Geschäftsführerhaftung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache Bf, Adr, vertreten durch Mag. Wolfgang Herzer, Krugerstraße 13, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom zu Steuernummer 04-1**/**** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Der Beschwerdeführer wird im Ausmaß von € 30.000,-- zur Haftung herangezogen.
Eine Aufgliederung des Haftungsbetrages auf die einzelnen Abgaben findet sich am Ende der Entscheidung, die einen Bestandteil des Spruches bildet.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensablauf
Mit Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt Wien 4/5/10 (belangte Behörde) den Beschwerdeführer zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin, Adr_Primärschuldnerin, im Ausmaß von € 72.528,29 heran. Die Bescheidbegründung lautet wie folgt:
"
Tabelle in neuem Fenster öffnen
U | 2015 | 2.732,99 | Bescheid als Beilage anbei! |
U | 03/15 | 2.361,42 | |
U | 04/15 | 1.337,17 | |
U | 05/15 | 210,24 | |
U | 06/15 | 5.097,18 | |
U | 07/15 | 8.378,32 | |
U | 08/15 | 6.448,73 | |
U | 09/15 | 4.848,13 | |
U | 10/15 | 24.012,06 | Bescheid als Beilage anbei! |
L | 04/15 | 1.843,65 | |
L | 05/15 | 1.843,65 | |
L | 06/15 | 2.240,18 | |
L | 09/15 | 2.228,21 | |
K | 2014 | 1,00 | Bescheid als Beilage anbei! |
K | 04-06/15 | 437,00 | |
K | 07-09/15 | 437,00 | |
K | 10-12/15 | 439,00 | |
DB | 04/15 | 541,16 | |
DB | 05/15 | 541,16 | |
DB | 06/15 | 1.080,30 | |
DB | 07/15 | 541,16 | |
DZ | 04/15 | 48,10 | |
DZ | 05/15 | 48,10 | |
DZ | 06/15 | 96,03 | |
DZ | 07/15 | 48,10 | |
EG | 2015 | 390,04 | |
BAL | 2015 | 1,00 | |
ST | 2015 | 188,50 | |
SZA | 2015 | 358,83 | |
SZC | 2015 | 54,23 | |
K | 01-03/18 | 437,00 | |
K | 04-06/18 | 437,00 | |
K | 07-09/18 | 437,00 | |
U | 2016 | 541,00 | Bescheid als Beilage anbei! |
Begründung zum Haftungsbescheid
zu St.Nr.: 1**/**** AS 1
1 .‚ Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
2., Gemäß § 9 Abs 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
3., Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.
4., Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, daß der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, daß die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.
5., Sie waren im Zeitraum von Datum2 bis Datum3 und von Datum4 bis Datum5 unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer und seit Datum6 Liquidator der Primärschuldnerin, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.
6., Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs 1 UstG 1994 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit., selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - wurde die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet.
7., In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (,0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, daß er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.
8., Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer ist festzuhalten, daß gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten hat. Es wäre ihre Pflicht gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Sie hingegen haben die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, daß der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den Fall, daß die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, verpflichtet ist, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag, zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung ist jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. Erk. des . Zl. 84/13/0085).
9., Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral sind, ist es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet wurden, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodaß er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer hat daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem hat er darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (vgl. Erk. des Zl. 84/13/0198; vom , Zl. 85/17/0035 und vom , Zl. 87/14/0148). Da Sie ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o. a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden.
10., Letztlich wird auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haltungen auch auf Nebenansprüche erstrecken.
11., Durch das abgeschlossene Konkursverfahren ist der Abgabenrückstand bei der Firma uneinbringlich geworden."
Beigelegt war der Umsatzsteuerbescheid 2015 vom und der Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 10/2015, die beide an die Masseverwalterin der Primärschuldnerin gerichtet und adressiert sind sowie der Körperschaftsteuerbescheid 2014 vom und der Umsatzsteuerbescheid 2016 vom .
Mit Fax vom erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom und führt wie folgt aus:
"Der Haftungsbescheid zu 1**/**** zu 2**/**** vom , ausgestellt vom Finanzamt Wien 4/5/10, Team Abgabensicherung 1, wurde am zugestellt. Der Beschwerdeführer erhebt gegen den Haftungsbescheid nachstehende
Beschwerde
und beantragt, den Bescheid vom aufzuheben und führt zur Begründung aus wie folgt:
Mit dem vorliegenden Haftungsbescheid wird der Beschwerdeführer in seiner Funktion als Geschäftsführer der Primärschuldnerin als Haftungspflichtiger gemäß §§ 224 iVm 9 und 80 Bundesabgabenordnung (BAO) für die aushaftenden Abgabenschulden der Firma Primärschuldnerin, FN *****, im Ausmaß von EUR 72.528,29 in Anspruch genommen wird.
Das Finanzamt Wien begründet diese Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer vom Datum2 bis Datum3 und von Datum4 bis Datum5 als handelsrechtlicher Geschäftsführer und seit Datum6 als Liquidator der Primärschuldnerin eingetragen war. Der Beschwerdeführer hatte zu verantworten, dass die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Festzuhalten ist, dass Haftungsvoraussetzung die Vertretungsbefugnis des Beschwerdeführers für die Primärschuldnerin ist. Diese lag aber nur in den oben genannten Zeiträumen - zu Zeiten seiner Geschaftsführungsfunktion - vor, sodass die Haftung hinsichtlich der Abgabenschulden
03/15 iHv EUR 2.361,42,
04/15 IHv EUR 1.337,17,
05/15 iHv EUR 210,24,
06/15 iHv EUR 5.097,18,
07/15 IHv 8.378,32,
08/15 IHv EUR 6.448,73,
04/15 iHv EUR 1843,65, 05/15 iHv EUR 1.843,65, 06/15 iHv EUR 2.240,18, 07/15 iHv EUR 1.843,65,
2014 iHv EUR 1,00, 04-06/15 iHv EUR 437,00, 07-09/15 iHv EUR 437,00. 04/15 iHv EUR 541,16,
05/15 iHv EUR 541,16, 06/15 iHv EUR 1.080,30, 07/15 iHv EUR 541,16, 04/15 iHv EUR 48,10, 05/15 iHv EUR 48,10, 06/15 iHv EUR 96,03 und 07/15 iHv EUR 48,10
mangels entsprechender Vertretungsbefugnis und Geschäftsführereigenschaft iSd § 18 GmbHG nicht den Beschwerdeführer trifft und er dafür nicht für diese Abgabenschulden haftet.
Unmittelbar vor Insolvenzeröffnung der Primärschuldnerin am Datum1 wurden die Zahlungen von dieser aufgrund ihrer Zahlungsunfähigkeit ab Oktober 2015 komplett eingestellt und liegt hinsichtlich der Abrechnungsperioden 09/15 und 10/15 keine Ungleichbehandlung des Finanzamt Wien vor.
Für die Abgabenschulden 01-03/18 iHv 437,00, 04-06/18 iHv 437,00 und 07-09/18 iHv 437,00 haftet der Beschwerdeführer nicht, weil zu diesem Zeitpunkt null Liquidität der Primärschuldnerin vorlag, da die Masseverwalterin alles verwertet und ausgeschüttet hat. Nach Verteilung der Quote wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben, danach hat kein einziger Gläubiger (mangels Vermögens) überhaupt eine Zahlung erhalten. Mittlerweile ist die Primärschuldnerin aus dem Firmenbuch gelöscht. Ein Quotenschaden ist im Jahr 2018 beim Finanzamt nicht eingetreten, da in diesem Jahr mangels Vermögens kein einziger Euro an irgendeinen Gläubiger bezahlt wurde. Der Haftungsbescheid vom wurde überdies an den Beschwerdeführer übermittelt, ohne diesen zuvor die Gelegenheit zu geben, seine Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen und Ihn zu dem Haftungsbescheid anzuhören. Das Finanzamt wäre aber hierzu gemäß § 115 Abs 2 BAO verpflichtet gewesen. Der Beschwerdeführer wäre bei einer solchen Gelegenheit verhandlungsbereit gewesen und hätte er gegebenenfalls zur endgültigen Bereinigung eine Abschlagszahlung angeboten.
