Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.01.2020, RV/3100050/2020

Exekutivdienstliche Grundausbildung: Laut VwGH handelt es sich nicht um Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967, sondern bereits um Berufsausübung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache A, Adr , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Innsbruck vom , SV-Nr, betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Dezember 2018 bis Dezember 2020 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang:

Nach Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches der Frau A (= Beschwerdeführerin, Bf) in den Jahren 2015 und 2017 ua. für deren Tochter B, geb. Jänner 1997, die sich dazumal in Lehrlingsausbildung befunden hat und lt. vorgelegten Unterlagen der Wirtschaftskammer zur Lehrabschlussprüfung am zugelassen worden war, hat die Bf mit Eingabe vom die Zuerkennung der Familienbeihilfe (FB) für die Tochter begehrt und als Grund "Ausbildung Schule", voraussichtliches Ende im Dezember 2020, angeführt.

Vorgelegt wurde ein zwischen der Landespolizeidirektion X und der Tochter abgeschlossener "Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung" mit Beginn ab , befristet auf 24 Monate.
Laut Vertrag ist die Tochter Vertragsbedienstete des Bundes im Ausmaß der "Vollbeschäftigung". Die Grundausbildung beinhaltet Präsenzausbildungen in einem Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive und wird durch Praktika auf Polizeidienststellen ergänzt. Sie ist bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) als Angestellte sozialversichert. Es gebührt ein Entgelt in Höhe des Gehaltes einer Beamtin des Exekutivdienstes der Verwendungsgruppe E2c, Gehaltsstufe 1. Die Bestimmungen hinsichtlich Sonderzahlung sind anzuwenden. Ab dem 13. Monat gebühren überdies die für Beamte der Verwendungsgruppe E2c exekutivspezifischen Zulagen und Nebengebühren.

Zufolge im Akt erliegender Abfrage der Sozialversicherungsdaten der Tochter ist diese ab laufend als Angestellte beim Dienstgeber Landespolizeidirektion X beschäftigt.

Der FB-Antrag der Bf wurde mit Bescheid vom , SV-Nr, für den Zeitraum Dezember 2018 bis Dezember 2020 abgewiesen. Nach Darlegung der Anspruchsgrundlagen nach § 2 Abs 1 lit b - e FLAG 1967, darunter "Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung", verweist das Finanzamt begründend auf das VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, demnach es sich bei der Polizeigrundausbildung um keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 handle.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird eingewendet, das angeführte VwGH-Erkenntnis beziehe sich darauf, dass es sich bei der "Dienstzeit zwischen der Basis- und der Ergänzungsausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich" um keine Berufsausbildung handle und deshalb keine Familienbeihilfe zustehe. Die Tochter der Bf sei dagegen in einer durchgehenden 2-jährigen exekutiven Polizeigrundausbildung ohne Unterbrechung, weshalb diese eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstelle. Das Bundesfinanzgericht habe in der Entscheidung vom , RV/5100538/2014, klargestellt, dass Polizeischülern in Vollausbildung zum Exekutivdienst während der 2-jährigen Ausbildung die FB zustehe.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung begründete das Finanzamt – nach Darstellung der Rechtslage zur Frage, was als "Berufsausbildung" iSd FLAG 1967 anzusehen ist – dahin, dass das VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, zwar den Zeitraum betreffe, in der nach der ersten Ausbildungsphase der Dienst als Grenzpolizist ausgeübt werde. Zugleich qualifiziere jedoch der VwGH die gesamte Grundausbildung oder Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten als Berufsausübung und nicht als Berufsausbildung. Die konkrete Ausbildungsart (ob Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung) sei daher unerheblich. Mangels Berufsausbildung lägen die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 nicht vor und bestehe kein Anspruch auf FB.

