei der Abgabenbehörde den Antrag ihr die Beihilfe ab Juli 2015 für ihre beiden Söhne zu gewähren.
III. Rechtslage:
Die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen des FLAG lauten in der hier anzuwendenden Fassung auszugsweise wie folgt:
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
…
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
…
(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).
Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.
Für ein Kind wird Familienbeihilfe nur einer Person gewährt.
IV. Beweiswürdigung und rechtliche Erwägungen:
Der unter Punkt II. dargestellte und dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegte Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt dem BFG vorgelegten Beihilfenakt. Im Übrigen stellte die Abgabenbehörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung vom ausdrücklich fest, dass die Bf. im Juni 2015 aus dem gemeinsamen Haushalt in D/E ausgezogen sei, weshalb ihr in den beiden hier relevanten Monaten keine Familienbeihilfe zustünde. Mit einer Beschwerdevorentscheidung wird einem bzw. einer Abgabepflichtigen Gelegenheit gegeben, zu entscheidenden Sachverhaltsfeststellungen Stellung zu nehmen, weil eine Beschwerdevorentscheidung wie ein Vorhalt der Abgabenbehörde wirkt. Hat somit das Finanzamt in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung das Ergebnis der behördlichen Ermittlungen ausreichend dargelegt, dann ist es Sache der Partei, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinanderzusetzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (vgl. z.B. auch ). Dass die Abgabenbehörde demnach davon ausging, dass die beiden Zwillingssöhne in den vom Spruch des angefochtenen Bescheides umfassten Zeitraum nicht dem Haushalt der Bf. angehört hätten, ist daher klar und deutlich der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes zu entnehmen. Dabei nahm die Abgabenbehörde auch Bezug auf die in dieser Entscheidung zitierten gesetzlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 2 FLAG. Diesen, von der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung zur Bf. getroffenen Sachverhaltsfeststellungen tritt die Bf. in ihrem Vorlageantrag nicht entgegen, sondern beschränkt sich in diesem ausschließlich auf jenen Einwand, dass diese Aussagen nur mündlich gemacht worden seien, nicht der Wahrheit entsprechen würden, und sie auch keine Gelegenheit gehabe hätte, sich dazu zu rechtfertigen. Auch dem Vorlagebericht des Finanzamtes kommt - wie der Beschwerdevorentscheidung - ein Vorhaltscharakter zu (vgl. z.B. auch ). Auch diesem Bericht ist zu entnehmen, dass der Auszug der Bf. aus dem gemeinsamen Haushalt in D/E im Juni 2015 von der Bf. erfolgt sei. Bestätigung fände dies nach den Ausführungen des Finanzamtes u.a. durch die eigenen Angaben der Bf. im Rahmen einer Verletzungsanzeige vom in der sie zu Protokoll gegeben habe, dass sie anderswo in D. aufhältig sei. Im Einklang dazu stünden auch die Angaben der Bf. in ihrem Schreiben vom , in dem sie ausführte dzt. bei Freunden zu schlafen.
Im gegenständlichen Fall hatte das Finanzamt ausschließlich jene Beurteilung zu treffen, welchem Haushalt die beiden Kinder B. und C. in den Monaten Juli und August 2015 angehörten. Bezüglich "Haushaltszugehörigkeit" enthält § 2 Abs. 5 FLAG nähere Ausführungen. Demgemäß kommt es ausschließlich auf eine einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft an. Mit dem Auszug eines Elternteils aus der bisher gemeinsamen elterlichen Wohnung und dem Verbleib der Kinder in dieser mit dem anderen Elternteil, fällt für die ausziehende Person die Anspruchsberechtigung weg, da diese die Tatbestandvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 FLAG nicht mehr erfüllt (vgl. auch Csaszar/Lenneis/Wanke, Kommentar zum FLAG, § 2 Rz 141). Dass die Kindesmutter als Beschwerdeführerin den zuvor bestandenen gemeinsamen Haushalt - ohne ihre beiden Zwillingskinder mitzunehmen - im Juni 2015 verlassen hat und aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, ergibt sich auch eindeutig aus der Stellungnahme der BH F. an das Finanzamt vom . Darin wird ausgeführt, dass die Ehe zwischen der Bf. und ihrem damaligen Gatten im Jahr 2015 heftig gekriselt hätte und die Bf. ohne die Kinder aus dem gemeinsamen Haushalt im Juni 2015 ausgezogen sei. Seither lebe die Bf. bei G. in D.. In dieser Zeit seien die beiden minderjährigen Kinder vom Kindesvater versorgt worden, wobei jedoch weiterhin die Kindesmutter die relativ hohen Mietkosten getragen hätte. Im Schreiben vom gibt die Bf. sinngemäß selbst an, dass ihr von der Wohlfahrt geraten worden sei, die Wohnung zu verlassen und sie deshalb bei Freunden nächtigen würde, da für sie ein Verbleib in ihrer eigenen Wohnung physisch nicht mehr tragbar wäre. Aus dem Gerichtsbeschluss vom ist ebenfalls zu entnehmen, dass nach der Trennung der Eltern und dem Auszug der Bf. als Kindesmutter aus der gemeinsamen Wohnung, zunächst die beiden Kinder beim Vater gelebt hätten.