Der Beschwerdeführer beantragt daher, den Bescheid vom aufzuheben, Ermittlungen seitens der Behörde zu den Entlastungsbehauptungen durchzuführen und sodann das Verfahren einzustellen.
Beweis: PV Bf
offenes Firmenbuch (historisch)
Beischaffung des Konkursaktes zu GZ des HG Wien
weitere Beweise vorbehalten"
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. Die Begründung lautet wie folgt:
"Sie waren im Zeitraum von Datum2 bis Datum3 und von Datum4 bis Datum5 handelsrechtlicher Geschäftsführer und seit Datum6 Liquidator der Primärschuldnerin und als solcher verpflichtet, die Abgaben rechtzeitig zu bezahlen.
Bei Amtsantritt hat sich der Geschäftsführer davon zu vergewissern, daß keine Abgabenrückstände bestehen: , ÖStZB 2006/596, 728. Bestehen jedoch Abgabenrückstände, so haftet der Geschäftsführer auch für diese von ihm übernommenen Rückstände.
Für eine Haftungsbefreiung reicht es noch nicht aus, wenn der Geschäftsführer gleiche Zahlungsquoten zu den Fälligkeitstagen nachweist, er muß auch nachweisen, welche Mittel ihm zu den Fälligkeitstagen zur Verfügung gestanden sind: , OStZB 2004/441, 465. Dem GF fällt auch als Verschulden zu Last, wenn er an Dienstnehmer Löhne auszahlt, ohne die darauf entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt zu entrichten: , ÖStZB 2002/248; .
Dem Einwand der unzureichenden Gewährung des Parteiengehöres ist zu entgegnen, dass die für das Haftungsverfahren relevanten Festsetzungsbescheide dem Beschwerdeführer mit der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides zur Kenntnis gebracht wurden.
Das Parteiengehör ist auch durch die Antragsmöglichkeiten im Beschwerdeverfahren gewahrt."
Vorlageantrag
Mit Vorlageantrag vom verlangte der Beschwerdeführer, seine Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass das Finanzamt seine in der Beschwerdevorentscheidung vom vertretene Rechtsmeinung aufrecht hält. Der Geschäftsführer hafte für bei Antritt der Geschäftsführertätigkeit offene Abgabenrückstände; eine Aufstellung der Zahlungsquote zu den Fälligkeitstagen reiche nicht aus, da Verbindlichkeiten, die zwischen den Fälligkeitstagen entrichtet wurden nicht aufscheinen und somit die Quote verfälschen; die Lohnsteuer wäre vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen und das Parteiengehör wurde durch das Beschwerdeverfahren gewahrt.
Beschluss vom
Das Bundesfinanzgericht wandte sich mit Beschluss vom an beide Verfahrensparteien wie folgt:
"I. Das Finanzamt 4/5/10 als belangte Behörde, wird aufgefordert, folgende Fragen zu beantworten und entsprechende Unterlagen vorzulegen:
a) Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom Datum1 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin (Primärschuldnerin) das Konkursverfahren eröffnet und eine Masseverwalterin bestellt. In der Folge wurde mit Beschluss desselben Gerichtes vom Datum6 der Konkurs nach Verteilung einer Quote von 23,7629% aufgehoben.
Am Haftungsbescheid sind nachfolgende Abgaben enthalten, deren Fälligkeit in die Zeit des Konkursverfahrens fallen könnte:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe | Zeitraum | Haftungsbetrag | Fälligkeit laut Rückstandsausweis |
U | 2015 | 2.732,99 | *) |
U | 10/15 | 25.000,00 | |
U | 2016 | 541,00 | |
ST | 2015 | 188,50 | |
SZC | 2015 | 54,23 |
*) Bei der Abgabe "U 2015" in Höhe von € 2.732,99 mit dem laut Rückstandsausweis vom angeführten Fälligkeitsdatum wurde am Haftungsbescheid die Anmerkung "Bescheid als Beilage anbei!" angeführt. Beigelegt war ein Umsatzsteuerjahresbescheid 2015 vom , der an die Masseverwalterin gerichtet ist.
>> Trifft den Beschwerdeführer aus Sicht der Abgabenbehörde dennoch ein Verschulden, dass diese Abgaben nicht entrichtet wurden?
b) Am Haftungsbescheid ist folgende Abgabe, für welche die Haftung geltend gemacht wurde, genannt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe | Zeitraum | Haftungsbetrag |
SZA | 2015 | 358,83 |
>> Für welche Abgabe, die nicht zeitgerecht entrichtet wurde, wurde ein Säumniszuschlag in Höhe von € 358,83 vorgeschrieben? Bitte legen Sie eine Kopie dieses Säumniszuschlagsbescheides vor.
c) Das Konkursverfahren wurde mit der Auszahlung einer Quote in Höhe von 23,7629% beendet. Aus den Kontoauszügen der Masseverwalterin ist ersichtlich, dass die belangte Behörde drei Teilzahlungen zu € 4.046,13, € 16.953,91 und € 3.149,41 jeweils mit dem Verwendungszweck "HG Wien GZ: GZ Qu:23,7629%" bzw "Konkurs Primärschuldnerin Quote 23.7629 % gem. Vereinbarung lt. Email v." erhalten hat.
Aus dem Haftungsbescheid ist nicht ersichtlich, dass diese Quotenzahlungen auf die einzelnen Abgabenschulden aufgeteilt worden wären.
>> Sie werden ersucht, dazu Stellung zu nehmen, entsprechende Angaben zu machen und Unterlagen vorzulegen.
II. Der Beschwerdeführer wird aufgefordert, folgende Fragen zu beantworten und entsprechende Unterlagen vorzulegen:
a) In der Beschwerde wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer für zahlreiche Abgaben, deren Fälligkeit vor dem Datum4 liegt, nicht haftet, weil er zu den Fälligkeitstagen dieser Abgaben keine Vertretungsbefugnis hatte.
In der Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darauf hingewiesen, dass sich der Geschäftsführer zu Amtsantritt davon zu überzeugen hat, dass keine Abgabenrückstände bestehen.
Mit Buchungstag Datum4 wies das Abgabenkonto der Primärschuldnerin einen Rückstand in Höhe von € 35.657,63 auf.
>> Sie werden ersucht, dazu Stellung zu nehmen, entsprechende Angaben zu machen (zB die Ermittlung von (Differenz)Quote bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitsstichtage) und Unterlagen vorzulegen.
b) Hinsichtlich der am Haftungsbescheid angeführten Körperschaftsteuervorauszahlungen für das Jahr 2018 wird in der Beschwerde angeführt, dass nach der Verteilung des Vermögens durch die Masseverwalterin keine Liquidität mehr gegeben war und "kein einziger Gläubiger (mangels Vermögens) überhaupt eine Zahlung erhalten" hat.
In der Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass es für eine Haftungsbefreiung noch nicht ausreicht, dass gleiche Zahlungsquoten nachgewiesen werden, sondern es muss auch nachgewiesen werden, welche Mittel zur Verfügung standen.