Im Vorlageantrag wird im Wesentlichen vorgebracht, der VwGH habe tatsächlich nicht generell verneint, dass die Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten eine Berufsausbildung darstelle, sondern hätten sich dessen Erwägungen nur auf die aufrechte dienstliche Tätigkeit als Grenzpolizist, nicht aber auf die hier konkrete Konstellation bezogen. Es liege ein erheblicher Verfahrensmangel vor, da keine Erhebungen oder Feststellungen zum Ausbildungsverhältnis der Tochter der Bf getroffen worden wären. Laut BFG-Erkenntnis vom , RV/5100538/2014, handle es sich bei der Grundausbildung zum Exekutivdienst um ein "anerkanntes Lehrverhältnis" gem. § 5 Abs. 1 lit b FLAG 1967 und daher um Berufsausbildung. Die Versagung der FB stelle ein Abgehen von der bisherigen Rechtsmeinung sowie der Rechtsprechung dar und bedeute eine gleichheitswidrige Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die sachlich nicht gerechtfertigt sei.

Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde und den Verwaltungsakt zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung. 

2. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Die volljährige Tochter der Bf, die im Jänner 2018 das 21. Lebensjahr vollendet hat, steht seit in einem Dienstverhältnis zum Bund und wird im Rahmen der 24monatigen Grundausbildung laut Sondervertrag an einem Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive (Polizeischule) sowie auch praktisch auf Polizeidienststellen im Ausmaß der Vollbeschäftigung exekutivdienstlich ausgebildet.
Dies ergibt sich unbestritten aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes.

3. Rechtslage:

Nach § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
lit b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

4. Erwägungen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Tochter der Bf durch die im Rahmen ihres Dienstverhältnisses zu absolvierende exekutivdienstliche Grundausbildung in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 gestanden ist und damit eine der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe vorliegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird ( , , ).
Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung ( ).
Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis  , ausgesprochen.
Wie sich auch aus § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf ( ; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ).

Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag (vgl  ). 
Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Absolvierung eines Unterrichtspraktikums auch ausgesprochen, dass dieses als typischer Fall einer Einschulung am Arbeitsplatz keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt ( ).

Im gegenständlichen Fall steht die Tochter der Beschwerdeführerin jedoch beginnend mit in einem Dienstverhältnis zum Bund, in dessen Rahmen sie eine arbeitsplatzspezifische Ausbildungsphase zu durchlaufen hat. Es kann also keine Rede davon sein, dass sie eine Ausbildung ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz absolviert, sondern waren/sind Bildungsschritte zu unternehmen, in deren Rahmen die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen erfolgt, die erforderlich sind, um (bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz) den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen (vgl § 2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildung für den Exekutivdienst im Bundesministerium für Inneres, BGBl II 153/2017 idgF).

In konsequenter Fortsetzung seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203 , auch ausgesprochen, dass die erfolgreiche Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete (in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund nach § 1 Abs. 1 VBG) keine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis zur Folge hat und dem öffentlich Bediensteten (lediglich) die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden soll (vgl. die zit. ErläutRV zu § 66 VBG), worin bereits die Ausübung eines Berufes  liegt (Rz. 16). 
Der Umstand, dass der öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nimmt dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufes (Rz. 17).

Aufgrund dieses aktuell geltenden höchstgerichtlichen Erkenntnisses ist das von der Bf im Beschwerdeverfahren mehrfach angezogene BFG-Erkenntnis vom , RV/5100538/2014, in dem vormals noch eine gegenteilige Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht wurde, als überholt zu betrachten.
In diesem Zusammenhalt wird beispielweise noch auf das BFG-Erkenntnis vom , RV/6100175/2018, verwiesen. Darin wird ua. festgehalten (unter Abschnitt D1), dass nach "bisheriger Rechtsansicht" des Bundesfinanzgerichtes (mit Verweis auf BFG-RSpr aus 2018) die Grundausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich als "Berufsausbildung" iSd FLAG 1967 qualifiziert worden sei. Im Weiteren wird dann zur nunmehrigen Rechtslage zufolge des oben dargestellten VwGH-Erkenntnisses Ra 2018/16/0203 ausgeführt und im Ergebnis die Beschwerde abgewiesen.