Ob demnach - wie die Bf. sinngemäß vermeint - bis Ende August 2015 noch ein gemeinsamer Haushalt beider Elternteile mit den Zwillingskindern B. und C. vorlag oder es als wahrscheinlicher anzusehen war, dass die Bf. bereits im Juni 2015 aus diesem Haushalt ausgezogen ist und die Kinder in den beiden Folgemonaten dem Haushalt des Kindesvaters zuzurechnen waren, hatte das Finanzamt auf Grund der vorliegenden Unterlagen und Beachtung der Vorbringen der Bf. im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 167 BAO zu treffen. Nach der vorgenannten Gesetzesbestimmung ist dabei nach Abs. 2 unter sorgfältiger Berücksichtigung des Ergebnisses des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen (freie Beweiswürdigung), ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. Ritz, BAO6, § 167 Tz 6 und 8 mit der dort zitierten Rechtsprechung). Das Finanzamt kam demnach insbesondere auf Grund der im Vorlagebericht an das BFG zitierten Unterlagen zu der Schlussfolgerung, dass durch den Auszug der Bf. aus dem gemeinsamen Haushalt der gesamten Familie im Juni 2015, in den beiden hier relevanten Folgemonaten die beiden Zwillingssöhne dem Haushalt des Kindesvaters angehörten. Unter Beachtung der bereits ohnehin zuvor genannten Unterlagen (Verletzungsanzeige vom , Stellungnahme der BH F. vom 7.9.206, Schreiben der Bf. vom , Gerichtsbeschluss vom ) kann demnach das BFG an der von der Abgabenbehörde getätigten Beweiswürdigung keine Rechtswidrigkeit erkennen. Daran kann auch die aufrechte polizeiliche Anmeldung der Bf. am gemeinsamen Familienwohnsitz in D/E bis Ende August 2015 nichts ändern, da diesen Daten lediglich Indizwirkung zukommt. Maßgeblich sind vielmehr die tatsächlich festgestellten bzw. iS der vorstehenden Beweiswürdigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommenen Verhältnisse bezüglich einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft.
Jenes sinngemäße Vorbringen der Bf., dass sie überwiegend für den Unterhalt auch noch in den Monaten Juli und August 2015 der gesamten Familie aufgekommen wäre, nimmt im gegenständlichen Fall nach der klaren Regelung des § 2 Abs. 2 FLAG keinen Einfluss auf die beihilfenanspruchsberechtigte Person. Sofern demnach für ein Kind eine Haushaltszugehörigkeit zu einer Person nach dem ersten Satz der vorgenannten Bestimmung vorliegt, besteht für diese eine vorrangige Anspruchsberechtigung der Beihilfe in Verbindung mit dem zweiten Satz dieser gesetzlichen Regelung (vgl. auch z.B. VwGH 2012/16/0054 vom ). Weiters erweist sich der sinngemäße Einwand der Bf. in ihrem Vorlageantrag vom , dass für sie im gegenständlichen Fall keine Rechtfertigungsmöglichkeiten zu den Darstellungen ihres nunmehr geschiedenen Ehemannes vorgelegen wären, als nicht zutreffend. Unabhängig davon, dass für die Bf. sehr wohl die Gelegenheit bestanden hätte zu den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes bereits in ihrem Vorlageantrag ausreichend Stellung zu beziehen, als auch eine entsprechende Gegenäußerung zum Vorlagebericht der Abgabenbehörde an das BFG einzubringen, ist in diesem Zusammenhang nochmals darauf zu verweisen, dass im Rahmen der durch das Finanzamt erfolgten freien Beweiswürdigung zur Feststellung der hier relevanten Haushaltszugehörigkeit der Bf. ohnehin auch ihre eigenen Angaben in der Verletzungsanzeige vom , als auch in ihrem Schreiben vom Berücksichtigung fanden.
Auf Grund der obigen Ausführungen war daher - wie im Spruch ausgeführt - die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ob im gegenständlichen Fall im hier relevanten Zeitraum die Bf. noch dem gemeinsamen Haushalt der gesamten Familie angehörte, war im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen. Aus diesem Grund liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wodurch zu Zulässigkeit einer ordentlichen Revision zu verneinen war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 7 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100127.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at