Sollten nach Abschluss des Konkursverfahrens vom Liquidator überhaupt keine Zahlungen mehr erfolgt sein, wäre zumindest dieser Umstand nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen.
>> Sie werden ersucht, dazu Stellung zu nehmen, entsprechende Angaben zu machen und Unterlagen vorzulegen."
Nach Fristverlängerung langte vom Vertreter des Beschwerdeführers folgende Nachricht (E-Mail vom ) ein:
"In der Anlage übermittle ich Ihnen zu Punkt II b des Beschlusses vom den Verteilungsnachweis der Masseverwalterin (die Beilagen, insbesondere der Kontoauszug der Bawag vom wurden bereits vorgelegt), aus dem zu ersehen ist, dass die Masseverwalterin das gesamte – verwertete – Vermögen der Schuldnerin Primärschuldnerin auf die Gläubiger verteilt hatte und das schuldnerische Konto anschließend mit € 0,- saldiert war. Nach Aufhebung des Konkurses war die Gesellschaft infolge Vollbeendigung und auch faktisch – mangels Vermögens – nicht mehr aktiv, sondern hat beim Firmenbuch des Handelsgerichts Wien um Löschung angesucht. Diese ist jedoch erst nach geraumer Zeit erfolgt, weil der Rechtspfleger auf einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes bestand, welche aufgrund des vorliegenden Rückstandes wenig überraschend nicht zu erwirken war. Erst nach Vorlage eines auf Antrag explizit negativ lautenden Bescheides des Finanzamtes, dass keine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt werden kann, hat der Rechtspfleger seine Meinung geändert und die Gesellschaft – dann ohne Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung - aus dem Firmenbuch gelöscht.
Beweis: im Bestreitungsfall Einvernahme der ehemaligen Insolvenzverwalterin MV, MV_Adr sowie meine Einvernahme zu den Vorgängen bei der Löschung der Schuldnerin aus dem Firmenbuch.
Hinsichtlich Punkt II a Ihres Beschlusses konnte ich vom Beschwerdeführer noch nicht alle Unterlagen erhalten, da sich herausstellte, dass ein Teil der Buchhaltungsordner noch immer bei der ehemaligen Masseverwalterin lagern und diese aktuell auf Urlaub ist. Diesbezügliches Vorbringen werde ich ehestmöglich nachreichen."
Am langte nachfolgende Nachricht von der belangten Behörde ein:
"In Beantwortung des Beschlusses vom , wird nunmehr, wie bereits telefonisch am geklärt, folgender Sachverhalt schriftlich festgehalten:
-) Die U 2015, bescheidmäßig festgesetzt in der Höhe von € 20.320,97, wurde zum Teil mit der Verteilungsquote (€ 4.046,13; € 3.052,45; € 7.098,58) und mit den Gutschriften U 02/2016 (€ 3.324,80) und U 03/16 (€ 66,02) abgedeckt; daher wurde der GF Bf nur noch für den letztlich noch aushaftenden Betrag in Höhe von € 2.732,99 zur Haftung herangezogen.
-) Die U 10/2015 beinhaltet die Vorsteuerberichtigung in Höhe von € 20.000,00 und kann daher um diesen Betrag eingeschränkt werden.
-) Die U 2016 in Höhe von € 541,00 wurde bereits am durch Löschung abgeschrieben, da aufgrund der Konkurseröffnung am Datum1 keine Haftungsinanspruchnahme möglich ist.
-) Die Stundungszinsen 2015 in Höhe von € 188,50 bestehen zu Recht, da das Ansuchen um Zahlungserleichterung am von der Firma Primärschuldnerin eingebracht wurde (siehe Beilage).
-) Der Bescheid über die Festsetzung eines dritten Säumniszuschlages SZC in Höhe von € 54,23 (zugestellt an die Pflichtige selbst) wird in der Beilage übermittelt.
-) Die Bescheide über die Festsetzung der ersten Säumniszuschläge SZA 2015 in der Gesamtsumme von € 398,24 werden in der Beilage übermittelt. Diese wurden für die U 03/2015 (€ 128,73), U 06/2015 (€ 101,94) + U 07/2015 (€ 167,57) festgesetzt. Der Differenzbetrag zum im Haftungsbescheid geltend gemachten Betrag wurde durch die Verteilungsquote abgedeckt. Bemerkt wird, daß der SZ in Höhe von € 101,94 am und der SZ in Höhe von € 128,73 am entrichtet wurde; daher können diese aus dem Haftungsbetrag entnommen werden. Der Betrag in Höhe von € 167,57 bleibt jedoch aufrecht.
-) Wie bereits im Telefonat vom erörtert, wurden die Quotenzahlungen aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht auf die einzelnen Abgabenschulden aufgeteilt."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war von Datum2 bis und von Datum4 bis zur Löschung Geschäftsführer bzw. ab Datum6 Liquidator der Primärschuldnerin. Abgabenforderungen der Primärschuldnerin wurden nicht entrichtet. Der Beschwerdeführer war gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin und von Juni 2012 bis November 2015 als Dienstnehmer bei der Beschwerdeführerin beschäftigt. Er war auch Gesellschafter der Primärschuldnerin.
Mit Bescheid vom bewilligte die belangte Behörde eine Ratenzahlung auf Grund eines Antrages vom . Die erste Rate wurde auch bezahlt, laufende Abgaben nach Bewilligung der Ratenzahlung hingegen nicht.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom Datum1 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und eine Masseverwalterin bestellt. In der Folge wurde mit Beschluss desselben Gerichtes vom Datum6 der Konkurs nach Verteilung einer Quote von 23,7629% aufgehoben. Die Primärschuldnerin war seither vermögenslos. Am Datum7 wurde die Primärschuldnerin im Firmenbuch gelöscht. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten steht somit im Ausmaß von 76,2371% fest.
Die Abgaben waren zu folgenden Terminen fällig:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Haftungs-betrag | Abgaben-schuld | Fälligkeitstag |
U (Umsatzsteuer) | 2015 | 2.732,99 | 20.320,97 | |
U | 03/15 | 2.361,42 | 6.436,57 | |
U | 04/15 | 1.337,17 | 1.337,17 | |
U | 05/15 | 210,24 | 210,24 | |
U | 06/15 | 5.097,18 | 5.097,18 | |
U | 07/15 | 8.378,32 | 8.378,32 | |
U | 08/15 | 6.448,73 | 6.448,73 | |
U | 09/15 | 4.848,13 | 4.848,13 | |
L (Lohnsteuer) | 04/15 | 1.843,65 | 1.843,65 | |
L | 05/15 | 1.843,65 | 1.843,65 | |
L | 06/15 | 2.240,18 | 2.240,18 | |
L | 09/15 | 2.228,21 | 2.228,21 | |
K (Körperschaftsteuer) | 2014 | 1,00 | 1,00 | |
K | 04-06/2015 | 437,00 | 437,00 | |
K | 07-09/2015 | 437,00 | 437,00 | |
K | 10-12/2015 | 439,00 | 439,00 | |
DB (Dienstgeberbeitrag) | 04/15 | 541,16 | 541,16 | |
DB | 05/15 | 541,16 | 541,16 | |
DB | 06/15 | 1.080,30 | 1.080,30 | |
DB | 07/15 | 541,16 | 541,16 | |
DZ (Dienstgeberzuschlag) | 04/15 | 48,10 | 48,10 | |
DZ | 05/15 | 48,10 | 48,10 | |
DZ | 06/15 | 96,03 | 96,03 | |
DZ | 07/15 | 48,10 | 48,10 | |
EG (Pfändungsgebühr) | 2015 | 390,04 | 390,04 | |
BAL (Barauslagenersatz) | 2015 | 1,00 | 1,00 |
Eine Reduktion der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden um die Insolvenzquote fand (abgesehen von der Umsatzsteuer 2015) nicht statt.