Nach der geltenden Rechtslage ist somit zweifelsfrei geklärt, dass auch die Tochter der Bf durch die Absolvierung der Grundausbildung in der Zeit ab nicht in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 steht, sondern bereits einen Beruf ausübt.

Nicht zutreffend ist, dass sich der Verwaltungsgerichtshof lediglich auf den Zeitraum der Unterbrechung der Ausbildung zum Zwecke der praktischen Verwendung, nämlich allein auf die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit als Grenzpolizist bezogen habe. Vielmehr waren laut dem zugrunde liegenden Sachverhalt die Zeiten der Grund- und der Ergänzungsausbildung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich gar nicht Gegenstand des dortigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Entgegen dem Dafürhalten des Bf, gegenständlicher Sachverhalt einer "durchgehenden 24monatigen exekutiven Polizeiausbildung" sei von der "unterbrochenen fremden- und grenzpolizeilichen Ausbildung" zu unterscheiden, insofern das obgenannte VwGH-Erkenntnis sozusagen hier wegen anders gelagerten Sachverhaltes nicht anwendbar wäre, handelt es sich aber bei den Ausführungen des VwGH in Rzn. 16 und 17 des Erkenntnisses um grundsätzliche und allgemeingültige Aussagen. Es ist nämlich nicht zu übersehen, dass der VwGH seine Aussagen unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der "Ausbildung" getroffen hat und ganz allgemein auf die "Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete" Bezug nimmt. Daraus ergibt sich für das BFG ganz klar, dass diese sich auf die gesamte Polizei-Ausbildung, nämlich Zeiten der Grundausbildung und sonstiger Ausbildungsphasen in jedweder Form beziehen, dies wohl auch im Hinblick auf deren zeitliche Abfolge (siehe dazu auch das abweisende Erkenntnis des , dem an Sachverhalt ebenso die "exekutivdienstliche Grundausbildung" wie in gegenständlichem Beschwerdefall zugrunde lag). Es erschiene dem BFG zudem wenig plausibel, teils zB durch dienstliche Tätigkeiten "unterbrochene" Ausbildungsphasen rechtlich anders zu beurteilen als solche, die "durchgehend" erfolgten. Insofern kann auch von einer "gleichheitswidrigen Auslegung" bzw. "sachlich nicht gerechtfertigten Handhabung" von gesetzlichen Bestimmungen keine Rede sein und wurde eine solche ganz offenkundig auch vom VwGH nicht erblickt, wenn er sich ganz generell auf die "Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete" bezieht.

Wenn die Bf vermeint, es fehlten Erhebungen oder Feststellungen zum Ausbildungsverhältnis der Tochter, weshalb ein erheblicher Verfahrensmangel vorliege, so ist dem zu entgegnen, dass ein solch allfälliger Mangel im Zuge des Beschwerdeverfahrens bzw. im Rahmen der Entscheidung durch das BFG sanierbar ist. Diesbezüglich wurde oben unter Punkt 2. ua. die Sachverhaltsfeststellung getroffen, dass die volljährige Tochter der Bf laut Sondervertrag seit die 2jährige exekutivdienstliche Grundausbildung (an einem Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive sowie praktisch auf Polizeidienststellen) absolviert, durch welchen Umstand sich allerdings an der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung in keinster Weise etwas ändert.

Mangels Vorliegens eines Anspruchsgrundes hat die Bf somit ab Dezember 2018 für die Dauer der exekutivdienstlichen 2jährigen Grundausbildung keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für die Tochter B, weshalb wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden war. 

5. Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat im vorliegenden Fall im Einklang mit der geltenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, weshalb durch das Bundesfinanzgericht keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Berufsausbildung
Berufsausübung
exekutivdienstliche Grundausbildung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100050.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at