Folgende Abgaben waren erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Datum1) und vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens Datum6) fällig:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Haftungsbetrag | Abgabenschuld | Fälligkeitstag |
U (Umsatzsteuer) | 10/15 | 24.012,06 | 25.000,00 | |
U | 2016 | 541,00 | 541,00 | |
ST (Stundungszinsen) | 2015 | 188,50 | 188,50 | |
SZC (dritter Säumniszuschlag) | 2015 | 54,23 | 54,23 | |
U | 2015 | 2.732,99 | 20.320,97 | |
27.528,78 |
Folgende Abgaben waren erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens bis zur Löschung im Firmenbuch fällig:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Haftungsbetrag | Abgabenschuld | Fälligkeitstag |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
K (Körperschaftsteuer) | 01-03/2018 | 437,00 | 437,00 | |
K | 04-06/2018 | 437,00 | 437,00 | |
K | 07-09/2018 | 437,00 | 437,00 | |
1.311,00 |
Folgende Abgaben wurden im Haftungsbescheid zusammengefasst, bestehen jedoch aus mehreren Teilbeträgen, die zu unterschiedlichen Zeiten fällig wurden (sofern die Fälligkeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Datum1) lag, wurden sie kursiv hervorgehoben):
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Haftungsbetrag | Abgabenschuld | Fälligkeitstag |
SZA (1. Säumniszuschlag) | 2015 | 66,55 | ||
SZA | 2015 | 95,52 | ||
SZA | 2015 | 62,29 | ||
SZA | 2015 | 147,88 | ||
SZA | 2015 | 128,73 | ||
SZA | 2015 | 101,94 | ||
SZA | 2015 | 167,57 | ||
SZA | 2015 | 128,97 | ||
SZA | 2015 | 96,96 | ||
SZA | 2015 | 358,83 |
Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen zum Insolvenzverfahren beruhen einerseits auf Eintragungen im Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin und andererseits auf den Angaben des Beschwerdeführers und dem vorgelegten Verwaltungsakt. Sowohl aus dem Firmenbuchauszug als auch aus dem vom Insolvenzgericht beigeschafften Insolvenzakt geht hervor, dass mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom Datum1 bis zur Aufhebung des Konkursverfahrens mit Beschluss vom Datum5 eine Masseverwalterin bestellt war.
Die Feststellungen zur unternehmensrechtlichen Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers beruhen einerseits auf den Angaben in den Verwaltungsakten, zu denen auch die Beschwerde vom gehört. Andererseits sind die Daten zu den Geschäftsführern auch aus dem Firmenbuchauszug zu entnehmen. Der Beschwerdeführer hat am Datum4 die Geschäftsführungsfunktion wieder übernommen, wobei der Gesellschafterbeschluss, mit dem der Beschwerdeführer zum selbständigen Geschäftsführer bestellt wurde, vom Datum4 stammt. Der Gesellschafterbeschluss vom Datum4 ist in der Urkundensammlung des Firmenbuchgerichts hinterlegt und einsehbar. Aus dem Firmenbuch ist auch ersichtlich, dass der Beschwerdeführer Gesellschafter der Primärschuldnerin war.
Aus dem Gewerbeinformationssystem, in das Einsicht genommen wurde, ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer der gewerberechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin war.
Aus den vorgelegten Finanzamtsakten und dem Verteilungsentwurf der Masseverwalterin ist ersichtlich, dass die Quote des Insolvenzverfahrens (in Höhe von 23,7629 %) vollständig bezahlt wurde. Das Finanzamt hat in drei Zahlungen die ihm zustehende Quote erhalten und mit Buchungstagen und am Abgabenkonto der Primärschuldnerin verbucht. Die Mitteilung der Masseverwalterin an das Insolvenzgericht, dass das gesamte Vermögen verteilt wurde, ist ebenfalls aktenkundig. Die Feststellung zur Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin ab Konkursaufhebung ergibt sich einerseits aus der Mitteilung der Masseverwalterin, dass das gesamte Vermögen verteilt wurde und andererseits aus den Angaben des Beschwerdeführers. Es entspricht auch der Lebenserfahrung, dass eine Gesellschaft, deren gesamtes (Aktiv)Vermögen - wie etwa Maschinen und Geräte, die zur Erbringung der Leistungen erforderlich sind - verwertet wurde, vermögenslos ist; dies umso mehr, als die Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht werden sollte.
Die Feststellung, wonach Säumniszuschläge des Jahres 2015 am Haftungsbescheid zusammengefasst geltend gemacht wurden und somit der Eindruck erweckt wurde, dass es sich um einen Säumniszuschlagsbescheid mit einer Höhe von € 358,83 handelt, ergibt sich aus dem Haftungsbescheid. Aus dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin, in das vom Bundesfinanzgericht Einsicht genommen wurde, geht jedoch hervor, dass für das Jahr 2015 insgesamt neun erste Säumniszuschläge festgesetzt wurden, wobei nicht unmittelbar ersichtlich ist, wie sich der im Haftungsbescheid angeführte Betrag von € 358,83 zusammensetzt. Erst mit Bekanntgabe vom hat die belangte Behörde die Zusammensetzung dieses Betrages mitgeteilt. Darüber hinaus geht aus den Buchungsdaten hervor, dass zwei erste Säumniszuschläge (SZA) erst nach Konkurseröffnung fällig waren.
Die Feststellung, wonach ein Teil der am Haftungsbescheid angeführten Abgaben (Umsatzsteuer, dritter Säumniszuschlag und Stundungszinsen) erst nach Insolvenzeröffnung fällig war, ergibt sich aus den Verwaltungsakten, insbesondere aus dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin.
Mit Schreiben vom stellte die Primärschuldnerin ein Ansuchen, die Abgabenschulden in Raten zu maximal € 4.000 entrichten zu dürfen. Als erster Zahlungstermin wurde der (ein Sonntag) genannt. Am wurde das Zahlungserleichterungsansuchen bewilligt, wobei von einem Abgabenrückstand in Höhe von € 46.775,36 ausgegangen wurde. In diesem Abgabenrückstand sind jene Abgaben, die am (Pfändungsgebühr, Barauslagenersatz) und am (Umsatzsteuer 8/2015) fällig wurden, enthalten. Die lohnabhängigen Abgaben für die Monate September und Oktober 2015 wurden erst gemeldet und nicht entrichtet. Die erste Rate wurde auch am am Abgabenkonto der Primärschuldnerin verbucht. Die laufenden Abgaben, die am fällig wurden (Umsatzsteuer), wurden nicht entrichtet. Am wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt und am Datum1 schließlich eröffnet.
Rechtsgrundlagen
§ 9 BAO lautet:
§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.
§ 80 BAO lautet:
2. Vertreter.
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
§ 224 BAO lautet:
2. Geltendmachung von Haftungen.
§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.
(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.
Rechtliche Erwägungen
Tatbestand:
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ().
Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin war der Beschwerdeführer ihr Vertreter.
Die Haftung nach § 9 Abs 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Es entspricht daher dem Gesetz, wenn die Behörde die Haftung erst dann geltend macht, wenn sie Kenntnis über das Ausmaß der Uneinbringlichkeit hat ().
Aus der Konkurseröffnung allein ergibt sich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit. Diese ist erst dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann; schließlich würde selbst eine geringe Quote die Haftung betragsmäßig entsprechend vermindern (zB ).
Pflichtverletzung:
Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Als bestellter Geschäftsführer hat er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB , und vom ; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters das Erkenntnis vom mwN).
Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-,Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.
Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ).
Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen. Mit dem bloßen Hinweis auf beim Masseverwalter befindliche Buchhaltungsunterlagen genügt der Beschwerdeführer den nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ihm obliegenden Nachweispflichten im Haftungsverfahren gegenüber der Behörde nicht ().
Eine Haftung kommt auch für aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen entstandene Abgabenschulden in Betracht (vgl. ). Der Geschäftsführer haftet für eine solche Abgabennachforderung bei der Gesellschaft, wenn ihm ein Verschulden an der Verletzung jener abgabenrechtlichen Pflichten, die die Schätzung begründet hat, zugerechnet werden kann (insbesondere Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Gründen des § 184 Abs 2 und 3 BAO). Das Unterlassen der Vorlage von Grundaufzeichnungen begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits die Schätzungsberechtigung (vgl. zB ). Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind – wenn der Haftungsinanspruchnahme ein Bindungswirkung auslösender Bescheid an die Gesellschaft vorangegangen ist – in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl. ).
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Abgabenbescheide haben im Spruch den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu enthalten (§ 198 Abs 2 BAO). Bezieht sich die Angabe der Fälligkeit nicht auf die gesamte festgesetzte Abgabe, sondern nur auf einen Teil (zB Nachforderung gegenüber einem Vorauszahlungsbescheid), so ist außer dem Zeitpunkt auch der Betrag zu nennen, auf den er sich bezieht; dieser Betrag (Höhe der Nachforderung) ist Spruchbestandteil (Ritz, BAO6, §198 Tz 12; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 198 Anm 20). Gemäß § 210 Abs 1 BAO werden Abgaben – unbeschadet besonderer Regelungen – mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig (zB für Einkommensteuerabschlusszahlungen nach § 46 EStG, wobei die Bestimmung auch für die Körperschaftsteuer gilt). Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit ().
Gemäß § 21 Abs 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung (Steuererklärung) einzureichen. Eine sich ergebende Vorauszahlung ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Somit wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung zur Umsatzsteuer (Jahresumsatzsteuerbescheid) keine von § 21 Abs. 1 und 3 UStG abweichende Fälligkeit begründet. Das bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuernachzahlung für die Fälligkeit relevant ist, sondern die entsprechende gesetzliche Bestimmung, die besagt, dass sich im Fall rückständiger Vorauszahlungen der 15. des auf den betreffenden Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates als Fälligkeitstag ergibt. Gemäß § 79 Abs 1 EStG ist die Lohnsteuer spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats abzuführen. Ebenso bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Kalendermonats ist der Dienstgeberbeitrag (§ 43 Abs 1 FLAG) und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 WKG iVm § 43 FLAG) zu entrichten. Der Dienstgeberbeitrag ist gem § 41 Abs 3 FLAG von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen ().
Unabhängig von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ist die Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr von Umsatzsteuern, Lohnabgaben oder Kapitalertragsteuer jedenfalls schuldhaft, weil es sich dabei um solche Abgaben handelt, deren Entrichtung bzw Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war ( ).
Bereits aus der Überschrift zu § 1 IO ist ersichtlich, dass sowohl ein Konkurs- als auch ein Sanierungsverfahren ein Insolvenzverfahren ist. Gemäß § 74 Abs 1 IO ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein Edikt öffentlich bekanntzumachen, wobei das Verfahren ausdrücklich entweder als Konkursverfahren oder als Sanierungsverfahren zu bezeichnen ist. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom Datum1 zur Geschäftszahl GZ wurde das Konkursverfahren über die Primärschuldnerin eröffnet und mit Beschluss vom Datum5 der Konkurs aufgehoben. Gemäß § 2 IO treten die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgt. Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Somit konnte der Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt keine Zahlungen für die Primärschuldner mehr vornehmen. Für Abgaben, die nach diesem Zeitpunkt fällig wurden, kann der Vertreter nicht zur Haftung herangezogen werden. Der Beschwerde war daher aus diesem Grund zu Folgen und der Haftungsbetrag wie folgt zu reduzieren:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Haftungsbetrag |
U | 10/2015 | 24.012,06 |
U | 2016 | 541,00 |
ST | 2015 | 188,50 |
SZC | 2015 | 54,23 |
U | 2015 | 2.732,99 |
27.528,78 |
Abgabenrückstand bei Übernahme der Geschäftsführerfunktion:
Den GmbH-Geschäftsführer trifft die Verpflichtung gemäß § 80 Abs. 1 BAO nur für jenen Zeitraum, in dem er die Vertreterstellung innehat. Nur in diesem Zeitraum kann er eine haftungsrelevante Pflichtverletzung begehen (UFS Wien , RV/3058-W/09). Trifft den Vertreter keine Verpflichtung zur Abfuhr der Abgaben, weil er im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben (noch) nicht Vertreter war, kann ihm grundsätzlich nicht angelastet werden, diese Abgabenschuldigkeiten bei Fälligkeit nicht abgeführt zu haben.
Wurden der Primärschuldnerin die Abgaben jedoch zu einem Zeitpunkt bescheidmäßig (etwa mittels Haftungsbescheid) vorgeschrieben, in dem der Beschwerdeführer bereits Vertreter war, wäre er verpflichtet gewesen, der Abgabenentrichtungspflicht nachzukommen, dies jedoch im Rahmen der Gleichbehandlung aller Gläubiger zum bekanntgegebenen oder sich aus der Vorschreibung ergebenden Termin (vgl ).
Die Haftung besteht nicht nur für Abgaben, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt. Sie besteht auch für die noch offenen Abgabenschuldigkeiten aus davorliegenden Zeiträumen, weil die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten erst mit deren Abstattung endet (). Die GesmbH bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der GesmbH verhalten (vgl. etwa , bis 0007, und ). Der Geschäftsführer hat sich demnach darüber zu unterrichten, welchen Stand das Abgabenkonto der Gesellschaft im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführerfunktion hat, und die Pflicht, die Beträge eines allfälligen Rückstandes, wie er am Abgabenkonto ausgewiesen (verbucht) ist, zu entrichten ( ).
Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/16/0101, darf die zumutbare Prüfungspflicht nicht dahingehend überspannt werden, dass der neu eingesetzte Geschäftsführer nicht nur zu prüfen hat, ob und inwieweit Rückstände an sich bestünden (wie es von der Rechtsprechung gefordert wird), sondern auch, ob die Buchhaltung tatsächlich korrekt und den gesetzlichen Vorschriften entsprechend geführt worden sei. Gibt es keine Hinweise, aus denen der Geschäftsführer schließen könnte, dass die Steuererklärungen oder (bei Selbstbemessungsabgaben) die Selbstberechnungen der zu entrichtenden Abgaben unrichtig gewesen seien, hat ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Geschäftsführerfunktion nicht auch noch die Pflicht, (etwa innerhalb des Verjährungszeitraumes) die gesamte Buchhaltung und das gesamte Rechenwerk sowie die Aufzeichnungen nachzuprüfen (zB ; ).
Der Beschwerdeführer hat am Datum4 die Geschäftsführungsfunktion wieder übernommen. Aus einer Übersicht des Abgabenkontos der Primärschuldnerin geht hervor, dass mit Buchungstag Datum4 € 35.657,63 an Abgabenrückständen offen waren. Dabei handelt es sich um folgende Abgaben, die bereits zum Datum4 fällig waren:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeitstag | Betrag |
U | 2013 | 461,72 | |
L | 03/15 | 1.843,65 | |
DB | 03/15 | 541,16 | |
DZ | 03/15 | 48,10 | |
U | 02/15 | 7.393,86 | |
U | 2011 | 470,14 | |
K | 04-06/2015 | 437,00 | |
U | 03/15 | 6.436,57 | |
L | 04/15 | 1.843,65 | |
DB | 04/15 | 541,16 | |
DZ | 04/15 | 48,10 | |
SZA | 2015 | 62,29 | |
U | 04/15 | 1.337,17 | |
L | 05/15 | 1.843,65 | |
DB | 05/15 | 541,16 | |
DZ | 05/15 | 48,10 | |
L | 06/15 | 2.240,18 | |
DB | 06/15 | 1.080,30 | |
DZ | 06/15 | 96,03 | |
U | 05/15 | 210,24 | |
K | 07-09/2015 | 437,00 | |
U | 06/15 | 5.097,18 | |
L | 07/15 | 1.843,65 | |
DB | 07/15 | 541,16 | |
DZ | 07/15 | 48,10 | |
SZB | 2015 | 64,37 | |
SZA | 2015 | 101,94 | |
35.657,63 |
Am wurden am Abgabenkonto der Primärschuldnerin zwei Zahlungseingänge in Höhe von jeweils € 2.432,91 verbucht. Am wurden am Abgabenkonto der Primärschuldnerin eine Pfändungsgebühr verbucht, was darauf schließen lässt, dass an diesem Tag eine Maßnahme durch die belangte Behörde gesetzt werden sollte, die auf die Einbringung der offenen Abgabenschulden gerichtet war. Am stellte die Primärschuldnerin einen Antrag um Ratenzahlung mit einer Ratenhöhe von maximal € 4.000. Dieses Ansuchen wurde mit Bescheid vom bewilligt. Der Bescheid über die Bewilligung der Zahlungserleichterung vom beziffert den Rückstand mit € 46.775,36. Die lohnabhängigen Abgaben für den Zeitraum September 2015, die am fällig gewesen wären - somit nach Stellung des Ratenansuchens - sind im Rückstand nicht erfasst, weil diese Abgaben erst im November (nach)gemeldet wurden. Von den haftungsgegenständlichen Abgaben ist jedoch die Umsatzsteuer 8/2015 (€ 6.448,73) erfasst.
Gemäß § 212 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Bereits die Einbringung eines solchen Antrages bewirkt, dass Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden dürfen (§ 230 Abs 5 BAO) und dass für die Dauer des Zahlungsaufschubes keine Säumniszuschläge anfallen (§ 217 Abs 4 BAO).
Wenn für eine später uneinbringlich gewordene Abgabe vor deren Fälligkeit tatsächlich zu Recht eine Zahlungserleichterung in Anspruch genommen wurde, mag dies allenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO ausschließen. Voraussetzung für die Bewilligung einer Zahlungserleichterung ist ein Antrag (der vorliegt) und es darf keine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub vorliegen. Diesbezügliches Vorbringen ist im Schreiben vom nicht enthalten. Bleiben Abgaben unbezahlt, weil ihre Bezahlung trotz gefährdeter Einbringlichkeit im Wege einer Zahlungserleichterung hinausgeschoben werden konnte, dann hat der Geschäftsführer, der eine solche Gefährdung in Abrede stellte, ein Verschulden am Abgabenausfall zu verantworten (vgl. ). Anhaltspunkte dahingehend, dass die Zahlungserleichterung ungerechtfertigt erwirkt wurde, wurden vom Finanzamt nicht vorgebracht. Es wurde lediglich dargetan, dass die sofortige bzw. die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden gewesen wäre (verzögerte Kundenzahlungen, Ausfall eines Großkunden) und dem Ansuchen wurde von der belangten Behörde stattgegeben.
Wird jedoch vor Konkurseröffnung ein in der Zahlungserleichterung vorgesehener Zahlungstermin nicht eingehalten oder einer in den Bewilligungsbescheid aufgenommenen Bedingung nicht entsprochen, tritt Terminverlust ein, wodurch die Zahlungserleichterung erlischt; damit liegt es am Vertreter nachzuweisen, dass er bei Fälligkeit der Abgaben durch Stellung des Ratenansuchens die Abgabenbehörde nicht schlechter gestellt hat als andere Gläubiger und er hat diesen Nachweis auch für den Zeitpunkt des Eintritts des Terminverlustes zu erbringen ().
Ein nach Eintritt der Fälligkeit von Abgaben eingebrachtes Ratenansuchen ändert nichts daran, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung vorliegt (). Damit steht auch eine zeitlich später erfolgte Genehmigung von Ratenzahlungen der Annahme, dass die Entrichtung bei Eintritt der Fälligkeit auf Grund schuldhaften Pflichtverletzung unterblieben ist, nicht entgegen (). Der Tag, an dem die Abgabenschuldigkeiten fällig geworden sind, bleibt durch die spätere Bewilligung von Zahlungserleichterungen (Stundung oder Ratenzahlung) unberührt. Durch Bewilligungen von Zahlungserleichterungen wird lediglich der Zeitpunkt der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben hinausgeschoben.
Mit Beschluss vom wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben, darzulegen, warum seiner Ansicht nach für diese Abgabenschulden, die bei der neuerlichen Übernahme der Geschäftsführertätigkeit bestanden haben, keine Haftung bestehen soll bzw. wurde um Bekanntgabe von Differenzquoten ersucht. Mit E-Mail vom wurde lediglich bekannt gegeben, dass die Masseverwalterin, die noch über Geschäftsunterlagen verfügen soll, auf Urlaub wäre.
Einem E-Mail kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Eigenschaft eines Anbringens nicht zu (vgl. ). Das E-Mail kann auch deshalb nicht als Anbringen zur Fristverlängerung angesehen werden, weil nicht einmal angeführt ist, bis wann eine solche Frist verlängert werden soll. Abgesehen davon wurden im Anschluss an das E-Mail vom vom Beschwerdeführer bzw. seinem Vertreter keine weiteren Unterlagen mehr vorgelegt.
In der Beschwerde vom wird angeführt, dass die Primärschuldnerin "aufgrund ihrer Zahlungsunfähigkeit ab Oktober 2015" die Zahlungen komplett eingestellt hat. Einerseits wurde weder nachgewiesen noch bekannt gegeben, ab welchem exakten Zeitpunkt die Zahlungen komplett eingestellt wurden. Andererseits ist daraus der Rückschluss zu ziehen, dass es davor schon zu Zahlungen an Gläubiger gekommen ist. Unklar bleibt, ob sämtliche Gläubiger gleich behandelt wurden.
Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens zur Gläubigergleichbehandlung nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze ( mwN).
Ausmaß der Haftung:
Die Haftung des § 9 BAO ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen, ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar ().
Gemäß § 4 Abs 2 Z 3 BAO entsteht der Abgabenanspruch im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte. Der Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber ist im Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns vorzunehmen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, hat die Konkursordnung Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO (z.B. 90/14/0038). In seinem Erkenntnis , (bestätigt durch 2006/13/0071) hat der Unabhängige Finanzsenat darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf § 50 KO, wonach die Insolvenzforderungen nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu befriedigen sind, die Zahlung(en) des Masseverwalters anlässlich der Verteilung der Konkursmasse anteilig auf die eine Konkursforderung darstellenden Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen wären. Diese Aussage hat auch für das Verhältnis zwischen § 50 IO und § 214 BAO Geltung (zB ).
In einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung geltend gemacht wird, wird die Identität der Sache durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend ist (zB § 9 BAO). Im angefochtenen Bescheid wurden Abgabenschuldigkeiten in voller Höhe - also ohne Reduktion um die Quote von 23,7629 % - in Ansatz gebracht. Bezüglich des die Quote umfassenden Betrages liegt aber keine Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin vor, da es eben durch die Zahlungen im Sanierungsverfahren zu einer anteiligen Befriedigung aus der Masse gekommen war. Die Verrechnung der Quotenzahlungen durch die belangte Behörde mit Abgabenschuldigkeiten, die nicht zum Gegenstand des angefochtenen Bescheides gemacht wurden, obwohl es sich um Insolvenzverbindlichkeiten gehandelt hat und insofern der Beschwerdeführer insgesamt "nur" in einem niedrigeren Ausmaß zur Haftung herangezogen wurde, bedeutet nicht, dass der Haftende auf Grund einer solchen Verrechnung für die anderen (übrigen) Abgabenschuldigkeiten in voller Höhe zur Haftung herangezogen werden könnte.
Somit ist eine mögliche Haftung in folgendem Ausmaß einzuschränken:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgaben-art | Zeitraum | Fälligkeitstag | Abgaben-schuld | abzügl Quote | max. Haftungs-betrag | tatsächlicher Haftungsbetrag | Einschränkung | Ergebnis BFG |
U | 03/15 | 6.436,57 | 1.529,52 | 4.907,05 | 2.361,42 | - | 2.361,42 | |
U | 04/15 | 1.337,17 | 317,75 | 1.019,42 | 1.337,17 | 317,75 | 1.019,42 | |
U | 05/15 | 210,24 | 49,96 | 160,28 | 210,24 | 49,96 | 160,28 | |
U | 06/15 | 5.097,18 | 1.211,24 | 3.885,94 | 5.097,18 | 1.211,24 | 3.885,94 | |
U | 07/15 | 8.378,32 | 1.990,93 | 6.387,39 | 8.378,32 | 1.990,93 | 6.387,39 | |
U | 08/15 | 6.448,73 | 1.532,41 | 4.916,32 | 6.448,73 | 1.532,41 | 4.916,32 | |
U | 09/15 | 4.848,13 | 1.152,06 | 3.696,07 | 4.848,13 | 1.152,06 | 3.696,07 | |
L | 04/15 | 1.843,65 | 438,10 | 1.405,55 | 1.843,65 | 438,10 | 1.405,55 | |
L | 05/15 | 1.843,65 | 438,10 | 1.405,55 | 1.843,65 | 438,10 | 1.405,55 | |
L | 06/15 | 2.240,18 | 532,33 | 1.707,85 | 2.240,18 | 532,33 | 1.707,85 | |
L | 07/15 | 1.843,65 | 438,10 | 1.405,55 | 1.843,65 | 438,10 | 1.405,55 | |
L | 09/15 | 2.228,21 | 529,49 | 1.698,72 | 2.228,21 | 529,49 | 1.698,72 | |
K | 2014 | 1,00 | 0,24 | 0,76 | 1,00 | 0,24 | 0,76 | |
K | 04-06/2015 | 437,00 | 103,84 | 333,16 | 437,00 | 103,84 | 333,16 | |
K | 07-09/2015 | 437,00 | 103,84 | 333,16 | 437,00 | 103,84 | 333,16 | |
K | 10-12/2015 | 439,00 | 104,32 | 334,68 | 439,00 | 104,32 | 334,68 | |
DB | 04/15 | 541,16 | 128,60 | 412,56 | 541,16 | 128,60 | 412,56 | |
DB | 05/15 | 541,16 | 128,60 | 412,56 | 541,16 | 128,60 | 412,56 | |
DB | 06/15 | 1.080,30 | 256,71 | 823,59 | 1.080,30 | 256,71 | 823,59 | |
DB | 07/15 | 541,16 | 128,60 | 412,56 | 541,16 | 128,60 | 412,56 | |
DZ | 04/15 | 48,10 | 11,43 | 36,67 | 48,10 | 11,43 | 36,67 | |
DZ | 05/15 | 48,10 | 11,43 | 36,67 | 48,10 | 11,43 | 36,67 | |
DZ | 06/15 | 96,03 | 22,82 | 73,21 | 96,03 | 22,82 | 73,21 | |
DZ | 07/15 | 48,10 | 11,43 | 36,67 | 48,10 | 11,43 | 36,67 | |
EG | 2015 | 390,04 | 92,68 | 297,36 | 390,04 | 92,68 | 297,36 | |
BAL | 2015 | 1,00 | 0,24 | 0,76 | 1,00 | 0,24 | 0,76 | |
47.404,83 | 43.329,68 | 9.735,25 | 33.594,43 |
Dem Haftungspflichtigen muss von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (). Der zur Haftung Herangezogene muss jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können. Vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkte nach Abgabenarten und Zeiträumen sind die Abgabenansprüche aufgeschlüsselt auszuweisen. Erst auf der Basis einer entsprechenden Aufgliederung werden sie dem Haftungspflichtigen auf geeignete Weise zur Kenntnis gebracht (vgl. oder -G/05; ). Mangels Aufgliederung auf die einzelnen Voranmeldungszeiträume durch die Abgabenbehörde kann der Beschwerdeführer dafür keinen Gleichbehandlungsnachweis erbringen. Solche Abgaben sind aus dem Haftungsbescheid auszuscheiden (vgl. ).
Die belangte Behörde hat in Ihrer Antwort vom mitgeteilt, dass sich die Summe der Säumniszuschläge (SZA), die am Haftungsbescheid angeführt ist, aus den ersten Säumniszuschlägen für UVA 3/2015 in Höhe von € 128,73, UVA 6/2015 in Höhe von € 101,94 und UVA 7/2015 in Höhe von € 167,57 zusammensetzt und dass Säumniszuschläge in Höhe von € 101,94 am und in Höhe von € 128,73 am entrichtet wurden.
Der am Haftungsbescheid angeführte erste Säumniszuschlag (SZA) 2015 in Höhe von € 358,83 war daher auszuscheiden. Darüber hinaus wurde ein Teil dieses Betrages durch die Primärschuldnerin bereits entrichtet, wie die belangte Behörde in Ihrer Stellungnahme mitgeteilt hatte.
Abgabenbescheid – Beschwerde:
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten.
Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid (nach § 82 EStG hinsichtlich der Lohnsteuer oder nach § 95 EStG hinsichtlich der Kapitalertragsteuer) vorangegangen ist (). Auf die "Fälligstellung" durch solche Bescheide kommt es nicht an, weil die in Rede stehende Steuer als Selbstbemessungsabgabe von der Primärschuldnerin gemäß § 79 EStG (für die Lohnsteuer) und gemäß § 96 EStG (für die Kapitalertragsteuer) nicht erst im Jahr der bescheidmäßigen Festsetzung einzubehalten und abzuführen gewesen wäre. Wurde bei Selbstbemessungsangaben noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO erlassen, so ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch (seine Höhe) abzusprechen ().
Kausalität:
Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat (). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (). Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ).
In der Bekanntgabe des Vertreters des Beschwerdeführers, die per E-Mail beim Bundesfinanzgericht einlangte, gab er bekannt, dass im Zeitpunkt der Konkursaufhebung, somit am Datum6, das gesamte Vermögen der Primärschuldnerin verwertet war und nach Konkursaufhebung die Primärschuldnerin nicht mehr aktiv war, sondern aus dem Firmenbuch gelöscht werden sollte, was sich jedoch mangels Unbedenklichkeitsbescheinigung einige Zeit hinzog. Das Beweisverfahren wird vor allem beherrscht vom Grundsatz der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel (§ 166 BAO) sowie vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO). Insofern sind auch die Angaben, die mittels E-Mail gemacht wurden, beachtlich und zu würdigen.
Wenn nun kein Vermögen mehr vorhanden war und es demnach auch keine liquiden Mittel gab, kann die belangte Behörde als Abgabengläubigerin auch nicht schlechter gestellt sein als andere mögliche Gläubiger. Somit ist hinsichtlich nachfolgender Abgaben, die nach Konkursaufhebung fällig wurden, kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu erblicken. Der Beschwerde war daher im nachfolgenden Ausmaß Folge zu geben:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Keine Ungleichbehandlung (nach Konkursaufhebung) | ||
K | 01-03/2018 | 437,00 |
K | 04-06/2018 | 437,00 |
K | 07-09/2018 | 437,00 |
1.311,00 |
Abgesehen davon ist in den KStR 2013, Rz 1558 folgendes festgehalten: "Die Mindestkörperschaftsteuerpflicht besteht auch nach Insolvenzeröffnung weiter (). Im Rahmen der Abwicklung durch den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren endet die Mindestkörperschaftsteuerpflicht mit der vollständigen Abwicklung der Insolvenz (Verteilung des Massevermögens)."
Lohnsteuer und Gleichbehandlungsgrundsatz:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs 1 BAO darstellt (zB Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 78 Anm 19). Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden und unterliegt bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot. Somit trifft den Vertreter nach § 80 BAO die Verpflichtung, die Lohnsteuer einerseits einzubehalten und andererseits - ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten und des Gleichbehandlungsgebotes - zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstag abzuführen (zB ). Eine Begrenzung der Haftung in Höhe des sogenannten Quotenschadens kommt diesbezüglich nicht in Betracht ().
Die Lohnsteuerbeträge für den Lohnzahlungszeitraum 09/2015, die mit € 2.228,21 gemeldet wurden, waren am fällig. Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt der einzige Geschäftsführer. Ein Teil dieser Abgabenschuld wurde durch die Quotenzahlung entrichtet. Darüber hinaus ist diese Abgabenforderung vom Ratenansuchen, das hinsichtlich des Fälligkeitstages als zeitgerecht anzusehen ist, erfasst. Die übrigen im Haftungsbescheid angeführten Lohnsteuerforderungen stammen aus Zeiträumen, zu denen der Beschwerdeführer nicht Geschäftsführer war.
Nebenansprüche:
Die persönliche Haftung des Geschäftsführers erstreckt sich gemäß § 7 Abs 2 BAO auch auf Nebenansprüche iSd § 3 Abs 1 und 2 BAO. Stundungszinsen, Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge zählen gemäß § 3 Abs 2 lit d BAO zu den Nebengebühren und sind somit Teil der Nebenansprüche (; zu Säumniszuschläge wegen Nichtentrichtung haftungsgegenständlicher Beträge an Umsatzsteuer und Lohnsteuer). Trifft einen Steuerpflichtigen somit die Haftung für die Nichtentrichtung zB der Umsatzsteuer-Vorauszahlung, so haftet er auch für den zugehörigen Säumniszuschlag (). Für den Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob die Primärschuldnerin die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich auch bei Nebenansprüchen danach, wann die Abgaben zu entrichten gewesen wären.
Stundungszinsen stellen einen eigenständigen Nebenanspruch dar, der gemäß §§ 3, 4 und 212 Abs 2 BAO laufend mit der Stundung entsteht. Es mag zwar zutreffen, dass die Stundungszinsen - wie die Abgabenbehörde betont - zu Recht bestehen, zumal der Stundungszinsenbescheid vom , der als Fälligkeitstag den nennt, in Rechtskraft erwachsen ist und im Haftungsverfahren bei Vorliegen eines Abgabenbescheides eine Bindungswirkung besteht. Allerdings wurde der Primärschuldnerin seit eine Masseverwalterin beigegeben. Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse - soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Schuldners iSd § 80 BAO (vgl zB ; Knechtl/Mitterlehner/Panholzer, Die Kapitalgesellschaft in der Steuererklärung 2018, 30; Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 84 Rz 47). Insofern kann den Beschwerdeführer keine Pflichtverletzung an der Nichtentrichtung von Nebenansprüchen treffen, wenn er über das Vermögen der Primärschuldnerin gar nicht verfügen darf.
Ermessen:
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles.
Im gegenständlichen Beschwerdefall hat das Finanzamt den angefochtenen Bescheid ohne vorhergehendes Vorhalteverfahren erlassen, wodurch dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen wurde, darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei. Dadurch ist der Einwand der Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf § 115 Abs 2 BAO berechtigt (vgl. auch Abschn. .1 Organisationshandbuch der Finanzverwaltung [siehe ], wonach das vor Bescheiderlassung durchzuführende Vorhalteverfahren auch zur Wahrung des Parteiengehörs dient), jedoch können Mängel des abgabenbehördlichen Haftungsverfahrens nachträglich behoben werden. In diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer auch angedeutet, dass er zu einer Bereinigung der Angelegenheit mittels Abschlagszahlung durchaus bereit gewesen wäre, wenn ihm von der belangten Behörde Parteiengehör gewährt worden wäre. Der Haftungsbetrag war daher im Ermessenswege um € 3.594,43 auf € 30.000,-- herabzusetzen.
Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Ergebnis:
Im Ergebnis besteht die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer in folgendem Ausmaß zu Recht:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Haftungsbescheid (angefochtener Bescheid) | 72.528,29 |
abzüglich Abgaben mit Fälligkeit nach Insolvenzeröffnung | - 27.528,78 |
abzüglich nicht aufgeschlüsselter Abgaben | - 358,83 |
abzüglich Körperschaftsteuervorauszahlung nach Insolvenzbeendigung | - 1.311,00 |
Zwischensumme | 43.329,68 |
abzüglich Quotenzahlung (Insolvenzverfahren) | - 9.735,25 |
Zwischensumme | 33.594,43 |
abzüglich Ermessen (ca. 11 %) | - 3.594,43 |
Endsumme | 30.000,00 |
Dieser Betrag setzt sich aus folgenden Abgaben zusammen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Betrag |
U (Umsatzsteuer) | 03/15 | 2.361,42 |
U | 04/15 | 1.019,42 |
U | 05/15 | 160,28 |
U | 06/15 | 3.885,94 |
U | 07/15 | 6.387,39 |
U | 08/15 | 4.916,32 |
U | 09/15 | 3.696,07 |
L (Lohnsteuer) | 04/15 | 1.405,55 |
L | 05/15 | 1.405,55 |
L | 06/15 | 1.707,85 |
L | 07/15 | 1.405,55 |
L | 09/15 | 1.698,72 |
K (Körperschaftsteuer) | 2014 | 0,76 |
K | 04-06/2015 | 333,16 |
K | 07-09/2015 | 333,16 |
K | 10-12/2015 | 334,68 |
DB (Dienstgeberbeitrag) | 04/15 | 412,56 |
DB | 05/15 | 412,56 |
DB | 06/15 | 823,59 |
DB | 07/15 | 412,56 |
DZ (Dienstgeberzuschlag) | 04/15 | 36,67 |
DZ | 05/15 | 36,67 |
DZ | 06/15 | 73,21 |
DZ | 07/15 | 36,67 |
EG (Pfändungsgebühr) | 2015 | 297,36 |
BAL (Barauslagenersatz) | 2015 | 0,76 |
33.594,43 | ||
minus Ermessen | -3.594,43 | |
Ergebnis | 30.000,00 |
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösenden Rechtsfrage an den zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu angeführten Literatur. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme zur Haftung sind durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Es liegt hier keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Zulässigkeit einer Revision zu verneinen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102605.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at